Rechtssache C‑677/16
Montero Mateos
gegen
Agencia Madrileña de Atención Social de la Consejería de Políticas Sociales y Familia de la Comunidad Autónoma de Madrid
(Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de lo Social no 33 de Madrid)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Richtlinie 1999/70/EG – EGB-UNICE‑CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Paragraf 4 – Diskriminierungsverbot – Begriff ‚Beschäftigungsbedingungen‘ – Vergleichbarkeit der Situationen – Rechtfertigung – Begriff ‚sachliche Gründe‘ – Entschädigung bei der Beendigung eines unbefristeten Arbeitsvertrags aus sachlichem Grund – Keine Entschädigung bei Auslaufen eines befristeten Arbeitsvertrags in Form eines Vertrags für eine Übergangszeit“
Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 5. Juni 2018
Sozialpolitik – EGB-UNICE‑CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Richtlinie 1999/70 – Beschäftigungsbedingungen – Begriff – Ausgleichszahlung, die aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an einen Arbeitnehmer zu zahlen ist – Einbeziehung
(Richtlinie 1999/70 des Rates, Anhang, Paragraf 4 Nr. 1)
Sozialpolitik – EGB-UNICE‑CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Richtlinie 1999/70 – Arbeitnehmer, die die gleiche oder eine ähnliche Arbeit verrichten – Begriff – Arbeitnehmer, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden – Beurteilungskriterien – Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen – Beurteilung durch das nationale Gericht
(Richtlinie 1999/70 des Rates, Anhang, Paragrafen 3 Nr. 2 und 4 Nr. 1)
Sozialpolitik – EGB-UNICE‑CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Richtlinie 1999/70 – Sachliche Gründe, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen – Begriff – Entschädigung bei der Beendigung eines unbefristeten Arbeitsvertrags aus sachlichem Grund – Keine Entschädigung bei Auslaufen eines befristeten Arbeitsvertrags in Form eines Vertrags für eine Übergangszeit – Zulässigkeit
(Richtlinie 1999/70 des Rates, Anhang, Paragrafen 3 Nr. 1 und 4 Nr. 1)
Zweitens ist zu klären, ob die Gewährung einer Entschädigung durch den Arbeitgeber wegen des Auslaufens eines Ersetzungsvertrags unter den Begriff „Beschäftigungsbedingungen“ im Sinne von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung fällt. Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass das entscheidende Kriterium dafür, ob eine Maßnahme unter diesen Begriff fällt, gerade das Kriterium der Beschäftigung ist, d. h. das zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber begründete Arbeitsverhältnis (Urteile vom 12. Dezember 2013, Carratù,C‑361/12, EU:C:2013:830, Rn. 35, und vom 13. März 2014, Nierodzik,C‑38/13, EU:C:2014:152, Rn. 25).
Der Gerichtshof hat daher u. a. Regeln für die Bestimmung der Frist für die Kündigung befristeter Arbeitsverträge unter diesen Begriff subsumiert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2014, Nierodzik,C‑38/13, EU:C:2014:152, Rn. 29).
Der Gerichtshof hat nämlich klargestellt, dass eine Auslegung von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung, wonach die Bedingungen für die Auflösung eines befristeten Arbeitsvertrags nicht unter diesen Begriff fielen, darauf hinausliefe, den Geltungsbereich des den befristet beschäftigten Arbeitnehmern gewährten Schutzes vor Diskriminierungen entgegen dem Ziel dieser Vorschrift einzuschränken (Urteil vom 13. März 2014, Nierodzik,C‑38/13, EU:C:2014:152, Rn. 27).
Diese Erwägungen lassen sich in vollem Umfang auf die Entschädigung übertragen, die dem Arbeitnehmer aufgrund der Auflösung des Arbeitsvertrags zwischen ihm und seinem Arbeitgeber zusteht, da eine solche Entschädigung aufgrund des zwischen ihnen entstandenen Arbeitsverhältnisses geleistet wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 2016, de Diego Porras,C‑596/14, EU:C:2016:683, Rn. 31).
Folglich fällt eine Entschädigung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende unter den Begriff „Beschäftigungsbedingungen“ im Sinne von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung.
(vgl. Rn. 44-48)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Rn. 51, 52)
Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung vom 18. März 1999 über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE‑CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist, ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, wonach Arbeitnehmern, die mit befristeten Arbeitsverträgen wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrag für eine Übergangszeit zur zeitweisen Besetzung einer Arbeitsstelle für die Dauer eines Auswahl- oder Beförderungsverfahrens zur dauerhaften Besetzung dieser Stelle eingestellt wurden, am Ende des Zeitraums, für den diese Verträge geschlossen wurden, keine Entschädigung zusteht, während Dauerbeschäftigte eine Entschädigung erhalten, wenn ihr Arbeitsvertrag aus einem sachlichen Grund beendet wird.
Aus der Definition des Begriffs „befristeter Arbeitsvertrag“ in Paragraf 3 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung ergibt sich nämlich, dass ein solcher Vertrag am Ende der darin vorgesehenen Frist keine Wirkungen für die Zukunft mehr entfaltet, wobei sein Ende durch die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe, das Erreichen eines bestimmten Datums oder – wie im vorliegenden Fall – das Eintreten eines bestimmten Ereignisses bestimmt werden kann. Somit ist den Parteien eines befristeten Arbeitsvertrags schon bei seinem Abschluss bekannt, wann oder mit welchem Ereignis er endet. Sein Ende begrenzt die Dauer des Arbeitsverhältnisses, ohne dass die Parteien ihrem dahin gehenden Willen nach Vertragsschluss noch Ausdruck verleihen müssten.
Die Auflösung eines unbefristeten Arbeitsvertrags auf Initiative des Arbeitgebers aus einem der in Art. 52 des Arbeitnehmerstatuts vorgesehenen Gründe beruht hingegen auf dem Eintritt von Umständen, die bei Vertragsschluss nicht vorhergesehen wurden und nun den normalen Ablauf des Arbeitsverhältnisses stören. Wie sich aus den oben in Rn. 58 wiedergegebenen Erläuterungen der spanischen Regierung ergibt und wie die Generalanwältin in Nr. 55 ihrer Schlussanträge hervorgehoben hat, verlangt Art. 53 Abs. 1 Buchst. b des Arbeitnehmerstatuts die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 20 Tagesentgelten pro Beschäftigungsjahr an den entlassenen Arbeitnehmer gerade deshalb, um die Unvorhersehbarkeit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus einem solchen Grund und damit die Enttäuschung der berechtigten Erwartungen auszugleichen, die der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt in Bezug auf die Stabilität des Arbeitsverhältnisses hegen durfte.
Im letztgenannten Fall sieht das spanische Recht keine Ungleichbehandlung von befristet beschäftigten Arbeitnehmern und vergleichbaren Dauerbeschäftigten vor, denn nach Art. 53 Abs. 1 Buchst. b des Arbeitnehmerstatuts beträgt die gesetzliche Entschädigung des Arbeitnehmers 20 Tagesentgelte pro Beschäftigungsjahr im Unternehmen, unabhängig davon, ob sein Arbeitsvertrag befristet oder unbefristet ist.
Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der spezielle Gegenstand der in Art. 53 Abs. 1 Buchst. b des Arbeitnehmerstatuts vorgesehenen Entschädigung sowie der besondere Kontext, in den sich die Zahlung dieser Entschädigung einfügt, einen sachlichen Grund darstellen, der die in Rede stehende Ungleichbehandlung rechtfertigt.
(vgl. Rn. 60-63, 65 und Tenor)