Verbundene Rechtssachen C‑24/16 und C‑25/16

Nintendo Co. Ltd

gegen

BigBen Interactive GmbH
und
BigBen Interactive SA

(Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Düsseldorf)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Geistiges Eigentum – Verordnung (EG) Nr. 6/2002 – Art. 20 Abs. 1 Buchst. c, Art. 79 Abs. 1 sowie Art. 82, 83, 88 und 89 – Verletzungsklage – Beschränkung der Rechte aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Begriff ‚Zitierung‘ – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Art. 6 Nr. 1 – Zuständigkeit hinsichtlich des in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem das Gericht seinen Sitz hat, ansässigen Mitbeklagten – Räumliche Reichweite der Zuständigkeit der Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte – Verordnung (EG) Nr. 864/2007 – Art. 8 Abs. 2 – Auf Anträge auf den Erlass von Anordnungen über Sanktionen und andere Maßnahmen anwendbares Recht“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 27. September 2017

  1. Gemeinschaftsgeschmacksmuster–Zuständigkeit und Verfahren bei Klagen–Zuständigkeit für Verletzungs- und Nichtigkeitsklagen–Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats des Wohnsitzes des Beklagten–Mehrere Beklagte–Anwendbarkeit von Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001

    (Verordnung Nr. 44/2001 des Rates, Art. 6 Nr. 1, und Verordnung Nr. 6/2002, Art. 79)

  2. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen–Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen–Verordnung Nr. 44/2001–Besondere Zuständigkeiten–Mehrere Beklagte–Zuständigkeit des Gerichts eines der Beklagten–Enge Auslegung–Voraussetzung–Zusammenhang–Begriff des Zusammenhangs

    (Verordnung Nr. 44/2001 des Rates, Art. 6 Nr. 1)

  3. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen–Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen–Verordnung Nr. 44/2001–Besondere Zuständigkeiten–Mehrere Beklagte–Klage wegen Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters gegen mehrere Beklagte mit Wohnsitz in verschiedenen Mitgliedstaaten–Zusammenhang–Anwendung der jeweiligen nationalen Vorschriften auf die verschiedenen Beklagten–Keine Auswirkung

    (Verordnung Nr. 44/2001 des Rates, Art. 6 Nr. 1)

  4. Gemeinschaftsgeschmacksmuster–Verletzungsklage–Sanktionen–Räumliche Reichweite–Kriterien–Räumliche Zuständigkeit des Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichts–Räumliche Reichweite des Rechts des Inhabers des Gemeinschaftsgeschmacksmusters

    (Verordnung Nr. 6/2002 des Rates, Art. 89)

  5. Gemeinschaftsgeschmacksmuster–Verletzungsklage–Sanktionen–In Bezug auf einen Beklagten auf Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 beruhende internationale gerichtliche Zuständigkeit–Möglichkeit, gegen einen solchen Beklagten Maßnahmen gemäß der Verordnung Nr. 6/2002 zu erlassen–Voraussetzungen

    (Verordnung Nr. 44/2001 des Rates, Art. 6 Nr. 1, Verordnung Nr. 6/2002 des Rates, Art. 79 Abs. 1 und 3, Art. 82 Abs. 1, Art. 88 Abs. 2 und Art. 89 Abs. 1)

  6. Gemeinschaftsgeschmacksmuster–Beschränkung der Rechte aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster–Wiedergabe zum Zwecke der Zitierung–Begriff „Zitierung“–Abbildung von Waren, die Gemeinschaftsgeschmacksmustern entsprechen, beim rechtmäßigen Vertrieb von Waren, die als Zubehör spezifischer Waren des Inhabers der Rechte aus den Geschmacksmustern verwendet werden sollen–Einbeziehung

    (Verordnung Nr. 6/2002 des Rates, Art. 20 Abs. 1 Buchst. c)

  7. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen–Auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendendes Recht–Verordnung Nr. 864/2007–Schuldverhältnisse aus einer Verletzung von gemeinschaftsweit einheitlichen Rechten des geistigen Eigentums–Begriff „Recht des Staates, in dem die Verletzung begangen wurde“–Verkauf von Waren über eine Website unter Verletzung der Rechte aus Gemeinschaftsgeschmacksmustern–Staat des Ortes, an dem der Prozess der Veröffentlichung des Angebots in Gang gesetzt worden ist

    (Verordnung Nr. 864/2007 des Parlaments und des Rates, Art. 8 Abs. 2)

  8. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen–Auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendendes Recht–Verordnung Nr. 864/2007–Schuldverhältnisse aus einer Verletzung von gemeinschaftsweit einheitlichen Rechten des geistigen Eigentums–Begriff „Recht des Staates, in dem die Verletzung begangen wurde“–Staat, in dem das schadensbegründende Ereignis eingetreten ist–In verschiedenen Mitgliedstaaten begangene Verletzungshandlungen–Kriterien für die Bestimmung des schadensbegründenden Ereignisses

    (Verordnung Nr. 864/2007 des Parlaments und des Rates, Art. 8 Abs. 2)

  1.  Nach Art. 79 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 ist die Verordnung Nr. 44/2001, soweit in der Verordnung Nr. 6/2002 nichts anderes bestimmt ist, auf Verfahren betreffend Gemeinschaftsgeschmacksmuster anzuwenden. Die auf Verfahren, die durch die in Art. 81 der Verordnung Nr. 6/2002 genannten Klagen und Widerklagen anhängig gemacht werden, nicht anzuwendenden Vorschriften der Verordnung Nr. 44/2001 sind in Art. 79 Abs. 3 der Verordnung Nr. 6/2002 genannt. Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 gehört nicht zu den in Art. 79 Abs. 3 der Verordnung Nr. 6/2002 genannten Vorschriften. Mithin kann ein Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht wie das vorlegende Gericht in den Ausgangsverfahren nach dieser Bestimmung, sofern deren Voraussetzungen erfüllt sind, für eine Klage gegen einen nicht in dem Mitgliedstaat, in dem es seinen Sitz hat, ansässigen Beklagten zuständig sein.

    (vgl. Rn. 43, 44)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 45)

  3.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 49)

  4.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 53, 54)

  5.  Die Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster ist in Verbindung mit Art. 6 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren ein Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht, bei dem eine Verletzungsklage anhängig ist und dessen internationale Zuständigkeit in Bezug auf einen ersten Beklagten auf Art. 82 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 beruht und in Bezug auf einen zweiten, in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Beklagten auf Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002, weil der zweite Beklagte die vom ersten Beklagten vertriebenen Erzeugnisse herstellt und an den ersten Beklagten liefert, auf Antrag des Klägers gegen den zweiten Beklagten Anordnungen erlassen kann, die Maßnahmen im Sinne von Art. 89 Abs. 1 und Art. 88 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 betreffen, die sich auch auf Tätigkeiten des zweiten Beklagten außerhalb der genannten Lieferkette erstrecken und die für das gesamte Gebiet der Europäischen Union gelten.

    (vgl. Rn. 67, Tenor 1)

  6.  Art. 20 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 6/2002 ist dahin auszulegen, dass ein Dritter, der ohne Zustimmung des Inhabers der Rechte aus einem Gemeinschaftsgeschmacksmuster beim rechtmäßigen Vertrieb von Waren, die als Zubehör spezifischer Waren des Inhabers der Rechte aus den Geschmacksmustern verwendet werden sollen, Waren, die solchen Geschmacksmustern entsprechen, u. a. auf seinen Websites abbildet, um die gemeinsame Verwendung der von ihm vertriebenen Waren und der spezifischen Waren des Inhabers der Rechte aus den Geschmacksmustern zu erläutern oder darzutun, eine Wiedergabe zum Zweck der „Zitierung“ im Sinne von Art. 20 Abs. 1 Buchst. c vornimmt, wobei eine solche Wiedergabe nach dieser Bestimmung zulässig ist, wenn die dort aufgestellten kumulativen Voraussetzungen erfüllt sind, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

    (vgl. Rn. 86, Tenor 2)

  7.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 107, 108)

  8.  Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) ist dahin auszulegen, dass unter dem Begriff des „Staates …, in dem die Verletzung begangen wurde“, im Sinne dieser Bestimmung der Staat zu verstehen ist, in dem das schadensbegründende Ereignis eingetreten ist. In Fällen, in denen demselben Beklagten verschiedene, in verschiedenen Mitgliedstaaten begangene Verletzungshandlungen vorgeworfen werden, ist bei der Ermittlung des schadensbegründenden Ereignisses nicht auf jede einzelne ihm vorgeworfene Verletzungshandlung abzustellen, sondern es ist eine Gesamtwürdigung seines Verhaltens vorzunehmen, um den Ort zu bestimmen, an dem die ursprüngliche Verletzungshandlung, auf die das vorgeworfene Verhalten zurückgeht, begangen worden ist oder droht.

    (vgl. Rn. 111, Tenor 3)