Rechtssache C‑473/15

Peter Schotthöfer & Florian Steiner GbR

gegen

Eugen Adelsmayr

(Vorabentscheidungsersuchen des Bezirksgerichts Linz)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Auslieferung eines Angehörigen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union an einen Drittstaat, wo für ihn das Risiko der Todesstrafe besteht – Unionsbürgerschaft – Art. 18 und 21 AEUV – Art. 19 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Schutz vor Auslieferung“

Leitsätze – Beschluss des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 6. September 2017

  1. Grundrechte–Charta der Grundrechte der Europäischen Union–Geltungsbereich–Durchführung des Unionsrechts–Entscheidung eines Mitgliedstaats über die Auslieferung eines Unionsbürgers, der von seinem Freizügigkeitsrecht in der Union Gebrauch gemacht hat–Einbeziehung–Entscheidung, die in den Anwendungsbereich der Art. 18 und 21 AEUV fällt

    (Art. 18 AEUV und 21 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 51 Abs. 1)

  2. Unionsbürgerschaft–Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten–Von einem Drittstaat an einen Mitgliedstaat gerichteter Antrag auf Auslieferung eines Unionsbürgers, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist und von seinem Recht auf Freizügigkeit im zuerst genannten Mitgliedstaat Gebrauch gemacht hat–Pflicht zur Prüfung der in Art. 19 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbürgten Garantien–In die Beurteilung einfließende Gesichtspunkte

    (Art. 18 AEUV und 21 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 19 Abs. 2)

  3. Unionsbürgerschaft–Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten–Von einem Drittstaat an einen Mitgliedstaat gerichteter Antrag auf Auslieferung eines Unionsbürgers, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist und von seinem Recht auf Freizügigkeit im zuerst genannten Mitgliedstaat Gebrauch gemacht hat–Pflicht zur Prüfung der in Art. 19 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbürgten Garantien–Begriff des Bestehens eines ernsthaften Risikos im Sinne dieser Bestimmung–Todesstrafe, die beantragt wurde und im Fall einer Wiederaufnahme des Strafverfahrens nach der Auslieferung ausgesprochen werden kann–Einbeziehung

    (Art. 18 AEUV und 21 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 19 Abs. 2)

  4. Unionsbürgerschaft–Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten–Von einem Drittstaat an einen Mitgliedstaat gerichteter Antrag auf Auslieferung eines Unionsbürgers, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist und von seinem Recht auf Freizügigkeit im zuerst genannten Mitgliedstaat Gebrauch gemacht hat–Verpflichtung dieses Mitgliedstaats, den Antrag abzulehnen, wenn im Fall der Auslieferung das ernsthafte Risiko der Todesstrafe besteht

    (Art. 18 AEUV und 21 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 19 Abs. 2)

  1.  Was die Anwendbarkeit der Charta auf eine Rechtssache wie die des Ausgangsverfahrens betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass die Entscheidung eines Mitgliedstaats, einen Unionsbürger in einer Situation auszuliefern, in der dieser von seinem Recht auf Freizügigkeit in der Union Gebrauch gemacht hat, indem er sich vom Mitgliedstaat seiner Staatsangehörigkeit in einen anderen Mitgliedstaat begeben hat, in den Anwendungsbereich der Art. 18 und 21 AEUV und somit des Unionsrechts im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta fällt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2016, Petruhhin,C‑182/15, EU:C:2016:630, Rn. 31 und 52).

    (vgl. Rn. 19)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 23, 24)

  3.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 25, 26)

  4.  Art. 19 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass das Auslieferungsersuchen eines Drittstaats betreffend einen Unionsbürger, der von seiner Freizügigkeit Gebrauch macht und seinen Ursprungsmitgliedstaat verlässt, um sich in einem anderen Mitgliedstaat aufzuhalten, von diesem Mitgliedstaat abzulehnen ist, wenn für diesen Bürger im Fall der Auslieferung das ernsthafte Risiko der Todesstrafe besteht.

    (vgl. Rn. 27 und Tenor)