Rechtssache C‑700/15

LEK farmacevtska družba d.d.

gegen

Republika Slovenija

(Vorabentscheidungsersuchen des Vrhovno sodišče)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Kombinierte Nomenklatur – Tarifierung der Waren – Nahrungsergänzungsmittel der Tarifposition 2106 – Wirkstoff als wesentlicher Bestandteil – Eventuelle Einreihung in Kapitel 30 der Kombinierten Nomenklatur – Aufmachung und Vermarktung der Erzeugnisse als Arzneimittel“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Sechste Kammer) vom 15. Dezember 2016

  1. Zollunion–Gemeinsamer Zolltarif–Tarifpositionen–Unter den Begriff des Arzneimittels im Sinne der Richtlinie 2001/83 fallende Erzeugnisse–Automatische Einreihung in die Position 3004–Fehlen

    (Verordnung Nr. 2658/87 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 1006/2011 geänderten Fassung, Anhang I; Richtlinie 2001/83 des Europäischen Parlaments und des Rates in der durch die Richtlinie 2011/62 geänderten Fassung)

  2. Zollunion–Gemeinsamer Zolltarif–Tarifierung der Waren–Kriterien–Objektive Merkmale und Eigenschaften des Erzeugnisses

  3. Zollunion–Gemeinsamer Zolltarif–Tarifpositionen–Auslegung–Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur–Notwendigkeit des Einklangs dieser Erläuterungen mit den Bestimmungen der Kombinierten Nomenklatur

  4. Zollunion–Gemeinsamer Zolltarif–Tarifpositionen–Erzeugnisse, die allgemein nützliche Wirkungen auf die Gesundheit haben und deren wesentlicher Bestandteil ein in Nahrungsergänzungsmitteln, die in die Tarifposition 2106 der Kombinierten Nomenklatur eingereiht sind, enthaltener Wirkstoff ist–Einreihung in die Position 2106 der Kombinierten Nomenklatur

    (Verordnung Nr. 2658/87 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 1006/2011 geänderten Fassung, Anhang I)

  1.  Die Position 3004 der Kombinierten Nomenklatur des Gemeinsamen Zolltarifs, die in Anhang I der Verordnung Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der Fassung der Verordnung Nr. 1006/2011 enthalten ist, ist dahin auszulegen, dass in diese Position nicht automatisch Erzeugnisse einzureihen sind, die unter den Begriff „Arzneimittel“ im Sinne der Richtlinie 2001/83 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2011/62 geänderten Fassung fallen.

    Insoweit geht zunächst aus den Erwägungsgründen 2 bis 5 der Richtlinie 2001/83 hervor, dass diese Richtlinie die Angleichung der nationalen Arzneimittelvorschriften sicherstellen soll, dabei jedoch auch die Verwirklichung des wesentlichen Ziels, welches der Schutz der öffentlichen Gesundheit ist, gewährleisten soll.

    Die in einem Mitgliedstaat vorgenommene Einstufung eines Erzeugnisses als Arzneimittel im Sinne der Richtlinie 2001/83 erfordert es nicht, dass dasselbe Erzeugnis von einem anderen Mitgliedstaat als Arzneimittel im Sinne anderer Instrumente des Unionsrechts eingestuft wird.

    Im Übrigen geht aus dem achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2658/87 hervor, dass die Bestimmungen der Kombinierten Nomenklatur von allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise ausgelegt werden müssen.

    Aus dem Wortlaut von Art. 1 der Richtlinie 2001/83 ergibt sich zudem, dass ein Arzneimittel im Sinne dieser Richtlinie zum einen alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen enthält, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind, und zum anderen alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.

    Daher verlangt diese Definition es nicht, dass die unter sie fallenden Erzeugnisse zwingend die Voraussetzung der Einreihung in Kapitel 30 der Kombinierten Nomenklatur erfüllen, d. h., dass sie eindeutig bestimmbare therapeutische und prophylaktische Eigenschaften aufweisen, deren Wirkung sich auf bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentriert, bzw. dass sie zur Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens angewandt werden können.

    Mit der Richtlinie 2001/83 werden nämlich Ziele verfolgt, die andere als die der Kombinierten Nomenklatur sind.

    (vgl. Rn. 31-37, Tenor 1)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 39)

  3.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 40, 41)

  4.  Die Kombinierte Nomenklatur des Gemeinsamen Zolltarifs, die in Anhang I der Verordnung Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der Fassung der Verordnung Nr. 1006/2011 enthalten ist, ist dahin auszulegen, dass Erzeugnisse, die allgemein nützliche Wirkungen auf die Gesundheit haben und deren wesentlicher Bestandteil ein in Nahrungsergänzungsmitteln, die in die Tarifposition 2106 der Kombinierten Nomenklatur eingereiht sind, enthaltener Wirkstoff ist, obschon diese Erzeugnisse von ihrem Hersteller als Arzneimittel aufgemacht und als solche vermarktet und verkauft werden, unter diese Position fallen.

    Eine Tarifierungsverordnung hat nämlich Normcharakter, da sie nicht für einen bestimmten Wirtschaftsteilnehmer gilt, sondern für die Gesamtheit der Waren, die mit der vom Ausschuss für den Zollkodex geprüften Ware identisch sind. Um im Rahmen der Auslegung einer Tarifierungsverordnung deren Anwendungsbereich zu bestimmen, ist u. a. die Begründung der Verordnung zu berücksichtigen.

    Zwar sind die Verordnung Nr. 1264/98 und die Durchführungsverordnung Nr. 727/2012 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur auf die genannten Erzeugnisse nicht unmittelbar anwendbar. Diese Erzeugnisse sind nämlich nicht mit den von diesen Verordnungen erfassten Erzeugnissen identisch, da sie sich von diesen durch ihre Trägerstoffe und die jeweilige Konzentration von Mikroorganismen unterscheiden.

    Gleichwohl fördert die entsprechende Anwendung einer Tarifierungsverordnung wie der Verordnung Nr. 1264/98 und der Durchführungsverordnung Nr. 727/2012 auf Erzeugnisse, die denjenigen entsprechen, die von diesen Verordnungen erfasst werden, eine kohärente Auslegung der Kombinierten Nomenklatur und die Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer.

    Aus zum einen dem Wortlaut von Nr. 5 des Anhangs der Verordnung Nr. 1264/98 und zum anderen dem Wortlaut des Anhangs der Durchführungsverordnung Nr. 727/2012 geht hervor, dass die aus verschiedenen Bakterienkolonien und Trägerstoffen zusammengesetzten Erzeugnisse unter Berücksichtigung der allgemeinen Regeln zur Auslegung der Kombinierten Nomenklatur, des Wortlauts der Anmerkung 1 Buchst a zu Kapitel 30 und der Positionen 2106, 2106 90 und 2106 90 98 der Kombinierten Nomenklatur in die Position 2106 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen sind. Daher haben diese Erzeugnisse den gleichen Wirkstoff wie die durch die Verordnung Nr. 1264/98 und die Durchführungsverordnung Nr. 727/2012 eingereihten Erzeugnisse, und die Unterscheidung zwischen diesen beiden besteht allein in der Konzentration der Mikroorganismen und in den verwendeten Trägerstoffen.

    Daraus folgt, dass diese Erzeugnisse, deren wesentlicher Bestandteil ein in Nahrungsergänzungsmitteln, die in die Tarifposition 2106 der Kombinierten Nomenklatur eingereiht sind, enthaltener Wirkstoff ist und die allgemein nützliche Wirkungen auf die Gesundheit haben, unter die Position 2106 der Kombinierten Nomenklatur fallen.

    (vgl. Rn. 49-54, Tenor 2)