Urteil des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 5. Oktober 2017 – Ben Ali/Rat
(Rechtssache T‑149/15)
„Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen angesichts der Lage in Tunesien – Einfrieren von Geldern – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeit – Rechtsgrundlage – Auf einen neuen Grund gestützte Wiederaufnahme des Namens der Klägerin – Begründungspflicht – Tatsachengrundlage – Eigentumsrecht – Verhältnismäßigkeit“
1. |
Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Bestimmung des Streitgegenstands – Klare und genaue Darstellung der geltend gemachten Klagegründe – Implizite Anträge auf Nichtigerklärung eines Rechtsakts eines Organs – Zulässigkeit (Verfahrensordnung des Gerichts [1991], Art. 44 § 1 Buchst. c; Verfahrensordnung des Gerichts [2015], Art. 76) (vgl. Rn. 33) |
2. |
Nichtigkeitsklage – Fristen – Beginn – Rechtsakt, der restriktive Maßnahmen gegenüber einer Person oder Einrichtung nach sich zieht – Veröffentlichter und den Adressaten mitgeteilter Rechtsakt – Zeitpunkt der Mitteilung des Rechtsakts – Zum Zeitpunkt des Erlasses des Rechtsakts unbekannte Anschrift des Betroffenen – Mittelbare Mitteilung an den Betroffenen im Wege einer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union – Zulässigkeit (Art. 263 Abs. 4 AEUV; Verordnung Nr. 101/2011 des Rates, Art. 12 Abs. 2) (vgl. Rn. 44-47) |
3. |
Nichtigkeitsklage – Fristen – Beginn – Veröffentlichung oder Mitteilung – Zeitpunkt der Kenntniserlangung von dem Rechtsakt – Hilfscharakter (vgl. Rn. 54) |
4. |
Gerichtliches Verfahren – Beschluss oder Verordnung, der bzw. die den angefochtenen Rechtsakt während des Verfahrens ersetzt – Zulässigkeit neuer Anträge – Grenzen – Noch nicht erlassene hypothetische Rechtsakte (vgl. Rn. 59) |
5. |
Gerichtliches Verfahren – Beschluss oder Verordnung, der bzw. die den angefochtenen Rechtsakt während des Verfahrens ersetzt – Antrag auf Anpassung der Klageschrift – Pflicht des Klägers, den Antrag mit gesondertem Schriftsatz zu stellen (Verfahrensordnung des Gerichts [2015], Art. 86 § 1 und 2) (vgl. Rn. 60-62) |
6. |
Gerichtliches Verfahren – Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe im Laufe des Verfahrens – Voraussetzungen – Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das auf Gründe gestützt wird, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind (Verfahrensordnung des Gerichts [2015], Art. 84 § 1) (vgl. Rn. 67-70, 174) |
7. |
Handlungen der Organe – Wahl der Rechtsgrundlage – Beschluss über den Erlass restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen angesichts der Lage in Tunesien – Einfrieren der Gelder von Personen, die an der Veruntreuung öffentlicher Gelder beteiligt waren, und von mit ihnen verbundenen natürlichen und juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen – Art. 29 EUV – Zulässigkeit (Art. 21 EUV, 23 EUV, 24 Abs. 1 EUV, 25 EUV, 28 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV und 29 EUV; Art. 275 Abs. 2 AEUV und 277 AEUV; Beschluss 2011/72/GASP des Rates, Art. 1 Abs. 1) (vgl. Rn. 75-84) |
8. |
Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen angesichts der Lage in Tunesien – Einfrieren der Gelder von Personen, die an der Veruntreuung öffentlicher Gelder beteiligt waren, und von mit ihnen verbundenen natürlichen und juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen – Beschluss, der in einem Kontext ergeht, der dem Betroffenen bekannt ist und der es ihm ermöglicht, die Tragweite der ihm gegenüber getroffenen Maßnahme zu verstehen – Zulässigkeit einer summarischen Begründung – Grenzen – Begründung, die nicht aus einer allgemeinen und stereotypen Formulierung bestehen darf (Art. 296 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41 Abs. 2 Buchst. c; Beschlüsse 2011/72/GASP und [GASP] 2015/157 des Rates; Verordnungen Nr. 101/2011 und 2015/147 des Rates) (vgl. Rn. 90-92) |
9. |
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen angesichts der Lage in Tunesien – Einfrieren der Gelder von Personen, die an der Veruntreuung öffentlicher Gelder beteiligt waren, und von mit ihnen verbundenen natürlichen und juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen – Veruntreuung öffentlicher Gelder – Begriff – Weite Auslegung (Beschluss 2011/72/GASP des Rates, Art. 1 Abs. 1; Verordnung Nr. 101/2011 des Rates, Art. 2) (vgl. Rn. 106-108, 112, 114, 118) |
10. |
Europäische Union – Gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Handlungen der Organe – Restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen angesichts der Lage in Tunesien – Einfrieren der Gelder von Personen, die an der Veruntreuung öffentlicher Gelder beteiligt waren, und von mit ihnen verbundenen natürlichen und juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen – Umfang der Kontrolle – Beweis für die Rechtmäßigkeit der Maßnahme – Verpflichtung des Rates, systematisch die von den Behörden eines Drittlands vorgelegten Beweise zu prüfen – Fehlen (Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47; Beschlüsse 2011/72/GASP und [GASP] 2015/157 des Rates; Verordnungen Nr. 101/2011 und 2015/147 des Rates) (vgl. Rn. 129-131, 140-142, 145-147) |
11. |
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen angesichts der Lage in Tunesien – Einfrieren der Gelder von Personen, die an der Veruntreuung öffentlicher Gelder beteiligt waren, und von mit ihnen verbundenen natürlichen und juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen – Einschränkung des Eigentumsrechts – Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Fehlen (Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und d EUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 17 Abs. 1 und 52 Abs. 1; Beschlüsse 2011/72/GASP und [GASP] 2015/157 des Rates; Verordnungen Nr. 101/2011 und 2015/147 des Rates) (vgl. Rn. 158, 159, 161-165) |
Gegenstand
Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses (GASP) 2015/157 des Rates vom 30. Januar 2015 zur Änderung des Beschlusses 2011/72/GASP über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen angesichts der Lage in Tunesien (ABl. 2015, L 26, S. 29) und der Durchführungsverordnung (EU) 2015/147 des Rates vom 30. Januar 2015 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 101/2011 über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in Tunesien (ABl. 2015, L 26, S. 3), soweit diese Rechtsakte die Klägerin betreffen
Tenor
1. |
Die Klage wird abgewiesen. |
2. |
Sirine Bent Zine El Abidine Ben Haj Hamda Ben Ali trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten des Rates der Europäischen Union. |