Rechtssache C‑341/15

Hans Maschek

gegen

Magistratsdirektion der Stadt Wien – Personalstelle Wiener Stadtwerke

(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Wien)

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Sozialpolitik — Richtlinie 2003/88/EG — Art. 7 — Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub — Versetzung in den Ruhestand auf Antrag des Betroffenen — Arbeitnehmer, der seinen bezahlten Jahresurlaub vor Ende seines Arbeitsverhältnisses nicht verbraucht hat — Nationale Regelung, die eine finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub ausschließt — Krankheitsurlaub — Beamte“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 20. Juli 2016

Sozialpolitik – Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer – Arbeitszeitgestaltung – Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub – Am Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlte finanzielle Vergütung für nicht verbrauchten Urlaub – Nationale Regelung, die diese Vergütung einem Arbeitnehmer verweigert, der einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand gestellt hat und seinen Urlaubsanspruch vor dem Ende dieses Arbeitsverhältnisses nicht verbrauchen konnte – Unzulässigkeit – Anspruch auf diese Vergütung, wenn der Arbeitnehmer seine Aufgaben aus Krankheitsgründen nicht wahrgenommen hat – Fehlen eines solchen Anspruchs im Fall einer zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung, wonach der Arbeitnehmer unter Weiterbeziehung seines Entgelts verpflichtet ist, nicht an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen – Grenzen – Nichtverbrauchen des Urlaubsanspruchs wegen Krankheit – Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Arbeitnehmern neben dem Anspruch auf Mindestjahresurlaub weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub zu gewähren – Modalitäten und Bedingungen

(Richtlinie 2003/88 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 7 Abs. 2 und Art. 15)

Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist wie folgt auszulegen:

Er steht nationalen Rechtsvorschriften entgegen, nach denen ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis infolge seines Antrags auf Versetzung in den Ruhestand beendet wurde und der nicht in der Lage war, seinen bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende dieses Arbeitsverhältnisses zu verbrauchen, keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub hat. Der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses spielt dabei keine Rolle. Daher hat der Umstand, dass ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis von sich aus beendet, keine Auswirkung darauf, dass er gegebenenfalls eine finanzielle Vergütung für den bezahlten Jahresurlaub beanspruchen kann, den er vor dem Ende seines Arbeitsverhältnisses nicht verbrauchen konnte.

Ein Arbeitnehmer hat beim Eintritt in den Ruhestand Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bezahlten Jahresurlaub, den er nicht genommen hat, weil er aus Krankheitsgründen seine Aufgaben nicht wahrgenommen hat.

Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis beendet wurde und der nach einer mit seinem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung während eines bestimmten Zeitraums vor seiner Versetzung in den Ruhestand weiterhin sein Entgelt bezog, aber verpflichtet war, nicht an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen, hat keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den während dieses Zeitraums nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub, es sei denn, dass er den Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnte.

Es ist zum einen Sache der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, ob sie Arbeitnehmern neben dem in Art. 7 der Richtlinie 2003/88 vorgesehenen Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren. In diesem Fall können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein Arbeitnehmer, der vor der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses aus Krankheitsgründen seinen zusätzlichen bezahlten Jahresurlaub nicht in vollem Umfang verbrauchen konnte, Anspruch auf eine diesem zusätzlichen Zeitraum entsprechende finanzielle Vergütung hat. Zum anderen ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Bedingungen für die Gewährung festzulegen. Denn die Richtlinie 2003/88 soll zwar Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung festlegen, die von den Mitgliedstaaten zu beachten sind, doch haben diese gemäß Art. 15 der Richtlinie das Recht, für die Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen.

(vgl. Rn. 28, 29, 32, 35, 38, 40 und Tenor)