Rechtssache C‑384/16 P
European Union Copper Task Force
gegen
Europäische Kommission
„Rechtsmittel – Pflanzenschutzmittel – Durchführungsverordnung (EU) 2015/408 – Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und Erstellung einer Liste mit Substitutionskandidaten – Aufnahme des Wirkstoffs ‚Kupferverbindungen‘ in diese Liste – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeit – Art. 263 Abs. 4 AEUV – Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht – Individuell betroffene Person“
Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 13. März 2018
Nichtigkeitsklage–Natürliche oder juristische Personen–Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen–Begriff–Beurteilungskriterien
(Art. 263 Abs. 4 AEUV)
Nichtigkeitsklage–Natürliche oder juristische Personen–Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen–Begriff–Verordnung der Kommission, in der ein Wirkstoff gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 als Substitutionskandidat eingestuft wird–Einbeziehung
(Art. 263 Abs. 4 AEUV; Verordnung Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 20 Abs. 1 und 24 Abs. 2; Verordnung 2015/408 der Kommission)
Nichtigkeitsklage–Natürliche oder juristische Personen–Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen–Begriff–Erfordernis, dass die Durchführungsmaßnahmen den betreffenden Rechtsakt mit Verordnungscharakter als Rechtsgrundlage haben–Fehlen
(Art. 263 Abs. 4 AEUV)
Nichtigkeitsklage–Natürliche oder juristische Personen–Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen–Klage einer berufsständischen Vereinigung, die die Interessen ihrer Mitglieder verteidigt und vertritt–Zulässigkeit–Voraussetzungen
(Art. 263 Abs. 4 AEUV)
Nichtigkeitsklage–Natürliche oder juristische Personen–Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen–Verordnung der Kommission, in der ein Wirkstoff gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 als Substitutionskandidat eingestuft wird–Klage einer Vereinigung von Herstellern des betreffenden Wirkstoffs–Fehlende individuelle Betroffenheit–Unzulässigkeit
(Art. 263 Abs. 4 AEUV; Verordnung Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 80 Abs. 7 und Anhang II Nr. 4; Verordnung 2015/408 der Kommission, zweiter Erwägungsgrund und Art. 1; Richtlinie 91/414 des Rates, Anhang I)
Grundrechte–Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz–Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Unionshandlungen–Umstände–Schutz dieses Rechts durch den Unionsrichter oder durch die nationalen Gerichte in Abhängigkeit von der Rechtsnatur der angefochtenen Handlung–Möglichkeit zur Überprüfung der Gültigkeit im Wege einer Nichtigkeitsklage oder eines Vorabentscheidungsersuchens
(Art. 19 Abs. 1 EUV; Art. 263 Abs. 4 AEUV, 267 AEUV und 277 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47 und 51 Abs. 1)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Rn. 35-40)
Der Umstand, dass ein Unionsrechtsakt mit Verordnungscharakter Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 letzter Satzteil AEUV nach sich zieht, so dass bestimmte Rechtswirkungen dieser Verordnung nur über diese Maßnahmen eintreten, schließt nicht aus, dass die Verordnung weitere Rechtswirkungen auf die Rechtsstellung einer natürlichen oder juristischen Person entfaltet, die nicht vom Erlass von Durchführungsmaßnahmen abhängen.
Die Rechtswirkungen der Verordnung 2015/408 zur Durchführung des Artikels 80 Absatz 7 der Verordnung Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Erstellung einer Liste mit Substitutionskandidaten, die mit der Gültigkeitsdauer der Erneuerung der Genehmigung für Kupferverbindungen zusammenhängen, werden gegenüber einem Einführer von Kupferverbindungen nur über Durchführungsmaßnahmen eintreten. Aus den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1107/2009, insbesondere aus ihrem Art. 24 Abs. 2, folgt nämlich, dass die durch die Verordnung 2015/408 vorgenommene Einstufung von Kupferverbindungen als Substitutionskandidat die Anwendung des Verfahrens zur Erneuerung der Genehmigung dieses Stoffs unberührt lässt. Dieses Verfahren impliziert jedoch ebenso wie das Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs, der nicht in die Liste im Anhang der Verordnung 2015/408 aufgenommen worden ist, den Erlass einer Verordnung durch die Kommission gemäß Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009.
Daher stellt eine Verordnung der Kommission, mit der die Genehmigung für Substitutionskandidaten wie Kupferverbindungen erneuert wird, eine Maßnahme zur Durchführung der Verordnung 2015/408 im Sinne von Art. 263 Abs. 4 letzter Satzteil AEUV dar. Des Gleichen werden sich die Wirkungen der Verordnung, die mit der von den Mitgliedstaaten vorgenommenen Durchführung einer vergleichenden Bewertung der Gesundheits- oder Umweltrisiken von Kupferverbindungen enthaltenden Pflanzenschutzmitteln gegenüber einem alternativen Mittel oder einer nicht chemischen Methode der Schädlingsprävention oder ‑bekämpfung zusammenhängen, gegenüber einem Einführer von Kupferverbindungen nur über Rechtsakte der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten entfalten, und daher stellen diese Rechtsakte Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 letzter Satzteil AEUV dar.
(vgl. Rn. 45, 50, 51, 54, 59)
Nach dem Wortlaut von Art. 263 Abs. 4 letzter Satzteil AEUV ist es für die Einstufung einer Maßnahme als Maßnahme zur Durchführung eines Rechtsakts mit Verordnungscharakter nicht erforderlich, dass dieser Rechtsakt die Rechtsgrundlage dieser Maßnahme bildet. Ein und dieselbe Maßnahme kann eine Maßnahme zur Durchführung sowohl des Rechtsakts, dessen Bestimmungen ihre Rechtsgrundlage bilden, als auch eines gesonderten Rechtsakts sein, wenn alle oder ein Teil der Rechtswirkungen des zuletzt genannten Rechtsakts nur über diese Maßnahme gegenüber der Rechtsmittelführerin eintreten werden.
(vgl. Rn. 65)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Rn. 87, 88, 91)
Eine Person, die nicht Adressat einer Entscheidung ist, kann nur dann geltend machen, im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert, wie es der Adressat einer solchen Entscheidung wäre. Insoweit bedeutet der Umstand, dass die Rechtssubjekte, für die eine Maßnahme gilt, nach Zahl oder sogar Identität mehr oder weniger genau bestimmbar sind, keineswegs, dass sie als von der Maßnahme individuell betroffen anzusehen sind, sofern diese Maßnahme aufgrund eines durch sie bestimmten objektiven Tatbestands rechtlicher oder tatsächlicher Art anwendbar ist.
Die Mitglieder einer Vereinigung von Herstellern von Kupferverbindungen sind im Rahmen einer Klage der Vereinigung gegen die Verordnung 2015/408 zur Durchführung des Artikels 80 Absatz 7 der Verordnung Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Erstellung einer Liste mit Substitutionskandidaten von der streitigen Verordnung nur aufgrund ihrer objektiven Eigenschaft als Hersteller von Kupferverbindungen betroffen, ebenso wie jeder andere Wirtschaftsteilnehmer, der sich gegenwärtig oder potenziell in einer identischen Situation befindet, und somit sind sie von ihr nicht individuell betroffen. Beim Erlass der Verordnung 2015/408 ist die Aufnahme von Kupferverbindungen in die Liste mit Substitutionskandidaten nicht unter Berücksichtigung besonderer Eigenschaften der Mitglieder der Rechtsmittelführerin, sondern aufgrund der Tatsache beschlossen worden, dass dieser Stoff die Kriterien für die Einstufung als persistenter und toxischer Stoff im Sinne von Nr. 4 von Anhang II der Verordnung Nr. 1107/2009 erfüllt.
(vgl. Rn. 93, 94, 97, 101)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Rn. 111-117, 119)