Rechtssache C‑351/15 P

Europäische Kommission

gegen

Total SA
und
Elf Aquitaine SA

„Rechtsmittel – Kartelle – Markt für Methacrylate – Geldbußen – Gesamtschuldnerische Haftung von Muttergesellschaften und ihrer Tochtergesellschaft für die Zuwiderhandlung der Tochtergesellschaft – Zahlung der Geldbuße durch die Tochtergesellschaft – Herabsetzung der Geldbuße der Tochtergesellschaft infolge eines Urteils des Gerichts der Europäischen Union – Schreiben des Rechnungsführers der Europäischen Kommission, mit denen von den Muttergesellschaften die Zahlung des von der Kommission der Tochtergesellschaft zurückerstatteten Betrags zuzüglich Verzugszinsen gefordert wird – Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlungen – Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 19. Januar 2017

  1. Rechtsmittel–Gründe–Unzureichende oder widersprüchliche Begründung–Zulässigkeit

    (Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV; Satzung des Gerichtshofs, Art. 58 Abs. 1)

  2. Rechtsmittel–Gründe–Fehlerhafte Tatsachenwürdigung–Unzulässigkeit–Überprüfung der Tatsachen- und Beweiswürdigung durch den Gerichtshof–Ausschluss außer bei Verfälschung

    (Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV; Satzung des Gerichtshofs, Art. 58 Abs. 1)

  3. Rechtsmittel–Gründe–Bloße Wiederholung der vor dem Gericht vorgetragenen Gründe und Argumente–Unzulässigkeit–Beanstandung der Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts durch das Gericht–Zulässigkeit

    (Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV; Satzung des Gerichtshofs, Art. 58 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 168 Abs. 1 Buchst. d und 169 Abs. 2)

  4. Nichtigkeitsklage–Anfechtbare Handlungen–Begriff–Handlungen mit verbindlichen Rechtswirkungen–Schreiben der Kommission, mit denen von den Muttergesellschaften nach Herabsetzung und teilweiser Rückerstattung der ursprünglich von der Tochtergesellschaft entrichteten Geldbuße die Zahlung von Verzugszinsen verlangt wird–Einbeziehung

    (Art. 263 AEUV)

  1.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 19)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 19)

  3.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 30, 31)

  4.  Für die Feststellung, ob eine Handlung Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein kann, ist auf das Wesen dieser Handlung abzustellen, da die Form, in der sie ergangen ist, insoweit grundsätzlich ohne Bedeutung ist. Nur Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung beeinträchtigen können, können Handlungen oder Entscheidungen darstellen, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein können. Somit ist die Nichtigkeitsklage grundsätzlich nur gegen eine Maßnahme eröffnet, mit der das betreffende Organ beim Abschluss eines Verwaltungsverfahrens seinen Standpunkt endgültig festlegt. Hingegen können insbesondere Zwischenhandlungen, die der Vorbereitung der endgültigen Entscheidung dienen, sowie bestätigende oder reine Durchführungshandlungen nicht als anfechtbar qualifiziert werden, da solche Handlungen nicht darauf gerichtet sind, in Bezug auf die Handlung des Unionsorgans, die vorbereitet, bestätigt oder durchgeführt wird, selbständige verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen.

    Insoweit sind Schreiben, mit denen die Kommission von Muttergesellschaften die Zahlung von Verzugszinsen für eine Geldbuße verlangt, die gegen ihre Tochtergesellschaft verhängt wurde, für deren Zahlung aber diese Gesellschaften gesamtschuldnerisch haften, so anzusehen, dass sie verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die geeignet sind, die Interessen dieser Muttergesellschaften durch eine qualifizierte Änderung ihrer Rechtsstellung zu beeinträchtigen, wenn der ursprüngliche Betrag der Geldbuße vollständig von der Tochtergesellschaft entrichtet wurde und die Kommission daher auf dieser Grundlage nicht mehr berechtigt war, von den Muttergesellschaften die Zahlung von Verzugszinsen zu verlangen. Demzufolge hat das Gericht nicht dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es diese Schreiben als anfechtbare Handlungen im Sinne von Art. 263 AEUV angesehen hat.

    (vgl. Rn. 35-37, 40, 45, 48, 49)