Rechtssache C‑297/15

Ferring Lægemidler A/S

gegen

Orifarm A/S

(Vorabentscheidungsersuchen des Sø- og Handelsret)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Marken – Richtlinie 2008/95/EG – Art. 7 Abs. 2 – Pharmazeutische Erzeugnisse – Parallelimport – Abschottung der Märkte – Erforderlichkeit des Umpackens des mit der Marke versehenen Erzeugnisses – Arzneimittel, das vom Markeninhaber auf dem Exportmarkt und dem Importmarkt mit den gleichen Verpackungsarten vertrieben wird“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 10. November 2016

  1. Rechtsangleichung–Marken–Richtlinie 2008/95–Paralleleinfuhr von Arzneimitteln nach Umpacken und Wiederanbringen der Marke–Widerspruch des Rechtsinhabers–Unzulässigkeit–Voraussetzungen–Künstliche Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten–Erforderlichkeit eines Umpackens des Arzneimittels–Beurteilungskriterien

    (Richtlinie 2008/95 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 7 Abs. 2)

  2. Rechtsangleichung–Marken–Richtlinie 2008/95–Paralleleinfuhr von Arzneimitteln nach Umpacken und Wiederanbringen der Marke–Widerspruch des Rechtsinhabers–Zulässigkeit–Voraussetzungen–Möglichkeit, die Arzneimittel auf dem Exportmarkt und dem Importmarkt in der gleichen Verpackung zu vertreiben–Nicht auf einen Teil des Marktes des Einfuhrstaats begrenzter Vertrieb–Dem nationalen Gericht obliegende Prüfung

    (Richtlinie 2008/95 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 7 Abs. 2)

  1.  Nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2008/95 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist der Widerspruch des Markeninhabers gegen das Umpacken, der eine Abweichung vom Grundsatz des freien Warenverkehrs darstellt, nicht zulässig, wenn die Ausübung dieses Rechts durch den Markeninhaber eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) im Sinne von Art. 13 Satz 2 dieses Abkommens darstellt. Sofern das Umpacken unter Wahrung der berechtigten Interessen des Markeninhabers erfolgt, liegt eine solche verschleierte Beschränkung im Sinne der genannten Bestimmung vor, wenn der Markeninhaber durch die Ausübung seines Rechts, sich dem Umpacken zu widersetzen, zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Vertragsstaaten des EWR-Abkommens beiträgt.

    Zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Vertragsstaaten des EWR-Abkommens trägt es allerdings bei, wenn sich der Inhaber einer Marke einem Umpacken widersetzt, das erforderlich ist, um das parallel importierte Erzeugnis im Einfuhrstaat vermarkten zu können. Die Befugnis des Inhabers einer in einem Mitgliedstaat geschützten Marke, sich dem Vertrieb umgepackter Waren unter dieser Marke zu widersetzen, darf nämlich nur insoweit beschränkt werden, als das Umpacken durch den Importeur erforderlich ist, um die Ware im Einfuhrmitgliedstaat vertreiben zu können. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass der Markeninhaber die mit jedem Umpacken eines mit seiner Marke versehenen Arzneimittels verbundene Veränderung, die ihrem Wesen nach die Gefahr einer Beeinträchtigung des Originalzustands des Arzneimittels schafft, verbieten kann, es sei denn, das Umpacken ist erforderlich, um den Vertrieb der parallel importierten Ware zu ermöglichen, und die berechtigten Interessen des Markeninhabers sind überdies gewahrt.

    Die Voraussetzung der Erforderlichkeit eines Umpackens ist unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt des Vertriebs im Einfuhrstaat bestehenden Umstände zu prüfen, die das Umpacken objektiv erforderlich machen, damit das Arzneimittel vom Parallelimporteur in diesem Staat in den Verkehr gebracht werden kann. Der Widerstand des Markeninhabers gegen das Umpacken ist nicht gerechtfertigt, wenn er den tatsächlichen Zugang des eingeführten Erzeugnisses zum Markt des Einfuhrstaats behindert. Im Einzelnen kann sich ein Markeninhaber zunächst dem Umpacken der Ware nicht widersetzen, wenn Packungen der Größe, die er in dem Vertragsstaat des EWR-Abkommens, in dem der Importeur die Ware gekauft hat, verwendet, im Einfuhrstaat insbesondere deshalb nicht vertrieben werden können, weil dort nur Packungen einer bestimmten Größe zulässig sind oder eine entsprechende nationale Praxis besteht, weil Krankenversicherungsvorschriften die Erstattung der Krankheitskosten von der Packungsgröße abhängig machen oder weil feste ärztliche Verschreibungsgewohnheiten bestehen, die u. a. auf durch Berufsverbände und Krankenversicherungsträger empfohlenen Normgrößen beruhen.

    Ferner lässt sich, wenn der Markeninhaber entsprechend den Vorschriften und der Praxis im Einfuhrstaat dort verschiedene Packungsgrößen verwendet, allein daraus, dass eine dieser Größen auch im Vertragsstaat des EWR-Abkommens, aus dem das Erzeugnis ausgeführt wird, vertrieben wird, nicht schließen, dass ein Umpacken des Erzeugnisses nicht erforderlich ist. Es läge nämlich eine Abschottung der Märkte vor, wenn der Importeur das Erzeugnis nur auf einem begrenzten Teil des Marktes für dieses Erzeugnis vertreiben könnte.

    (vgl. Rn. 15-22)

  2.  Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2008/95 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass sich der Inhaber einer Marke dem weiteren Vertrieb eines Arzneimittels durch einen Parallelimporteur, der das Arzneimittel in eine neue Verpackung umgepackt und hierauf die Marke wieder angebracht hat, widersetzen kann, wenn das Arzneimittel im Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, in den es eingeführt wird, in der gleichen Verpackung vertrieben werden kann wie derjenigen, in der es im Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, aus dem es ausgeführt wird, vertrieben wird und der Importeur nicht nachgewiesen hat, dass das eingeführte Erzeugnis nur auf einem begrenzten Teil des Marktes des Einfuhrstaats vertrieben werden kann, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

    (vgl. Rn. 29 und Tenor)