27.4.2015   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 138/43


Rechtsmittel der H & R ChemPharm GmbH gegen das Urteil des Gerichts (Dritte Kammer) vom 12. Dezember 2014 in der Rechtssache T-551/08, H & R ChemPharm GmbH gegen Europäische Kommission, eingelegt am 24. Februar 2015

(Rechtssache C-95/15 P)

(2015/C 138/57)

Verfahrenssprache: Deutsch

Verfahrensbeteiligte

Rechtsmittelführerin: H & R ChemPharm GmbH (Prozessbevollmächtigte: M. Klusmann und S. Thomas, Rechtsanwälte)

Andere Verfahrensbeteiligte: Europäische Kommission

Anträge der Rechtsmittelführerin

Die Rechtsmittelführerin beantragt,

das Urteil des Gerichts (3. Kammer) vom 12.12.2014 in der Rs. T-551/08 insgesamt aufzuheben, soweit es die Klägerin betrifft;

hilfsweise, das gegenüber der Klägerin in Art. 2 der angegriffenen Entscheidung vom 1.10.2008 verhängte Bußgeld in Höhe von EUR 22 Mio. angemessen herabzusetzen;

weiter hilfsweise, den Rechtsstreit zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht der Europäischen Union zurückzuverweisen;

die Auferlegung von Gerichtskosten in Höhe von EUR 10  000 gemäß Art. 90 lit. a der Verfahrensordnung des Gerichts aufzuheben;

der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Rechtsmittelgründe und wesentliche Argumente

Das Rechtsmittel richtet sich gegen das Urteil des Gerichts (3. Kammer) vom 12.12.2014 (Reg.-Nr. 651533) in der Rs. T-551/08, H&R ChemPharm GmbH/Kommission, mit dem das Gericht die Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission Nr. K(2008) 5476 endg. vom 1.10.2008 (Sache COMP/39181 — Kerzenwachse), soweit er die Klägerin betrifft, abgewiesen hat.

Die Rechtsmittelführerin (und Klägerin im ersten Rechtszug) stützt ihr Rechtsmittel auf folgende Rechtsmittelgründe:

1.

Mit dem ersten Rechtsmittelgrund rügt die Rechtsmittelführerin u. a. eine Verletzung von Art. 81 EG [101 AEUV] wegen widersprüchlicher und unzureichender Urteilsgründe zur Unternehmensstruktur und -verantwortlichkeit der Rechtsmittelführerin, mit denen das Gericht einen Verstoß der Rechtsmittelführerin gegen Art. 81 EG begründet. Der grundlegende Widerspruch bestehe darin, dass das Gericht die Rechtsmittelführerin und das mir ihr nicht verbundene Unternehmen Tudapetrol für die Zwecke der Zurechnung der Zuwiderhandlung als Einheit behandle, im Rahmen der Bußgeldverhängung aber von zwei getrennten Unternehmen ausgehe. Weil sich aus der Begründung des Urteils nicht ergebe, ob ein einheitliches Unternehmen zwischen Rechtsmittelführerin und Tudapetrol vorliegt oder ob es sich um zwei Unternehmen handelt, macht die Rechtsmittelführerin zugleich eine Verletzung der Begründungspflicht (Art. 296 AEUV) und ihrer grundrechtlich verbürgten Verteidigungsrechte geltend.

2.

Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund rügt die Rechtsmittelführerin eine rechtsfehlerhafte Zurechnung des Verhaltens eines Mitarbeiters mit paralleler Mehrfachbeschäftigung bei verschiedenen rechtlich selbständigen Unternehmen. Die Rechtsmittelführerin wendet sich dagegen, dass ihr das Verhalten dieses Mitarbeiters zugerechnet wird, ohne dass das Gericht Feststellungen dazu getroffen habe, ob der Mitarbeiter die streitgegenständlichen Handlungen auch final für die Rechtsmittelführerin vorgenommen hat. Der rechtliche Standpunkt des Gerichts hierzu verstoße gegen Art. 81 EG. Zugleich habe das Gericht den Grundsatz des Fair Trial verletzt, weil es ein Beweisangebot der Rechtsmittelführerin zu den tatsächlichen Aufgaben des Mitarbeiters mit einer rechtlich unhaltbaren Begründung zurückgewiesen habe (Verstoß gegen Art. 6 EMRK).

3.

Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin entscheidungserhebliche Fehler bei der Auslegung von Art. 23 Abs. 3 VO 1/2003 (1) im Hinblick auf den der Geldbuße zugrunde zu legenden Umsatz geltend. Diese liegen darin, dass das Gericht die Einbeziehung von Umsätzen eines dritten Unternehmens in die Bußgeldberechnung akzeptiere, obwohl dieses Unternehmen unstreitig nicht an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei und keine wirtschaftliche Einheit mit der Rechtsmittelführerin bilde. Es fehle in dem Urteil auch an jeder rechtlichen Begründung, auf welcher Grundlage es bei der Festsetzung der Geldbuße trotz fehlender wirtschaftlicher Einheit die Zurechnung von Drittumsätzen vornimmt. Die Ausführungen des Gerichts würden deshalb nicht nur gegen Art. 23 Abs. 3 VO 1/2003 verstoßen, sondern auch gegen die Anforderungen der Rechtsprechung an eine ordnungsgemäße Begründung (Art. 296 AEUV).

4.

Mit dem vierten Rechtsmittelgrund wird zunächst gerügt, dass das Gericht bei der Festsetzung der Geldbuße Umsätze von Gesellschaften berücksichtigt habe, die erst am Ende der Periode erworben wurden, auf die sich der angebliche Verstoß bezieht, und diese Umsätze auf den gesamten vorgeworfenen Beteiligungszeitraum extrapoliert hat. Dies stehe im Widerspruch zum Vorgehen des Gerichts im parallelen Urteil in der Sache Esso  (2). Im Esso-Urteil habe dasselbe Gericht in gleicher Sache zum gleichen Punkt geurteilt, dass das entsprechende Vorgehen der Kommission zu einer künstlichen Erhöhung des der Bußgeldbemessung zugrunde zu legenden Umsatzes führt. Diese Ungleichbehandlung stelle einen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 3 VO 1/2003 dar. Weil das Gericht zu den Einwänden der Rechtsmittelführerin keine Stellung nehme, liege zugleich ein Begründungsmangel des angefochtenen Urteils vor (Art. 296 AEUV). Die Rechtsmittelführerin rügt zudem Fehler des Gerichts bei der Umsatzberechnung, die zu einer gegen Art. 23 Abs. 3 VO 1/2003 verstoßenden Doppelberücksichtigung von Umsätzen führen würden.

5.

Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin mehrere Rechtsfehler bei der Festsetzung der Geldbuße geltend, darunter insbesondere eine Unverhältnismäßigkeit der gegen die Rechtsmittelführerin verhängten Geldbuße im Verhältnis zu anderen, an den angeblichen Verstößen beteiligten Unternehmen (Verstoß gegen Art. 23 Abs. 3 VO 1/2003). Die Rechtsmittelführerin rügt, dass das Gericht Unterschiede im Unrechtsgehalt des Tatbeitrags der Rechtsmittelführerin im Verhältnis zu anderen beteiligten Unternehmen nicht berücksichtigt habe, sowie eine disproportionale Berücksichtigung der Unternehmensgröße.

6.

Mit dem sechsten Rechtsmittelgrund wendet sich die Rechtsmittelführerin gegen Rechtsfehler bei der Kostenfestsetzung durch das Gericht im Hinblick auf die Auferlegung von nicht näher substantiierten, angeblich zusätzlichen und von der Rechtsmittelführerin verursachten Verfahrenskosten des Gerichts (Verstoß gegen Art. 90 lit. a) der Verfahrensordnung des Gerichts sowie gegen Art. 296 AEUV und Art. 6 EMRK). Solche Kosten würden weder vorliegen, noch sei die Rechtsmittelführerin vor Erlass der Kostenentscheidung angehört worden.


(1)  Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln; ABl. L 1, S. 1.

(2)  T-540/08, EU:T:2014:630.