URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)

17. Mai 2018 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Landwirtschaft – Richtlinie 91/414/EWG – Richtlinie 2010/28/EU – Art. 3 Abs. 1 – Verfahren zur Überprüfung zugelassener Pflanzenschutzmittel durch die Mitgliedstaaten – Frist – Verlängerung“

In der Rechtssache C‑325/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) mit Entscheidung vom 6. Mai 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Juni 2016, in dem Verfahren

Industrias Químicas del Vallés SA

gegen

Administración General del Estado,

Sapec Agro SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Vajda sowie der Richter E. Juhász und C. Lycourgos (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Industrias Químicas del Vallés SA, vertreten durch C. Fernández Vicién, C. Vila Gisbert, I. Moreno-Tapia Rivas und J. Robles, abogados,

der Sapec Agro SA, vertreten durch G. Pérez del Blanco und T. González Cueto, abogados,

der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch I. Galindo Martín und F. Moro als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. Februar 2018

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/28/EU der Kommission vom 23. April 2010 zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates zwecks Aufnahme des Wirkstoffs Metalaxyl (ABl. 2010, L 104, S. 57).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Industrias Químicas del Vallés SA (im Folgenden: IQV) auf der einen und der Administración General del Estado (allgemeine staatliche Verwaltung, Spanien) sowie der Sapec Agro SA auf der anderen Seite über ein Verfahren zur Überprüfung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von metalaxylhaltigen Pflanzenschutzmitteln.

Rechtlicher Rahmen

Richtlinie 91/414

3

Die Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. 1991, L 230, S. 1) wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414 des Rates (ABl. 2009, L 309, S. 1) aufgehoben. Gleichwohl ist unter Berücksichtigung der Tatsache, dass diese Aufhebung mit Wirkung ab dem 14. Juni 2011 erfolgt und der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Sachverhalt vor diesem Zeitpunkt liegt, die Richtlinie 91/414 in der durch die Richtlinie 2010/28 geänderten Fassung heranzuziehen. In den Erwägungsgründen 5 bis 7 und 9 der Richtlinie 91/414 hieß es:

„In den meisten Mitgliedstaaten gibt es wegen dieser Gefahren Vorschriften über die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Diese Vorschriften weisen Unterschiede auf, die Handelshemmnisse nicht nur für Pflanzenschutzmittel, sondern auch für Pflanzenerzeugnisse darstellen und sich unmittelbar auf die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken.

Es ist deshalb wichtig, diese Hemmnisse durch eine Angleichung der betreffenden Vorschriften der Mitgliedstaaten zu beseitigen.

Über die Voraussetzungen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und über die Zulassungsverfahren müssen in den Mitgliedstaaten einheitliche Vorschriften gelten.

Die Zulassungsbestimmungen müssen ein hohes Schutzniveau gewährleisten, damit insbesondere die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln verhindert wird, die nicht ausreichend auf ihre Gesundheits-, Grundwasser- und Umweltgefährdung untersucht worden sind. Der Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt sind gegenüber dem Ziel der Produktionsverbesserung bei der Pflanzenerzeugung vorrangig.“

4

Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 1 und 4 dieser Richtlinie sah vor:

„Abweichend von Artikel 4 kann ein Mitgliedstaat unbeschadet des Absatzes 3 und der Richtlinie 79/117/EWG [des Rates vom 21. Dezember 1978 über das Verbot des Inverkehrbringens und der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, die bestimmte Wirkstoffe enthalten (ABl. 1979, L 33, S. 36)] während eines Zeitraums von zwölf Jahren vom Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Richtlinie an zulassen, dass in seinem Gebiet Pflanzenschutzmittel in den Verkehr gebracht werden, die nicht in Anhang I aufgeführte Wirkstoffe enthalten und zwei Jahre nach dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Richtlinie bereits im Handel sind.

Nach der Prüfung eines Wirkstoffs durch den in Artikel 19 genannten Ausschuss kann innerhalb des im ersten Unterabsatz genannten Zeitraums von zwölf Jahren nach dem Verfahren desselben Artikels entschieden werden, dass und unter welchen Voraussetzungen der Wirkstoff in Anhang I aufgenommen werden kann bzw. dass er, wenn die Anforderungen des Artikels 5 nicht erfüllt oder die angeforderten Informationen und Angaben nicht fristgerecht vorgelegt worden sind, nicht in Anhang I aufgenommen wird. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die betreffenden Zulassungen in einem vorgeschriebenen Zeitraum erteilt, widerrufen bzw. geändert werden.“

5

Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmte:

„Die Mitgliedstaaten schreiben unbeschadet des Artikels 10 vor, dass einem Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels folgendes beizufügen ist:

a)

Unterlagen, die nach dem Stand der wissenschaftlichen und technischen Kenntnisse die Anforderungen von Anhang III erfüllen,

b)

für jeden Wirkstoff in einem Pflanzenschutzmittel Unterlagen, die nach dem Stand der wissenschaftlichen und technischen Kenntnisse die Anforderungen von Anhang II erfüllen.“

6

Anhang I dieser Richtlinie enthielt eine Liste der Wirkstoffe, die in der Zusammensetzung von Pflanzenschutzmitteln im Hinblick auf ihre Vermarktung erlaubt waren. Dieser Anhang wurde mehrfach geändert, u. a. durch die Richtlinie 2010/28, mit der Metalaxyl hinzugefügt wurde. Die Anhänge II und III der Richtlinie 91/414 sahen die Anforderungen vor, die die Unterlagen zum Antrag auf Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I bzw. der Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels erfüllen mussten.

Richtlinie 2010/28

7

Im achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2010/28 heißt es:

„(8)

Unbeschadet der in der Richtlinie 91/414… festgelegten Verpflichtungen, die sich aus der Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I ergeben, sollte den Mitgliedstaaten nach der Aufnahme ein Zeitraum von sechs Monaten eingeräumt werden, um die geltenden Zulassungen von metalaxylhaltigen Pflanzenschutzmitteln zu überprüfen und so zu gewährleisten, dass die in der Richtlinie 91/414…, insbesondere in Artikel 13, festgelegten Anforderungen sowie die in Anhang I enthaltenen relevanten Bedingungen erfüllt sind. Die Mitgliedstaaten sollten geltende Zulassungen gegebenenfalls gemäß den Bestimmungen der Richtlinie 91/414… ändern, ersetzen oder widerrufen. Abweichend von der obengenannten Frist sollte für die Übermittlung und Bewertung der vollständigen Unterlagen nach Anhang III für jedes Pflanzenschutzmittel und für jede vorgesehene Anwendung gemäß den in der Richtlinie 91/414… festgelegten einheitlichen Grundsätzen ein längerer Zeitraum vorgesehen werden.“

8

Art. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Anhang I der Richtlinie 91/414… wird gemäß dem Anhang der vorliegenden Richtlinie geändert.“

9

Art. 3 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)   Gemäß der Richtlinie 91/414… ändern oder widerrufen die Mitgliedstaaten erforderlichenfalls bis 31. Dezember 2010 geltende Zulassungen für Pflanzenschutzmittel, die Metalaxyl als Wirkstoff enthalten.

Bis zu diesem Datum prüfen sie insbesondere, ob die Bedingungen des Anhangs I der genannten Richtlinie in Bezug auf Metalaxyl erfüllt sind, mit Ausnahme der Bedingungen im Teil B des Eintrags zu diesem Wirkstoff, und ob der Zulassungsinhaber Unterlagen besitzt, die gemäß Artikel 13 den Anforderungen des Anhangs II der genannten Richtlinie entsprechen, oder ob er Zugang zu solchen Unterlagen hat.

(2)   Abweichend von Absatz 1 unterziehen die Mitgliedstaaten jedes zugelassene Pflanzenschutzmittel, das Metalaxyl entweder als einzigen Wirkstoff oder als einen von mehreren Wirkstoffen enthält, die bis spätestens 30. Juni 2010 in Anhang I der Richtlinie 91/414… aufgeführt sind, einer Neubewertung nach den einheitlichen Grundsätzen gemäß Anhang VI der Richtlinie 91/414…, basierend auf Unterlagen, die den Anforderungen von Anhang III der Richtlinie genügen, und unter Berücksichtigung des Eintrags in Anhang I Teil B der Richtlinie in Bezug auf Metalaxyl. Anhand dieser Bewertung entscheiden sie, ob das Pflanzenschutzmittel die Bedingungen gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben b, c, d und e der Richtlinie 91/414… erfüllt.

Nach dieser Entscheidung verfahren die Mitgliedstaaten wie folgt:

a)

Enthält ein Pflanzenschutzmittel Metalaxyl als einzigen Wirkstoff, wird die Zulassung erforderlichenfalls bis spätestens 30. Juni 2014 geändert oder widerrufen, bzw.

b)

enthält ein Pflanzenschutzmittel Metalaxyl als einen von mehreren Wirkstoffen, wird die Zulassung erforderlichenfalls bis 30. Juni 2014 geändert oder widerrufen oder bis zu dem Datum, das für eine solche Änderung oder Widerrufung in der/den jeweiligen Richtlinie(n) zur Aufnahme des betreffenden Wirkstoffs/der betreffenden Wirkstoffe in Anhang I der Richtlinie 91/414… festgelegt ist; es gilt das spätere Datum.“

10

Art. 4 dieser Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie tritt am 1. Juli 2010 in Kraft.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11

IQV ist eine Gesellschaft spanischen Rechts, deren Tätigkeit die Herstellung und die Vermarktung von Chemikalien und Pflanzenschutzmitteln umfasst. Sie führt u. a. Metalaxyl nach Spanien ein und vermarktet Erzeugnisse, die diesen Wirkstoff enthalten, in mehreren Mitgliedstaaten.

12

Sapec Agro ist eine Gesellschaft portugiesischen Rechts, deren Gesellschaftszweck die Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln und ‑lösungen sowie von Phytonährstoffen ist. Sie ist Inhaberin von Zulassungen für metalaxylhaltige Pflanzenschutzmittel.

13

Am 2. Mai 2003 erließ die Europäische Kommission die Entscheidung 2003/308/EG über die Nichtaufnahme von Metalaxyl in Anhang I der Richtlinie 91/414 und den Widerruf der Zulassungen für Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff (ABl. 2003, L 113, S. 8). Diese Entscheidung wurde vom Gerichtshof mit Urteil vom 18. Juli 2007, Industrias Químicas del Vallés/Kommission (C‑326/05 P, EU:C:2007:443), für nichtig erklärt. Im Anschluss an diese Nichtigerklärung wurde die Richtlinie 2010/28 erlassen. Sie trat am 1. Juli 2010 in Kraft, und folglich wurde zu diesem Zeitpunkt Metalaxyl in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufgenommen.

14

Am 30. April 2010 wurde in Spanien gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/28 ein Verfahren zur Überprüfung der Zulassungen für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, die als Wirkstoff Metalaxyl enthalten, eingeleitet.

15

In diesem Zusammenhang stellte IQV bei der zuständigen spanischen Behörde einen Antrag auf Überprüfung ihrer metalaxylhaltigen Pflanzenschutzmittel, dem sie Unterlagen beifügte, die von dieser Behörde in Bezug auf die Anforderungen des Anhangs II der Richtlinie 91/414 für vollständig erklärt wurden.

16

Am 29. Juni 2010 beantragte auch Sapec Agro die Überprüfung ihrer metalaxylhaltigen Pflanzenschutzmittel.

17

Am 30. Dezember 2010, also einen Tag vor dem in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/28 auf den 31. Dezember 2010 festgelegten Fristende, beantragte Sapec Agro bei der zuständigen spanischen Behörde, ihr eine zusätzliche Frist einzuräumen, damit sie die im Hinblick auf die Anforderungen des Anhangs II der Richtlinie 91/414 eingereichten Unterlagen vervollständigen könne.

18

Am 3. März 2011 gewährte die Dirección General de Recursos Agrícolas y Ganaderos (Generaldirektion für Ressourcen der Landwirtschaft und Viehzucht, Spanien) Sapec Agro die beantragte Fristverlängerung.

19

Mit Entscheidung vom 5. April 2011 erklärte die Generaldirektion für Ressourcen der Landwirtschaft und Viehzucht die von Sapec Agro zum Wirkstoff Metalaxyl eingereichten Unterlagen in Bezug auf die Anforderungen des Anhangs II der Richtlinie 91/414 für vollständig.

20

Gegen diese Entscheidung legte IQV einen Rechtsbehelf bei der Secretaría General de Medio Rural del Ministerio de Medio Ambiente y Medio Rural y Marino (Generalsekretariat für den ländlichen Raum des Ministeriums für Umwelt, ländlichen Raum und Meeresumwelt, Spanien) ein. Dieser Rechtsbehelf wurde durch Entscheidung vom 7. November 2011 wegen mangelnder Rechtsbehelfsbefugnis zurückgewiesen.

21

Gegen diese zurückweisende Entscheidung erhob IQV eine verwaltungsgerichtliche Klage, die vom Tribunal Superior de Justicia de Madrid (Oberster Gerichtshof von Madrid, Spanien) wegen fehlender Klagebefugnis ebenfalls abgewiesen wurde.

22

IQV legte Kassationsbeschwerde beim Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien), dem vorlegenden Gericht, ein, mit der sie insbesondere geltend machte, dass die Entscheidung, Sapec Agro eine zusätzliche Frist über den 31. Dezember 2010 hinaus einzuräumen, um dieser zu ermöglichen, ihre Unterlagen zu vervollständigen, nicht nur in Anbetracht des Wortlauts der Richtlinie 2010/28 rechtswidrig sei, sondern auch unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, die Aufwendungen zu schützen, die zur Erhebung der Daten gemacht worden seien, die für die Bewertung des Wirkstoffs durch die Kommission oder des Pflanzenschutzmittels durch den Mitgliedstaat beizubringen seien.

23

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist es für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits erforderlich, Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/28 im Licht ihres achten Erwägungsgrundes auszulegen. Das Urteil vom 18. Juli 2007, Industrias Químicas del Vallés/Kommission (C‑326/05 P, EU:C:2007:443), sei hier offenbar einschlägig und spreche dem Anschein nach für die Rechtmäßigkeit der von der Generaldirektion für Ressourcen der Landwirtschaft und Viehzucht gewährten Fristverlängerung.

24

Im Unterschied zum Sachverhalt in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, betreffe der in dem vor ihm anhängigen Verfahren in Rede stehende Sachverhalt jedoch kein widersprüchliches Verhalten der Behörden, das bei der betroffenen Partei für Verwirrung gesorgt habe, und die in Rede stehende Frist laufe, wie in der Richtlinie 2010/28 mehrmals klargestellt werde, am 31. Dezember 2010 ab.

25

Unter diesen Umständen hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist die in der Richtlinie 2010/28 durch die Wendung „bis 31. Dezember 2010“ in ihrem Art. 3 Abs. 1 oder die Wendung „[b]is zu diesem Datum“ in ihrem Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2, die sich ebenfalls auf den 31. Dezember 2010 bezieht, gesetzte Frist in Verbindung mit dem Zeitraum von sechs Monaten, der im achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2010/28 genannt wird, wegen des Ziels, das mit der sich aus der Richtlinie 91/414 ergebenden Systematik verfolgt wird, eine Ausschlussfrist und darf sie von den Mitgliedstaaten nicht verlängert werden, so dass sie in dieser Richtlinie abschließend festgelegt wird?

2.

Für den Fall, dass die Frist verlängert werden darf: Ist die Entscheidung über die Fristverlängerung ohne Beachtung spezieller Verfahrensvorschriften für die Beantragung und die Gewährung der Frist zu treffen, oder müssen die Mitgliedstaaten wegen ihrer hierfür bestehenden Zuständigkeit dies in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften regeln, weil die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/28 vorgesehenen Verfahrensvorschriften an sie gerichtet sind?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

26

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/28 dahin auszulegen ist, dass die am 31. Dezember 2010 ablaufende Frist, die er vorsieht, um den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, geltende Zulassungen für Pflanzenschutzmittel, die Metalaxyl als Wirkstoff enthalten, gemäß der Richtlinie 91/414 zu ändern oder zu widerrufen, eine Ausschlussfrist darstellt oder ob sie von den Mitgliedstaaten verlängert werden darf.

27

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Juni 2016, Thomas Philipps, C‑419/15, EU:C:2016:468, Rn. 18, und vom 26. Juli 2017, Jafari, C‑646/16, EU:C:2017:586, Rn. 73 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

28

Was als Erstes den Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/28 anbelangt, bestimmt dessen Unterabs. 1: „Gemäß der Richtlinie [91/414] ändern oder widerrufen die Mitgliedstaaten … bis 31. Dezember 2010 geltende Zulassungen für Pflanzenschutzmittel, die Metalaxyl als Wirkstoff enthalten.“ Nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 „[prüfen b]is zu diesem Datum [die Mitgliedstaaten] insbesondere, ob die Bedingungen des Anhangs I der genannten Richtlinie in Bezug auf Metalaxyl erfüllt sind, mit Ausnahme der Bedingungen im Teil B des Eintrags zu diesem Wirkstoff, und ob der Zulassungsinhaber Unterlagen besitzt, die … den Anforderungen des Anhangs II der genannten Richtlinie entsprechen, oder ob er Zugang zu solchen Unterlagen hat“.

29

Aus diesem Wortlaut geht hervor, dass der dort genannte Zeitpunkt des 31. Dezember 2010 offenbar ein Endtermin ist, für den keine Möglichkeit vorgesehen ist, ihn zu verschieben.

30

Was als Zweites den Kontext betrifft, in den sich die fragliche Bestimmung einfügt, spricht dessen Prüfung dafür, dass die dort vorgesehene Frist eine Ausschlussfrist ist und nicht verlängert werden darf.

31

Erstens nämlich zählt Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2010/28 eindeutig auf, welche Folgen es hat, wenn zum 31. Dezember 2010 die in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 vorgesehenen Bedingungen, u. a. die Pflicht des Inhabers einer geltenden Zulassung für ein metalaxylhaltiges Pflanzenschutzmittel, zu diesem Zeitpunkt Unterlagen zu besitzen, die den Anforderungen des Anhangs II der Richtlinie 91/414 entsprechen, oder Zugang zu solchen Unterlagen zu haben, nicht eingehalten werden. Diese Folgen bestehen in der Änderung oder dem Widerruf einer solchen Zulassung durch den betreffenden Mitgliedstaat.

32

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/28 legt somit gemäß dem im siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 91/414 genannten Ziel einen einheitlichen Rahmen in der gesamten Union fest, der die Bedingungen, unter denen die Mitgliedstaaten die geltenden Zulassungen von metalaxylhaltigen Pflanzenschutzmitteln ändern oder widerrufen, sowie die Pflichten umfasst, die den Zulassungsinhabern in Bezug auf die Vorlage der Unterlagen zu diesen Produkten auferlegt werden. Den Mitgliedstaaten zu gestatten, von der Frist, deren Ablauf auf den 31. Dezember 2010 festgelegt wird, abzuweichen, würde die Einheitlichkeit dieses Rahmens und dadurch die Beachtung der Gleichbehandlung der Inhaber dieser geltenden Zulassungen gefährden.

33

Zweitens sieht Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2010/28 abweichend von Abs. 1 Fristen vor, die länger sind als die in Abs. 1 vorgesehenen, um den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, eine Neubewertung zugelassener Pflanzenschutzmittel, die Metalaxyl als einzigen Wirkstoff oder als einen von mehreren Wirkstoffen enthalten, vorzunehmen. Wenn die Mitgliedstaaten berechtigt wären, wie die spanische Regierung vorträgt, die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/28 vorgesehene Frist in ordnungsgemäß begründeten Fällen zu verlängern, wäre die Einfügung einer solchen ausdrücklichen Abweichung von der in Abs. 1 vorgesehenen Frist in Abs. 2 unnütz gewesen.

34

Drittens wird die Nichtverlängerbarkeit der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/28 vorgesehenen Frist auch durch den Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 4 der Richtlinie 91/414 bestätigt. Wie der Generalanwalt in Nr. 65 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sieht diese Bestimmung nämlich vor, dass die Mitgliedstaaten nach der Entscheidung der Kommission, einen Wirkstoff in Anhang I dieser Richtlinie aufzunehmen oder nicht, sicherstellen, dass die betreffenden Zulassungen „in einem vorgeschriebenen Zeitraum“ erteilt, widerrufen bzw. geändert werden. Unter diesem Zeitraum ist derjenige zu verstehen, der an dem in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/28 genannten Datum, d. h. am 31. Dezember 2010, abläuft.

35

Was als Drittes und Letztes den Zweck der Richtlinie 2010/28 betrifft, ist festzustellen, dass diese eine Richtlinie zur Durchführung der Richtlinie 91/414 ist. Sie ist daher nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit dem Basisrechtsakt, d. h. der Richtlinie 91/414, auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Mai 2008, Feinchemie Schwebda und Bayer CropScience, C‑361/06, EU:C:2008:296, Rn. 49, und vom 26. Juli 2017, Tschechische Republik/Kommission, C‑696/15 P, EU:C:2017:595, Rn. 33).

36

Gemäß ihren Erwägungsgründen 5, 6 und 9 soll die Richtlinie 91/414 der Beseitigung der Hindernisse für den innergemeinschaftlichen Handel mit Pflanzenschutzmitteln unter Aufrechterhaltung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt sowie für die Gesundheit von Mensch und Tier dienen (Urteil vom 18. Juli 2007, Industrias Químicas del Vallés/Kommission, C‑326/05 P, EU:C:2007:443, Rn. 74).

37

Die Verlängerung der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/28 festgelegten Frist zu erlauben, würde in diesem Kontext die Gefahr in sich bergen, dass Pflanzenschutzmittel, die Metalaxyl als Wirkstoff enthalten und nicht die Anforderungen nach Anhang I der Richtlinie 91/414 in der durch die Richtlinie 2010/28 geänderten Fassung, insbesondere den festgelegten Schwellenwert, erfüllen, über den 31. Dezember 2010 hinaus auf dem Markt bleiben. Eine solche Folge würde dem verfolgten Ziel zuwiderlaufen, ein hohes Schutzniveau für die Umwelt sowie für die Gesundheit von Mensch und Tier sicherzustellen.

38

Aus den Erwägungen in den Rn. 29 bis 37 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/28 vorgesehene Frist eine Ausschlussfrist darstellt, die von den Mitgliedstaaten nicht verlängert werden darf.

39

Das Urteil vom 18. Juli 2007, Industrias Químicas del Vallés/Kommission (C‑326/05 P, EU:C:2007:443), kann dieses Ergebnis nicht in Frage stellen. Hierzu ist zum einen darauf hinzuweisen, dass, wie der Generalanwalt in Nr. 80 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, eine von der Kommission im Rahmen des Verfahrens zur Aufnahme von Metalaxyl in Anhang I der Richtlinie 91/414 festgelegte Frist und die für die Kommission und nicht für die Mitgliedstaaten bestehende Möglichkeit betraf, diese Frist zu ändern. Hingegen geht es im Ausgangsverfahren, das das Verfahren zur Überprüfung der bestehenden Genehmigungen für das Inverkehrbringen von metalaxylhaltigen Pflanzenschutzmitteln betrifft, darum, ob die Mitgliedstaaten eine von der Kommission festgelegte und in eine Richtlinie aufgenommene Frist einseitig ändern können.

40

Zum anderen hat der Gerichtshof im Urteil vom 18. Juli 2007, Industrias Químicas del Vallés/Kommission (C‑326/05 P, EU:C:2007:443), darauf abgestellt, dass es der betreffenden Partei zum Teil wegen des widersprüchlichen Verhaltens der zuständigen Behörden, u. a. der Kommission, unmöglich war, innerhalb der gesetzten Frist vollständige Unterlagen vorzulegen. Aus dem Vorlagebeschluss geht jedoch hervor, dass entgegen dem, was in der Rechtssache der Fall war, in der jenes Urteil ergangen ist, Sapec Agro im vorliegenden Fall nicht von dieser Art von Umständen, auf die sie keinen Einfluss gehabt hätte, betroffen war. Vielmehr war die Pflicht, innerhalb der gesetzten Frist Unterlagen zu besitzen, die den Anforderungen des Anhangs II der Richtlinie 91/414 entsprechen, oder Zugang zu solchen Unterlagen zu haben, von Beginn des Verfahrens an eindeutig festgelegt, da sie in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/28 vorgesehen war.

41

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/28 dahin auszulegen ist, dass die am 31. Dezember 2010 ablaufende Frist, die er vorsieht, um den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, geltende Zulassungen für Pflanzenschutzmittel, die Metalaxyl als Wirkstoff enthalten, gemäß der Richtlinie 91/414 zu ändern oder zu widerrufen, eine Ausschlussfrist darstellt, die von den Mitgliedstaaten nicht verlängert werden darf.

Zur zweiten Frage

42

Die zweite Frage fußt auf der Prämisse, dass der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/28 vorgesehene Zeitpunkt des 31. Dezember 2010 einen Endtermin darstellt, der von den Mitgliedstaaten verschoben werden darf. Aus der Antwort auf die erste Frage ergibt sich jedoch, dass das fragliche Datum von den Mitgliedstaaten nicht verschoben werden darf.

43

Die zweite Frage ist daher nicht zu beantworten.

Kosten

44

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2010/28/EU der Kommission vom 23. April 2010 zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates zwecks Aufnahme des Wirkstoffs Metalaxyl ist dahin auszulegen, dass die am 31. Dezember 2010 ablaufende Frist, die er vorsieht, um den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, geltende Zulassungen für Pflanzenschutzmittel, die Metalaxyl als Wirkstoff enthalten, gemäß der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln zu ändern oder zu widerrufen, eine Ausschlussfrist darstellt, die von den Mitgliedstaaten nicht verlängert werden darf.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.