SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 1. Juni 2017 ( 1 )

Verbundene Rechtssachen C‑215/16, C‑216/16, C‑220/16 und C‑221/16

Elecdey Carcelen SA (C‑215/16),

Energías Eólicas de Cuenca SA (C‑216/16),

Iberenova Promociones SAU (C‑220/16),

Iberdrola Renovables Castilla La Mancha SA (C‑221/16)

gegen

Comunidad Autónoma de Castilla la Mancha

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Superior de Justicia de Castilla-La Mancha [Oberster Gerichtshof von Kastilien-La Mancha, Spanien])

„Vorabentscheidungsersuchen – Umwelt – Windenergie – Richtlinie 2009/28/EG – Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen – Richtlinie 2008/118/EG – Allgemeines Verbrauchsteuersystem – Richtlinie 2003/96/EG – Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom – Regionale Abgabe auf Windkraftanlagen (‚canon eólico‘)“

I. Einführung

1.

In der spanischen Region La Mancha hat schon Don Quijote gegen Windkraftanlagen gekämpft. Daher ist es nicht überraschend, dass den Gerichtshof aus der Autonomen Gemeinschaft Kastilien-La Mancha ein neuer Streit über Windenergie erreicht. Nachdem in jüngerer Zeit bereits mehrfach über ihre nachteiligen Umweltauswirkungen, ( 2 ) aber auch über ihre Förderung ( 3 ) zu entscheiden war, geht es im vorliegenden Fall um die von dieser Region erfundene Abgabe auf Windkraftanlagen, gewissermaßen eine „pole tax“.

2.

Neben der Richtlinie 2009/28/EG ( 4 ) über die Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen bezieht sich das Vorabentscheidungsersuchen auch auf die Richtlinie 2008/118/EG ( 5 ) über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und die Richtlinie 2003/96/EG ( 6 ) über die Energiebesteuerung. Im Einzelnen ist zu erörtern, ob die streitgegenständliche Steuer mit dem Förderziel der Richtlinie 2009/28 oder der in ihr vorgesehenen Regelung über Verwaltungsgebühren vereinbar ist. Jedoch sollte sich der Gerichtshof auch damit auseinandersetzen, inwieweit eine Beeinträchtigung der Ziele der Richtlinie 2009/28 einer solchen Steuer entgegenstehen könnte. In Bezug auf die beiden steuerrechtlichen Richtlinien ist vor allem zu klären, ob die Steuer in ihren Anwendungsbereich fällt, denn in diesem Fall müsste sie bestimmten Anforderungen genügen.

II. Rechtlicher Rahmen

A. Unionsrecht

1.   Richtlinie 2009/28

3.

Die Richtlinie 2009/28 hat die Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen zum Gegenstand.

4.

Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2009/28 definiert den Begriff der Förderregelung wie folgt:

„… ein Instrument, eine Regelung oder einen Mechanismus, das bzw. die bzw. der von einem Mitgliedstaat oder einer Gruppe von Mitgliedstaaten angewendet wird und die Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen dadurch fördert, dass die Kosten dieser Energie gesenkt werden, ihr Verkaufspreis erhöht wird oder ihre Absatzmenge durch eine Verpflichtung zur Nutzung erneuerbarer Energie oder auf andere Weise gesteigert wird. Dazu zählen unter anderem Investitionsbeihilfen, Steuerbefreiungen oder ‑erleichterungen, Steuererstattungen, Förderregelungen, die zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen verpflichten, einschließlich solcher, bei denen grüne Zertifikate verwendet werden, sowie direkte Preisstützungssysteme einschließlich Einspeisetarife und Prämienzahlungen“.

5.

Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2009/28 verpflichtet die Mitgliedstaaten, bestimmte Mindestanteile ihres Energieverbrauchs aus erneuerbarer Energie zu bestreiten:

„(1)   Jeder Mitgliedstaat sorgt dafür, dass sein … Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoendenergieverbrauch im Jahr 2020 mindestens seinem nationalen Gesamtziel für den Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen in diesem Jahr gemäß der dritten Spalte der Tabelle in Anhang I Teil A entspricht.

(2)   Die Mitgliedstaaten treffen Maßnahmen, um effektiv zu gewährleisten, dass ihr Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen den im indikativen Zielpfad in Anhang I Teil B angegebenen Anteil erreicht oder übersteigt.“

6.

In diesem Zusammenhang betrifft Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/28 u. a. Förderregelungen:

„Zur Erfüllung der in den Abs. 1 und 2 genannten Ziele können die Mitgliedstaaten unter anderem folgende Maßnahmen anwenden:

a)

Förderregelungen;

b)

…“

7.

Genehmigungsverfahren werden im 40. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/28 angesprochen:

„Das Verfahren, das von der für die Überwachung der Genehmigung, Zertifizierung und Zulassung von Anlagen für erneuerbare Energieträger zuständigen Verwaltungseinheit angewendet wird, muss objektiv, transparent, diskriminierungsfrei und verhältnismäßig sein, wenn die Regelungen auf bestimmte Projekte angewendet werden. …“

8.

Die entsprechenden Regelungen sind in Art. 13 der Richtlinie 2009/28 niedergelegt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass einzelstaatliche Vorschriften für die Genehmigungs-, Zertifizierungs- und Zulassungsverfahren, die auf Anlagen zur Erzeugung von Elektrizität, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energiequellen und die angegliederten Infrastrukturen der Übertragungs- und Verteilernetze sowie auf den Vorgang der Umwandlung von Biomasse in Biokraftstoffe oder sonstige Energieprodukte angewandt werden, verhältnismäßig und notwendig sind.

Die Mitgliedstaaten ergreifen insbesondere angemessene Maßnahmen, um sicherzustellen, dass

e)

Verwaltungsgebühren, die die Verbraucher, Planungsbüros, Architekten, Bauunternehmen sowie die Geräte- und Systeminstallateure und ‑lieferanten entrichten müssen, transparent und kostenbezogen sind;

…“

2.   Richtlinie 2008/118

9.

Die Richtlinie 2008/118 hat das allgemeine Verbrauchsteuersystem zum Gegenstand. Art. 1 Abs. 1 regelt den Anwendungsbereich und Abs. 2 die Zulässigkeit weiterer Verbrauchsteuern:

„(1)   Diese Richtlinie legt ein allgemeines System für die Verbrauchsteuern fest, die mittelbar oder unmittelbar auf den Verbrauch folgender Waren (nachstehend ‚verbrauchsteuerpflichtige Waren‘ genannt) erhoben werden:

a)

Energieerzeugnisse und elektrischer Strom gemäß der Richtlinie 2003/96/EG;

b)

Alkohol und alkoholische Getränke gemäß den Richtlinien 92/83/EWG und 92/84/EWG;

c)

Tabakwaren gemäß den Richtlinien 95/59/EG, 92/79/EWG und 92/80/EWG.

(2)   Die Mitgliedstaaten können für besondere Zwecke auf verbrauchsteuerpflichtige Waren andere indirekte Steuern erheben, sofern diese Steuern in Bezug auf die Bestimmung der Bemessungsgrundlage, die Berechnung der Steuer, die Entstehung des Steueranspruchs und die steuerliche Überwachung mit den gemeinschaftlichen Vorschriften für die Verbrauchsteuer oder die Mehrwertsteuer vereinbar sind, wobei die Bestimmungen über die Steuerbefreiungen ausgenommen sind.“

3.   Richtlinie 2003/96

10.

Die Richtlinie 2003/96 hat die Besteuerung von Energie zum Gegenstand.

11.

Wie insbesondere Art. 4 der Richtlinie 2003/96 aufzeigt, verlangt sie im Prinzip eine Mindestbesteuerung von Energie:

„(1)   Die Steuerbeträge, die die Mitgliedstaaten für Energieerzeugnisse und elektrischen Strom nach Art. 2 vorschreiben, dürfen die in dieser Richtlinie vorgesehenen Mindeststeuerbeträge nicht unterschreiten.

(2)   Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Begriff ‚Steuerbetrag‘ die Gesamtheit der als indirekte Steuern (mit Ausnahme der Mehrwertsteuer) erhobenen Abgaben, die zum Zeitpunkt der Überführung in den freien Verkehr direkt oder indirekt anhand der Menge an Energieerzeugnissen und elektrischem Strom berechnet werden.“

12.

Daneben bezieht sich das innerstaatliche Gericht auf Art. 15 der Richtlinie 2003/96, der bestimmte Steuerbefreiungen ermöglicht:

„Unbeschadet anderer Gemeinschaftsvorschriften können die Mitgliedstaaten unter Steueraufsicht uneingeschränkte oder eingeschränkte Steuerbefreiungen oder Steuerermäßigungen gewähren für:

a)

b)

elektrischen Strom,

der auf der Nutzung der Sonnenenergie, Windkraft, Wellen- oder Gezeitenenergie oder Erdwärme beruht;

…“

B. Spanisches Recht

13.

Die Autonome Gemeinschaft Kastilien-La Mancha führte mit der Ley 9/2011, de 21 de marzo, por la que se crea el canon eólico (Gesetz Nr. 9/2011 vom 21. März 2011 zur Einführung einer Windkraftabgabe, im Folgenden: Gesetz Nr. 9/2011) eine Windkraftabgabe ein.

14.

Art. 4 des Gesetzes Nr. 9/2011 regelt den Steuertatbestand:

„(1)   Steuertatbestand der Windkraftabgabe sind die Belastungen und schädlichen Auswirkungen auf die natürliche Umwelt und das Gebiet, die infolge der Einrichtung von Windparks mit Windgeneratoren zur Stromerzeugung … entstehen.

(3)   Der Steuertatbestand ist auch dann erfüllt, wenn der Inhaber der Windgeneratoren nicht mit dem Inhaber der behördlichen Erlaubnis zur Errichtung eines Windparks identisch ist.“

15.

Die Bemessungsgrundlage ergibt sich aus Art. 7 des Gesetzes Nr. 9/2011:

„(1)   Die Bemessungsgrundlage ist die Summe der einzelnen Windgeneratoren, die in einem … Windpark vorhanden sind.“

16.

Art. 8 regelt die Abgabenhöhe:

„(1)   Die Abgabenhöhe bestimmt sich in Anwendung folgender vierteljährlicher Abgabentarife auf die Bemessungsgrundlage:

In Windparks mit bis zu 2 Windgeneratoren: 0 Euro für jeden Windgenerator.

In Windparks mit mindestens 3 und höchstens 7 Windgeneratoren: 489 Euro für jeden Windgenerator.

In Windparks mit mindestens 8 und höchstens 15 Windgeneratoren: 871 Euro für jeden Windgenerator.

In Windparks mit mehr als 15 Windgeneratoren:

a)

wenn die Zahl der Windgeneratoren gleich oder kleiner ist als die in Megawatt gemessene installierte Leistung des Windparks: 1233 Euro für jeden Windgenerator;

b)

wenn die Zahl der Windgeneratoren größer ist als die in Megawatt gemessene installierte Leistung des Windparks: 1275 Euro für jeden Windgenerator.

…“

III. Sachverhalt und Vorabentscheidungsersuchen

17.

Die Elecdey Carcelen SA (Rechtssache C‑215/16), die Energías Eólicas de Cuenca SA (Rechtssache C‑216/16), die Iberenova Promociones SAU (Rechtssache C‑220/16) und die Iberdrola Renovables Castilla La Mancha SA (Rechtssache C‑221/16) betreiben Windkraftanlagen in der Autonomen Gemeinschaft Kastilien-La Mancha, die der regionalen Windkraftabgabe unterliegen. Diese Unternehmen beantragten bei der zuständigen Behörde eine Berichtigung ihrer Selbstveranlagungen zur Windkraftabgabe im Veranlagungszeitraum 2011 sowie die Erstattung der entrichteten Beträge.

18.

Gegen die Ablehnung dieser Anträge erhoben sie Klage vor dem Tribunal Superior de Justicia de Castilla-La Mancha (Oberster Gerichtshof von Kastilien-La Mancha, Spanien). Dieses legt dem Gerichtshof daher die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1)

Sind – da die in Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2009/28 definierten „Förderregelungen“, zu denen u. a. fiskalische Anreize in Gestalt von Steuererleichterungen, ‑befreiungen und ‑erstattungen gehören, als Instrumente zur Erreichung des in dieser Richtlinie vorgesehenen Ziels des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen ausgestaltet sind – die genannten Anreize und Maßnahmen so zu verstehen, dass sie verpflichtend und für die Mitgliedstaaten verbindlich sind und insoweit unmittelbare Wirkung haben, als sich die betroffenen Einzelnen vor allen öffentlichen, gerichtlichen und administrativen Instanzen auf sie berufen und sie geltend machen können?

2)

Ist – da bei den in der vorhergehenden Frage erwähnten „Förderregelungen“ fiskalische Anreizmaßnahmen in Gestalt von Steuererleichterungen, ‑befreiungen und ‑erstattungen unter Verwendung des Ausdrucks „unter anderem“ aufgezählt werden – unter diesen Anreizen gerade auch die Nichtbesteuerung zu verstehen, d. h. das Verbot jeder Art von Spezial- und Sonderabgaben, die zu den allgemeinen Steuern hinzutreten, die auf die wirtschaftliche Tätigkeit und die Stromerzeugung erhoben werden, und mit denen Energie aus erneuerbaren Quellen belastet wird? In diesem Zusammenhang stellt sich auch folgende Frage: Schließt das vorgenannte allgemeine Verbot gleichermaßen auch das Verbot des Zusammentreffens, der doppelten Erhebung oder der Überlappung mehrerer allgemeiner oder Sonderabgaben ein, die auf den verschiedenen Phasen der Tätigkeit der Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen lasten und sich dadurch auf denselben Steuertatbestand auswirken, auf den die in Rede stehende Windkraftabgabe erhoben wird?

3)

Für den Fall, dass die vorstehende Frage verneint und die Besteuerung von Energie aus erneuerbaren Energien als nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 zulässig angesehen wird: Ist der Begriff des „besonderen Zwecks“ dahin auszulegen, dass das betreffende Ziel ausschließlich und die Abgabe auf erneuerbare Energien so ausgestaltet sein muss, dass sie wirklich außerfiskalischen Charakter hat und nicht lediglich Haushalts- oder Einnahmezwecken dient?

4)

Sind – da Art. 4 der Richtlinie 2003/96 hinsichtlich der Steuerbeträge, die die Mitgliedstaaten für Energieerzeugnisse und elektrischen Strom vorschreiben müssen, als Bezugsgröße die in der Richtlinie genannten Mindestwerte vorgibt, worunter die Summe aller direkten und indirekten Steuern verstanden wird, die auf derartige Erzeugnisse zum Zeitpunkt der Überführung in den freien Verkehr erhoben werden – von dieser Summe bei der Bestimmung der von der Richtlinie vorgeschriebenen Steuerbeträge diejenigen nationalen Abgaben auszunehmen, die sowohl hinsichtlich ihrer Ausgestaltung als auch hinsichtlich ihres besonderen Zwecks, wie er bei der Antwort auf die vorhergehende Frage ausgelegt worden ist, keinen wirklich außerfiskalischen Charakter haben?

5)

Ist der in Art. 13 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2009/28 verwendete Begriff der Gebühr ein eigenständiger Begriff des Europarechts, der in einem weiten Sinne dahin auszulegen ist, dass er den Begriff der Abgabe im Allgemeinen einschließt und ein Synonym für diesen ist?

6)

Für den Fall, dass die vorstehende Frage bejaht wird, stellt sich folgende Frage: Dürfen die von den Verbrauchern zu entrichtenden Gebühren, auf die der erwähnte Art. 13 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2009/28 Bezug nimmt, lediglich Abgaben oder Steuern umfassen, die die Umweltauswirkungen von Energie aus erneuerbaren Quellen ausgleichen sollen und mit deren Ertrag die mit diesen negativen Aus- oder Einwirkungen verbundenen Schäden beseitigt werden sollen, nicht aber Abgaben oder Steuern, mit deren Erhebung auf umweltfreundliche Energien vorrangig Haushalts- oder Einnahmeerzielungszwecke verfolgt werden?

19.

Vor dem Gerichtshof haben sich die Windkraftbetreiber Elecdey Carcelén S.A., Energías Eólicas de Cuenca S.A., Iberenova Promociones S.A. und Iberdrola Renovables Castilla la Mancha S.A. sowie die Comunidad Autónoma de Castilla-La Mancha als Beteiligte der Ausgangsverfahren und darüber hinaus das Königreich Spanien sowie die Europäische Kommission schriftlich und in der Verhandlung vom 29. März 2017 mündlich geäußert.

IV. Rechtliche Würdigung

20.

Die streitgegenständliche Abgabe wird vierteljährlich für jede einzelne Windkraftanlage erhoben, wobei die Höhe des Steuerbetrags von der Größe der jeweiligen Windparks und der Leistungsstärke der Windkraftanlagen abhängt. Das Vorabentscheidungsersuchen zielt darauf ab, zu erfahren, ob diese Abgabe mit den Förderregelungen für erneuerbare Energien nach der Richtlinie 2009/28 (dazu unter A) oder den dort vorgesehenen Regelungen über bestimmte Gebühren (dazu unter B) vereinbar ist. Außerdem fragt das innerstaatliche Gericht nach der Vereinbarkeit mit der Richtlinie 2008/118 über Verbrauchsteuern (dazu unter C) und der Richtlinie 2003/96 über Energiesteuern (dazu unter D).

A. Zur ersten und zur zweiten Frage – Förderregelung

21.

Mit den ersten beiden Fragen möchte das innerstaatliche Gericht erfahren, ob Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2009/28 der streitgegenständlichen Windkraftabgabe entgegensteht.

22.

Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2009/28 definiert den Begriff der „Förderregelung“. Die Definition schließt insbesondere Steuerbefreiungen, Steuererleichterungen sowie Steuererstattungen ein.

23.

Eine Definition als solche kann aber der Erhebung einer innerstaatlichen Abgabe nicht entgegenstehen. Es kommt vielmehr darauf an, welche Regelungen sich auf diese Definition beziehen.

24.

Insofern ist zunächst Art. 3 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2009/28 zu nennen. Danach können die Mitgliedstaaten Förderregelungen anwenden, um den nach Art. 3 Abs. 1 und 2 sowie Anhang I vorgesehenen Anteil erneuerbarer Energien zu erreichen. Aus der Möglichkeit, Förderregelungen anzuwenden, folgt jedoch nicht, dass Abgaben auf Windkraftanlagen unzulässig wären.

25.

Auch die nach Art. 11 der Richtlinie 2009/28 mögliche Zusammenlegung oder Koordinierung von Förderregelungen verschiedener Mitgliedstaaten steht der streitgegenständlichen Steuer nicht entgegen. Zwar ist die Annahme von Elecdey Carcelen plausibel, dass die Steuer das Potenzial einer solchen Zusammenlegung mit dem Ziel eines „statistischen Transfers“ erneuerbarer Energie gemäß Art. 6 mindert. Doch die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, solche Potenziale zu schaffen, und es liegt auch kein Anhaltspunkt vor, dass bereits eine solche Zusammenlegung vereinbart worden wäre, die durch die Steuer beeinträchtigt würde.

26.

Genauso wenig können die übrigen Bestimmungen der Richtlinie 2009/28, die sich auf Förderregelungen beziehen, einer Abgabe auf Windkraftanlagen entgegengehalten werden. Diese beziehen sich auf technische Spezifikationen für die Inanspruchnahme von Förderregelungen (Art. 13 Abs. 2), Bauvorschriften und Regelwerke zur gesteigerten Nutzung erneuerbarer Energien im Gebäudebereich (Art. 13 Abs. 4), das Verhältnis von Herkunftsnachweisen zu Förderregelungen (Art. 15) und Berichtspflichten (Art. 22 und 23).

27.

Das Vorabentscheidungsersuchen stellt allerdings auch einen Zusammenhang mit der zentralen Verpflichtung der Richtlinie 2009/28 her, den in Art. 3 Abs. 1 und 2 vorgesehenen Mindestanteilen erneuerbarer Energie am Gesamtverbrauch. Um dem vorlegenden Gericht eine nützliche Antwort zu geben, ( 7 ) möchte ich auch darauf eingehen.

28.

Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/28 sorgt jeder Mitgliedstaat dafür, dass sein Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoendenergieverbrauch im Jahr 2020 mindestens einem im Anhang festgelegten Gesamtziel entspricht. Art. 3 Abs. 2 verlangt Maßnahmen der Mitgliedstaaten, um effektiv zu gewährleisten, dass ihr Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen den ebenfalls im Anhang festgelegten indikativen Zielpfad erreicht oder übersteigt.

29.

Somit legt die Richtlinie 2009/28 die Anteile erneuerbarer Energie fest, die die Mitgliedstaaten sowohl im Jahr 2020 als auch während des Übergangszeitraums bis zu diesem Zeitpunkt erreichen müssen. Höhere Anteile wären zwar zu begrüßen, doch zumindest die Richtlinie verlangt sie nicht.

30.

Die Beachtung von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/28 gewährleistet somit, dass die Mitgliedstaaten schon im Übergangszeitraum bis zum Ablauf der Frist für die Erreichung des im Jahr 2020 vorgesehenen Anteils erneuerbarer Energien die notwendigen Maßnahmen ergreifen, damit dieses Ziel auch erreicht wird. Daher ist es neben dieser Bestimmung nicht notwendig, auf das aus der Unionstreue abgeleitete Verbot von innerstaatlichen Vorschriften, die geeignet sind, die Erreichung des in einer Richtlinie vorgeschriebenen Ziels ernstlich zu gefährden, ( 8 ) zurückzugreifen.

31.

Vielmehr würde die streitgegenständliche Abgabe bereits gegen Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2009/28 verstoßen, wenn sie dazu führen sollte, dass Spanien die danach geforderten Anteile erneuerbarer Energie verfehlen würde.

32.

Es ist jedoch zweifelhaft, ob es überhaupt möglich wäre, den Nachweis zu führen, dass eine bestimmte Abgabe einer Region verhindert, dass der Mitgliedstaat insgesamt die genannten Ziele erreicht. Denn regelmäßig werden auch andere Abgaben anfallen und außerdem andere wirtschaftliche oder technische Hindernisse für eine stärkere Nutzung erneuerbarer Energien bestehen. Diese Frage muss im vorliegenden Fall aber nicht abschließend entschieden werden.

33.

Nach dem Vorbringen insbesondere der Kommission in der mündlichen Verhandlung und den von allen Beteiligten in dieser Verhandlung in Bezug genommenen jüngsten Zahlen von Eurostat ( 9 ) ist für Spanien – im Unterschied etwa zu den Niederlanden oder vorübergehend Frankreich – ein Verstoß gegen die Vorgaben der Richtlinie 2009/28 bislang nämlich weder erkennbar noch zu erwarten. Vielmehr hat Spanien durchgängig bis einschließlich 2015 einen höheren Anteil erneuerbarer Energie genutzt als von der Richtlinie gefordert. Schon im Jahr 2015 wurde sogar der erst für die Jahre 2017 und 2018 vorgesehene Anteil von durchschnittlich 16 % überschritten.

34.

Weiter reichende Überlegungen zu den Auswirkungen der streitgegenständlichen Abgabe wären nur nötig, wenn das innerstaatliche Gericht aufgrund neuerer oder besserer Zahlen zu dem Ergebnis käme, dass sich der Trend, der in den Zahlen von Eurostat erkennbar ist, nicht fortsetzt. Da aber im vorliegenden Verfahren dafür keine überzeugenden Anhaltspunkte vorgetragen wurden, ist es nicht notwendig, dass der Gerichtshof dieser Hypothese zum gegenwärtigen Zeitpunkt weiter nachgeht.

35.

Daher ist es zwar bedauerlich, wenn die Autonome Gemeinschaft Kastilien-La Mancha Abgaben erhebt, die die nach der Richtlinie 2009/28 gewünschte Nutzung erneuerbarer Energien weniger attraktiv machen und darüber hinaus auch die gesamtstaatliche Förderung der Windkraft zumindest teilweise untergraben. Solange der Mitgliedstaat aber insgesamt trotzdem seine unionsrechtlichen Verpflichtungen erfüllt, liegt darin keine Verletzung der Förderregelungen der Richtlinie oder der vorgeschriebenen Anteile erneuerbarer Energien, sondern höchstens ein Problem des innerstaatlichen Rechts.

36.

Somit stehen Art. 2 Buchst. k und Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2009/28 einer Abgabe, die vierteljährlich auf Windkraftanlagen erhoben wird, nicht entgegen, solange diese Abgabe den Mitgliedstaat nicht daran hindert, die in der Richtlinie vorgesehenen Mindestanteile erneuerbarer Energie am Gesamtverbrauch zu erreichen.

B. Zur fünften und zur sechsten Frage – Gebühren für Windkraftanlagen

37.

Mit der fünften und der sechsten Frage, die ebenfalls gemeinsam zu beantworten sind, möchte das innerstaatliche Gericht erfahren, ob die Gebührenregelungen des Art. 13 Abs 1 Buchst. e der Richtlinie 2009/28 der streitgegenständlichen Abgabe entgegenstehen.

38.

Nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2009/28 ergreifen die Mitgliedstaaten insbesondere angemessene Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Verwaltungsgebühren, die die Verbraucher, Planungsbüros, Architekten, Bauunternehmen sowie die Geräte- und Systeminstallateure und ‑lieferanten entrichten müssen, transparent und kostenbezogen sind.

39.

Hintergrund dieser Bestimmung ist die allgemeiner gefasste Regelung des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2009/28. Danach stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass einzelstaatliche Vorschriften für die Genehmigungs-, Zertifizierungs- und Zulassungsverfahren, die auf Anlagen zur Erzeugung von Elektrizität, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energiequellen und die angegliederten Infrastrukturen der Übertragungs- und Verteilernetze sowie auf den Vorgang der Umwandlung von Biomasse in Biokraftstoffe oder sonstige Energieprodukte angewandt werden, verhältnismäßig und notwendig sind.

40.

Entgegen der Auffassung der Autonomen Gemeinschaft Kastilien-La Mancha ist der Begriff der Verwaltungsgebühren nicht nach innerstaatlichem Recht zu bestimmen, sondern ein Begriff des Unionsrechts, denn es ist kein Verweis auf das innerstaatliche Recht ersichtlich. ( 10 )

41.

Die streitgegenständliche Abgabe fällt jedoch dem ersten Anschein nach nicht unter Art. 13 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2009/28. Es handelt sich weder um Verwaltungsgebühren, die Verbraucher, Planungsbüros, Architekten, Bauunternehmen sowie die Geräte- und Systeminstallateure und ‑lieferanten entrichten müssen, noch fällt sie anlässlich der Genehmigungs-, Zertifizierungs- und Zulassungsverfahren für Windkraftanlagen an. Sie wird für den Betrieb der Anlagen erhoben. Daher könnte man die Prüfung dieser Frage an diesem Punkt beenden.

42.

Insbesondere Iberenova Promociones und Iberdrola Renovables Castilla la Mancha vertreten allerdings die auch im Vorabentscheidungsersuchen aufscheinende Auffassung, Art. 13 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2009/28 käme eine deutlich weiter reichende Wirkung zu, als der Wortlaut erwarten lässt. Dabei stützen sie sich auf die Rechtsprechung zu Art. 11 der Richtlinie 97/13/EG ( 11 ) und später zu den Art. 12 sowie 13 der Richtlinie 2002/20/EG, ( 12 ) die Genehmigungen im Bereich der elektronischen Kommunikation betreffen.

43.

Diese Bestimmungen regeln den zulässigen Umfang von Verwaltungsabgaben, die von Unternehmen verlangt werden, die aufgrund von unionsrechtlich geregelten Genehmigungen im Bereich der Telekommunikation bzw. der elektronischen Kommunikationsnetze und ‑dienste tätig sind. Diese Abgaben dienen zur Deckung bestimmter administrativer Kosten und müssen in einer objektiven, verhältnismäßigen und transparenten Weise auferlegt werden.

44.

Der Gerichtshof hat die fraglichen Regelungen tatsächlich dahin gehend ausgelegt, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen dieser Richtlinien keine anderen Abgaben oder Entgelte für die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste als die in der jeweiligen Richtlinie vorgesehenen erheben dürfen. ( 13 )

45.

Auf den ersten Blick ist es nachvollziehbar, dass die Betreiber von Windkraftanlagen diese Rechtsprechung auf Art. 13 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2009/28 übertragen und sich auf dieser Basis gegen die streitgegenständliche Abgabe wenden.

46.

Dafür spricht insbesondere das übergeordnete Ziel der Richtlinie 2009/28 und der Umweltpolitik der Union, den Klimawandel durch die Minderung der Freisetzung von Treibhausgasen zu bekämpfen. Diesem Ziel entspricht es, die Hindernisse für die Nutzung erneuerbarer Energiequellen zu minimieren.

47.

Während der Regelungsrahmen für die elektronische Kommunikation im Prinzip auf die vollständige Liberalisierung der Telekommunikationsdienste und ‑infrastrukturen abzielt, ( 14 ) hat die Richtlinie 2009/28 aber deutlich weniger ambitionierte Ziele. Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass der Unionsgesetzgeber keineswegs eine abschließende Harmonisierung der nationalen Regelungen zur Förderung der Erzeugung erneuerbarer Energien vorgenommen hat. ( 15 ) Das unmittelbare Hauptziel der Richtlinie 2009/28 sind vielmehr die vorgeschriebenen Anteile erneuerbarer Energien am Gesamtverbrauch, wobei den Mitgliedstaaten ein weiter Spielraum bei der Wahl der Mittel verbleibt, um diese Anteile fristgerecht zu erreichen. Diese begrenzte Zielsetzung lässt daran zweifeln, dass Art. 13 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2009/28 ein umfassendes Verbot von belastenden Abgaben auf erneuerbare Energien enthält.

48.

Außerdem hat der Gerichtshof in jüngerer Zeit seine Rechtsprechung zu den Behinderungen im Bereich der elektronischen Kommunikation nuanciert. Er hat klargestellt, dass nicht jede zusätzliche Belastung von Telekommunikationsdiensten durch Abgaben unter das Verbot anderer Abgaben fällt. Vielmehr muss der Entstehungstatbestand an das in der Richtlinie 2002/20 geregelte Genehmigungsverfahren anknüpfen. ( 16 ) Dies fehlte etwa bei kommunalen Abgaben auf Mobilfunkmasten. ( 17 )

49.

Dieser Gedanke muss erst recht bei Art. 13 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2009/28 durchgreifen. Diese Bestimmung darf nicht weit über ihren Wortlaut hinaus als allgemeines Verbot jedweder steuerlicher Belastung erneuerbarer Energien durch Abgaben verstanden werden.

50.

Folglich steht Art. 13 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2009/28 einer Abgabe, die vierteljährlich auf den Betrieb von Windkraftanlagen erhoben wird, nicht entgegen.

C. Zur dritten Frage – Verhältnis zu den Verbrauchsteuern

51.

Die dritte Frage ist darauf gerichtet, ob die Verwendung der streitgegenständlichen Abgabe mit Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 vereinbar ist. Das innerstaatliche Gericht stellt diese Frage für den Fall, dass die zweite Frage – wie hier vorgeschlagen – verneint und die Besteuerung von Energie aus erneuerbaren Energien als nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 zulässig angesehen wird. Folglich ist zunächst zu klären, ob die Abgabe in den Anwendungsbereich der letztgenannten Bestimmung fällt.

52.

Nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 können die Mitgliedstaaten für besondere Zwecke auf verbrauchsteuerpflichtige Waren unter bestimmten Bedingungen andere indirekte Steuern erheben.

53.

Alle danach geltenden Anforderungen setzen voraus, dass es sich bei der streitgegenständlichen Abgabe auf Windkraftanlagen um eine indirekte Steuer auf verbrauchsteuerpflichtige Waren handelt.

54.

Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass der Begriff „andere indirekte Steuern“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 die indirekten Steuern betrifft, die auf den Verbrauch der in Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie aufgezählten Erzeugnisse und zu besonderen Zwecken erhoben werden und die keine „Verbrauchsteuern“ im Sinne der letztgenannten Bestimmung sind. ( 18 )

55.

In Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 werden Energieerzeugnisse und elektrischer Strom gemäß der Richtlinie 2003/96 (Buchst. a), Alkohol und alkoholische Getränke gemäß den Richtlinien 92/83/EWG und 92/84/EWG (Buchst. b) sowie Tabakwaren gemäß den Richtlinien 95/59/EG, 92/79/EWG und 92/80/EWG (Buchst. c) genannt.

56.

Eine Abgabe auf Windkraftanlagen fällt unmittelbar in keine dieser Kategorien. Sie könnte nur erfasst werden, wenn sie als indirekte Steuer auf den elektrischen Strom anzusehen wäre, den die mit der Abgabe belasteten Anlagen erzeugen.

57.

Insofern ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass eine solche indirekte Steuer in einem unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhang mit dem Verbrauch des Stroms stehen muss. ( 19 )

58.

Für Steuern auf die Brennelemente von Kernkraftwerken ( 20 ) oder ihre Wärmeleistung ( 21 ) hat der Gerichtshof diesen Zusammenhang abgelehnt, weil der jeweilige Steuertatbestand nicht ausreichend mit dem Verbrauch des erzeugten Stroms zusammenhing.

59.

Dies trifft auch auf die vorliegend zu erörternde Abgabe auf Windkraftanlagen zu. Denn sie wird nicht in Abhängigkeit von der Elektrizität berechnet, die die Anlagen erzeugen, oder auf der Grundlage ihrer theoretischen Leistungsfähigkeit. Ihre Höhe ist vielmehr danach gestaffelt, wie groß der Windpark ist, zu dem die Anlage gehört, und bei besonders großen Windparks auch noch danach, ob es sich um besonders leistungsstarke Anlagen handelt. ( 22 ) Im letzteren Fall werden leistungsstärkere Anlagen sogar geringer besteuert als leistungsschwächere Anlagen.

60.

Die Beteiligten erörtern im Übrigen, ob die streitgegenständliche Abgabe auf den Verbraucher abgewälzt werden kann. Es trifft zu, dass der Gerichtshof sich im Fall der Brennelementesteuer auch darauf gestützt hat, dass die Steuer nicht vollständig abgewälzt werden könne. ( 23 ) Zumindest ein vom Gerichtshof dafür angeführter Grund ist jedoch auch im vorliegenden Fall gegeben, denn die von der Erzeugung von Strom unabhängige Abgabe auf Windkraftanlagen kann nicht präzise auf den Preis des erzeugten Stroms umgelegt werden. Und es ist erst recht ausgeschlossen, sie dem Endverbraucher in Form eines transparenten Preisaufschlags in Rechnung zu stellen. Es kann nämlich nicht festgestellt werden, welcher Anteil des von ihm bezogenen Stroms durch von der Abgabe belastete Windkraftanlagen erzeugt wurde. Daher kann die etwaige Möglichkeit, die Belastung durch die Abgabe wirtschaftlich auf den Verbraucher abzuwälzen, nicht dazu führen, die Abgabe als indirekte Steuer im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 anzusehen.

61.

Somit steht Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 einer Abgabe nicht entgegen, die vierteljährlich auf den Betrieb von Windkraftanlagen erhoben wird, aber nicht in unmittelbarem und untrennbarem Zusammenhang mit dem Verbrauch des erzeugten Stroms steht.

D. Zur vierten Frage – Verhältnis zu den Energiesteuern

62.

Mit der vierten Frage möchte das innerstaatliche Gericht erfahren, ob die streitgegenständliche Abgabe im Sinne von Art. 4 der Richtlinie 2003/96 zur Gesamtheit der als indirekte Steuern (mit Ausnahme der Mehrwertsteuer) erhobenen Abgaben zählt, die zum Zeitpunkt der Überführung in den freien Verkehr direkt oder indirekt anhand der Menge an Energieerzeugnissen und elektrischem Strom berechnet werden. Der so berechnete Betrag muss mindestens so groß sein, wie der in der Richtlinie vorgesehene Mindeststeuerbetrag.

63.

Auf den ersten Blick ist nicht ersichtlich, inwieweit diese Frage für die Entscheidung des Ausgangsstreits von Bedeutung sein könnte. Somit könnte der Gerichtshof sie als hypothetisch und daher unzulässig zurückweisen.

64.

Aus der Begründung dieser Frage ergibt sich jedoch, dass das innerstaatliche Gericht bezweifelt, dass die streitgegenständliche Abgabe mit dem Ziel der Richtlinie 2003/96 vereinbar ist, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu fördern.

65.

Diese Frage ist zumindest im Prinzip für die Entscheidung des Ausgangsstreits von Interesse. Sie verkennt jedoch den Regelungsgehalt der Richtlinie 2003/96. Diese enthält nämlich keine umfassende Regelung von Steuern und Abgaben, die im Zusammenhang mit der Erzeugung von Strom entstehen können, sondern legt nur einen Mindestbetrag für die Besteuerung des Stromverbrauchs fest. Einer höheren steuerlichen Belastung der Stromerzeugung steht sie aber nicht entgegen.

66.

Dass der vom innerstaatlichen Gericht erwähnte Art. 15 Abs. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich der Richtlinie 2003/96 eine Befreiung des mit Windkraft erzeugten Stroms erlaubt, führt auch nicht zu einem anderen Ergebnis. Diese Option verpflichtet die Mitgliedstaaten nämlich weder dazu, diese Befreiung zu gewähren, noch verbietet sie die steuerliche Belastung der Erzeugung von Strom aus Windenergie durch bestimmte Abgaben.

67.

Soweit insbesondere Energías Eólicas de Cuenca vorträgt, die streitgegenständliche Abgabe verstoße insoweit gegen die Richtlinie 2003/96, als diese neben ausdrücklich zugelassenen Steuerermäßigungen keine regionale Differenzierung der Energiebesteuerung erlaube, ist anzumerken, dass diese Frage nicht Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens ist.

68.

Sollte der Gerichtshof gleichwohl darauf eingehen wollen, um eine nützliche Antwort für die Entscheidung des Ausgangsstreits zu geben, so würde auch diese Argumentationslinie nicht weiter führen. Denn die Abgabe ist keine Steuer im Sinne der Richtlinie 2003/96.

69.

Nach Art. 1 der Richtlinie 2003/96 beschränkt sich ihr Geltungsbereich auf die Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom im Sinne ihres Art. 2 Abs. 1 und 2. ( 24 ) Die streitgegenständliche Abgabe könnte höchstens als mittelbare Besteuerung des elektrischen Stroms angesehen werden, den die betroffenen Windkraftanlagen erzeugen.

70.

Eine solche Steuer setzt jedoch einen Zusammenhang zwischen ihrem Entstehungstatbestand und der tatsächlichen Stromerzeugung voraus. ( 25 ) Ein solcher Zusammenhang fehlt z. B. bei einer Steuer auf die genehmigte thermische Maximalleistung eines Kernreaktors, die die Menge des tatsächlich erzeugten Stroms nicht berücksichtigt. ( 26 )

71.

Der Zusammenhang zwischen der streitgegenständlichen Abgabe und der Stromerzeugung der betroffenen Windkraftanlagen ist sogar noch schwächer ausgeprägt. Während die thermische Maximalleistung eines Kernreaktors Rückschlüsse darauf erlaubt, wieviel Strom er erzeugen kann, unterscheidet sich die Höhe der streitgegenständlichen Abgabe vor allem aufgrund der Größe der Windparks, in denen sie stehen. Nur bei Windparks mit mehr als 15 Anlagen wird danach unterschieden, ob die installierte Leistung der Anlagen im Durchschnitt mehr oder weniger als ein Megawatt beträgt. Und diese Unterscheidung führt nicht zu einem der Stromerzeugung entsprechenden höheren Steuersatz, sondern mindert die Belastung leistungsstärkerer Anlagen.

72.

Somit handelt es sich bei der streitgegenständlichen Abgabe nicht um eine Steuer im Sinne der Richtlinie 2003/96 und ein etwaiges Verbot der regional differenzierten Steuererhebung wäre nicht anwendbar.

73.

Folglich steht auch die Richtlinie 2003/96 der streitgegenständlichen Abgabe nicht entgegen.

V. Ergebnis

74.

Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, wie folgt zu entscheiden:

1)

Art. 2 Buchst. k und Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen stehen einer Abgabe nicht entgegen, die vierteljährlich auf den Betrieb von Windkraftanlagen erhoben wird, wenn sie den betreffenden Mitgliedstaat nicht daran hindert, die in der Richtlinie vorgesehenen Mindestanteile erneuerbarer Energie zu erreichen.

2)

Art. 13 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2009/28 sowie Art. 4 und Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2003/96/EG zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom stehen einer Abgabe nicht entgegen, die vierteljährlich auf den Betrieb von Windkraftanlagen erhoben wird.

3)

Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118/EG über das allgemeine Verbrauchsteuersystem steht einer Abgabe nicht entgegen, die vierteljährlich auf den Betrieb von Windkraftanlagen erhoben wird, aber nicht in unmittelbarem und untrennbarem Zusammenhang mit dem Verbrauch des erzeugten Stroms steht.


( 1 ) Originalsprache: Deutsch.

( 2 ) Urteile vom 21. Juli 2011, Azienda Agro-Zootecnica Franchini und Eolica di Altamura (C‑2/10, EU:C:2011:502), und vom 14. Januar 2016, Kommission/Bulgarien (Kaliakra, C‑141/14, EU:C:2016:8).

( 3 ) Urteile vom 19. Dezember 2013, Vent De Colère! u. a. (C‑262/12, EU:C:2013:851), und vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft (C‑573/12, EU:C:2014:2037).

( 4 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG (ABl. 2009, L 140, S. 16).

( 5 ) Richtlinie des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. 2009, L 9, S. 12) in der Fassung der Richtlinie 2010/12/EU des Rates vom 16. Februar 2010 (ABl. 2010, L 50, S. 1).

( 6 ) Richtlinie des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. 2003, L 283, S. 51) in der Fassung der Richtlinie 2004/75/EG des Rates vom 29. April 2004 (ABl. 2004, L 157, S. 100).

( 7 ) Siehe etwa Urteile vom 11. Februar 2015, Marktgemeinde Straßwalchen u. a. (C‑531/13, EU:C:2015:79, Rn. 37), vom 13. Oktober 2016, M. und S. (C‑303/15, EU:C:2016:771, Rn. 16), sowie vom 1. Februar 2017, Município de Palmela (C‑144/16, EU:C:2017:76, Rn. 20).

( 8 ) Siehe etwa Urteile vom 18. Dezember 1997, Inter-Environnement Wallonie (C‑129/96, EU:C:1997:628, Rn. 45), vom 26. Mai 2011, Stichting Natuur en Milieu u. a. (C‑165/09 bis C‑167/09, EU:C:2011:348, Rn. 78 und 79), sowie vom 11. September 2012, Nomarchiaki Aftodioikisi Aitoloakarnanias u. a. (C‑43/10, EU:C:2012:560, Rn. 57 und 58).

( 9 ) Siehe Eurostat Pressemitteilung 43/2017 vom 14. März 2017 und die entsprechenden Zahlen in dem Tabellendokument „Eurostat SHARES 2015“ (beide über http://ec.europa.eu/eurostat/web/energy/data/shares zugänglich).

( 10 ) Siehe etwa die Urteile vom 9. November 2016, Wathelet (C‑149/15, EU:C:2016:840, Rn. 29), und vom 2. März 2017, J. D. (C‑4/16, EU:C:2017:153, Rn. 24).

( 11 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. April 1997 über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste (ABl. 1997, L 117, S. 15).

( 12 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (Genehmigungsrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 21).

( 13 ) Urteile vom 18. September 2003, Albacom und Infostrada (C‑292/01 und C‑293/01, EU:C:2003:480, Rn. 42), vom 18. Juli 2013, Vodafone Omnitel u. a. (C‑228/12 bis C‑232/12 und C‑254/12 bis C‑258/12, EU:C:2013:495, Rn. 36), sowie vom 17. Dezember 2015, Proximus (C‑517/13, EU:C:2015:820, Rn. 27).

( 14 ) Urteile vom 18. September 2003, Albacom und Infostrada (C‑292/01 und C‑293/01, EU:C:2003:480, Rn. 35 und 37), vom 19. September 2006, i-21 Germany und Arcor (C‑392/04 und C‑422/04, EU:C:2006:586, Rn. 70), sowie vom 21. Juli 2011, Telefónica de España (C‑284/10, EU:C:2011:513, Rn. 18).

( 15 ) Urteil vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft (C‑573/12, EU:C:2014:2037, Rn. 59 bis 63).

( 16 ) Urteile vom 4. September 2014, Provincie Antwerpen (C‑256/13 und C‑264/13, EU:C:2014:2149, Rn. 36), und vom 6. Oktober 2015, Base Company (C‑346/13, EU:C:2015:649, Rn. 17) und vom 17. Dezember 2015, Proximus (C‑517/13, EU:C:2015:820, Rn. 28); vgl. auch in diesem Sinne Urteile vom 17. September 2015, Fratelli De Pra und SAIV (C‑416/14, EU:C:2015:617, Rn. 41), vom 27. Juni 2013, Kommission/Frankreich (C‑485/11, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:427, Rn. 30, 31 und 34), und vom 27. Juni 2013, Vodafone Malta und Mobisle Communications (C‑71/12, EU:C:2013:431, Rn. 24 und 25).

( 17 ) Urteile vom 6. Oktober 2015, Base Company (C‑346/13, EU:C:2015:649, Rn. 22 und 23), und vom 17. Dezember 2015, Proximus (C‑517/13, EU:C:2015:820, Rn. 32 ff.).

( 18 ) Urteil vom 4. Juni 2015, Kernkraftwerke Lippe-Ems (C‑5/14, EU:C:2015:354, Rn. 59).

( 19 ) Urteile vom 4. Juni 2015, Kernkraftwerke Lippe-Ems (C‑5/14, EU:C:2015:354, Rn. 61), und vom 1. Oktober 2015, OKG (C‑606/13, EU:C:2015:636, Rn. 35), sowie in diesem Sinne Urteil vom 10. Juni 1999, Braathens (C‑346/97, EU:C:1999:291, Rn. 23).

( 20 ) Urteil vom 4. Juni 2015, Kernkraftwerke Lippe-Ems (C‑5/14, EU:C:2015:354, Rn. 62 und 63).

( 21 ) Urteil vom 1. Oktober 2015, OKG (C‑606/13, EU:C:2015:636, Rn. 35).

( 22 ) Siehe oben, Nr. 15.

( 23 ) Urteil vom 4. Juni 2015, Kernkraftwerke Lippe-Ems (C‑5/14, EU:C:2015:354, Rn. 64).

( 24 ) Urteil vom 1. Oktober 2015, OKG (C‑606/13, EU:C:2015:636, Rn. 24).

( 25 ) Urteil vom 1. Oktober 2015, OKG (C‑606/13, EU:C:2015:636, Rn. 32 und 33).

( 26 ) Urteil vom 1. Oktober 2015, OKG (C‑606/13, EU:C:2015:636, Rn. 31 und 32).