Rechtssache T‑57/16

Chanel SAS

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum

„Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Nichtigkeitsverfahren – Eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das ein Ornament darstellt – Älteres Geschmacksmuster – Nichtigkeitsgrund – Fehlende Eigenart – Betroffenes Erzeugnis – Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers – Kein anderer Gesamteindruck – Art. 6 und Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 6/2002“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Vierte Kammer) vom 18. Juli 2017

  1. Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Beschwerdeverfahren – Klage beim Unionsrichter – Befugnisse des Gerichts – Anordnung an das Amt – Ausschluss

    (Verordnung Nr. 6/2002 des Rates, Art. 61 Abs. 3 und 6)

  2. Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Nichtigkeitsgründe – Fehlende Eigenart – Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck hervorruft als das ältere Geschmacksmuster – Beurteilungskriterien

    (Verordnung Nr. 6/2002 des Rates, Art. 6 und 25 Abs. 1 Buchst. b)

  3. Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Nichtigkeitsgründe – Fehlende Eigenart – Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck hervorruft als das ältere Geschmacksmuster – Beurteilungskriterien – Gestaltungsfreiheit des Entwerfers

    (Verordnung Nr. 6/2002 des Rates, Art. 6 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 1 Buchst. b)

  4. Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Nichtigkeitsgründe – Fehlende Eigenart – Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck hervorruft als das ältere Geschmacksmuster – Beurteilung – Als Verzierung eingetragenes streitiges Geschmacksmuster ohne Angabe der Erzeugnisse, bei denen dieses Geschmacksmuster verwendet werden soll – Folgen – Verpflichtung der Beschwerdekammer zur Identifizierung des Erzeugnisses, bei dem das angegriffene Geschmacksmuster verwendet werden soll – Fehlen

    (Verordnung Nr. 6/2002 des Rates, Art. 36 Abs. 2)

  5. Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Beschwerdeverfahren – Klage beim Unionsrichter – Befugnisse des Gerichts – Überprüfung der Tatsachen im Licht erstmals vor ihm vorgelegter Beweise – Ausschluss

    (Verordnung Nr. 6/2002 des Rates, Art. 61)

  6. Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Nichtigkeitsgründe – Fehlende Eigenart – Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck hervorruft als das ältere Geschmacksmuster – Berücksichtigung des Gesamteindrucks im Hinblick auf die Art und Weise der Verwendung des Erzeugnisses

    (Verordnung Nr. 6/2002 des Rates, Art. 6 Abs. 1 und Art. 25 Abs. 1 Buchst. b)

  7. Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Nichtigkeitsgründe – Fehlende Eigenart – Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck hervorruft als das ältere Geschmacksmuster – Darstellung eines Ornaments

    (Verordnung Nr. 6/2002 des Rates, Art. 6 und Art. 25 Abs. 1 Buchst. b)

  1.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 17)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 27, 28)

  3.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 29-32)

  4.  Zur Bestimmung des Erzeugnisses, in das das streitige Geschmacksmuster aufgenommen oder bei dem es verwendet werden soll, ist die sich auf dieses Erzeugnis beziehende Angabe in der Anmeldung dieses Geschmacksmusters zu berücksichtigen, daneben jedoch gegebenenfalls auch das Geschmacksmuster selbst, soweit es die Art, Bestimmung oder Funktion des Erzeugnisses näher beschreibt.

    Im vorliegenden Fall gibt das angegriffene Geschmacksmuster, als Verzierung der Klasse 32 des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle eingetragen, keinen Aufschluss über seine Bestimmung oder Funktion. Das Chanel-Monogramm ist außerdem für eine sehr große Zahl von Erzeugnissen eingetragen, das angegriffene Geschmacksmuster hingegen als Verzierung ohne jede Angabe der Erzeugnisse, bei denen es verwendet werden soll. Daraus folgt, dass es im vorliegenden Fall weder möglich war, den Sektor der Erzeugnisse zu bestimmen, in die das angegriffene Geschmacksmuster aufgenommen oder bei denen es verwendet werden sollte, noch, ihn mit dem des Chanel-Monogramms zu vergleichen.

    Somit hat die Beschwerdekammer zu Recht entschieden, dass es sich bei dem Erzeugnis, bei dem das angegriffene Geschmacksmuster verwendet werden sollte, um eine Verzierung handelt. Die Beschwerdekammer brauchte das Erzeugnis, bei dem diese Verzierung verwendet werden sollte, nicht zu identifizieren.

    (vgl. Rn. 41‑44)

  5.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 49)

  6.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 52)

  7.  Das angegriffene Geschmacksmuster, das auffallende Ähnlichkeiten mit dem Chanel-Monogramms aufweist, hat keine Eigenart im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Denn dieses Geschmacksmuster kann in gewissem Umfang als eine von der Idee des Chanel-Monogramms inspirierte Kreation wahrgenommen werden, zumal die Wahl des angegriffenen Geschmacksmusters von keinerlei Erwägungen bedingt war und sein Entwerfer dieses Muster nicht ausreichend vom Chanel-Monogramm unterschieden hat. Daher ist für die Beurteilung, ob die einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorrufen, davon auszugehen, dass der informierte Benutzer sie in ihrer Gesamtheit wahrnehmen wird. Auch wenn die beiden Geschmacksmuster in ihren mittleren Teilen Unterschiede aufweisen, die vom informierten Benutzer weniger wahrgenommen werden, als das angefochtene Geschmacksmuster um 90 Grad gedreht und in verschiedenen Größen verwendet werden kann, ist festzustellen, dass der Gesamteindruck nicht unterschiedlich ist, weil die äußeren Partien, die den Umriss der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster und den von ihnen hervorgerufenen Gesamteindruck in hohem Maße bestimmen, einander sehr ähnlich und fast identisch sind.

    In Anbetracht der Ähnlichkeiten der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster kann die große Gestaltungsfreiheit das Fehlen eines von diesen Mustern hervorgerufenen unterschiedlichen Gesamteindrucks nur verstärken. Bei dem angegriffenen Geschmacksmuster handelt es sich um eine Verzierung der Klasse 32 des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle und eine solche Verzierung kann bei einer breiten Palette von Erzeugnissen verwendet werden, was es beinahe unmöglich macht, ihre Verwendung im Vorhinein zu bestimmen. Folglich verstärkt dieser Umstand die Notwendigkeit einer genauen Prüfung der Gesamteindrücke, die die einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster hervorrufen.

    (vgl. Rn. 55, 56, 58, 59)