SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 26. Juni 2018 ( 1 )

Rechtssache C‑546/16

Montte SL

gegen

Musikene

(Vorabentscheidungsersuchen des Órgano Administrativo de Recursos Contractuales de la Comunidad Autónoma de Euskadi [Verwaltungsbehörde für Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte im Bereich öffentlicher Aufträge der Autonomen Gemeinschaft Baskenland, Spanien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Öffentliche Aufträge – Offenes Verfahren – Zuschlagskriterien – Phasenweise Bewertung von Angeboten – Mindestpunktzahl“

I. Einführung

1.

Gegenstand dieser Rechtssache ist insbesondere der Ermessensspielraum, den die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie 2014/24/EU ( 2 ) über die Verfahren der Vergabe von Aufträgen im Rahmen eines offenen Verfahrens ins nationale Recht haben.

2.

Genauer gesagt ist Gegenstand der ersten Frage, ob öffentliche Auftraggeber aufgrund nationaler Rechtsvorschriften dazu ermächtigt werden können, ein zweiphasiges Bewertungsverfahren von Angeboten im Rahmen eines offenen Verfahrens in der Art und Weise anzuwenden, dass in der zweiten Phase (Phase der Wirtschaftlichkeit) nur solche Angebote bewertet werden, die eine in der ersten Phase (technische Phase) geforderte Mindestpunktzahl erreicht haben. Inhalt der zweiten Frage ist, ob solche das offene Verfahren betreffende nationale Rechtsvorschriften öffentliche Auftraggeber dazu verpflichten müssen, dass in der Schlussphase des Verfahrens eine bestimmte Anzahl von Angeboten Gegenstand der Bewertung ist. Bei der dritten Frage geht es schließlich darum, ob mit der Richtlinie 2014/24 eine Praxis vereinbar ist, wonach in der ersten Phase (technische Phase) eines solchen Verfahrens ein Angebot eine festgelegte Punktzahl erreichen muss, um in der zweiten Phase (Phase der Wirtschaftlichkeit) bewertet werden zu können.

II. Rechtlicher Rahmen

A. Unionsrecht

3.

Art. 26 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2014/24 lautet:

„(1)   Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge wenden die öffentlichen Auftraggeber die an diese Richtlinie angepassten nationalen Verfahren an, sofern unbeschadet des Artikels 32 ein Aufruf zum Wettbewerb im Einklang mit dieser Richtlinie veröffentlicht wurde.

(2)   Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass die öffentlichen Auftraggeber offene oder nichtoffene Verfahren nach Maßgabe dieser Richtlinie anwenden können.“

4.

Art. 27 („Offenes Verfahren“) der Richtlinie bestimmt Fristen, in denen interessierte Wirtschaftsteilnehmer ein Angebot bei Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge, in denen der öffentliche Auftraggeber das offene Verfahren angewandt hat, abgeben können.

5.

Art. 66 der Richtlinie 2014/24 lautet:

„Machen die öffentlichen Auftraggeber von der in Artikel 29 Absatz 6 und in Artikel 30 Absatz 4 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, die Zahl der zu erörternden Lösungen oder der Angebote, über die verhandelt wird, zu verringern, so tun sie dies aufgrund der Zuschlagskriterien, die sie in den Auftragsunterlagen angegeben haben. In der Schlussphase müssen noch so viele Angebote vorliegen, dass ein echter Wettbewerb gewährleistet ist, sofern eine ausreichende Zahl von Angeboten, Lösungen oder geeigneten Bewerbern vorliegt.“

6.

In Art. 67 Abs. 1, 2 und 4 der Richtlinie 2014/24 heißt es:

„(1)   Die öffentlichen Auftraggeber erteilen unbeschadet der für den Preis bestimmter Lieferungen oder die Vergütung bestimmter Dienstleistungen geltenden nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften den Zuschlag auf der Grundlage des wirtschaftlich günstigsten Angebots.

(2)   Die Bestimmung des aus der Sicht des öffentlichen Auftraggebers wirtschaftlich günstigsten Angebots erfolgt anhand einer Bewertung auf der Grundlage des Preises oder der Kosten, mittels eines Kosten-Wirksamkeits-Ansatzes, wie der Lebenszykluskostenrechnung gemäß Artikel 68, und kann das beste Preis-Leistungs-Verhältnis beinhalten, das auf der Grundlage von Kriterien – unter Einbeziehung qualitativer, umweltbezogener und/oder sozialer Aspekte – bewertet wird, die mit dem Auftragsgegenstand des betreffenden öffentlichen Auftrags in Verbindung stehen.

(4)   Die Zuschlagskriterien dürfen nicht zur Folge haben, dass dem öffentlichen Auftraggeber uneingeschränkte Wahlfreiheit übertragen wird. Sie müssen die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleisten und mit Spezifikationen einhergehen, die eine wirksame Überprüfung der von den Bietern übermittelten Informationen gestatten, damit bewertet werden kann, wie gut die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. …“

B. Spanisches Recht

7.

Art. 150 Abs. 4 des Texto Refundido de la Ley de Contratos del Sector Público (Neufassung des Gesetzes über Verträge des öffentlichen Sektors, im Folgenden: TRLCSP) lautet:

„Wird mehr als ein Kriterium berücksichtigt, ist die relative Gewichtung für jedes von ihnen anzugeben; dabei können angemessene Bandbreiten festgelegt werden. Falls das Vergabeverfahren in mehreren Phasen stattfindet, ist zudem anzugeben, in welcher von ihnen die verschiedenen Kriterien zur Anwendung kommen, sowie die Mindestpunktzahl, die der Bieter erreichen muss, um weiter am Auswahlverfahren teilzunehmen.“

8.

In Art. 22 Abs. 1 Buchst. d des Real Decreto 817/2009, de 8 de mayo, por el que se desarrolla parcialmente la Ley 30/2007, de 30 de octubre, de Contratos del Sector Público (Königliches Dekret 817/2009 vom 8. Mai 2009 zur teilweisen Durchführung des Gesetzes 30/2007 vom 30. Oktober 2007 über Verträge des öffentlichen Sektors), der die Aufgaben der Mesas de Contratación (im Folgenden: Vergabekommissionen) – Kollegialorgane, die die Vergabebehörden unterstützen sollen – regelt, bestimmt u. a.:

„Unbeschadet der übrigen ihr durch das Gesetz über Verträge des öffentlichen Sektors und die dieses Gesetz ergänzenden Vorschriften übertragenen Aufgaben obliegen der Vergabekommission in offenen Vergabeverfahren folgende Aufgaben:

d)

Findet das Bewertungsverfahren [bezüglich abgegebener Angebote] in mehreren Phasen statt, so legt sie fest, welche Bieter auszuschließen sind, weil sie die vom Bieter für die weitere Teilnahme am Auswahlverfahren verlangte Mindestpunktzahl nicht erreicht haben.

…“

III. Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits

9.

Musikene (im Folgenden: öffentlicher Auftraggeber) ist eine Stiftung des öffentlichen Sektors der Autonomen Gemeinschaft Baskenland, die ein offenes Verfahren mit dem Ziel der Vergabe eines Auftrags über die Belieferung mit „Möbeln und Signaletik, speziellem Musikmobiliar, Musikinstrumenten, elektroakustischen, Aufnahme- und audiovisuellen Geräten, Informatikausstattung und Reprografie“ durchführte. Der geschätzte Auftragswert überschritt den Schwellenwert, bei dem öffentliche Auftraggeber zur Anwendung der die Richtlinie 2014/24 ins spanische Recht umsetzenden Vorschriften verpflichtet sind.

10.

Die Ausschreibung im Rahmen des offenen Verfahrens im Sinne von Art. 27 der Richtlinie 2014/24 wurde im Amtsblatt der Europäischen Union vom 26. Juli 2016 veröffentlicht.

11.

In den Vergabebedingungen wurde der Verlauf des Vergabeverfahrens, darunter auch die Kriterien für die Bewertung von Angeboten, festgelegt. Vereinfacht gesagt wurde in diesen Bedingungen zwischen zwei Phasen unterschieden, die als technische Phase und als Phase der Wirtschaftlichkeit bezeichnet wurden. Im Rahmen jeder dieser Phasen konnte das Angebot mit maximal 50 Punkten bewertet werden.

12.

Im Rahmen der technischen Phase wurde das gewichtete Kriterium „Darstellung und Beschreibung des Projekts“, untergliedert in gesonderte Unterkriterien für jedes der Lose, angewandt. Anschließend wurde im Rahmen der Phase der Wirtschaftlichkeit das Preiskriterium angewandt. Dabei wurden Punkte bei Minderung des Angebotsbetrags gegenüber dem Auftragswert vergeben.

13.

Zusätzlich wurde in den Vergabebedingungen eine erforderliche Mindestpunktzahl vorgesehen, die in der technischen Phase zu erreichen ist, um an der Phase der Wirtschaftlichkeit teilnehmen zu können. Zu dieser Phase sollten nur Bieter zugelassen werden, die beim technischen Angebot mindestens 35 Punkte erreicht haben.

14.

Das Órgano Administrativo de Recursos Contractuales de la Comunidad Autónoma de Euskadi (Verwaltungsbehörde für Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte im Bereich öffentlicher Aufträge der Autonomen Gemeinschaft Baskenland, im Folgenden: OARC) ist eine ständige Einrichtung, die über Beschwerden im Bereich öffentlicher Aufträge zu entscheiden hat.

15.

Am 11. August 2016 ging beim OARC eine Beschwerde der Montte SL (im Folgenden: Beschwerdeführerin) gegen die Vergabebedingungen ein. Die Beschwerdeführerin stellt in der Beschwerde diese Bedingungen in Frage, soweit dort das Erfordernis einer Mindestpunktzahl, die im Rahmen der technischen Phase zu erreichen ist, festgelegt wurde. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin ist dieses Erfordernis für nichtig zu erklären, weil seinetwegen die in den Vergabebedingungen festgelegte Gewichtung der technischen und wirtschaftlichen Kriterien ihren Sinn verliere. Dieses Erfordernis führe dazu, dass ein öffentlicher Auftraggeber nicht in der Lage sei, bei der Bewertung von Angeboten auch den von Bietern angebotenen Preis zu berücksichtigen sowie das günstigste Angebot zu ermitteln.

16.

Der öffentliche Auftraggeber ist wiederum der Ansicht, dass dieses Erfordernis im Hinblick auf den Auftragsgegenstand notwendig gewesen sei. Der Auftrag umfasse nämlich die Lieferung von Mobiliar, das integraler Bestandteil eines Gebäudes sei. Aus diesem Grund könne ein Angebot die Phase der Wirtschaftlichkeit erst dann erreichen, wenn es gewisse Mindestanforderungen erfüllt habe. Auf diese Weise sei gewährleistet worden, dass der Auftrag fristgerecht und in hinreichender technischer Qualität realisiert werde.

IV. Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

17.

Unter diesen Umständen hat das OARC beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Steht die Richtlinie 2014/24 nationalen Rechtsvorschriften wie Art. 150 Abs. 4 TRLCSP oder einer Auslegungs- und Anwendungspraxis dieser Rechtsvorschriften entgegen, die es den öffentlichen Auftraggebern gestattet, in den Bedingungen für die Vergabe eines Auftrags im offenen Verfahren Zuschlagskriterien für aufeinanderfolgende Phasen festzulegen, bei denen Angebote ausgeschlossen werden, die eine vorab festgelegte Mindestpunktzahl nicht erreichen?

2.

Falls die erste Frage verneint wird, steht die Richtlinie 2014/24 dann nationalen Rechtsvorschriften oder einer Auslegungs- und Anwendungspraxis dieser Rechtsvorschriften entgegen, wonach im offenen Verfahren das genannte System von Zuschlagskriterien verwendet wird, die in aufeinanderfolgenden eliminatorischen Phasen dergestalt zum Einsatz kommen, dass in der Schlussphase nicht mehr genügend Angebote verbleiben, um einen „echten Wettbewerb“ zu gewährleisten?

3.

Falls die zweite Frage bejaht wird, steht die Richtlinie 2014/24 dann – weil kein echter Wettbewerb gewährleistet ist oder weil dem Gebot, den Auftrag an das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis zu vergeben, nicht genügt wird – einer Klausel wie der hier in Rede stehenden entgegen, wonach der Preisfaktor nur bei Angeboten bewertet wird, die bei den technischen Kriterien 35 von 50 Punkten erreicht haben?

18.

Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 28. Oktober 2016 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen.

19.

Die spanische und die griechische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Diese Regierungen und die Kommission haben auch an der mündlichen Verhandlung am 16. April 2018 teilgenommen.

V. Analyse

A. Zur Zulässigkeit

20.

Das OARC stellt in der Einleitung des Vorabentscheidungsersuchens Überlegungen an, ob es als „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV eingestuft werden kann. Ich werde mich deshalb zunächst zu diesem Thema äußern.

21.

Nach ständiger Rechtsprechung stellt der Gerichtshof für die Beurteilung der Frage, ob die vorlegende Einrichtung den Charakter eines „Gerichts“ im Sinne von Art. 267 AEUV hat, auf eine Reihe von Merkmalen ab, wie die gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ihr ständiger Charakter, die obligatorische Gerichtsbarkeit, das streitige Verfahren, die Anwendung von Rechtsnormen durch die Einrichtung sowie deren Unabhängigkeit ( 3 ). Außerdem können nationale Einrichtungen den Gerichtshof nur dann anrufen, wenn bei ihnen ein Rechtsstreit anhängig ist und sie im Rahmen eines Verfahrens zu entscheiden haben, das auf eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter abzielt ( 4 ). Diese Kriterien sind jedoch in dem Sinne Richtwerte, dass sie weder ausschlaggebend noch erschöpfend sind. Sie stellen einen Anhaltspunkt bei der Beurteilung des Gerichtscharakters der vorlegenden Einrichtung dar ( 5 ).

22.

Wichtig ist, dass auch wenn die Einrichtung nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats als Verwaltungsorgan angesehen wird, dieser Umstand als solcher für die Beurteilung, ob eine Einrichtung ein „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV ist, nicht ausschlaggebend ist ( 6 ).

23.

Aus den im Vorabentscheidungsersuchen angeführten Informationen folgt, dass das OARC eine ständige Einrichtung ist, die über Beschwerden entscheidet und aufgrund allgemeinverbindlicher Rechtsvorschriften geschaffen wurde. Die Zuständigkeit des OARC für die Entscheidung über Beschwerden in Angelegenheiten, die öffentliche Aufträge betreffen, hängt nicht von einer Vereinbarung zwischen den Parteien ab ( 7 ). Die Entscheidungen dieser Einrichtung sind für die Parteien verbindlich. Zudem entscheidet das OARC die ihm übertragenen Rechtssachen aufgrund von Rechtsvorschriften und führt zuvor ein streitiges Verfahren durch. Und schließlich ist das OARC eine unabhängige Einrichtung, die keinen Weisungen von außen unterliegt.

24.

Angesichts dieser Erwägungen bin ich der Meinung, dass das OARC die Kriterien erfüllt, um als „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV eingestuft zu werden.

B. Zur ersten Frage

25.

Im Rahmen der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2014/24 dem entgegensteht, dass Rechtsvorschriften, die die Bestimmungen dieser Richtlinie ins nationale Recht umsetzen, es einem öffentlichen Auftraggeber gestatten, in den Bedingungen für die Vergabe eines Auftrags im offenen Verfahren eine phasenweise Bewertung von Angeboten mit der Einschränkung einzuführen, dass im Rahmen weiterer Phasen nur solche Angebote bewertet werden, die im Rahmen früherer Phasen eine bestimmte Punktzahl erreicht haben.

26.

Das vorlegende Gericht führt aus, dass sich die Zweifel an der Möglichkeit der Durchführung einer aus mehreren Phasen bestehenden Bewertung von Angeboten im Rahmen des offenen Verfahrens aus mehreren Gründen ergeben.

27.

Erstens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass es gemäß Art. 66 der Richtlinie 2014/24 möglich sei, die Zahl der zu erörternden Lösungen oder der Angebote dadurch zu verringern, dass im Rahmen eines Vergabeverfahrens das Verhandlungsverfahren (Art. 29 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24) und der wettbewerbliche Dialog (Art. 30 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24) in Phasen unterteilt würden. In Bezug auf das in Art. 27 der Richtlinie 2014/24 genannte offene Verfahren sei in dieser Richtlinie jedoch keine entsprechende Regelung vorgesehen.

28.

In diesem Zusammenhang weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Möglichkeit der Unterteilung eines Vergabeverfahrens in Phasen ausschließlich bei den Verfahren erfolgen könne, in denen eine Verhandlung über die ursprünglichen Angebote möglich sei. Im Ergebnis kann nach Auffassung des vorlegenden Gerichts der Standpunkt verteidigt werden, dass ein öffentlicher Auftraggeber Verfahren, in denen keine Verhandlung der Angebote vorgesehen sei, nicht in Phasen unterteilen könne. Zu diesen Verfahren zähle das offene Verfahren.

29.

Zweitens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass auch der Wortlaut der Erwägungsgründe 90, 92 und 104 der Richtlinie 2014/24 gegen eine Unterteilung des offenen Verfahrens in Phasen sprechen könnte. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts wird in diesen Erwägungsgründen auf die Funktion der Zuschlagskriterien Bezug genommen. Dank dieser Kriterien sei ein Vergleich der Angebote möglich, der ihre objektive Bewertung ermögliche. Dagegen sei mit den Zuschlagskriterien nicht beabsichtigt, Angebote auszuschließen. Ausschlusscharakter hätten nämlich die Kriterien, mit denen die Fähigkeit eines Bieters zur Ausführung des Auftrags geprüft werde oder die sich auf die in den Vergabebedingungen angegebenen technischen Mindestanforderungen bezögen.

30.

Und schließlich verweist das vorlegende Gericht drittens darauf, dass eine phasenweise Bewertung von Angeboten, wie sie im Ausgangsverfahren vorgesehen sei, zu einer Situation führen könne, in der die preisgünstigsten Angebote vom öffentlichen Auftraggeber nicht berücksichtigt würden. Im Ergebnis würde ein Auftrag ohne die Berücksichtigung des Preiskriteriums vergeben werden, was insbesondere mit Art. 67 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24 nicht vereinbar sein könnte.

1.   Vorbringen der Parteien

31.

Unter Bezugnahme auf die Zweifel des vorlegenden Gerichts weist die spanische Regierung darauf hin, dass, erstens, der Unionsgesetzgeber die Vorschriften über das offene Verfahren nicht vollständig harmonisiert habe. Demnach könne ein Mitgliedstaat Fragen, die den Ablauf des offenen Verfahrens beträfen, im nationalen Recht nach Belieben regeln, sofern die verabschiedete Regelung die Wirksamkeit der Vorschriften der Richtlinie 2014/24 nicht berühre.

32.

Zweitens ist die spanische Regierung mit der Auslegung des vorlegenden Gerichts, nach dessen Auffassung eine phasenweise Bewertung von Angeboten im offenen Verfahren der Beschränkung der Zahl der Bieter und Angebote diene, nicht einverstanden. Nach Ansicht der spanischen Regierung sollte die Festlegung von zwei Phasen für die Bewertung von Angeboten im nationalen Verfahren bezwecken, dass nur Angebote, die den Bedürfnissen des öffentlichen Auftraggebers entsprächen, in Betracht gezogen würden.

33.

Und drittens schließlich trifft es nach Meinung der spanischen Regierung zu, dass ein öffentlicher Auftraggeber die Zuschlagskriterien nicht so festlegen könne, dass ihm ein uneingeschränkter Ermessensspielraum garantiert werde. Jedoch folge aus Art. 67 Abs. 2 dieser Richtlinie, dass das wirtschaftlich günstigste Angebot auf der Grundlage des Preis-Leistungs-Verhältnisses bestimmt werden könne.

34.

In Bezug auf die erste Frage vertreten die griechische Regierung und die Kommission im Grundsatz die gleiche Meinung wie die spanische Regierung.

2.   Analyse

35.

Ich denke, dass die Zweifel des vorlegenden Gerichts, auf die sich die Parteien in ihren Erklärungen beziehen, drei Fragen aufwerfen. Erstens geht es um den Ermessensspielraum, den die Mitgliedstaaten bei der Regelung des offenen Verfahrens im nationalen Recht haben. Zweitens sind beim vorlegenden Gericht auch Zweifel bezüglich der Frage aufgekommen, ob eine Bewertung von Angeboten in zwei Phasen, wie sie im Ausgangsverfahren stattfindet, nicht dazu führt, dass die Kriterien für die Bewertung von Angeboten letztlich Ausschlusscharakter haben, obwohl sie eine Bewertungsfunktion haben sollten. Drittens fragt sich das vorlegende Gericht, ob eine phasenweise Bewertung von Angeboten nicht dazu führt, dass das Preiskriterium bei der Auftragsvergabe außer Acht gelassen wird. In den folgenden Teilen dieser Schlussanträge werde ich alle diese Fragen nacheinander erörtern.

a)   Ermessensspielraum, der den Mitgliedstaaten bei der Regelung des Ablaufs des offenen Verfahrens zusteht

1) Einleitende Bemerkungen

36.

Gemäß Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 wenden die öffentlichen Auftraggeber bei der Vergabe öffentlicher Aufträge die an diese Richtlinie angepassten nationalen Verfahren an. Zudem sind die Mitgliedstaaten gemäß Art. 26 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24 verpflichtet, öffentlichen Auftraggebern die Anwendung des offenen Verfahrens nach Maßgabe dieser Richtlinie zu ermöglichen ( 8 ).

37.

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Richtlinie 2014/24 die Art und Weise der Durchführung des offenen Verfahrens nicht abschließend regelt. Darauf weisen auch die spanische und die griechische Regierung sowie die Kommission hin. Es trifft zu, dass in Art. 27 der Richtlinie 2014/24 Fristen bestimmt wurden, innerhalb deren die Angebote im offenen Verfahren eingehen müssen. Es gibt in der Richtlinie aber keine Vorschriften über den Ablauf des Vergabeverfahrens, das in Form eines offenen Verfahrens durchgeführt wird.

38.

Wenn jedoch einerseits die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet sind, öffentlichen Auftraggebern die Anwendung des offenen Verfahrens zu ermöglichen, und es hier andererseits um ein an die Vorgaben der Richtlinie angepasstes und nach Maßgabe ihrer Vorschriften durchzuführendes Verfahren geht, dann ist es – da dieses Verfahrens im Unionsrecht nur in geringem Umfang geregelt ist – Aufgabe der nationalen Gesetzgeber, entsprechende Regelungen über den Ablauf solcher Verfahren zu schaffen.

39.

Selbstverständlich ist der Ermessensspielraum nationaler Gesetzgeber insoweit nicht unbeschränkt. Nationale Regelungen dürfen nicht dazu führen, Verfahren so auszugestalten, dass es regelmäßig zu einer Verletzung der in Art. 18 der Richtlinie 2014/24 normierten Grundsätze der Auftragsvergabe und der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts durch öffentliche Auftraggeber kommt. Zudem darf durch die nationalen Vorschriften die praktische Wirksamkeit der Bestimmungen dieser Richtlinie („effet utile“) ( 9 ) nicht beeinträchtigt werden. Meiner Meinung nach ist das Erfordernis der Anpassung von Verfahren an die Anforderungen der Richtlinie 2014/24 und deren Ausgestaltung nach Maßgabe der Vorschriften dieser Richtlinie in diesem Sinne zu verstehen.

40.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Anmerkungen ist zu erwägen, ob aus der Tatsache, dass die Richtlinie 2014/24 zur Frage der Zulässigkeit einer phasenweisen Bewertung von Angeboten im offenen Verfahren schweigt, der Schluss zu ziehen ist, dass die Ermächtigung öffentlicher Auftraggeber zur Festlegung einer solchen Lösung in den Bedingungen des zu vergebenden öffentlichen Auftrags mit den Bestimmungen der Richtlinie 2014/24 nicht vereinbar ist. In diesem Zusammenhang ist unter Bezugnahme auf die Zweifel des vorlegenden Gerichts die systematische Auslegung der Richtlinie 2014/24, die anhand ihres Art. 66 vorgenommen wird, heranzuziehen.

2) Zur Rolle des Art. 66 der Richtlinie 2014/24 im Licht anderer Bestimmungen der Richtlinie

41.

Die Zweifel des vorlegenden Gerichts bezüglich der Möglichkeit, in den Vergabebedingungen zwei Phasen für die Bewertung von Angeboten im Rahmen eines offenen Verfahrens festzulegen, beruhen nach seinen Ausführungen darauf, dass die Richtlinie 2014/24 eine Vorschrift enthalte, wonach eine phasenweise Bewertung von Lösungen oder Angeboten im Rahmen bestimmter Verfahren ausdrücklich zulässig sei (Art. 66), wogegen es in der Richtlinie an einer entsprechenden Regelung in Bezug auf das offene Verfahren fehle.

42.

Ich teile diese Zweifel des vorlegenden Gerichts nicht.

43.

Die ausdrückliche Regelung, wonach eine phasenweise Bewertung von Lösungen oder Angeboten anhand von Zuschlagskriterien im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens und eines wettbewerblichen Dialogs zulässig ist, ist meiner Meinung nach deshalb aufgestellt worden, weil in diesen Verfahren die Möglichkeit einer Verhandlung über die ursprünglichen Angebote (Art. 29 Abs. 5) sowie der Klarstellung, Konkretisierung und Verbesserung solcher Angebote (Art. 30 Abs. 6) besteht.

44.

Einerseits könnte sich die Verhandlung über eine große Zahl von Angeboten oder Lösungen für den öffentlichen Auftraggeber in einigen Fällen als problematisch erweisen. Die Kommission hat auf diesen Umstand in ihren schriftlichen Ausführungen hingewiesen. Dank der Begrenzung der Zahl von Angeboten oder Lösungen in den weiteren Phasen des Verfahrens kann nur über diejenigen von ihnen verhandelt werden, die den Bedürfnissen des öffentlichen Auftraggebers entsprechen.

45.

Andererseits könnte sich herausstellen, dass infolge der Unterteilung eines Verfahrens in aufeinanderfolgende Phasen zum Zweck der Begrenzung der Zahl von Angeboten oder der in Rede stehenden Lösungen nur solche Bieter eine reale Möglichkeit zur Verhandlung über ihr Angebot und auf der Grundlage dieser Verhandlung zum Abschluss eines Vertrags mit dem öffentlichen Auftraggeber haben, deren Angebote oder Lösungen nicht in den früheren Phasen des Verfahrens aufgeschlossen wurden. Dies könnte Zweifel daran aufkommen lassen, ob die in Art. 18 der Richtlinie 2014/24 bestimmten Grundsätze der Auftragsvergabe gewahrt wurden. Es geht dabei vor allem um den Grundsatz der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung, das Transparenzgebot und das Verbot der künstlichen Einschränkung des Wettbewerbs.

46.

Der Unionsgesetzgeber hat deshalb ausdrücklich entschieden, dass eine phasenweise Bewertung von Angeboten im Rahmen von Verfahren, in denen eine Verhandlung über die Angebote möglich ist, zulässig ist. Dadurch wurden Zweifel bezüglich der Zulässigkeit der Unterteilung solcher Verfahren in Phasen ausgeräumt ( 10 ).

47.

Beim offenen Verfahren, in dem die Möglichkeit einer Verhandlung über die ursprünglichen Angebote nicht vorgesehen ist, gibt es jedoch solche Zweifel nicht ( 11 ). Da es eine Art. 66 der Richtlinie 2014/24 entsprechende Regelung betreffend das offene Verfahren nicht gibt, kann nicht angenommen werden, dass es unzulässig ist, ein solches Verfahren in Phasen zu unterteilen, die bestimmte Zuschlagskriterien betreffen.

48.

Zusammenfassend kann aus der Aufnahme einer Regelung wie Art. 66, der das Verhandlungsverfahren und den wettbewerblichen Dialog betrifft, in die Richtlinie 2014/24 nicht der Schluss gezogen werden, dass im Rahmen des offenen Verfahrens eine phasenweise Bewertung von Angeboten nicht zulässig ist. Dies gilt mit der Einschränkung, dass diese Bewertung nicht gegen die in Art. 18 dieser Richtlinie bestimmten Grundsätze der Auftragsvergabe und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts verstoßen darf und nicht die praktische Wirksamkeit der Bestimmungen dieser Richtlinie beeinträchtigt.

b)   Zum Charakter und zur Rolle von Zuschlagskriterien

49.

Das vorlegende Gericht äußert im Vorabentscheidungsersuchen Zweifel, ob die Festlegung eines in Phasen unterteilten offenen Verfahrens wie desjenigen, auf das sich die im Ausgangsverfahren angefochtenen Vergabebedingungen beziehen, nicht zur Folge hat, dass die Zuschlagskriterien in der Praxis zu Kriterien werden, mit denen die Fähigkeit zur Ausführung des zu vergebenden Auftrags geprüft wird und die Ausschlusscharakter haben.

50.

Um zu den Zweifeln des vorlegenden Gerichts Stellung zu nehmen, erscheint es mir notwendig, das Wesen der Kriterien zu erörtern, die im Rahmen der vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/24 umfassten Verfahren der Auftragsvergabe verwendet werden.

51.

Der Unionsgesetzgeber hat in Art. 56 der Richtlinie 2014/24 klar zwischen zwei Arten von Kriterien unterschieden, nämlich den qualitativen Eignungskriterien, die sich vor allem aus Ausschlussgründen und Eignungskriterien, nach denen die Fähigkeit der Wirtschaftsteilnehmer zur Ausführung des zu vergebenden Auftrags geprüft wird, zusammensetzen (siehe Art. 57 und 58 der Richtlinie 2014/24), sowie den Zuschlagskriterien, die auf die Angebote selbst bezogen sind. Die Zuschlagskriterien sind im Unterschied zu den qualitativen Eignungskriterien gegenstandsbezogen in dem Sinne, dass es sich dabei um Kriterien handelt, die mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen (Art. 67 Abs. 2 Satz 1 a. E. der Richtlinie 2014/24) ( 12 ).

52.

Die Analyse des Vorabentscheidungsersuchens lässt den Schluss zu, dass sich die Kriterien in beiden Phasen des offenen Verfahrens auf Angebote (Zuschlagskriterien) und nicht auf die Fähigkeit der Wirtschaftsteilnehmer zur Ausführung des zu vergebenden Auftrags (qualitative Eignungskriterien) bezogen haben. Nach Angaben des vorlegenden Gerichts fanden nämlich in der technischen Phase Kriterien betreffend die Darstellung und Beschreibung des Projekts Anwendung.

53.

Es trifft zu, dass die Anwendung von Zuschlagskriterien in der Art und Weise wie im Ausgangsverfahren in der Praxis dazu führt, dass einige Angebote durch den öffentlichen Auftraggeber in den weiteren Phasen des Verfahrens nicht berücksichtigt werden. Es geht jedoch hierbei meiner Meinung nach nicht um eine Vorauswahl der Bieter, sondern um eine Rationalisierung der Art und Weise, wie das Gewicht jedes einzelnen Zuschlagskriteriums bestimmt wird.

54.

Es ist vorstellbar, dass ein öffentlicher Auftraggeber die Bewertung von technischen und wirtschaftlichen Kriterien in einem offenen Verfahren vornimmt, das nicht in Phasen unterteilt ist. In einem solchen Fall wäre es jedoch erforderlich, das Gewicht der einzelnen Kriterien in den Vergabebedingungen so zu bestimmen, dass ein Angebot, wenn es die erforderlichen technischen Anforderungen nicht erfüllt, in der Praxis keine Punktzahl erreichen kann, die eine Auswahl dieses Angebots durch den öffentlichen Auftraggeber ermöglichen würde.

55.

Meiner Meinung nach stehen weder die in der vorstehenden Nummer beschriebene Lösung noch die von der Beschwerdeführerin im Ausgangsverfahren angefochtene Lösung, die eine Bewertung von Angeboten in zwei Phasen vorsieht, an sich zur Richtlinie 2014/24 im Widerspruch. Bei beiden vorgenannten Lösungen müssen die Zuschlagskriterien natürlich gemäß Art. 67 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 so festgelegt werden, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet ist. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass die Beschwerdeführerin im Ausgangsverfahren die Verhältnismäßigkeit dieser Erwartungen des öffentlichen Auftraggebers – die zur Festlegung einer Schwelle von 35 Punkten in der technischen Phase, in der die Qualität der Angebote bewertet wurde, geführt haben – nicht in Frage zu stellen scheint.

56.

Ich bin deshalb der Ansicht, dass es zur Richtlinie 2014/24 nicht im Widerspruch steht, in den Vergabebedingungen Zuschlagskriterien im Einklang mit Art. 67 Abs. 2 und 4 dieser Richtlinie dahin festzulegen, dass in den folgenden Phasen des offenen Verfahrens nur solche Angebote bewertet werden, die eine bestimmte Punktzahl in den vorherigen Phasen erreicht haben.

c)   Zur Rolle des Preises als Zuschlagskriterium

57.

Das vorlegende Gericht weist zudem darauf hin, dass eine phasenweise Bewertung von Angeboten, wie sie in den von der Beschwerdeführerin angefochtenen Bedingungen vorgesehen sei, dazu führen könne, dass ein Auftrag ohne die Berücksichtigung des Preiselements erteilt werde. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts könnte dies mit der Richtlinie 2014/24 nicht vereinbar sein.

58.

Tatsächlich bestimmt der 90. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24, dass die Bewertung aufgrund des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses stets eine Preis- oder Kostenkomponente beinhalten sollte.

59.

Jedoch folgt aus Art. 67 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24, dass die öffentlichen Auftraggeber den Zuschlag auf der Grundlage des wirtschaftlich günstigsten Angebots erteilen. Gemäß Art. 67 Abs. 2 dieser Richtlinie geht es um das aus der Sicht des öffentlichen Auftraggebers wirtschaftlich günstigste Angebot, wobei das wirtschaftlich günstigste Angebot das beste Preis-Leistungs-Verhältnis beinhalten kann ( 13 ).

60.

Zudem soll nach dem 90. Erwägungsgrund Abs. 2 der Richtlinie 2014/24 bei der öffentlichen Auftragsvergabe eine stärkere Ausrichtung auf die Qualität gefördert werden. Aus diesem Grund sollte es den Mitgliedstaaten gestattet sein, die Anwendung des alleinigen Preis- oder Kostenkriteriums zur Bestimmung des wirtschaftlich günstigsten Angebots zu untersagen oder einzuschränken, sofern sie dies für zweckmäßig halten. Gemäß dem 92. Erwägungsgrund Abs. 1 Satz 4 sollten öffentliche Auftraggeber zudem zur Wahl von Zuschlagskriterien ermutigt werden, mit denen sie qualitativ hochwertige Bauleistungen, Lieferungen und Dienstleistungen erhalten können, die ihren Bedürfnissen optimal entsprechen ( 14 ).

61.

Dies bedeutet nicht, dass der Ermessensspielraum öffentlicher Auftraggeber bei der Ausgestaltung von Zuschlagskriterien uneingeschränkt ist. In diesem Bereich findet der bereits erwähnte Art. 67 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 Anwendung. Danach sind öffentliche Auftraggeber verpflichtet, Zuschlagskriterien so festzulegen, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet ist.

62.

Unabhängig davon, ob die öffentlichen Auftraggeber in den Vergabebedingungen eine phasenweise Bewertung von Angeboten festlegen, müssen sie die sich aus Art. 67 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 ergebende Verpflichtung einhalten. Sie würde daher auch dann bestehen, wenn in den von der Beschwerdeführerin angefochtenen Vergabebedingungen über eine Bewertung qualitativer und wirtschaftlicher Kriterien ohne Unterteilung in Phasen entschieden würde. Dagegen führt die phasenweise Bewertung von Angeboten nicht zu einer solchen Verschärfung der sich aus Art. 67 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 ergebenden Pflichten des öffentlichen Auftraggebers, dass er dem Preiskriterium eine besondere Bedeutung beimessen müsste.

63.

Zusammenfassend kann erstens aus der Aufnahme von Art. 66 in die Richtlinie 2014/24 nicht der Schluss gezogen werden, dass in den Bedingungen für die Vergabe eines Auftrags im offenen Verfahren keine phasenweise Bewertung von Angeboten festgelegt werden darf. Dies gilt mit der Einschränkung, dass diese Bewertung nicht gegen die in Art. 18 dieser Richtlinie bestimmten Grundsätze der Auftragsvergabe und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts verstoßen darf und nicht die praktische Wirksamkeit der Bestimmungen dieser Richtlinie beeinträchtigt. Zweitens bleiben die im Rahmen einer phasenweisen Bewertung von Angeboten angewandten Kriterien Zuschlagskriterien, wenn sie mit Art. 67 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2014/24 vereinbar sind. Drittens bedeutet eine solche phasenweise Bewertung von Angeboten nicht, dass der öffentliche Auftraggeber die Auftragsvergabe nicht auf das wirtschaftlich günstigste Angebot stützt.

64.

Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof daher vor, die erste Frage wie folgt zu beantworten: Die Richtlinie 2014/24 ist dahin auszulegen, dass sie dem nicht entgegensteht, dass einem öffentlichen Auftraggeber bei Verwendung von Zuschlagskriterien, die mit Art. 67 Abs. 2 und 4 dieser Richtlinie im Einklang stehen, gestattet wird, in den Bedingungen für die Vergabe eines Auftrags im offenen Verfahren eine phasenweise Bewertung der Angebote festzulegen.

C. Zur zweiten Frage

65.

Die zweite Frage wurde für den Fall formuliert, dass der Gerichtshof die erste Frage dahin beantwortet, dass der nationale Gesetzgeber öffentlichen Auftraggebern die Festlegung einer phasenweisen Bewertung von Angeboten in den Bedingungen für die Vergabe eines Auftrags im offenen Verfahren gestatten darf. Mit der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht insbesondere wissen, ob die Richtlinie 2014/24 dem entgegensteht, dass ein öffentlicher Auftraggeber nicht dazu verpflichtet ist, in der Schlussphase eines Verfahrens eine ausreichende Zahl von Angeboten zu erlangen, um einen „echten Wettbewerb“ im Sinne von Art. 66 der Richtlinie 2014/24 zu gewährleisten.

66.

Die spanische Regierung meint, dass die zweite Frage hypothetisch sei. Nach Ansicht dieser Regierung weist nämlich gar nichts darauf hin, dass eine phasenweise Bewertung von Angeboten im nationalen Verfahren dazu führen könne, dass der Zuschlag erteilt werde, ohne dass Wettbewerb herrsche. Die spanische Regierung weist zudem darauf hin, dass es im Ausgangsverfahren um die Bewertung der Vergabebedingungen gehe, die von der Beschwerdeführerin in Frage gestellt werden. Die griechische Regierung und die Kommission vertreten wiederum den Standpunkt, dass das Erfordernis der Gewährleistung eines „echten Wettbewerbs“ im offenen Verfahren keine Anwendung finde.

1.   Zur Zulässigkeit

67.

Zunächst ist auf die Zweifel der spanischen Regierung einzugehen, die die Zulässigkeit der zweiten Frage betreffen.

68.

In den Regelungen im spanischen Recht über das offene Verfahren ist kein Erfordernis hinsichtlich eines „echten Wettbewerbs“ vorgesehen. Nichts weist darauf hin, dass ein solches Erfordernis in den von der Beschwerdeführerin angefochtenen Vergabebedingungen vorgesehen wurde.

69.

Meiner Meinung nach überlegt das vorlegende Gericht wegen des Wortlauts von Art. 66 der Richtlinie 2014/24, der im Vorabentscheidungsersuchen mehrmals zitiert wurde, ob es notwendig ist, das Erfordernis hinsichtlich eines „echten Wettbewerbs“ im Rahmen einer phasenweisen Bewertung von Angeboten im offenen Verfahren zu befolgen. Würde sich nämlich herausstellen, dass das in Art. 66 der Richtlinie 2014/24 vorgesehene Erfordernis unmittelbar oder analog auch auf offene Verfahren, in denen eine phasenweise Bewertung von Angeboten erfolgt, Anwendung findet, müsste das vorlegende Gericht prüfen, ob es dem öffentlichen Auftraggeber anhand der Vergabebedingungen möglich war, in der Schlussphase des Verfahrens einen „echten Wettbewerb“ zu gewährleisten.

70.

Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist anzunehmen, dass die zweite Frage zulässig ist.

2.   In der Sache

71.

Für die Beantwortung dieser Frage ist zu klären, ob Art. 66 der Richtlinie 2014/24 unmittelbar oder analog auch auf ein offenes Verfahren, in dem eine phasenweise Bewertung von Angeboten erfolgt, Anwendung findet.

72.

Ich bin der Meinung, dass Art. 66 der Richtlinie 2014/24 auf offene Verfahren nicht anwendbar sein kann.

73.

Erstens bezieht sich Art. 66 der Richtlinie 2014/24 ausschließlich auf das Verhandlungsverfahren und den wettbewerblichen Dialog. Dagegen findet er auf das offene Verfahren keine Anwendung ( 15 ). Übrigens darf der öffentliche Auftraggeber das offene Verfahren fortsetzen, auch wenn infolge der Zuschlagskriterien nur eine kleine Zahl von Wirtschaftsteilnehmern sich um den Zuschlag bewerben kann ( 16 ).

74.

Zweitens sieht Art. 66 Satz 2 der Richtlinie 2014/24 vor, dass in der Schlussphase noch so viele Angebote oder Lösungen vorliegen müssen, dass ein echter Wettbewerb gewährleistet ist, sofern eine ausreichende Zahl von Angeboten, Lösungen oder geeigneten Bewerbern vorliegt ( 17 ).

75.

Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich, dass das Erfordernis der Gewährleistung einer bestimmten Zahl von Angeboten und Lösungen in der Schlussphase des Verfahrens keinen absoluten Charakter hat. Es findet dann Anwendung, wenn die Möglichkeit besteht, eine angemessene Zahl von Angeboten, Lösungen oder geeigneten Bewerbern zu erhalten ( 18 ). Meiner Meinung nach soll das Bestreben, dass die im Rahmen der Schlussphase des Verhandlungsverfahrens und des wettbewerblichen Dialogs erreichte Zahl einen echten Wettbewerb gewährleistet, eine Situation verhindern, in der ein konkreter Bieter oder Bewerber an Verhandlungen über sein Angebot kein Interesse hätte, wenn er der einzige vom öffentlichen Auftraggeber in Betracht gezogene Wirtschaftsteilnehmer wäre, obwohl andere Wirtschaftsteilnehmer dem öffentlichen Auftraggeber Angebote unterbreiten könnten, die seinen Erwartungen und Bedürfnissen entsprächen.

76.

Deshalb ist es meiner Meinung nach nicht erforderlich, Art. 66 der Richtlinie 2014/24 bei einem offenen Verfahren, in dem es zu einer phasenweisen Bewertung von Angeboten kommt, analog anzuwenden. Im Rahmen der weiteren Phasen dieses Verfahrens kommt es dazu, dass nur Angebote berücksichtigt werden, die den Erwartungen und Bedürfnissen des öffentlichen Auftraggebers entsprechen. Es besteht jedoch keine Möglichkeit, über diese Angebote zu verhandeln.

77.

Angesichts der vorstehenden Erwägungen findet das Erfordernis der Erlangung einer bestimmten Zahl von Angeboten in der Schlussphase des offenen Verfahrens, um mit dieser Zahl einen „echten Wettbewerb“ im Sinne von Art. 66 der Richtlinie 2014/24 zu gewährleisten, weder unmittelbar noch analog in einem offenen Verfahren wie dem Anwendung, auf das sich die von der Beschwerdeführerin angefochtenen Vergabebedingungen beziehen.

78.

Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die zweite Frage wie folgt zu beantworten: Die Richtlinie 2014/24 ist dahin auszulegen, dass sie dem nicht entgegensteht, dass ein öffentlicher Auftraggeber, der in den Bedingungen für die Vergabe eines Auftrags im offenen Verfahren eine phasenweise Bewertung der Angebote festlegt, nicht dazu verpflichtet ist, in der Schlussphase eines solchen Verfahrens eine ausreichende Zahl von Angeboten zu erlangen, um einen „echten Wettbewerb“ im Sinne von Art. 66 dieser Richtlinie, zu gewährleisten.

D. Zur dritten Frage

79.

Mit der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht insbesondere wissen, ob eine Klausel wie die von der Beschwerdeführerin beanstandete deshalb mit der Richtlinie 2014/24 nicht vereinbar ist, weil es unmöglich ist, einen echten Wettbewerb zu gewährleisten oder einem Wirtschaftsteilnehmer, der ein Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis abgegeben hat, den Zuschlag zu erteilen.

80.

Die dritte Frage wurde für den Fall gestellt, dass die zweite Frage bejaht wird. Eine solche Antwort würde bedeuten, dass das Erfordernis, in der Schlussphase der Bewertung eine Zahl von Angeboten zu erhalten, die einen „echten Wettbewerb“ im Sinne von Art. 66 der Richtlinie 2014/24 gewährleistet, auch auf das offene Verfahren Anwendung findet.

81.

Aufgrund der von mir auf die zweite Frage vorgeschlagenen Antwort bedarf die dritte Frage keiner Beantwortung. Für den Fall, dass der Gerichtshof jedoch meinen Standpunkt zur Beantwortung der zweiten Frage nicht teilen sollte, werde ich auch kurz auf die dritte Frage eingehen.

82.

Im Zusammenhang mit dem Erfordernis, in der Schlussphase des Verfahrens eine Zahl von Angeboten zu erhalten, bei der ein echter Wettbewerb gewährleistet ist, ist daran zu erinnern, dass ein solches Erfordernis, auch wenn es unmittelbar oder analog aus Art. 66 der Richtlinie 2014/24 hergeleitet würde, keinen absoluten Charakter hätte. Es käme dann zur Anwendung, wenn dies aufgrund der Zahl geeigneter Angebote möglich wäre ( 19 ). Jedenfalls müsste die endgültige Beurteilung insoweit dem vorlegenden Gericht überlassen werden.

83.

Was wiederum die Auftragserteilung an den Wirtschaftsteilnehmer, der das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis vorgelegt hat, angeht, ist der öffentliche Auftraggeber aufgrund der Richtlinie 2014/24 verpflichtet, den Auftrag unter Zugrundelegung des wirtschaftlich günstigsten Angebots zu vergeben. Dieses Kriterium darf jedoch nicht so verstanden werden, dass der öffentliche Auftraggeber verpflichtet ist, das preislich günstigste Angebot auszuwählen, obwohl dieses Angebot qualitative Anforderungen des Auftraggebers, die in den Vergabebedingungen festgelegt wurden, nicht erfüllt. Der Ermessensspielraum der öffentlichen Auftraggeber im Zusammenhang mit der Festlegung von Zuschlagskriterien wird jedoch durch Art. 67 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 eingeschränkt ( 20 ). Die Prüfung, ob der öffentliche Auftraggeber die in dieser Vorschrift vorgesehenen Erfordernisse eingehalten hat, ist Sache des vorlegenden Gerichts.

VI. Ergebnis

84.

Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof daher vor, die Vorlagefragen des Órgano Administrativo de Recursos Contractuales de la Comunidad Autónoma de Euskadi (Verwaltungsbehörde für Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte im Bereich öffentlicher Aufträge der Autonomen Gemeinschaft Baskenland, Spanien) wie folgt zu beantworten:

1.

Die Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass sie dem nicht entgegensteht, dass einem öffentlichen Auftraggeber bei Verwendung von Zuschlagskriterien, die mit Art. 67 Abs. 2 und 4 dieser Richtlinie im Einklang stehen, gestattet wird, in den Bedingungen für die Vergabe eines Auftrags im offenen Verfahren eine phasenweise Bewertung der Angebote festzulegen.

2.

Die Richtlinie 2014/24 ist dahin auszulegen, dass sie dem nicht entgegensteht, dass ein öffentlicher Auftraggeber, der in den Bedingungen für die Vergabe eines Auftrags im offenen Verfahren eine phasenweise Bewertung der Angebote festlegt, nicht dazu verpflichtet ist, in der Schlussphase eines solchen Verfahrens eine ausreichende Zahl von Angeboten zu erlangen, um einen „echten Wettbewerb“ im Sinne von Art. 66 dieser Richtlinie zu gewährleisten.


( 1 ) Originalsprache: Polnisch.

( 2 ) Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65).

( 3 ) Vgl. Urteile vom 31. Mai 2005, Syfait u. a. (C‑53/03, EU:C:2005:333, Rn. 29), und vom 31. Januar 2013, Bełow (C‑394/11, EU:C:2013:48, Rn. 38).

( 4 ) Urteile vom 31. Mai 2005, Syfait u. a. (C‑53/03, EU:C:2005:333, Rn. 29), und vom 31. Januar 2013, Bełow (C‑394/11, EU:C:2013:48, Rn. 39 und 40).

( 5 ) Siehe meine Schlussanträge in der Rechtssache Ascendi (C‑377/13, EU:C:2014:246, Nr. 33).

( 6 ) Vgl. Urteil vom 6. Oktober 2015, Consorci Sanitari del Maresme (C‑203/14, EU:C:2015:664, Rn. 17).

( 7 ) Nebenbei weise ich darauf hin, dass der Gerichtshof im Urteil vom 6. Oktober 2015, Consorci Sanitari del Maresme (C‑203/14, EU:C:2015:664), eine Auslegung der Vorschriften der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114), die die Vorgängerin der Richtlinie 2014/24 war, im Kontext von Vorlagefragen einer katalonischen Einrichtung, die für Beschwerden zuständig war, vorgenommen hat. Es ist richtig, dass in diesem Zusammenhang auf eine Vorschrift des spanischen Rechts verwiesen wurde, wonach eine außerordentliche Beschwerde im Bereich der Vergabe eines öffentlichen Auftrags vor der Klage bei einem Verwaltungsgericht fakultativen Charakter hatte. Ich kann nicht ausschließen, dass diese Vorschrift des spanischen Rechts in Bezug auf das Ausgangsverfahren, das ebenfalls eine für Beschwerden zuständige Einrichtung, aber einer anderen Autonomen Gemeinschaft, betrifft, anwendbar ist. Jedoch stellte der Gerichtshof im Urteil vom 6. Oktober 2015, Consorci Sanitari del Maresme (C‑203/14, EU:C:2015:664, Rn. 22 bis 25), fest, dass die katalonische Einrichtung, die für Beschwerden zuständig ist, auch das Kriterium der obligatorischen Gerichtsbarkeit erfülle, und das, obwohl derjenige, der einen Rechtsbehelf im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge einlegen möchte, zwischen der außerordentlichen Beschwerde bei der vorlegenden Einrichtung und der Klage bei einem Verwaltungsgericht wählen kann. Entscheidend sei, dass die Zuständigkeit nicht von einer Vereinbarung zwischen den Parteien abhänge und die Entscheidungen für sie verbindlich seien.

( 8 ) Hervorhebung nur hier.

( 9 ) In diesem Sinne, in Bezug auf die Richtlinie 2004/18, vgl. Urteil vom 28. Februar 2018, MA.T.I. SUD und Duemme SGR (C‑523/16 und C‑536/16, EU:C:2018:122, Rn. 48). In Bezug auf nationale Verfahrensvorschriften betreffend gerichtliche Klagen im Bereich öffentlicher Aufträge vgl. Urteil vom 5. April 2017, Marina del Mediterráneo u. a. (C‑391/15, EU:C:2017:268, Rn. 33).

( 10 ) Außerdem können das Verhandlungsverfahren und der wettbewerbliche Dialog, im Unterschied zum offenen Verfahren, erst dann angewandt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Zudem hat der Unionsgesetzgeber den Ablauf dieser Verfahren restriktiver als beim offenen Verfahren geregelt. In der Lehre wird dies damit begründet, dass das Risiko der Einschränkung des Wettbewerbs bei der Anwendung solcher Sonderverfahren grundsätzlich höher sei als bei der Anwendung des offenen Verfahrens durch den öffentlichen Auftraggeber. In Bezug auf den Rechtsstand vor Inkrafttreten der Richtlinie 2014/24 – siehe C. Bovis, Public Procurement in the European Union, New York, Palgrave, 2005, S. 132-133.

( 11 ) Siehe J. González García, in: R. Caranta, G. Edelstam, M. Trybus (Hrsg.), EU Public Contract Law: Public Procurement and Beyond, Brüssel, Bruylant, 2013, Kapitel 3, Punkt 4. Das Ermächtigen des öffentlichen Auftraggebers zum Führen von Verhandlungen könnte nämlich zur Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung sowie des Transparenzgebots führen. Vgl. Urteil vom 7. April 2016, Partner Apelski Dariusz (C‑324/14, EU:C:2016:214, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 12 ) Im Kontext der Feststellung, dass Zuschlagskriterien gegenstandsbezogen sind, ist es wichtig anzumerken, dass sich diese Kriterien auch auf das mit der Ausführung des Auftrags betraute Personal beziehen können, sofern ein Zusammenhang zwischen den Fähigkeiten des Personals und der Auftragsausführung besteht. Siehe Art. 67 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2014/24. Vgl. auch Urteil vom 26. März 2015, Ambisig (C‑601/13, EU:C:2015:204, Rn. 33 und 34). Hierzu ist anzumerken, dass es auch vor dem Hintergrund des im Vorabentscheidungsersuchen mehrfach genannten Art. 66 der Richtlinie 2014/24 zu einer Beschränkung der Zahl der Angebote oder Lösungen durch Unterteilung des Verhandlungsverfahrens oder des wettbewerblichen Dialogs unter Anwendung von Zuschlagskriterien, und nicht qualitativer Eignungskriterien, kommt. Siehe J. Pawelec (Hrsg.), Dyrektywa Parlamentu Europejskiego i Rady 2014/24/UE w sprawie zamówień publicznych, uchylająca dyrektywę 2004/18/WE. Komentarz, Warschau, C. H. Beck, 2017, S. 315; A. Sánchez Graells, Public Procurement and the EU Competition Rules, Oxford – Portland, Hart Publishing, 2015, S. 312.

( 13 ) Hervorhebung nur hier.

( 14 ) Hervorhebung nur hier.

( 15 ) Vgl. Nr. 47 der vorliegenden Schlussanträge.

( 16 ) In diesem Sinne vgl. Urteil vom 17. September 2002, Concordia Bus Finland (C‑513/99, EU:C:2002:495, Rn. 85). Im Urteil vom 16. September 1999, Fracasso und Leitschutz (C‑27/98, EU:C:1999:420, Rn. 32 bis 34), das den Rechtsstand vor Inkrafttreten der Richtlinie 2014/24 betrifft, wies der Gerichtshof außerdem darauf hin, dass wenn infolge des Vergabeverfahrens nur ein einziges Angebot bleibt, der Auftraggeber nicht verpflichtet ist, den Auftrag dem einzigen Bieter zu erteilen. Daraus folgt jedoch nicht, dass der öffentliche Auftraggeber ein solches Verfahren für ungültig erklären muss.

( 17 ) Hervorhebung nur hier.

( 18 ) Gemäß den Erläuterungen zum wettbewerblichen Dialog, die von der Kommission ausgearbeitet wurden (European Commission Directorate General Internal Market And Services Public Procurement Policy Explanatory Note – Competitive Dialogue – Classic Directive, verfügbar auf der Website ec.europa.eu, S. 8 und 9), kann eine Beschränkung der Zahl von Lösungen dazu führen, dass in der Schlussphase des Verfahrens nur eine einzige Lösung übrig bleibt. Der öffentliche Auftraggeber kann jedoch trotzdem dieses Verfahren fortsetzen. In diesem Sinne siehe auch den 41. Erwägungsgrund Satz 2 der Richtlinie 2004/18, wo es heißt, dass die Reduzierung von Angeboten, die noch Gegenstand eines Dialogs oder von Verhandlungen im Falle des wettbewerblichen Dialogs oder des Verhandlungsverfahrens mit Veröffentlichung einer Bekanntmachung sind – sofern die Anzahl der geeigneten Lösungen oder Bewerber es erlaubt – einen wirksamen Wettbewerb gewährleisten sollte. Hervorhebung nur hier.

( 19 ) Vgl. Nr. 75 der vorliegenden Schlussanträge.

( 20 ) Siehe Nrn. 61 und 62 der vorliegenden Schlussanträge.