URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)
8. November 2016 ( *1 )
„Rechtsmittel — Unionsmarke — Anmeldung der Bildmarke mit den Wortbestandteilen ‚compressor technology‘ — Widerspruch des Inhabers der Wortmarken KOMPRESSOR PLUS und KOMPRESSOR — Teilweise Zurückweisung der Anmeldung — Verordnung (EG) Nr. 207/2009 — Art. 60 — Verordnung (EG) Nr. 216/96 — Art. 8 Abs. 3 — ‚Anschlussbeschwerde‘ — Verordnung (EG) Nr. 40/94 — Art. 8 Abs. 1 Buchst. b — Schwache Unterscheidungskraft der älteren nationalen Marken — Verwechslungsgefahr“
In der Rechtssache C‑43/15 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 3. Februar 2015,
BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH mit Sitz in München (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Biagosch und R. Kunz-Hallstein,
Rechtsmittelführerin,
andere Parteien des Verfahrens:
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch M. Fischer als Bevollmächtigten,
Beklagter im ersten Rechtszug,
LG Electronics Inc. mit Sitz in Seoul (Südkorea),
Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter), L. Bay Larsen, T. von Danwitz und E. Juhász, der Kammerpräsidentinnen M. Berger und A. Prechal, des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter A. Rosas und A. Borg Barthet sowie der Richterin K. Jürimäe und des Richters C. Lycourgos,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2015,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. März 2016
folgendes
Urteil
1 |
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH (im Folgenden: BSH) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 4. Dezember 2014, BSH/HABM – LG Electronics (compressor technology) (T‑595/13, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2014:1023), mit dem das Gericht ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 5. September 2013 (Sache R 1176/2012‑1) in der durch die Berichtigungsentscheidung vom 3. Dezember 2013 geänderten Fassung (im Folgenden: streitige Entscheidung) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der LG Electronics Inc. (im Folgenden: LG) und BSH abgewiesen hatte. |
Rechtlicher Rahmen
Vorschriften zur Unionsmarke
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Die Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 422/2004 des Rates vom 19. Februar 2004 (ABl. 2004, L 70, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 40/94) wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1), die am 13. April 2009 in Kraft trat, aufgehoben und ersetzt. Daher sind auf den vorliegenden Rechtsstreit die Verfahrensvorschriften der Verordnung Nr. 207/2009 anwendbar. Da für die Bestimmung des anwendbaren materiellen Rechts der Zeitpunkt der im vorliegenden Fall in Rede stehenden Anmeldung, d. h. der 24. November 2008, maßgeblich ist, sind auf den Rechtsstreit jedoch die materiell-rechtlichen Vorschriften der Verordnung Nr. 40/94 anwendbar. |
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Art. 7 („Absolute Eintragungshindernisse“) der Verordnung Nr. 40/94, dessen Wortlaut durch Art. 7 der Verordnung Nr. 207/2009 unverändert übernommen wurde, bestimmte in Abs. 1: „Von der Eintragung ausgeschlossen sind …
…“ |
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Art. 8 („Relative Eintragungshindernisse“) der Verordnung Nr. 40/94, dessen Wortlaut durch Art. 8 der Verordnung Nr. 207/2009 unverändert übernommen wurde, bestimmte in Abs. 1: „Auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke ist die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen, …
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5 |
Art. 51 („Absolute Nichtigkeitsgründe“) der Verordnung Nr. 40/94, der Art. 52 der Verordnung Nr. 207/2009 entspricht, bestimmte in den Abs. 1 und 2: „(1) Die Gemeinschaftsmarke wird auf Antrag beim Amt oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für nichtig erklärt,
(2) Ist die Gemeinschaftsmarke entgegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b), c) oder d) eingetragen worden, kann sie nicht für nichtig erklärt werden, wenn sie durch Benutzung im Verkehr Unterscheidungskraft für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, erlangt hat.“ |
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Art. 59 („Beschwerdeberechtigte und Verfahrensbeteiligte“) der Verordnung Nr. 207/2009 gehört zu deren Titel VII („Beschwerdeverfahren“). In diesem Artikel heißt es: „Die Beschwerde steht denjenigen zu, die an einem Verfahren beteiligt waren, das zu einer Entscheidung geführt hat, soweit sie durch die Entscheidung beschwert sind. …“ |
7 |
Der ebenfalls zu Titel VII gehörende Art. 60 („Frist und Form“) der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmt: „Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist. …“ |
8 |
Art. 63 („Prüfung der Beschwerde“) Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 lautet: „Bei der Prüfung der Beschwerde fordert die Beschwerdekammer die Beteiligten so oft wie erforderlich auf, innerhalb einer von ihr zu bestimmenden Frist eine Stellungnahme zu ihren Bescheiden oder zu den Schriftsätzen der anderen Beteiligten einzureichen.“ |
9 |
Art. 65 („Klage beim Gerichtshof“) der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmt in den Abs. 1 und 2: „(1) Die Entscheidungen der Beschwerdekammern, durch die über eine Beschwerde entschieden wird, sind mit der Klage beim Gerichtshof anfechtbar. (2) Die Klage ist zulässig wegen Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des EG-Vertrags, dieser Verordnung oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmissbrauchs.“ |
10 |
Art. 75 („Begründung der Entscheidungen“) der Verordnung Nr. 207/2009 gehört zu Titel IX („Verfahrensvorschriften“) der Verordnung. Dieser Artikel bestimmt: „Die Entscheidungen des Amtes sind mit Gründen zu versehen. Sie dürfen nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.“ |
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Die Verordnung (EG) Nr. 216/96 der Kommission vom 5. Februar 1996 über die Verfahrensordnung vor den Beschwerdekammern des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (ABl. 1996, L 28, S. 11) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2082/2004 der Kommission vom 6. Dezember 2004 (ABl. 2004, L 360, S. 8) (im Folgenden: Verordnung Nr. 216/96) sieht in Art 8 („Verfahrensablauf“) vor: „… (2) Bei mehrseitigen Verfahren können unbeschadet des Artikels 61 Absatz 2 der Verordnung die Beschwerdebegründungen und Stellungnahmen zu den Beschwerdebegründungen ergänzt werden durch eine Erwiderung des Beschwerdeführers, die binnen zwei Monaten nach Zustellung der Stellungnahme zur Beschwerdebegründung einzureichen ist, sowie durch eine Duplik des Beschwerdegegners, die binnen zwei Monaten nach Zustellung der Erwiderung einzureichen ist. (3) In mehrseitigen Verfahren kann der Beschwerdegegner in seiner Stellungnahme zur Beschwerdebegründung Anträge stellen, die auf die Aufhebung oder Abänderung der angefochtenen Entscheidung in einem in der Beschwerde nicht geltend gemachten Punkt gerichtet sind. Derartige Anträge werden gegenstandslos, wenn die Beschwerde zurückgenommen wird.“ |
12 |
Nach der Einlegung des vorliegenden Rechtsmittels ist die Verordnung Nr. 207/2009 durch die Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 (ABl. 2015, L 341, S. 21), die am 23. März 2016 in Kraft getreten ist, geändert worden. |
13 |
Nach der Verordnung 2015/2424 erhält Art. 60 („Frist und Form“) der Verordnung Nr. 207/2009 folgende Fassung: „(1) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. (2) In mehrseitigen Verfahren kann der Beschwerdegegner in seiner Stellungnahme zur Beschwerdebegründung Anträge stellen, die auf die Aufhebung oder Abänderung der angefochtenen Entscheidung in einem in der Beschwerde nicht geltend gemachten Punkt gerichtet sind. Derartige Anträge werden gegenstandslos, wenn die Beschwerde zurückgenommen wird.“ |
Unionsrechtliche Vorschriften zu nationalen Marken
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Die Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2008, L 299, S. 25) bestimmt in Art. 3 („Eintragungshindernisse – Ungültigkeitsgründe“) Abs. 1 Buchst. b und c: „Folgende Zeichen oder Marken sind von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung: …
…“ |
Vorgeschichte des Rechtsstreits
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Am 24. November 2008 meldete BSH beim EUIPO eine Unionsmarke für folgendes Bildzeichen an: |
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Die Marke wurde für Waren der Klassen 7, 9 und 11 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung (im Folgenden: Abkommen von Nizza) angemeldet. Die Anmeldung wurde im Blatt für Unionsmarken Nr. 4/2009 vom 2. Februar 2009 veröffentlicht. |
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Am 30. April 2009 legte LG unter Berufung auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 Widerspruch gegen die Eintragung der in Rede stehenden Marke für alle von ihr erfassten Waren ein. Der Widerspruch war auf folgende ältere Marken gestützt:
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Mit Entscheidung vom 3. Mai 2012 gab die Widerspruchsabteilung des EUIPO dem Widerspruch teilweise statt und wies infolgedessen die in Rede stehende Unionsmarkenanmeldung für folgende Waren zurück:
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Hinsichtlich der übrigen beanspruchten Waren war die Widerspruchsabteilung des EUIPO der Ansicht, dass diese Waren und die von den älteren Marken erfassten Waren einander unähnlich seien. Sie wies deshalb den Widerspruch von LG mit der Begründung zurück, dass für folgende Waren keine Verwechslungsgefahr bestehe:
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Am 26. Juni 2012 legte BSH beim EUIPO eine Beschwerde ein, mit der sie die Aufhebung der Entscheidung der Widerspruchsabteilung des EUIPO beantragte. Zudem beschränkte BSH bei dieser Gelegenheit das Verzeichnis der Waren der Anmeldung in Klasse 7 des Abkommens von Nizza. |
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In ihrer Stellungnahme vom 31. Oktober 2012 zur Beschwerdebegründung machte LG geltend, dass bestimmte der zu vergleichenden Waren, die von der Widerspruchsabteilung des EUIPO als einander unähnlich beurteilt worden seien, in Wirklichkeit einander ähnlich seien und die in Rede stehende Anmeldung deshalb auch für diese Waren hätte zurückgewiesen werden müssen. In der Stellungnahme wurde auch eine Abänderung der Entscheidung der Widerspruchsabteilung des EUIPO dahin beantragt, dass die Anmeldung in größerem Umfang zurückgewiesen werde. |
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Diese Stellungnahme wurde BSH mit einem Telefax der Geschäftsstelle des EUIPO vom 8. November 2012 übermittelt, in dem BSH auf Anweisung der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO mitgeteilt wurde, dass das schriftliche Verfahren beendet sei und die Stellungnahme nur zur Kenntnisnahme übermittelt werde. |
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Mit der streitigen Entscheidung wies die Erste Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde von BSH zurück. |
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Mit derselben Entscheidung gab die Erste Beschwerdekammer des EUIPO dem Antrag von LG, den sie als eine „Anschlussbeschwerde“ („ancillary“ appeal) nach Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 216/96 einstufte, teilweise statt. |
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Die Erste Beschwerdekammer des EUIPO wies vorab darauf hin, dass die Entscheidung der Widerspruchsabteilung des EUIPO, da LG die Zurückweisung des Widerspruchs für bestimmte Waren nicht beanstandet habe, insoweit endgültig geworden sei, als die Eintragung der in Rede stehenden Unionsmarke für diese Waren gestattet worden sei. |
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In Bezug auf die maßgeblichen Verkehrskreise führte die Erste Beschwerdekammer des EUIPO zunächst aus, dass das betroffene Gebiet das Spaniens, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs sei, und stellte sodann fest, dass diese Verkehrskreise zum einen, was „elektrische Ausgabegeräte für Getränke oder Speisen, Verkaufsautomaten“ angehe, aus gewerblichen Verwendern und zum anderen, was die übrigen Waren betreffe, aus normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern bestünden. |
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Zum Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen vertrat die Erste Beschwerdekammer des EUIPO die Ansicht, dass eine bildliche, klangliche und begriffliche Ähnlichkeit bestehe und dass diese Zeichen demnach insgesamt ähnlich seien. |
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Was den Vergleich der Waren angeht, bestätigte die Erste Beschwerdekammer des EUIPO einerseits die Beurteilung der Widerspruchsabteilung des EUIPO hinsichtlich derjenigen von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren, die diese als identisch oder ähnlich eingestuft hatte, und bestätigte somit, dass in Bezug auf diese Waren Verwechslungsgefahr bestehe. |
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Andererseits vertrat die Erste Beschwerdekammer des EUIPO im Gegensatz zur Widerspruchsabteilung des EUIPO die Auffassung, dass die „maschinellen Zapfvorrichtungen (Zapfgeräte) für die Abgabe gekühlter Getränke für die Verwendung in Kombination mit Geräten zum Kühlen von Getränken“ der Klasse 11 des Abkommens von Nizza und die von der angemeldeten Marke erfassten „Teile, soweit in Klasse 9 enthalten, für elektrische Apparate und Instrumente, nämlich elektrische Bügeleisen; Küchenwaagen“ der Klasse 9 des Abkommens von Nizza den von den älteren Marken erfassten Waren ähnelten. Sie war der Ansicht, dass auch für diese Waren die Gefahr einer Verwechslung bestehe, und hob daher die Entscheidung der Widerspruchsabteilung des EUIPO auf, soweit sie den Widerspruch für diese Waren zurückgewiesen hatte. |
Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
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Mit am 13. November 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhob BSH Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung. Als einzigen Klagegrund machte sie einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 geltend. |
31 |
BSH beanstandete zwar nicht die Feststellung der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO, dass die in Rede stehenden Waren, einschließlich derer, für die die Widerspruchsabteilung des EUIPO festgestellt hatte, dass sie einander unähnlich seien, identisch oder ähnlich seien und die einander gegenüberstehenden Marken sich insgesamt ähnelten, machte im Rahmen dieses einzigen Klagegrundes jedoch geltend, dass das Zeichen KOMPRESSOR für Waren, die einen Kompressor enthielten oder enthalten könnten, wie etwa Staubsauger, Klimaanlagen und Kühlschränke, beschreibend sei und folglich die Unterscheidungskraft der älteren nationalen Marken „minimal“ sei. Die Erste Beschwerdekammer des EUIPO habe bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr die schwache Unterscheidungskraft dieser Marken für diese Waren nicht hinreichend berücksichtigt. Im Hinblick auf diese geringe Unterscheidungskraft reichten nämlich selbst geringfügige Unterschiede der einander gegenüberstehenden Marken aus, um eine Verwechslungsgefahr auszuräumen. |
32 |
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht diesen einzigen Klagegrund zurückgewiesen und demgemäß die Klage insgesamt abgewiesen. |
Anträge der Parteien des Rechtsmittelverfahrens
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BSH beantragt,
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Das EUIPO beantragt,
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Mit einem Schreiben vom 29. Oktober 2015 hat der Gerichtshof gemäß Art. 24 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Europäische Kommission ersucht, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, um seine schriftlichen Fragen zu beantworten. |
Zum Rechtsmittel
36 |
BSH stützt ihr Rechtsmittel auf zwei Gründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 und zweitens einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 rügt. |
Zum ersten Rechtsmittelgrund
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Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund rügt BSH, das Gericht habe ohne jede Prüfung gebilligt, dass die Erste Beschwerdekammer des EUIPO in der streitigen Entscheidung – gestützt auf Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 216/96 – die Stellungnahme zur Beschwerdebegründung von LG vom 31. Oktober 2012 als „Anschlussbeschwerde“ gewertet und die Eintragung der in Rede stehenden Marke in einem weiter gehenden Umfang als die Widerspruchsabteilung des EUIPO abgelehnt habe. LG habe jedoch keine den Voraussetzungen von Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 genügende Beschwerde eingelegt, die allein eine über die Entscheidung der Widerspruchsabteilung hinausgehende Zurückweisung der Anmeldung der streitigen Marke hätte rechtfertigen können. Entgegen der von der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO vertretenen Auslegung könne Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 216/96 ohne eine geeignete Rechtsgrundlage in der Verordnung Nr. 207/2009 es nämlich nicht ermöglichen, einen Teil der Entscheidung der Widerspruchsabteilung des EUIPO in Frage zu stellen, der nicht mit der Beschwerde angefochten worden und daher rechtskräftig geworden sei. |
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Das EUIPO hält diesen Rechtsmittelgrund für unzulässig, weil er erstmals im Rechtsmittelverfahren geltend gemacht worden sei. Rein vorsorglich hält es ihn jedenfalls für unbegründet, da Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 216/96 es dem Beschwerdegegner erlaube, in seiner Stellungnahme zur Beschwerdebegründung Anträge zu stellen, die auf die Aufhebung oder Abänderung der angefochtenen Entscheidung in einem in der Beschwerde nicht geltend gemachten Punkt gerichtet seien. |
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Es steht fest, dass die Erste Beschwerdekammer des EUIPO in der streitigen Entscheidung zum einen die Beschwerde von BSH, die auf die Aufhebung der Entscheidung der Widerspruchsabteilung des EUIPO gerichtet war, da mit jener Entscheidung ihre Markenanmeldung für bestimmte der beanspruchten Waren zurückgewiesen worden war, zurückgewiesen hat. Zum anderen gab sie dem Antrag von LG teilweise statt, den sie als „Anschlussbeschwerde“ nach Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 216/96 einstufte, mit der LG in ihrer Stellungnahme zur Beschwerdebegründung die Änderung jener Entscheidung dahin beantragt hatte, dass die Anmeldung auch für bestimmte Waren zurückgewiesen werde, für die die Widerspruchsabteilung des EUIPO die Anmeldung der streitigen Marke gestattet hatte. Die Erste Beschwerdekammer des EUIPO hat somit die genannte Entscheidung zum Nachteil von BSH abgeändert, indem sie die Anmeldung der genannten Marke für zusätzliche Waren zurückgewiesen hat. |
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Daraus geht hervor, dass die Erste Beschwerdekammer des EUIPO stillschweigend davon ausging, dass mit Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 216/96 eine zweite Beschwerdemöglichkeit eingeführt worden sei, die zu der des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 in der Fassung vor der Verordnung 2015/2424 hinzukomme und es – ohne den Voraussetzungen dieses Art. 60 zu unterliegen – dem Beschwerdegegner erlaube, die den Gegenstand der Beschwerde bildende Entscheidung hinsichtlich eines Teils anzufechten, der von dieser Beschwerde nicht erfasst werde, und somit den vom Beschwerdeführer festgelegten Umfang des Rechtsstreits zu erweitern. |
41 |
Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund rügt BSH, das Gericht habe im angefochtenen Urteil nicht geprüft, ob diese Auslegung mit Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 vereinbar sei. |
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Es steht jedoch fest, dass BSH in keinem Stadium des Verfahrens vor dem Gericht geltend gemacht hat, dass diese Auslegung mit Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 oder einer anderen Vorschrift des Unionsrechts unvereinbar sei. Ihre Klage vor dem Gericht war nämlich auf einen einzigen Klagegrund gestützt, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 rügte. |
43 |
Nach ständiger Rechtsprechung könnte aber eine Partei, wäre es ihr erlaubt, vor dem Gerichtshof erstmals ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel und Argumente vorzubringen, die sie vor dem Gericht nicht vorgebracht hat, den Gerichtshof, dessen Befugnisse im Rechtsmittelverfahren beschränkt sind, letztlich mit einem weiter reichenden Rechtsstreit befassen, als ihn das Gericht zu entscheiden hatte. Im Rahmen eines Rechtsmittels sind die Befugnisse des Gerichtshofs somit auf die Beurteilung der rechtlichen Bewertung des im ersten Rechtszug erörterten Vorbringens beschränkt (vgl. u. a. Urteil vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 126 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
44 |
Zum Vorbringen von BSH in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof, dass die Beurteilung des Unionsrechts dem Gerichtshof vorbehalten sei, weshalb es folgerichtig sei, erst bei ihm die Frage der Vereinbarkeit der von der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO vertretenen Auslegung von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 216/96 mit Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 aufzuwerfen, ist festzustellen, dass es in rechtlicher Hinsicht fehlgeht. Wie aus Art. 256 Abs. 1 AEUV und Art. 65 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 207/2009 hervorgeht, ist das Gericht im Rahmen von Klagen gegen Entscheidungen der Beschwerdekammern des EUIPO nämlich uneingeschränkt zuständig, insbesondere jeden Verstoß gegen diese Verordnung, einschließlich ihres Art. 60, festzustellen. |
45 |
Schließlich hat das EUIPO in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof zwar eingeräumt, dass die Erste Beschwerdekammer des EUIPO mit der streitigen Entscheidung der „Anschlussbeschwerde“ von LG teilweise stattgegeben hat, ohne zuvor BSH Gelegenheit gegeben zu haben, dazu gegebenenfalls Stellung zu nehmen, und dadurch gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens, wie er in Art. 63 Abs. 2 und Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 zum Ausdruck kommt, verstoßen hat. Da aber BSH im Verfahren vor dem Gericht insoweit keine Einwendungen erhoben und auch die Würdigung, die die Beschwerdekammer dazu veranlasst hat, dieser „Anschlussbeschwerde“ stattzugeben, in keinster Weise beanstandet hat, kann dem Gericht nicht vorgeworfen werden, diesen Verstoß nicht von Amts wegen festgestellt zu haben. |
46 |
Daher ist der erste Rechtsmittelgrund als unzulässig zurückzuweisen. |
Zum zweiten Rechtsmittelgrund
47 |
Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht BSH geltend, das Gericht habe dadurch gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen, dass es insbesondere in Rn. 31 des angefochtenen Urteils auf ein unzutreffendes Verständnis der Verwechslungsgefahr abgestellt habe. Das führe dazu, dass die Übereinstimmung zweier Marken in einem rein beschreibenden Bestandteil ausreiche, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen, was wiederum zur Folge habe, dass eine rein beschreibende Angabe monopolisiert werde, was Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung jedoch verhindern solle. |
48 |
In einem Fall, in dem die ältere Marke eine ohne Weiteres erkennbare Abwandlung einer beschreibenden Angabe darstelle und die jüngere Marke die beschreibende Angabe selbst beinhalte, könnten selbst hohe Ähnlichkeiten der Zeichen und die Identität der mit den einander gegenüberstehenden Marken gekennzeichneten Waren dann nicht zur Annahme einer Verwechslungsgefahr führen, wenn sich die Ähnlichkeiten der Zeichen auf die beschreibende Angabe beschränkten und nur Waren betroffen seien, die durch die Angabe beschrieben würden. Denn in einer beschreibenden Angabe sehe der Verkehr keinen Herkunftshinweis, sondern er orientiere sich an den verbleibenden Bestandteilen der Marke. Außerdem sei nach dieser These der Schutzumfang der älteren Marken nicht pauschal beschränkt, sondern nur in Richtung der beschreibenden Angabe selbst, so dass er für andere Waren oder in Richtung auf andere ähnliche Zeichen unbeeinflusst bleibe. |
49 |
Das EUIPO macht in erster Linie geltend, der zweite Rechtsmittelgrund sei unzulässig. Zum einen nämlich werde aus der Rechtsmittelschrift nicht klar, welche konkreten Feststellungen des Gerichts angegriffen werden sollten. Zum anderen ziele das Vorbringen von BSH, wonach das Gericht die Bedeutung der Unterscheidungskraft der älteren nationalen Marken unzutreffend bewertet habe, auf eine erneute Tatsachenwürdigung ab. Hilfsweise macht das EUIPO geltend, dass dieser Rechtsmittelgrund nicht begründet sei. |
Zulässigkeit
50 |
Nach ständiger Rechtsprechung ist gemäß Art. 256 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt. Allein das Gericht ist daher für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen zuständig. Die Würdigung dieser Tatsachen ist somit, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge (vgl. u. a. Urteil vom 17. März 2016, Naazneen Investments/HABM, C‑252/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:178, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
51 |
Außerdem folgt aus denselben Vorschriften und aus Art. 168 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, und die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss (vgl. u. a. Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 43, und vom 5. März 2015, Ezz u. a./Rat, C‑220/14 P, EU:C:2015:147, Rn. 111). Insoweit ist es nach Art. 169 Abs. 2 der Verfahrensordnung erforderlich, dass die geltend gemachten Rechtsgründe und ‑argumente die beanstandeten Punkte der Begründung der Entscheidung des Gerichts genau bezeichnen (Urteile vom 28. Juli 2016, Tomana u. a./Rat und Kommission, C‑330/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:601, Rn. 34, und vom 20. September 2016, Mallis u. a./Kommission und EZB, C‑105/15 P bis C‑109/15 P, EU:C:2016:702, Rn. 34). |
52 |
Hierzu ist festzustellen, dass BSH mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund keineswegs nur eine erneute Tatsachenwürdigung beantragt, sondern dem Gericht vorwirft, es habe rechtliche Grundsätze außer Acht gelassen, die bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zwischen einander gegenüberstehenden Marken anwendbar seien, was eine Rechtsfrage ist, die dem Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels vorgelegt werden kann (vgl. u. a. Beschluss vom 7. Mai 2015, Adler Modemärkte/HABM, C‑343/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:310, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
53 |
Im Übrigen geht aus den Schriftsätzen von BSH eindeutig hervor, dass sich dieser Rechtsmittelgrund u. a. gegen Rn. 31 des angefochtenen Urteils richtet, aus dem hervorgehe, dass das Gericht das Wesen selbst der Verwechslungsgefahr verkannt habe, bei deren Beurteilung die Unterscheidungskraft jeder der einander gegenüberstehenden Marken zwingend das wichtigste Kriterium sein müsse. |
54 |
Folglich ist der zweite Rechtsmittelgrund als zulässig anzusehen. |
Begründetheit
55 |
Das Vorbringen zur Verwechslungsgefahr, das BSH im Rahmen des einzigen Grundes ihrer Klage vor dem Gericht geltend gemacht hat und das dem Vorbringen im Rahmen ihres zweiten Rechtsmittelgrundes entspricht, ist insbesondere in den Rn. 26 bis 32 des angefochtenen Urteils geprüft worden. |
56 |
So hat das Gericht nach einem Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung in den Rn. 26 und 27 des Urteils in deren Rn. 28 festgestellt, dass die Erste Beschwerdekammer des EUIPO in Bezug auf die Waren, für die sie dem Widerspruch stattgegeben habe, festgestellt habe, ohne dass BSH dem widersprochen hätte, dass zum einen diese Waren teilweise identisch und teilweise ähnlich seien und zum anderen die einander gegenüberstehenden Zeichen ähnlich seien. Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass die kumulative Wirkung dieser Feststellungen jedenfalls ausreiche, um eine Verwechslungsgefahr bejahen zu können, selbst wenn man die Unterscheidungskraft der älteren nationalen Marken als schwach einstufen sollte. |
57 |
Das Gericht hat in Rn. 29 des angefochtenen Urteils weiter ausgeführt, dass die Erste Beschwerdekammer des EUIPO im Rahmen der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nämlich berücksichtigt habe, dass weder die älteren nationalen Marken noch die angemeldete Marke in Bezug auf die fraglichen Waren besonders unterscheidungskräftig seien. Sie habe jedoch darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung, selbst wenn es um eine Marke mit schwacher Unterscheidungskraft gehe, eine Gefahr von Verwechslungen, insbesondere wegen des Bestehens einer Ähnlichkeit der Zeichen sowie der betroffenen Waren oder Dienstleistungen, gegeben sein könne. Dies sei der Fall, wenn, wie vorliegend, die fraglichen Waren identisch seien und die einander gegenüberstehenden Marken einen hohen Grad an Ähnlichkeit aufwiesen. |
58 |
Nach den Ausführungen des Gerichts in Rn. 31 des Urteils liefe es, wenn man dem Vorbringen von BSH folgte, darauf hinaus, den Faktor der Zeichenähnlichkeit zugunsten des Faktors, der auf der Unterscheidungskraft der älteren Marke beruhe, zu neutralisieren und Letzterem somit eine übermäßige Bedeutung einzuräumen. Daraus ergäbe sich, dass eine Verwechslungsgefahr, sobald die ältere Marke bloß schwache Unterscheidungskraft besitze, nur im Fall ihrer vollständigen Reproduktion durch die Anmeldemarke vorläge und dass der Grad der zwischen den Zeichen bestehenden Ähnlichkeit nicht von Bedeutung wäre. Ein solches Ergebnis widerspräche bereits dem Wesen der umfassenden Beurteilung, die die zuständigen Behörden nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 vorzunehmen hätten. |
59 |
Daher gelangte das Gericht in Rn. 32 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis, dass das Vorbringen von BSH zur schwachen Unterscheidungskraft der älteren nationalen Marken nicht die Feststellung der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO zum Vorliegen einer Verwechslungsgefahr berühren könne. |
60 |
Diese vom Gericht vorgenommene Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist frei von Rechtsfehlern. |
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Der Gerichtshof hat nämlich unter Zurückweisung eines ähnlichen wie des von BSH im Rahmen ihres zweiten Rechtsmittelgrundes geltend gemachten Vorbringens bereits mehrfach entschieden, dass die Unterscheidungskraft einer älteren Marke zwar im Rahmen der umfassenden Beurteilung des Vorliegens von Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen ist, aber nur einen der bei dieser Beurteilung zu berücksichtigenden Faktoren darstellt (vgl. u. a. Beschlüsse vom 29. November 2012, Hrbek/HABM, C‑42/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:765, Rn. 61, und vom 2. Oktober 2014, Przedsiębiorstwo Handlowe Medox Lepiarz/HABM, C‑91/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2261, Rn. 22). |
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Darüber hinaus ist die Verwechslungsgefahr zwar umso größer, je größer die Unterscheidungskraft der älteren Marke ist, doch ist diese Gefahr nicht ausgeschlossen, wenn die Unterscheidungskraft der älteren Marke gering ist (vgl. u. a. Beschluss vom 19. November 2015, Fetim/HABM, C‑190/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:778, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Folglich kann das Gericht selbst bei Vorliegen einer älteren Marke mit schwacher Unterscheidungskraft davon ausgehen, dass eine Verwechslungsgefahr besteht, insbesondere wegen einer Ähnlichkeit der Zeichen und einer Identität der betroffenen Waren oder Dienstleistungen (vgl. u. a. Beschlüsse vom 2. Oktober 2014, Przedsiębiorstwo Handlowe Medox Lepiarz/HABM, C‑91/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2261, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 7. Mai 2015, Adler Modemärkte/HABM, C‑343/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:310, Rn. 59). |
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Somit sind die Feststellungen des Gerichts in Rn. 31 des angefochtenen Urteils, mit denen die von BSH vertretene Auffassung zurückgewiesen wurde und die Gegenstand des zweiten Rechtsmittelgrundes sind, in Wirklichkeit nur ein Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach diese Auffassung bereits dem Wesen der umfassenden Beurteilung widerspricht, die die zuständigen Behörden nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 vorzunehmen haben, da sie entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin darauf hinausliefe, den Faktor der Ähnlichkeit der Marken zugunsten des Faktors, der auf der Unterscheidungskraft der älteren Marke beruht, zu neutralisieren (vgl. in dieser Hinsicht Urteil vom 15. März 2007, T.I.M.E. ART/HABM, C‑171/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:171, Rn. 41, und Beschluss vom 19. November 2015, Fetim/HABM, C‑190/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:778, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Was das von BSH hierzu vorgetragene Argument betrifft, dass diese Rechtsprechung unrichtig sei, weil sie dazu führe, dass eine rein beschreibende Angabe monopolisiert werde, ist festzustellen, dass eine solche Monopolisierung nicht mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94, sondern mit deren Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c sowie Art. 51 und mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 2008/95 verhindert werden soll. |
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Insbesondere in Bezug auf ältere nationale Marken hat der Gerichtshof bereits feststellen können, dass aus der Koexistenz der Unionsmarken und der nationalen Marken sowie aus der Tatsache, dass für die Eintragung Letzterer nicht das EUIPO und für ihre gerichtliche Kontrolle nicht das Gericht zuständig ist, folgt, dass die Gültigkeit nationaler Marken in einem Verfahren über einen Widerspruch gegen eine Unionsmarkenanmeldung nicht in Frage gestellt werden kann. Im Rahmen eines solchen Widerspruchsverfahrens kann folglich im Hinblick auf ein Zeichen, das mit einer in einem Mitgliedstaat geschützten Marke identisch ist, auch kein absolutes Eintragungshindernis wie der beschreibende Charakter und das Fehlen von Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 40/94 sowie Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 2008/95 festgestellt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Mai 2012, Formula One Licensing/HABM, C‑196/11 P, EU:C:2012:314, Rn. 40 und 41). |
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Folglich muss bei der Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 einer nationalen Marke, auf die ein Widerspruch gegen die Eintragung einer Unionsmarke gestützt wird, ein gewisser Grad an Unterscheidungskraft zuerkannt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Mai 2012, Formula One Licensing/HABM, C‑196/11 P, EU:C:2012:314, Rn. 47). |
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Wenn daher eine ältere nationale Marke für bestimmte Waren, für die sie eingetragen wurde, tatsächlich beschreibend ist und ihr Schutz zur ungerechtfertigten Monopolisierung der fraglichen beschreibenden Angabe führt, ist dieser Folge nicht durch eine Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 abzuhelfen, die diese Waren grundsätzlich von dem Schutz ausschließt, den diese Bestimmung älteren Marken gewährt, sondern durch ein im betreffenden Mitgliedstaat nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 2008/95 angestrengtes Nichtigkeitsverfahren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Mai 2012, Formula One Licensing/HABM, C‑196/11 P, EU:C:2012:314, Rn. 45). |
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Deshalb ist auch das Vorbringen von BSH, dass der Gerichtshof im Urteil vom 10. November 2011, LG Electronics/HABM (C‑88/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:727), die Weigerung des EUIPO, das Zeichen „KOMPRESSOR PLUS“ als Unionsmarke einzutragen, für Staubsauger bestätigt habe, weil dieses Zeichen rein beschreibend sei, jedenfalls als ins Leere gehend zurückzuweisen. Das Urteil stellt nämlich die Gültigkeit der nationalen Marken, die von LG zur Stützung ihres Widerspruchs geltend gemacht wurden, nicht in Frage. |
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Schließlich lässt sich entgegen dem Vorbringen von BSH nicht von vornherein und für alle Fälle ausschließen, dass die Verbraucher in dem Fall, in dem eine angemeldete Marke das unterscheidungsschwache Zeichen einer älteren nationalen Marke mit geringen Unterschieden übernimmt, annehmen können, dass diese Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen eine Variation in der Art der Waren widerspiegelten oder auf Marketingerwägungen beruhten, ohne eine unterschiedliche betriebliche Herkunft zum Ausdruck zu bringen, und dass für das Publikum somit eine Verwechslungsgefahr bestehen kann (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 27. April 2006, L’Oréal/HABM, C‑235/05 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2006:271, Rn. 45). |
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Daher konnte das Gericht nach Abschluss seiner eigenständigen Beurteilung des Sachverhalts im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis kommen, dass zwischen den älteren nationalen Marken und der angemeldeten Marke Verwechslungsgefahr besteht. |
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Nach alledem ist der zweite Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen und folglich das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen. |
Kosten
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Wenn das Rechtsmittel unbegründet ist, entscheidet der Gerichtshof nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung über die Kosten. |
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Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. |
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Da das EUIPO beantragt hat, BSH zur Tragung der Kosten zu verurteilen, und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden: |
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Lenaerts Tizzano Ilešič Bay Larsen von Danwitz Juhász Berger Prechal Vilaras Rosas Borg Barthet Jürimäe Lycourgos Verkündet in Luxemburg in öffentlicher Sitzung am 8. November 2016. Der Kanzler A. Calot Escobar Der Präsident K. Lenaerts |
( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.