SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 12. Oktober 2017 ( 1 )

Rechtssache C‑664/15

Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation

gegen

Bezirkshauptmannschaft Gmünd

(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs [Österreich])

„Umwelt – Aarhus-Übereinkommen – Zugang zu Gerichten – Klagebefugnis nicht staatlicher Umweltschutzorganisationen – Rechte dieser Organisationen, die Entscheidung der zuständigen Behörden vor einem Gericht im Klagewege anzufechten – Parteistellung dieser Organisationen im Verwaltungsverfahren – Verlust der Parteistellung im Verwaltungsverfahren, wenn eine solche Organisation Einwendungen in diesem Verfahren nicht rechtzeitig erhebt“

1. 

Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen ersucht der Verwaltungsgerichtshof (Österreich) um Hinweise zur Klagebefugnis einer Umweltschutzorganisation, soweit sie auf Grundlage des Aarhus-Übereinkommens ( 2 ) Zugang zu den Gerichten begehrt. Die Fragen stellen sich im Kontext eines Antrags auf eine Bewilligung zur Entnahme von Wasser aus einem Fluss zum Zweck der Schneeerzeugung für einen Wintersportort (im Folgenden: Genehmigungsverfahren) ( 3 ). Die mit diesem konkreten Verfahren in Zusammenhang stehenden umweltrechtlichen Fragen fallen in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/60/EG ( 4 ) (im Folgenden: Wasserrahmenrichtlinie).

2. 

Zu der schwierigen Frage der Klagebefugnis von Umweltschutzorganisationen in umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren ist umfangreiche Rechtsprechung ergangen, die ihren Höhepunkt im Urteil Lesoochranárske zoskupenie VLK (C‑243/15) gefunden hat ( 5 ).

3. 

In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof sich mit den folgenden Fragen auseinanderzusetzen haben. Gibt die Wasserrahmenrichtlinie in Verbindung mit dem Aarhus-Übereinkommen einer Umweltschutzorganisation die Befugnis zur Anfechtung von Verwaltungsentscheidungen in verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren, insbesondere soweit eine Bewilligung zur Entnahme von Wasser zur Schneeerzeugung beantragt wird? Muss der betreffenden Organisation auf der verwaltungsbehördlichen Ebene eine Parteistellung im Verfahren zuerkannt werden, oder reicht es aus, dass sie die Befugnis hat, gegen die von den zuständigen Behörden erteilte Bewilligung Klage zu erheben? Dürfen nationale Verfahrensregelungen einer Umweltschutzorganisation eine Anfechtung einer solchen Verwaltungsentscheidung im Klagewege verwehren, soweit sie ihre Einwendungen gegen die Bewilligung im Rahmen des Verwaltungsverfahrens nicht gemäß den nationalen Rechtsvorschriften „rechtzeitig“ erhoben hat?

Aarhus-Übereinkommen

4.

Zu den Zielen des Aarhus-Übereinkommens gehört die Bekräftigung der Notwendigkeit, den Zustand der Umwelt zu schützen, zu erhalten und zu verbessern ( 6 ), die Erkenntnis, dass jeder Mensch sowohl als Einzelperson als auch in Gemeinschaft mit anderen die Pflicht hat, die Umwelt zum Wohle gegenwärtiger und künftiger Generationen zu schützen und zu verbessern ( 7 ), die Berücksichtigung der wichtigen Rolle, die u. a. nicht staatliche Organisationen im Umweltschutz spielen können ( 8 ), und dafür Sorge zu tragen, dass die Öffentlichkeit, einschließlich Organisationen, Zugang zu wirkungsvollen gerichtlichen Mechanismen hat, damit ihre berechtigten Interessen geschützt werden und das Recht durchgesetzt wird ( 9 ).

5.

Art. 1 bestimmt: „Um zum Schutz des Rechts jeder männlichen/weiblichen Person gegenwärtiger und künftiger Generationen auf ein Leben in einer seiner/ihrer Gesundheit und seinem/ihrem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt beizutragen, gewährleistet jede Vertragspartei das Recht auf Zugang zu Informationen, auf Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und auf Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen.“ Das Aarhus-Übereinkommen findet folglich potenziell Anwendung, sobald Umweltvorschriften betroffen sind.

6.

Nach Art. 2 Nr. 4 „bedeutet ‚Öffentlichkeit‘ eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und, in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen“. Nach Art. 2 Nr. 5 „haben nicht staatliche Organisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse“ an umweltbezogenen Entscheidungsverfahren und fallen daher unter den in dieser Bestimmung geregelten Begriff „betroffene Öffentlichkeit“.

7.

Nach Art. 6 („Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungen über bestimmte Tätigkeiten“) Abs. 1 Buchst. a müssen die Bestimmungen über die Öffentlichkeitsbeteiligung auf Entscheidungen darüber angewendet werden, ob die in Anhang I aufgeführten geplanten Tätigkeiten zugelassen werden ( 10 ). Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b müssen diese Bestimmungen in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht auch auf solche Entscheidungen angewendet werden, die nicht in Anhang I aufgeführte Tätigkeiten betreffen, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können. Es ist Sache des betreffenden Staates, zu bestimmen, ob eine geplante Tätigkeit in den Geltungsbereich von Art. 6 fällt. Art. 6 Abs. 2 bis 10 sieht u. a. das Recht der Öffentlichkeit auf eine frühzeitige Beteiligung an einem umweltbezogenen Entscheidungsverfahren sowie darauf vor, alle von ihr für die geplante Tätigkeit als relevant erachteten Stellungnahmen, Informationen, Analysen oder Meinungen vorzulegen oder vorzutragen.

8.

Art. 9 Abs. 2 bestimmt:

„Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit,

a)

die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ

b)

eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsprozessrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert,

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Artikel 6 und – sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 – sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.

Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmt sich nach den Erfordernissen innerstaatlichen Rechts und im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen dieses Übereinkommens einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder nicht staatlichen Organisation, welche die in Artikel 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne des Buchstaben a. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne des Buchstaben b verletzt werden können.

…“

9.

Art. 9 Abs. 3 bestimmt:

„Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.“

10.

In Art. 9 Abs. 4 heißt es weiter:

„… unbeschadet des Absatzes 1 stellen die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Verfahren angemessenen und effektiven Rechtsschutz und, soweit angemessen, auch vorläufigen Rechtsschutz sicher; diese Verfahren sind fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer. Entscheidungen nach diesem Artikel werden in Schriftform getroffen oder festgehalten. Gerichtsentscheidungen und möglichst auch Entscheidungen anderer Stellen sind öffentlich zugänglich.“

Unionsrecht

Habitatrichtlinie

11.

Die Habitatrichtlinie ( 11 ) hat zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im Unionsgebiet beizutragen ( 12 ). Nach der Richtlinie wird ein kohärentes europäisches Netz besonderer Schutzgebiete (im Folgenden: BSG) eingerichtet, um den Fortbestand oder gegebenenfalls die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands dieser natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet zu gewährleisten ( 13 ). Innerhalb der BSG müssen die Mitgliedstaaten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, vermeiden. Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Die zuständigen einzelstaatlichen Behörden stimmen dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben ( 14 ).

Wasserrahmenrichtlinie

12.

Die Erwägungsgründe der Wasserrahmenrichtlinie enthalten u. a. die folgenden Erklärungen. Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss ( 15 ). Gemäß den Verträgen trägt die Umweltpolitik der Union zur Verwirklichung der Ziele der Erhaltung und des Schutzes der Umwelt sowie der Verbesserung ihrer Qualität bei und beruht auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung ( 16 ). Der Erfolg der Wasserrahmenrichtlinie hängt von einer engen Zusammenarbeit und kohärenten Maßnahmen auf Unions-, einzelstaatlicher und lokaler Ebene ab. Genauso wichtig sind jedoch Information, Konsultation und Einbeziehung der Öffentlichkeit, einschließlich der Nutzer ( 17 ). Ziele der Richtlinie sind die Erhaltung und die Verbesserung der aquatischen Umwelt in der Union ( 18 ). Um eine Beteiligung der breiten Öffentlichkeit, einschließlich der Wassernutzer, an der Erstellung und Aktualisierung der Bewirtschaftungspläne für die Einzugsgebiete sicherzustellen, ist es nötig, über geplante Maßnahmen in geeigneter Weise zu informieren und über deren Fortschreiten zu berichten, damit die Öffentlichkeit einbezogen werden kann, ehe endgültige Entscheidungen über die nötigen Maßnahmen getroffen werden ( 19 ).

13.

Nach Art. 1 ist Ziel der Wasserrahmenrichtlinie die Schaffung eines Ordnungsrahmens für den Schutz u. a. der Binnenoberflächengewässer, einschließlich a) der Vermeidung einer weiteren Verschlechterung sowie des Schutzes und der Verbesserung des Zustands der aquatischen Ökosysteme und der direkt von ihnen abhängenden Landökosysteme und Feuchtgebiete im Hinblick auf deren Wasserhaushalt, b) der Förderung einer nachhaltigen Wassernutzung auf der Grundlage eines langfristigen Schutzes der vorhandenen Ressourcen und c) des Anstrebens eines stärkeren Schutzes und einer Verbesserung der aquatischen Umwelt.

14.

Nach den in Art. 2 aufgeführten Begriffsbestimmungen bezeichnet „Oberflächengewässer“ die Binnengewässer mit Ausnahme des Grundwassers sowie die Übergangsgewässer und Küstengewässer, wobei im Hinblick auf den chemischen Zustand ausnahmsweise auch die Hoheitsgewässer eingeschlossen sind, und „Binnengewässer“ alle an der Erdoberfläche stehenden oder fließenden Gewässer sowie alles Grundwasser auf der landwärtigen Seite der Basislinie, von der aus die Breite der Hoheitsgewässer gemessen wird ( 20 ). Nach Art. 3 Abs. 1 bestimmen die Mitgliedstaaten die einzelnen Einzugsgebiete innerhalb ihres jeweiligen Hoheitsgebiets und ordnen sie jeweils einer Flussgebietseinheit zu.

15.

Art. 4 Abs. 1 („Umweltziele“) regelt bestimmte Umweltziele „in Bezug auf die Umsetzung der in den Bewirtschaftungsplänen für die Einzugsgebiete festgelegten Maßnahmenprogramme“. Insbesondere „[führen] die Mitgliedstaaten … die notwendigen Maßnahmen durch, um eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern“. Sie „schützen, verbessern und sanieren“ diese Wasserkörper.

16.

Gemäß Art. 11 Abs. 1 sorgt jeder Mitgliedstaat dafür, dass für jede Flussgebietseinheit (oder für den in sein Hoheitsgebiet fallenden Teil einer internationalen Flussgebietseinheit) nach Maßgabe der Abs. 2 bis 4 dieses Artikels ein Maßnahmenprogramm festgelegt wird. Solche Maßnahmen haben insbesondere „Begrenzungen der Entnahme von Oberflächensüßwasser …, einschließlich … einer Vorschrift über die vorherige Genehmigung der Entnahme“ zu enthalten ( 21 ). Nach Art. 13 Abs. 1 sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass für jede Flussgebietseinheit, die vollständig in ihrem Hoheitsgebiet liegt, ein Bewirtschaftungsplan für die Einzugsgebiete erstellt wird. Nach Art. 14 Abs. 1 fördern die Mitgliedstaaten die aktive Beteiligung aller interessierten Stellen an der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, insbesondere an der Aufstellung, Überprüfung und Aktualisierung der Bewirtschaftungspläne für die Einzugsgebiete. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass sie für jede Flussgebietseinheit relevante Unterlagen veröffentlichen und der Öffentlichkeit, einschließlich den Nutzern, zugänglich machen, damit diese Stellung nehmen kann.

17.

Rn. 1.1 des Anhangs V der Richtlinie führt mehrere Qualitätsmerkmale zur Einstufung des ökologischen Zustands der Oberflächengewässer auf. Rn. 1.2 enthält detaillierte normative Begriffsbestimmungen zur Einstufung des ökologischen Zustands: „sehr guter“ oder „höchster“, „guter“ und „mäßiger“ Zustand.

UVP-Richtlinie

18.

Die UVP-Richtlinie ( 22 ) sieht die Verpflichtung vor, Projekte, bei denen u. a. aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, vor Erteilung einer Genehmigung einer Prüfung in Bezug auf ihre unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen ( 23 ) auf die Umwelt zu unterziehen (im Folgenden: Umweltverträglichkeitsprüfung) – u. a. in Bezug auf ihre Auswirkungen auf Fauna, Flora und Wasser ( 24 ). Die Öffentlichkeit hat das Recht auf Beteiligung an Verfahren, die eine solche Umweltverträglichkeitsprüfung beinhalten, und kann die Rechtmäßigkeit ihrer Ergebnisse anfechten, unabhängig davon, ob diese Prüfung gesondert oder im Rahmen von Verfahren für die Erteilung von Genehmigungen für Projekte stattfindet ( 25 ). Projekte, bei denen von vornherein davon auszugehen ist, dass sie erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, sind in Anhang I der UVP-Richtlinie aufgeführt. Diese Projekte unterliegen einer obligatorischen Umweltverträglichkeitsprüfung. In Anhang II sind Projekte aufgeführt, für die eine „Feststellung“ durch einen Mitgliedstaat auf Grundlage der von diesem Mitgliedstaat festgelegten Einzelfalluntersuchung, Schwellenwerte oder Kriterien im Hinblick darauf zu treffen ist, ob sie einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind ( 26 ). Für nicht in einem der Anhänge aufgeführte Projekte sieht die UVP-Richtlinie keine Verpflichtung zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung vor.

Österreichisches Recht

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz

19.

Die §§ 41 und 42 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (im Folgenden: AVG) bestimmen:

„§ 41. (1)   Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung überdies an der Amtstafel der Gemeinde, durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung oder durch Verlautbarung im elektronischen Amtsblatt der Behörde kundzumachen.

(2)   … Die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung hat die für Ladungen vorgeschriebenen Angaben einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 eintretenden Folgen zu enthalten. …

§ 42. (1)   Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde.

…“

Wasserrechtsgesetz

20.

Zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie und des dort in Art. 4 Abs. 1 geregelten Verschlechterungsverbots wurden durch die Wasserrechtsgesetz-Novelle von 2003 mehrere Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes von 1959 (im Folgenden: WRG 1959) neu formuliert und neue Bestimmungen eingefügt. Die materiell-rechtlichen Bestimmungen über das wasserrechtliche Genehmigungsverfahren finden sich insbesondere in den §§ 12 Abs. 2, 15 Abs. 1, 21 Abs. 3, 32 und 38 WRG 1959. Für das Verwaltungsverfahren zur Erlangung einer Bewilligung zur Entnahme von Wasser nach den nationalen wasserrechtlichen Rechtsvorschriften richtet sich die Parteistellung von Personen in diesem Verfahren nach § 102 Abs. 1 Buchst. a und b WRG 1959 ( 27 ). Umweltschutzorganisationen, denen keine subjektiv-öffentlichen Rechte zukommen, haben im Verfahren keine Parteistellung. Nach § 102 Abs. 3 WRG 1959 ist es nur Parteien des Verfahrens gestattet, im Rahmen des Verfahrens Einwendungen zu erheben. Nach § 145b Abs. 3 dient das WRG 1959 der Umsetzung der Bestimmungen der Wasserrahmenrichtlinie.

Bundes-Verfassungsgesetz

21.

Nach Art. 132 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde Beschwerde erheben, wer in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Das vorlegende Gericht erläutert, dass nur diejenigen natürlichen oder juristischen Personen eine solche Beeinträchtigung von Rechten mit einer Beschwerde an ein Gericht geltend machen können, denen in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren Parteistellung zukam oder zuerkannt wurde.

Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

22.

Der Aichelberglift Karlstein GmbH (im Folgenden: Aichelberglift) wurde eine Bewilligung zur Entnahme von Wasser aus einem nahegelegenen Fluss (Einsiedelbach) für eine Beschneiungsanlage in einem Wintersportort in Österreich erteilt. Der Antrag von Aichelberglift wurde zunächst im Rahmen eines Verfahrens aufgrund von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie geprüft. Die zuständige nationale Behörde entschied, dass aufgrund der geringen Umweltauswirkungen des Projekts keine Gründe beständen, den Antrag abzulehnen (nihil obstat) ( 28 ).

23.

Anschließend wurde der von Aichelberglift gestellte Antrag auf eine Bewilligung in einem gesonderten Verwaltungsverfahren nach dem WRG 1959 geprüft ( 29 ). Die Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation (im Folgenden: Protect), eine Umweltschutzorganisation, beantragte ihre Zulassung als Partei dieses Verfahrens auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie und Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens.

24.

In diesem Verfahren fand eine mündliche Verhandlung durch die Bezirkshauptmannschaft Gmünd (Gmünder Bezirksverwaltung) nach den §§ 41 und 42 AVG statt. Protect erhob Einwendungen gegen das Projekt, die mit der Begründung zurückgewiesen wurden, dass sie keine Verletzung von Rechten nach dem WRG 1959 geltend gemacht habe und daher nach den nationalen Regelungen nicht Partei des Verfahrens sein könne. Die Bezirkshauptmannschaft Gmünd gab dem von Aichelberglift gestellten Antrag auf eine Bewilligung am 4. November 2013 statt.

25.

Gegen diese Entscheidung erhob Protect erfolglos Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, das zu der Auffassung kam, dass Protect im verwaltungsbehördlichen Verfahren keine Parteistellung zukomme, weil sie ihre Einwendungen gegen den Antrag nicht rechtzeitig erhoben habe, d. h. entweder spätestens am Tag vor der mündlichen Verhandlung oder während dieser Verhandlung ( 30 ). Protect habe ihre Parteistellung daher gemäß § 42 AVG verloren.

26.

Gegen diese Entscheidung hat Protect Rechtsmittel zum vorlegenden Gericht eingelegt. Protect hat im Wesentlichen vorgebracht, dass ihr nach Art. 2 Nrn. 4 und 5 sowie Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens Parteistellung im verwaltungsbehördlichen Verfahren zum WRG 1959 zukomme und dass sie ein rechtliches Interesse an der Gewährleistung der Einhaltung der unionsrechtlichen Umweltvorschriften habe.

27.

Vor diesem Hintergrund fragt das vorlegende Gericht:

1.

Räumt Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie oder die Wasserrahmenrichtlinie als solche einer Umweltorganisation in einem Verfahren, das keiner Umweltverträglichkeitsprüfung nach der UVP-Richtlinie unterliegt, Rechte ein, zu deren Schutz sie nach Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren hat?

Bei Bejahung der Frage 1:

2.

Ist es nach den Bestimmungen des Aarhus-Übereinkommens geboten, diese Rechte bereits im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde geltend machen zu können oder genügt die Möglichkeit einer Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde?

3.

Ist es zulässig, dass das nationale Verfahrensrecht (§ 42 AVG) die Umweltorganisation – so wie andere Verfahrensparteien auch – dazu verhält, ihre Einwendungen nicht erst in einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht, sondern bereits im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden rechtzeitig geltend zu machen, widrigenfalls sie ihre Parteistellung verliert und auch keine Beschwerde mehr an das Verwaltungsgericht erheben kann?

28.

Dieselben Fragen stellten sich in der Rechtssache Umweltverband WWF Österreich (C‑663/15), die Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens desselben vorlegenden Gerichts an den Gerichtshof war. Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 20. Januar 2016 sind jene und die vorliegende Rechtssache zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden. Der Umweltverband WWF Österreich, Protect, die Ötztaler Wasserkraft GmbH (die weitere Partei der Rechtssache C‑663/15), die Republik Österreich, das Königreich der Niederlande sowie die Europäische Kommission haben in Bezug auf beide Rechtssachen schriftliche Erklärungen eingereicht. In der gemeinsamen mündlichen Verhandlung vom 15. März 2017 haben diese Beteiligten sämtlich mündlich vorgetragen.

29.

Mit Urteil vom 27. April 2017 hat das vorlegende Gericht die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 8. Januar 2015 in der Rechtssache Umweltverband WWF Österreich (C‑663/15) aufgehoben. Mit Beschluss vom 30. Mai 2017 hat das vorlegende Gericht das auf Initiative des WWF eingeleitete Verfahren in jener Rechtssache für gegenstandslos und in der Hauptsache für erledigt erklärt. Mit Beschluss vom 28. Juni 2017 hat das vorlegende Gericht beschlossen, das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C‑663/15 zurückzunehmen. Dieser Beschluss ist dem Gerichtshof am 10. Juli 2017 übermittelt worden. Die Rechtssachen C‑663/15 und C‑664/15 wurden durch Beschluss des Präsidenten der Zweiten Kammer vom 11. Juli 2017 getrennt, und die Rechtssache C‑663/15 wurde durch Beschluss vom 14. Juli 2017 im Register des Gerichtshofs ordnungsgemäß gestrichen.

30.

Es ist offen gesagt bedauerlich, dass der Gerichtshof nicht früher davon unterrichtet wurde, dass das Ersuchen in der Rechtssache C‑663/15 zurückzunehmen war. Für die ausführliche Bearbeitung jener Rechtssache sind zwischen dem 27. April und dem 10. Juli 2017 Zeit und Mühe aufgewendet worden, die sinnvoller in die Bearbeitung anderer, noch aktueller Rechtssachen hätten investiert werden können. Ebenso wie der Geist der Zusammenarbeit, der dem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV zugrunde liegt, vom Gerichtshof verlangt, sich effizient und zügig mit ihm vorgelegten Rechtssachen zu befassen, beinhaltet dieser Geist der Zusammenarbeit auch, dass es einem vorlegenden Gericht obliegt, den Gerichtshof über jede wesentliche Veränderung von Umständen unterrichtet zu halten, die sich darauf auswirken könnte, ob ein Vorabentscheidungsersuchen vor dem Gerichtshof aufrechterhalten wird.

Vorbemerkungen

31.

Den Angaben des vorlegenden Gerichts zufolge ist das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Projekt mit der Entnahme von Wasser aus einem örtlichen Fluss verbunden. Nach meinem Verständnis ist es daher mit der Entnahme von Oberflächensüßwasser im Sinne von Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Wasserrahmenrichtlinie verbunden. Das Projekt bedarf somit einer vorherigen Genehmigung nach den diese Bestimmung umsetzenden nationalen Rechtsvorschriften und unterliegt dem Verschlechterungsverbot für den Zustand von Oberflächenwasser nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i dieser Richtlinie.

32.

Ferner ist unstreitig, dass Protect die Voraussetzungen erfüllt, zur „betroffenen Öffentlichkeit“ im Sinne von Art. 2 Nr. 5 des Aarhus-Übereinkommens gezählt zu werden, und dass sie auch unter den weiteren Begriff der „Öffentlichkeit“ im Sinne von Art. 6 der Richtlinie fällt.

Ist der Gerichtshof für die Beantwortung der Vorlagefragen zuständig?

33.

Die Kommission hat in ihren schriftlichen Erklärungen die Ansicht vertreten, dass der Gerichtshof für die Beantwortung der Vorlagefragen zuständig sei. Ich stimme hiermit überein und werde auf den Punkt nur kurz eingehen.

34.

Das Aarhus-Übereinkommen ist ein gemischtes Übereinkommen, das von der Union auf der Grundlage einer mit den Mitgliedstaaten geteilten Zuständigkeit abgeschlossen wurde. Die Bestimmungen dieses Übereinkommens sind Bestandteil der Rechtsordnung der Union ( 31 ). Der Gerichtshof hat seine Zuständigkeit für die Auslegung verschiedener Bestimmungen des Aarhus-Übereinkommens bereits bestätigt ( 32 ) und hierzu eine Vielzahl von Urteilen im Rahmen von Vorabentscheidungs- und Vertragsverletzungsverfahren gesprochen ( 33 ).

35.

Insbesondere hat der Gerichtshof im Urteil Braunbären I im Zusammenhang mit Art. 12 Abs. 1 der Habitatrichtlinie entschieden, dass das betreffende Rechtsgebiet „weitgehend vom Unionsrecht erfasst“ ist und er daher für die Auslegung von Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens zuständig ist ( 34 ).

36.

In der vorliegenden Rechtssache beruft sich Protect darauf, dass ihr Rechte auf eine Beteiligung am Verfahren über einen Antrag auf eine Bewilligung zur Entnahme von Wasser und auf Zugang zu einer gerichtlichen Überprüfung aus Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 9 des Aarhus-Übereinkommens zustünden. Die Entnahme von Oberflächen- und Grundwasser sei Genehmigungsverfahren in den Mitgliedstaaten zu unterziehen (Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie); die Erteilung einer solchen Genehmigung sei von der Wahrung u. a. des Verschlechterungsverbots für den Zustand der Wasserkörper abhängig (Art. 4 Abs. 1); Ausnahmen von diesem Verbot könnten nur unter den strengen Voraussetzungen nach Art. 4 Abs. 7 dieser Richtlinie zugelassen werden.

37.

Allein aus der Anwendung der im Urteil Braunbären I festgelegten Regeln ergibt sich bereits, dass der Gerichtshof für die Auslegung von Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens in Verbindung mit Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie zuständig ist.

Welches sind die einschlägigen Bestimmungen des Aarhus-Übereinkommens?

38.

Der der Systematik des Aarhus-Übereinkommens zugrunde liegende Grundgedanke ist, dass das Maß der öffentlichen Beteiligung an verwaltungsbehördlichen Verfahren und der Umfang der darin bestehenden Rechte der Öffentlichkeit im Verhältnis zu den wahrscheinlichen Umweltauswirkungen des fraglichen Projekts stehen.

39.

So unterliegen Projekte, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können, Art. 6 Abs. 1 ( 35 ) und somit Art. 9 Abs. 2 des Aarhus-Übereinkommens. Aufgrund dieser beiden Bestimmungen stehen Umweltschutzorganisationen Rechte auf Beteiligung an mit solchen Projekten verbundenen verwaltungsbehördlichen Verfahren und ein nachfolgendes Recht auf eine gerichtliche Überprüfung der getroffenen Entscheidung zu.

40.

Sofern ein Projekt keine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben kann, sind Art. 6 und somit Art. 9 Abs. 2 nicht anwendbar. Solche Verfahren unterliegen nur Art. 9 Abs. 3, der „zusätzlich und unbeschadet der in [Art. 9 Abs. 1 und 2] genannten Überprüfungsverfahren“ gilt. Für Mitglieder der Öffentlichkeit ist Art. 9 Abs. 3 somit eine Auffangbestimmung, die geltend gemacht werden kann, um Zugang zu Gerichten zu erhalten, wenn eine Berufung auf Art. 9 Abs. 1 und 2 nicht möglich ist ( 36 ).

41.

Nach Art. 9 Abs. 3 muss die Öffentlichkeit „Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen“. Dies schließt somit den Zugang zu einem Verfahren zur Anfechtung der Rechtmäßigkeit einer im Anschluss an ein verwaltungsbehördliches Verfahren ergangenen Entscheidung (Handlung einer Behörde) ein, die nach Ansicht des Beschwerdeführers gegen Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie verstoßen könnte. Ob das Verfahren, in dem diese Handlung einer Behörde angefochten wird, selbst ein verwaltungsbehördliches oder gerichtliches Verfahren ist, hängt vom nationalen Recht ab – den Angaben im vorliegenden Verfahren zufolge ist in Österreich bei Entscheidungen nach dem WRG 1959 Letzteres der Fall.

42.

Anders als Art. 6 sieht Art. 9 Abs. 3 kein Recht auf Beteiligung an dem zu der Entscheidung führenden verwaltungsbehördlichen Verfahren vor. Anders als Art. 9 Abs. 2 enthält er keine ausdrückliche Regelung zur Klagebefugnis von Umweltschutzorganisationen. Dies erklärt sich meines Erachtens einleuchtend daraus, dass die Verfasser des Aarhus-Übereinkommens nach der eingehenden Erläuterung (in Art. 9 Abs. 2), wonach für die gerichtliche Überprüfung bei die Voraussetzungen des Art. 2 Nr. 5 erfüllenden Umweltschutzorganisationen die prozessuale Voraussetzung, „ein ausreichendes Interesse [zu] haben“ oder „eine Rechtsverletzung geltend [zu] machen“ (je nachdem, was für die betreffende Vertragspartei das Kriterium für die Klagebefugnis ist), als erfüllt gilt, davon ausgingen, diesen konkreten Punkt bereits hinreichend geklärt zu haben.

43.

Das vorlegende Gericht gibt Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens als die in der vorliegenden Rechtssache einschlägige Vorschrift an. Insoweit weist es ausdrücklich darauf hin, dass für Projekte einer Entnahme von Wasser zur Schneeerzeugung keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach der UVP-Richtlinie erforderlich sei und der Antrag von Aichelberglift auf eine Bewilligung daher allein auf der Grundlage der nationalen wasserrechtlichen Bestimmungen (d. h. des WRG 1959) zu prüfen sei. In der mündlichen Verhandlung haben sowohl die niederländische Regierung als auch Protect die Ansicht vertreten, dass von der Anwendbarkeit von Art. 9 Abs. 2 im Ausgangsverfahren zumindest in gewissem Umfang hätte ausgegangen werden müssen.

44.

Den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ist zu entnehmen, dass das Aichelberglift-Projekt nicht unter Anhang I des Aarhus-Übereinkommens ( 37 ) oder Anhang I der UVP-Richtlinie ( 38 ) fällt und somit nicht einer zwingenden Umweltverträglichkeitsprüfung nach dieser Richtlinie unterlag. Das vorlegende Gericht ist in seinem Vorabentscheidungsersuchen ebenfalls dieser Ansicht. Art. 6 Abs. 1 Buchst. a des Aarhus-Übereinkommens ist daher nicht anwendbar.

45.

Was Art. 6 Abs. 1 Buchst. b angeht, sind die Vertragsparteien verpflichtet, zu bestimmen, ob bestimmte Projekte „eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können“ (Hervorhebung nur hier) ( 39 ). Insoweit „entsteht diese Verpflichtung bereits, wenn eine erhebliche Auswirkung wahrscheinlich ist“ ( 40 ). Als maßgebliche Faktoren sind Umfang, Ort und Eigenschaften der möglichen Auswirkung des Projekts auf die Umwelt zu berücksichtigen ( 41 ).

46.

Die dem Gerichtshof vorliegenden Angaben sind nicht ausreichend, um zu bestimmen, ob das Aichelberglift-Projekt unter Art. 6 Abs. 1 Buchst. b des Aarhus-Übereinkommens fällt. Insbesondere geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen nicht klar hervor, ob – nach Art. 4 Abs. 2 der UVP-Richtlinie oder Art. 6 Abs. 1 Buchst. b des Aarhus-Übereinkommens – eine Prüfung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Projekts stattgefunden hat oder hätte stattfinden müssen, um festzustellen, ob es einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen war ( 42 ), und ob Protect die Ergebnisse dieser Feststellung anfechten konnte ( 43 ). Unklar ist auch, ob und inwieweit das Projekt in einem BSG im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Habitatrichtlinie liegt und ob die Erheblichkeit der Beeinträchtigung des Wassers durch das Projekt in der nach Art. 6 Abs. 3 dieser Richtlinie durchzuführenden Umweltverträglichkeitsprüfung geprüft wurde (oder nicht). Schließlich ist nicht ganz klar, in welchem Verhältnis diese Prüfung und das Genehmigungsverfahren im Ausgangsverfahren genau zueinander stehen, obwohl ein (möglicher) Zusammenhang zwischen ihnen für die Anwendbarkeit von Art. 9 Abs. 2 des Aarhus-Übereinkommens von Bedeutung sein könnte ( 44 ).

47.

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die notwendigen Tatsachenfeststellungen zu treffen, um zu klären, ob das Aichelberglift-Projekt unter Art. 6 Abs. 1 Buchst. b des Aarhus-Übereinkommens fällt. Ist dies zu bejahen, wäre Art. 9 Abs. 2 damit tatsächlich anwendbar. In diesem Fall ergeben sich die Antworten auf die Fragen des vorlegenden Gerichts bereits aus der umfangreichen Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 2 des Aarhus-Übereinkommens ( 45 ), die sich insbesondere im Zusammenhang mit Art. 11 der UVP-Richtlinie entwickelt hat, der den Bestimmungen des Art. 9 Abs. 2 weitgehend entspricht.

48.

Im Folgenden gehe ich von der Annahme aus, dass Art. 6 und somit auch Art. 9 Abs. 2 des Aarhus-Übereinkommens nicht anwendbar sind und dass das dem Vorabentscheidungsersuchen zugrunde liegende Verfahren, in dem Protect behauptet, dass die Aichelberglift erteilte Bewilligung zur Entnahme von Wasser zur Schneeerzeugung gegen Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie verstoße, ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens zu prüfen ist.

Erste Frage

49.

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen geklärt wissen, ob eine Umweltschutzorganisation sich auf Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie oder diese Richtlinie als solche in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens stützen kann, um vor einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht die Rechtmäßigkeit von Handlungen oder Unterlassungen der zuständigen Behörde in einem nicht der UVP-Richtlinie unterliegenden verwaltungsbehördlichen Verfahren wie demjenigen des Ausgangsverfahrens anzufechten.

50.

Diese Frage ist in ihrer Formulierung weit gefasst. Das verwaltungsbehördliche Verfahren in der vorliegenden Rechtssache wurde von der zuständigen Behörde nach dem WRG 1959 durchgeführt, das die Wasserrahmenrichtlinie umsetzen soll. Bei der im Ausgangsverfahren angefochtenen Handlung handelt es sich um eine auf der Grundlage des WRG 1959 erteilte Genehmigung. Das vorlegende Gericht erläutert, dass gegen eine solche Genehmigung eine Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erhoben werden kann.

51.

Die zentrale Frage, die im Rahmen der Prüfung dieser Frage zu erörtern ist, ist daher diejenige der Klagebefugnis von Umweltschutzorganisationen für die Anfechtung einer solchen Genehmigung vor einem Gericht im Zusammenhang mit Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie. Ich werde zunächst die Bedeutung von Art. 4 dieser Richtlinie untersuchen und dann die Frage der Klagebefugnis von Umweltschutzorganisationen für die Anfechtung der Rechtmäßigkeit solcher Genehmigungen erörtern.

Bedeutung des Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie

52.

Die österreichische Regierung trägt vor, dass Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie keine unmittelbare Wirkung habe, da er sich nicht an einen bestimmten Adressaten richte, wohingegen die niederländische Regierung und Protect der Ansicht sind, dass anerkannten Umweltschutzorganisationen eine Berufung auf diese Bestimmung möglich sein sollte.

53.

Die Wasserrahmenrichtlinie bezeichnet Wasser als ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss (erster Erwägungsgrund). Die Richtlinie schafft einen Ordnungsrahmen für die Verhinderung einer Verschlechterung, die Stärkung des Schutzes und die Verbesserung der aquatischen Umwelt in der Union (19. Erwägungsgrund und Art. 1). Sie trägt zur Förderung der Umweltziele des Vertrags bei (elfter Erwägungsgrund).

54.

Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie, der das mit der Richtlinie verfolgte allgemeine Umweltziel festlegt, nimmt eine zentrale Stellung in dem durch diese Richtlinie eingerichteten Gesamtsystem des Wasserschutzes ein.

55.

Auch wenn die Wasserrahmenrichtlinie eine Rahmenrichtlinie ist, hat der Gerichtshof in seinem grundlegenden Urteil Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland festgestellt, dass „Art. 4 Abs. 1 Buchst. a [dieser Richtlinie] nicht auf die programmatische Formulierung bloßer Ziele der Bewirtschaftungsplanung beschränkt [ist], sondern … verbindliche Wirkungen entfaltet“ ( 46 ). Aus der Formulierung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i, wonach „die Mitgliedstaaten … die notwendigen Maßnahmen durch[führen], um eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern“, ergibt sich eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, in diesem Sinne zu handeln ( 47 ). Diese Verpflichtung ist insbesondere bei der Genehmigung konkreter Vorhaben nach den Gewässerschutzregelungen einzuhalten, vor allem indem die Genehmigung von Vorhaben versagt wird, die geeignet sind, den Zustand des fraglichen Wasserkörpers zu verschlechtern, es sei denn, diese Vorhaben fallen unter die Ausnahmeregelung nach Art. 4 Abs. 7 ( 48 ).

56.

Der Gerichtshof hat den Begriff der „Verschlechterung des Zustands“ eines Oberflächenwasserkörpers in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Wasserrahmenrichtlinie weit ausgelegt. Eine Verschlechterung liegt demnach vor, sobald der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne des Anhangs V der Richtlinie sich um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt ( 49 ).

57.

Nach ständiger Rechtsprechung können sich Einzelne in Ermangelung von fristgemäß erlassenen Durchführungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen innerstaatlichen, nicht richtlinienkonformen Vorschriften berufen; Einzelne können sich auf diese Bestimmungen auch berufen, soweit diese Rechte festlegen, die dem Staat gegenüber geltend gemacht werden können ( 50 ).

58.

Das Verschlechterungsverbot ist meines Erachtens so streng, unbedingt und hinreichend genau, dass ihm unmittelbare Wirkung zukommt ( 51 ).

59.

Im Kontext von Umweltrichtlinien hat der Gerichtshof in mehreren Fällen entschieden, dass hinreichend genaue Bestimmungen zum Schutz des gemeinsamen Naturerbes unmittelbar wirksam sind, auch wenn sie nicht ausdrücklich Rechte Einzelner begründen ( 52 ). Der Gerichtshof hat jüngst die unmittelbare Wirkung von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie anerkannt ( 53 ), die die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung vorsieht, bevor eine Genehmigung für ein Projekt erteilt wird, das erhebliche Auswirkungen auf ein Schutzgebiet haben kann. Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass immer dann, wenn die mangelnde Befolgung der durch eine Richtlinie vorgeschriebenen Maßnahmen die Gesundheit von Menschen gefährden könnte, die Betroffenen die Möglichkeit haben müssen, sich auf zwingende Vorschriften zu berufen, um ihre Rechte geltend machen zu können ( 54 ).

60.

In diesen Rechtssachen, insbesondere in der Rechtssache Braunbären II, hat der Gerichtshof entschieden, dass es mit der einer Richtlinie durch Art. 288 AEUV zuerkannten verbindlichen Wirkung unvereinbar wäre, die Möglichkeit grundsätzlich auszuschließen, dass sich anerkannte Umweltschutzorganisationen auf die durch diese Richtlinie auferlegte Verpflichtung berufen können. In den Fällen, in denen der Unionsgesetzgeber die Mitgliedstaaten durch eine Richtlinie zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, würde die praktische Wirksamkeit einer solchen Verpflichtung abgeschwächt, wenn die Bürger sich vor ihren nationalen Gerichten nicht auf sie berufen könnten. Ihre praktische Wirksamkeit würde ebenso beeinträchtigt, wenn die nationalen Gerichte sie nicht als Bestandteil des Unionsrechts berücksichtigen könnten, um zu prüfen, ob der nationale Gesetzgeber im Rahmen der ihm vorbehaltenen Befugnis, Form und Mittel für die Umsetzung der Richtlinie zu wählen, innerhalb des in der Richtlinie vorgesehenen Ermessensspielraums geblieben ist ( 55 ).

61.

Die Möglichkeit der Berufung auf Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie ergibt sich aus dem abzuwehrenden (unionsrechtswidrigen) Eingriff. Umweltschutzorganisationen können sich daher meines Erachtens auf Art. 4 berufen, soweit ihnen nach innerstaatlichem Recht Rechtsschutzmöglichkeiten offenstehen ( 56 ).

Ist eine Umweltschutzorganisation klagebefugt, um sich auf Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie zu berufen?

62.

Die österreichische Regierung ist der Ansicht, dass die Wasserrahmenrichtlinie, außer der begrenzten Regelung des Art. 14, keine Beteiligung und kein Recht auf gerichtliche Überprüfung vorsehe. Sie stehe im Gegensatz zu bestimmten anderen Umweltrichtlinien ( 57 ), von denen einige ausdrücklich geändert worden seien, um die Rechte nach Art. 9 des Aarhus-Übereinkommens umzusetzen ( 58 ). Außerdem habe Art. 9 Abs. 3 dieses Übereinkommens, die Bestimmung, auf die Protect ihre Klagebefugnis stütze, keine unmittelbare Wirkung.

Allgemeine Bemerkungen zur Auslegung von Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens

63.

Nach Art. 9 Abs. 3 stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit (wozu nach Art. 2 Nr. 4 auch Umweltschutzorganisationen zählen), sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen oder Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen. Er legt somit u. a. das Recht auf Anfechtung der in verwaltungsbehördlichen Verfahren ergehenden Handlungen von Behörden fest.

64.

Es ist unstreitig, dass im vorliegenden Kontext keine Bestimmungen des Unionsrechts Anwendung finden, die ausdrücklich zur Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens erlassen wurden. Die Wasserrahmenrichtlinie legt insbesondere einen gesetzlichen Ordnungsrahmen fest, ohne die Verfahrensmodalitäten zu konkretisieren, die zu seiner Umsetzung erforderlich sind. Art. 4 für sich genommen gibt Umweltschutzorganisationen nicht das Recht, eine verwaltungsbehördliche oder gerichtliche Prüfung zu veranlassen. Die einzige relevante Bestimmung dürfte Art. 14 („Information und Anhörung der Öffentlichkeit“) Abs. 1 sein, wonach die Mitgliedstaaten „die aktive Beteiligung aller interessierten Stellen an der Umsetzung [jener] Richtlinie [fördern]“ ( 59 ). Diese Bestimmung dürfte meines Erachtens zu abstrakt sein, um aus ihr unmittelbar Verfahrensrechte ableiten zu können.

65.

Der Gerichtshof hat entschieden, dass Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens keine unmittelbare Wirkung hat ( 60 ). Umweltschutzorganisationen können sich somit nicht unmittelbar auf diese Bestimmung stützen, um eine Klagebefugnis für die Anfechtung von Handlungen nationaler Behörden, wie etwa der Aichelberglift erteilten Bewilligung, geltend zu machen.

66.

Mangels einer einschlägigen Regelung der Union ist es Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der aus dem Unionsrecht, hier der Wasserrahmenrichtlinie in Verbindung mit dem Aarhus-Übereinkommen, erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, wobei die Mitgliedstaaten für den wirksamen Schutz dieser Rechte in jedem Einzelfall verantwortlich sind ( 61 ).

67.

Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten ist nicht absolut. Sie muss im Einklang mit den Zielsetzungen und Zwecken des Aarhus-Übereinkommens und der Wasserrahmenrichtlinie wahrgenommen werden.

68.

Einzuschieben ist hier der Hinweis, dass seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 der Grundsatz „eines hohen Maßes an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität“ nach Art. 3 Abs. 3 EUV zu einem Leitziel des Unionsrechts geworden ist. Dieser Grundsatz ist auch in Art. 37 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ( 62 ) verankert, der – ebenfalls seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon – einen Bestandteil des Primärrechts der Union bildet und als Auslegungshilfe für das Sekundärrecht anzusehen ist ( 63 ).

69.

Aus der Wasserrahmenrichtlinie folgt, dass die Mitgliedstaaten die Verantwortung für die Umsetzung der insbesondere in den Art. 1 und 4 genannten Umweltziele dieser Richtlinie tragen und dass der Erfolg dieser Richtlinie insbesondere von der Information, Konsultation und Einbeziehung der Öffentlichkeit abhängt (14. Erwägungsgrund) ( 64 ). Nach Art. 14 Abs. 1 fördern die Mitgliedstaaten ferner die aktive Beteiligung aller interessierten Stellen an der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie.

70.

Diese Bestimmungen weisen darauf hin, wie Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens auszulegen ist. Die Beteiligung der Öffentlichkeit zu einem frühen Zeitpunkt eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens nach Art. 14 Abs. 1 der Wasserrahmenrichtlinie wäre weitgehend bedeutungslos, wenn nicht zumindest für einige Mitglieder der Öffentlichkeit die Möglichkeit bestünde, später eine Klagebefugnis im Verfahren zu erlangen, insbesondere, um in diesem Verfahren ergangene Entscheidungen im Hinblick auf die Einhaltung dieser Richtlinie anzufechten.

Etwaige von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens festgelegte Kriterien

71.

Zwar verfügen die Mitgliedstaaten im Kontext des Aarhus-Übereinkommens über ein hohes Maß an Flexibilität. Insbesondere kann das Recht auf verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Rechtsschutz nach Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens solchen Mitgliedern der Öffentlichkeit vorbehalten werden, die „etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen“.

72.

Jedoch müssen die Mitgliedstaaten bei der Festlegung von Verfahrensregelungen zur Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens berücksichtigen, dass dieses Übereinkommen darauf abzielt, dass dafür Sorge getragen wird, dass „die Öffentlichkeit, einschließlich Organisationen, Zugang zu wirkungsvollen gerichtlichen Mechanismen hat, damit ihre berechtigten Interessen geschützt werden und das Recht durchgesetzt wird“ (18. Erwägungsgrund).

73.

Der Halbsatz „etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen“ kann nicht „als Vorwand dazu“ dienen, „derart strenge Kriterien einzuführen oder beizubehalten, dass diese tatsächlich allen oder nahezu allen Umweltschutzorganisationen eine Anfechtung von gegen nationale umweltbezogene Rechtsvorschriften verstoßenden Handlungen oder Unterlassungen verwehren“; dieser Halbsatz „weist auf eine Selbstbeschränkung der Vertragsparteien hin, keine zu strengen Kriterien festzulegen. Es sollte somit eine Vermutung dafür sprechen und nicht die Ausnahme sein, dass Zugang zu diesen Verfahren besteht“; „diese Kriterien sollten mit den Zielen des Übereinkommens im Einklang stehen, den Zugang zu Gerichten sicherzustellen“ ( 65 ). Das naheliegendste Verständnis dieses Halbsatzes in Art. 9 Abs. 2 ist meines Erachtens jedoch, dass er auf die alternativen prozessualen Voraussetzungen Bezug nimmt, „ein ausreichendes Interesse [zu] haben“ oder „eine Rechtsverletzung geltend [zu] machen“.

74.

In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Djurgården-Lilla Värtans Miljöskyddsförening ( 66 ) habe ich erörtert, welche Voraussetzungen die Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 (jetzt ersetzt durch die UVP-Richtlinie) festlegen können, in dem von „den nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen“ die Rede ist ( 67 ). Meine dortigen Ausführungen sind auf den vorliegenden Kontext übertragbar. Umweltschutzorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und objektiv gerechtfertigte, transparente und nicht diskriminierende Voraussetzungen zur Förderung des Zugangs zu Gerichten nach dem nationalen Recht erfüllen, müssen meines Erachtens das Recht haben, sich auf Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens zu berufen.

75.

Somit kann das nationale Recht die Rechte aller Umweltschutzorganisationen aus Art. 9 Abs. 3 nicht in allgemeiner Weise unter dem Deckmantel ausschließen, „Kriterien“ für die Ausübung dieser Rechte in das nationale Recht einzuführen ( 68 ). In der Rechtssache Trianel ( 69 ) habe ich die Ansicht vertreten, dass, ähnlich wie ein Ferrari mit verschlossenen Türen, ein Schutzsystem in der Praxis wenig hilft, wenn es für bestimmte Kategorien von Klagen nicht zugänglich ist.

76.

Eine solche Auslegung des Begriffs „etwaige … Kriterien“ würde tatsächlich zu widersinnigen Konsequenzen führen. Eine Verfahrensregelung, die das Recht aller Umweltschutzorganisationen, auf der Grundlage die Wasserrahmenrichtlinie umsetzender nationaler Vorschriften ergangene verwaltungsbehördliche Handlungen anzufechten, praktisch ausschlösse, könnte zu einer ernsthaften Beeinträchtigung des „effet utile“ des Verbots von Art. 4 ( 70 ) und allgemeiner zu einer schwerwiegenden Gefährdung der Verwirklichung des in Art. 37 der Charta verankerten Ziels eines hohen Umweltschutzniveaus führen.

Die Rolle von Umweltschutzorganisationen

77.

Die natürliche Umwelt gehört uns allen, und ihr Schutz ist unsere kollektive Verantwortung. Der Gerichtshof hat anerkannt, dass die Vorschriften des Umweltrechts der Union in den meisten Fällen auf das allgemeine Interesse und nicht auf den alleinigen Schutz der Rechtsgüter Einzelner gerichtet sind ( 71 ). Weder das Wasser noch die darin schwimmenden Fische können vor Gericht gehen. Auch Bäume sind nicht klagebefugt ( 72 ).

78.

Es ist sowohl vom vorlegenden Gericht in seinem Vorabentscheidungsersuchen als auch von der österreichischen Regierung in der mündlichen Verhandlung erläutert worden, dass eine Person nach österreichischem Recht in einem verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren nur verfahrens- bzw. klagebefugt ist, wenn sie Trägerin subjektiver materieller Rechte ist und eine Verletzung derselben geltend macht. Umweltschutzorganisationen können naturgemäß die Voraussetzung nicht erfüllen, dass ihnen materielle Rechte zustehen. Dies macht es einer solchen Organisation praktisch unmöglich, eine verwaltungsbehördliche Entscheidung vor einer Behörde oder einem Gericht anzufechten, unabhängig davon, wie sorgfältig sie handeln oder wie bedeutsam die Stellungnahme sein mag, die sie vortragen möchte.

79.

Nach meinem Verständnis könnten nicht einmal Träger individueller Rechte eine Klage erheben, mit der sie eine Verletzung einer Vorschrift geltend machen, die dem Schutz der Umwelt als solcher oder dem Schutz des öffentlichen Interesses dient, wie etwa das Verschlechterungsverbot nach Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie. Sofern somit das öffentliche Interesse nicht zufällig mit den materiellen Rechten von Einzelpersonen deckungsgleich ist und sich diese Einzelpersonen zur Durchsetzung dieser Rechte dafür entscheiden, einen Rechtsbehelf vor einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Gericht einzulegen, kann niemand zum Schutz der Umwelt tätig werden ( 73 ).

80.

Wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Djurgården-Lilla Värtans Miljöskyddsförening ( 74 ) erläutert habe, sind Umweltschutzorganisationen der Ausdruck kollektiver und öffentlicher Interessen, die sonst niemand schützen könnte. Sie fassen die Begehren einer großen Zahl von Einzelpersonen in einem einzigen Rechtsbehelf zusammen, fungieren als Filter und bringen ihre Spezialkenntnisse ein, wodurch die Gerichte besser in die Lage versetzt werden, über den Fall zu entscheiden. Auf lange Sicht verbessern sie somit das Funktionieren umweltbezogener Verfahren. Damit spielen Umweltschutzorganisationen eine zentrale Rolle beim Schutz unseres gemeinsamen Naturerbes.

81.

Die Verfasser des Aarhus-Übereinkommens haben sich nicht für die Einführung einer Popularklage in Umweltangelegenheiten entschieden. Sie haben sich stattdessen für eine Stärkung der Rolle von Umweltschutzorganisationen entschieden. Hierbei haben sie einen Mittelweg gewählt, der einen Ausgleich zwischen dem Maximalansatz (Popularklage) und dem Minimalansatz (Individualklage, die auf diejenigen beschränkt ist, deren unmittelbare Interessen betroffen sind) schaffen sollte ( 75 ). Dies war meines Erachtens ein sinnvoller und pragmatischer Kompromiss.

82.

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass Einzelpersonen und Vereinigungen dazu berufen sind, eine aktive Rolle beim Umweltschutz zu spielen ( 76 ). Die Erwägungsgründe 7, 13 und 17 des Aarhus-Übereinkommens heben die Wichtigkeit von Umweltschutzorganisationen hervor. Wie Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Braunbären II ( 77 ) zu Recht festgestellt hat, wird in Art. 2 Nr. 5 des Aarhus-Übereinkommens das Interesse von Organisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach dem nationalem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, anerkannt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ebenfalls die Rolle von Nichtregierungsorganisationen mit der Aussage betont, dass sie in öffentlichen Angelegenheiten als gesellschaftliche „Wachhunde“ angesehen werden können ( 78 ).

83.

Allgemein betrachtet sollten dem Entscheidungsträger in einem verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren meines Erachtens mehr und nicht weniger Informationen zu den Umweltauswirkungen eines beabsichtigten Projekts zur Verfügung stehen. Dies spricht dafür, Umweltschutzorganisationen eine Klagebefugnis zuzuerkennen, die die nach nationalem Recht vorgesehenen einschlägigen Kriterien in Bezug auf ihr Bestehen und ihre Tätigkeit erfüllen ( 79 ). Aufgrund ihrer Rolle in Umweltangelegenheiten sind diese Organisationen besonders gut imstande, relevante Informationen einzubringen.

84.

Art. 2 Nr. 5 und Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens geben meines Erachtens ein Modell dafür vor, wie die Rolle von Umweltschutzorganisationen als Vertreter der Umwelt zu fassen ist. Wenn den Mitgliedstaaten durch Umweltrichtlinien der Union verbindliche Verpflichtungen auferlegt werden, sollten Umweltschutzorganisationen, die die Kriterien nach Art. 2 Nr. 5 des Aarhus-Übereinkommens erfüllen, grundsätzlich ein Gericht anrufen und einen Verstoß gegen diese Verpflichtungen nach Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens geltend machen können.

85.

Einzelpersonen, die von einem Projekt betroffen sind, das Umweltauswirkungen hat, haben selbstverständlich eine Klagebefugnis zum Schutz ihres Eigentums oder ihrer sonstigen Interessen vor einem möglichen Schaden, den ein Projekt verursachen kann. Wenn Umweltschutzorganisationen die Klagebefugnis verwehrt wird, ein Gericht anzurufen, um prüfen zu lassen, ob eine verwaltungsbehördliche Entscheidung mit für die Mitgliedstaaten verbindlichen Verpflichtungen wie denjenigen aus Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie vereinbar ist, wird die Umwelt – d. h. das öffentliche Interesse – nicht hinreichend vertreten und geschützt. Dies würde zu dem absurden Ergebnis führen, dass privates Eigentum und die Interessen von Einzelpersonen vor möglichen Fehlern der Verwaltung besser geschützt wären als das öffentliche Interesse. Es kann nicht die Absicht des Unionsgesetzgebers gewesen sein, einen solchen Widerspruch aufkommen zu lassen.

Auswirkung von Art. 47 der Charta

86.

Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie ist ferner im Licht von Art. 47 der Charta auszulegen ( 80 ).

87.

Diese Bestimmung des Primärrechts der Union bekräftigt den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes. Danach muss jede Person, deren durch das Unionsrecht garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht haben, nach Maßgabe der in dieser Bestimmung vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen ( 81 ).

88.

Nach Art. 51 Abs. 1 kann die Charta gegen die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Unionsrechts geltend gemacht werden ( 82 ). Wenn ein Mitgliedstaat Verfahrensregelungen vorsieht, die die Möglichkeit einer Umweltschutzorganisation einschränken, zur Geltendmachung eines Verstoßes gegen Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie im öffentlichen Interesse Klage zu erheben, führt er Verpflichtungen aus dem Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta durch ( 83 ). Die Bedeutung von Art. 47 der Charta ist ferner nicht auf Fälle beschränkt, in denen eine materielle Bestimmung des Unionsrechts mit einer Vorschrift verfahrensrechtlicher Natur in Verbindung steht, die ein Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz begründet ( 84 ).

89.

Eine Verfahrensregelung, die es einer Umweltschutzorganisation grundsätzlich und praktisch extrem erschwert, die nach Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens vorgeschriebene Rolle zu übernehmen und die Rechtmäßigkeit einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung anzufechten, die ihrer Ansicht nach unter Verstoß gegen Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie getroffen wurde, muss mit dem unionsrechtlichen Grundrecht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf zwangsläufig unvereinbar sein ( 85 ).

90.

Dass ein Mitgliedstaat in seiner nationalen Rechtsordnung eine Wahlentscheidung dafür getroffen hat, dass die Klagebefugnis auf Rechten und nicht auf Interessen beruht, reicht nicht aus, um einen solchen allgemeinen Ausschluss rechtmäßig zu machen. Der Wortlaut von Art. 9 des Aarhus-Übereinkommens in seiner Gesamtheit betrachtet zeigt, dass die Verfasser dieses Übereinkommens sich der Unterschiede in der Regelung der Klagebefugnis zwischen den Vertragsparteien völlig bewusst waren. Sie haben die Regelungen in Art. 9 über die Klagebefugnis von Umweltschutzorganisationen sorgfältig in der Weise gestaltet, dass sie nicht von der Wahlentscheidung einer bestimmten Vertragspartei abhängig sind.

Abschließende Bemerkungen

91.

Die Klagebefugnis von Umweltschutzorganisationen nach Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens unter diesen Umständen anzuerkennen, bedeutet nicht, dass dieser Bestimmung durch die Hintertür unmittelbare Wirkung eingeräumt würde. Vielmehr folgt dies logisch aus der Notwendigkeit, den „effet utile“ von Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie unter dem Blickwinkel des Grundrechts auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf zu gewährleisten.

92.

Der Gerichtshof war vielfach einer weiten, teleologischen Auslegung von umweltbezogenen Rechtsvorschriften der Union zugetan ( 86 ). Der von mir vertretene Ansatz ist nicht mehr als eine Konsolidierung dessen, was der Gerichtshof im Urteil Braunbären II bereits entschieden hat.

93.

Schließlich legen die dem Gerichtshof vorliegenden Angaben nahe, dass zwischen der von mir vertretenen Auslegung und Art. 132 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (der Teil des Siebenten Hauptstücks mit dem Titel „Garantien der Verfassung und Verwaltung“ ist), kein Widerspruch besteht. Wie vom vorlegenden Gericht erläutert, kann im Licht dieser Bestimmung nur eine natürliche oder juristische Person, die durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet und Partei des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens war, einen Verstoß gegen diese Rechte geltend machen, indem sie gegen diesen Bescheid Beschwerde an ein Verwaltungsgericht erhebt. Nach meinem Verständnis dieser Frage dürften diese Voraussetzungen einer Anerkennung der Klagebefugnis der Umweltschutzorganisationen für die Anfechtung der Rechtmäßigkeit von verwaltungsbehördlichen Entscheidungen nach Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens nicht entgegenstehen.

94.

Die erste Frage sollte daher dahin beantwortet werden, dass Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens und Art. 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Verfahrensregelungen entgegenstehen, die einer nach den Voraussetzungen des nationalen Rechts ordnungsgemäß gegründeten und tätigen Umweltschutzorganisation den Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren im Sinne von Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens zur Anfechtung von Handlungen der zuständigen Behörde verwehren, die in einem auf der Grundlage der diese Richtlinie umsetzenden Bestimmungen des nationalen Rechts durchgeführten Verwaltungsverfahren ergangen sind.

95.

Da ich die erste Frage des vorlegenden Gerichts bejaht habe, sind die zweite und die dritte Frage ebenfalls zu prüfen.

Zweite Frage

96.

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen geklärt wissen, ob nach dem Aarhus-Übereinkommen eine Umweltschutzorganisation die Möglichkeit haben muss, einen Verstoß gegen Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde anzufechten, oder ob es ausreicht, dass eine solche Organisation die Möglichkeit hat, die zum Abschluss dieses Verfahrens ergehende Entscheidung der Verwaltungsbehörde vor einem Gericht anzufechten.

97.

Aus der von mir auf die erste Frage vorgeschlagenen Antwort ergibt sich, dass es einer Umweltschutzorganisation gestattet sein muss, sich auf Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens zu berufen, um eine Entscheidung der Verwaltungsbehörde anzufechten, die zum Abschluss des auf der Grundlage der die Wasserrahmenrichtlinie umsetzenden nationalen Rechtsvorschriften durchgeführten verwaltungsbehördlichen Verfahrens ergeht.

98.

Fraglich bleibt, ob es nach dem Aarhus-Übereinkommen einer Umweltschutzorganisation auch gestattet sein muss, Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie innerhalb dieses Verwaltungsverfahrens geltend zu machen. Mit anderen Worten, muss ihr das Recht auf Beteiligung an diesem Verfahren gewährt werden? Ich werde diese Frage in zwei Schritten behandeln: erstens allgemein und zweitens unter Berücksichtigung des speziellen Kontexts des österreichischen Rechts.

Recht auf Beteiligung: allgemeine Bemerkungen

99.

Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens sieht das Recht auf eine verwaltungsbehördliche oder gerichtliche Überprüfung der „von … Behörden vorgenommenen Handlungen“ vor. Dazu dürften zum Abschluss verwaltungsbehördlicher Verfahren ergehende Verwaltungsentscheidungen zählen. Anders als Art. 6 dieses Übereinkommens sieht Art. 9 Abs. 3 keine Rechte auf Beteiligung an verwaltungsbehördlichen Verfahren vor. Für die Beurteilung dieser Rechte ist Art. 6 maßgebend. Aus den von mir bereits genannten Gründen ( 87 ) gehe ich von der Annahme aus, dass Art. 6 und Art. 9 Abs. 2 des Aarhus-Übereinkommens in der vorliegenden Rechtssache nicht anwendbar sind.

100.

Dass eine Umweltschutzorganisation ein Recht auf Anfechtung einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung hat, impliziert an sich noch nicht das Recht auf Beteiligung an dem zum Erlass dieser Entscheidung führenden Verfahren. Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Beteiligung an einem umweltbezogenen Entscheidungsverfahren sich von einer gerichtlichen Anfechtung unterscheidet und auch eine andere Zielsetzung hat ( 88 ).

101.

Anders als einige andere Umweltrichtlinien ( 89 ) sieht die Wasserrahmenrichtlinie nicht ausdrücklich eine öffentliche Beteiligung vor. Auch sieht sie nicht, wie die Habitatrichtlinie, vor, dass einem Projekt nur zugestimmt werden darf, „nachdem … gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört“ worden ist.

102.

Art. 14 Abs. 1 der Wasserrahmenrichtlinie mit der Überschrift „Information und Anhörung der Öffentlichkeit“ sieht allerdings vor, dass die Mitgliedstaaten „die aktive Beteiligung aller interessierten Stellen an der Umsetzung [jener] Richtlinie [fördern]“ ( 90 ), und nach dem 14. Erwägungsgrund hängt der Erfolg jener Richtlinie insbesondere von der Information, Konsultation und Einbeziehung der Öffentlichkeit ab. Das Verfahren zur Erteilung einer Bewilligung auf der Grundlage des WRG 1959 ist als Durchführung dieser Richtlinie anzusehen ( 91 ).

103.

Meines Erachtens dürfte es dem Ziel dieser Bestimmung nicht gerecht werden, wenn die „Beteiligung“ der Öffentlichkeit, die ein Mitgliedstaat nach Art. 14 Abs. 1 der Wasserrahmenrichtlinie gestaltet, nicht mit Verfahrensrechten einhergeht, die den Mitgliedern der Öffentlichkeit eine Stellungnahme ermöglichen und die zuständige Behörde verpflichten, diese Stellungnahmen zu berücksichtigen. Eine solche Form der „Beteiligung“ der Öffentlichkeit könnte nicht mehr als „Anhörung“ bezeichnet werden. Sie käme eher einer „Absichtserklärung“ der zuständigen Behörde gegenüber der Öffentlichkeit gleich.

104.

Der Gerichtshof hat bereits erklärt, dass die Stellung als Beteiligte des Verwaltungsverfahrens einer Umweltschutzorganisation erlaubt, aktiver am Entscheidungsprozess teilzunehmen, indem ihre Argumente zum Risiko einer möglichen Beeinträchtigung der Umwelt durch das geplante Projekt noch weiter und wirksamer ausgeführt werden können. Die zuständigen Behörden müssen diese Argumente vor der Genehmigung des betreffenden Projekts berücksichtigen. Ohne eine solche Teilnahme könnten Argumente für den Umweltschutz möglicherweise niemals vorgebracht oder berücksichtigt werden, so dass das in Art. 14 Abs. 1 der Wasserrahmenrichtlinie genannte grundlegende Ziel des Verfahrens, nämlich die Gewährleistung eines hohen Umweltschutzniveaus, möglicherweise nicht erreicht werden könnte ( 92 ).

105.

Darüber hinaus ist das Ziel des Verwaltungsverfahrens in Umweltangelegenheiten, einschließlich solcher im Bereich Wasser, zu einer Entscheidung zu gelangen, die das Interesse des Antragstellers an der Erlangung einer Genehmigung mit den Umweltbelangen im Umfeld in Einklang bringt. Ein effizientes Verfahren ist eines, in dem die Umweltschutzorganisation zu einem frühen Zeitpunkt beteiligt werden kann, um relevante umweltbezogene Gesichtspunkte vorzubringen. Dies sorgt für ein ausgewogenes Verfahren und kann die Wahrscheinlichkeit späterer Rechtsstreitigkeiten mindern. Der Gerichtshof ist sich der Notwendigkeit einer Förderung der Verfahrensökonomie in verschiedenen Arten von Verfahren stets bewusst ( 93 ).

106.

Wird Umweltschutzorganisationen eine Parteistellung in verwaltungsbehördlichen Verfahren gewährt, um unmittelbar anwendbare Bestimmungen des Umweltrechts der Union, wie etwa Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie ( 94 ), geltend machen zu können, trägt dies somit zur Erhaltung und Verbesserung der aquatischen Umwelt in der Union und allgemeiner zur Verwirklichung der Ziele des Umweltrechts der Union bei ( 95 ).

107.

Mangels einer einschlägigen unionsrechtlichen Regelung hat das vorlegende Gericht nach dem Grundsatz der konformen Auslegung das nationale Verfahrensrecht so weit wie möglich im Licht dieser Ziele auszulegen, um ihre wirksame Umsetzung sicherzustellen ( 96 ).

Recht auf Beteiligung im Kontext des österreichischen Rechts

108.

Das vorlegende Gericht erläutert, dass nach Art. 132 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz nur eine natürliche oder juristische Person, der in einem vorangegangenen verwaltungsbehördlichen Verfahren Parteistellung zukam, gegen die zum Abschluss dieses Verfahrens ergehende Entscheidung eine Beschwerde an ein Gericht (hier das jeweilige Landesverwaltungsgericht) erheben kann. Die Parteistellung im verwaltungsbehördlichen Verfahren und das Recht auf Erhebung einer Beschwerde sind daher unmittelbar miteinander verknüpft. Das Fehlen oder der Verlust der Parteistellung im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde führt somit zum Verlust des Rechts, die Entscheidung dieser Verwaltungsbehörde mit einer Beschwerde anzufechten.

109.

Grundsätzlich dürfte eine solche Voraussetzung einer vorherigen Beteiligung an einem verwaltungsbehördlichen Verfahren keine Rechte beeinträchtigen, die durch das Aarhus-Übereinkommen oder die Wasserrahmenrichtlinie garantiert werden. Das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz nach Art. 47 der Charta und das Effektivitätsprinzip stehen einer solchen Voraussetzung für eine Klageerhebung nicht entgegen, wenn die Modalitäten dieses Rechtsbehelfs die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen ( 97 ).

110.

Nach meinem Verständnis der Rechtslage nach österreichischem Recht ist es für eine Umweltschutzorganisation jedoch praktisch unmöglich, eine Parteistellung in einem solchen verwaltungsbehördlichen Verfahren zu erlangen, um die in Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie genannten zwingenden Ziele des Umweltrechts der Union zu fördern ( 98 ).

111.

Ist die Rechtslage nach nationalem Recht tatsächlich so wie vorstehend beschrieben – was allein Sache des nationalen Gerichts ist –, würde der Umstand, dass einer Umweltschutzorganisation die Parteistellung in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren verwehrt wird, darauf hinauslaufen, das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf zu übergehen, das einer solchen Organisation aus Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens in Verbindung mit Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie zusteht. Wie sich aus der von mir auf die erste Frage vorgeschlagenen Antwort ergibt, ist es, soweit dieses Recht auf Beteiligung zur Förderung der in Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie genannten zwingenden Ziele des Umweltrechts der Union erforderlich ist, nicht zulässig, einer Umweltschutzorganisation dieses Recht vorzuenthalten.

112.

Die zweite Frage sollte somit wie folgt beantwortet werden:

Ein nationales Gericht muss sein nationales Verfahrensrecht in Bezug auf die Parteistellung in einem auf der Grundlage der die Wasserrahmenrichtlinie umsetzenden nationalen Rechtsvorschriften durchgeführten verwaltungsbehördlichen Verfahren zur Erteilung einer Genehmigung, wie es im Ausgangsverfahren in Rede steht, so weit wie möglich im Einklang mit den in der Wasserrahmenrichtlinie (insbesondere in Art. 4 und Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie) geregelten Zielen auslegen, um Umweltschutzorganisationen zu ermöglichen, diese Bestimmungen in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren vor der nationalen Behörde geltend zu machen.

Ist das Recht einer nach den Voraussetzungen des nationalen Rechts ordnungsgemäß gegründeten und tätigen Umweltschutzorganisation, in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren ergangene Handlungen der zuständigen nationalen Behörden auf der Grundlage von Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie vor einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht anzufechten, von einer vorherigen Beteiligung an einem solchen Verfahren abhängig, ist dieser Artikel in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens und Art. 47 der Charta dahin auszulegen, dass er nationalen Verfahrensregelungen entgegensteht, die einer solchen Organisation die Erlangung der Parteistellung in einem solchen Verfahren verwehren.

Dritte Frage

113.

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen geklärt wissen, ob Umweltschutzorganisationen nach nationalen Verfahrensregelungen, wie § 42 AVG, verpflichtet werden können, Einwendungen rechtzeitig bereits im Genehmigungsverfahren geltend zu machen, und anderenfalls ihre Parteistellung in diesem Verfahren sowie ihr Recht verlieren, die in diesem Verfahren später ergehenden Handlungen der zuständigen Behörden vor dem zuständigen Gericht anzufechten ( 99 ).

114.

Mir erscheint die Frage zugestandenermaßen kurios. Logisch betrachtet könnte man denken, dass § 42 AVG nur auf eine Person anwendbar ist, die bereits eine Partei ist. Das vorlegende Gericht erläutert indes, dass nach österreichischem Verfahrensrecht (§ 102 Abs. 1 WRG 1959) Umweltschutzorganisationen wie Protect eine Parteistellung in einem solchen Verfahren nicht erlangen können ( 100 ). Man könnte daher vermuten, dass § 42 AVG auf Protect entweder nicht anwendbar ist oder sich, wenn er anzuwenden wäre, auf den Ausgang des Ausgangsverfahrens nicht auswirken würde. Unter diesen Umständen scheint die dritte Frage hypothetischer Art zu sein ( 101 ).

115.

Dessen ungeachtet ist den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts zu entnehmen, dass der von Protect gestellte Antrag auf Zulassung als Partei ebenso wie ihre Einwendungen gegen das Projekt nach § 42 AVG mit der Begründung abgelehnt wurden, dass Protect wasserrechtliche Einwendungen (auf der Grundlage des WRG 1959) im verwaltungsbehördlichen Verfahren nicht rechtzeitig geltend gemacht habe ( 102 ). Dies würde nahelegen, dass Protect die Parteistellung hätte erlangen können, wenn sie diese Einwendungen rechtzeitig geltend gemacht hätte.

116.

Diese Problematik ließ sich in der mündlichen Verhandlung nicht aufklären.

117.

Ich werde im Folgenden von der Annahme ausgehen, dass Protect eine Parteistellung im verwaltungsbehördlichen Verfahren durch rechtzeitige Geltendmachung der erforderlichen Einwendungen hätte erlangen können.

118.

Nach der von der österreichischen Regierung (vermutlich auf Grundlage ihrer Auslegung des nationalen Rechts) vertretenen Ansicht hätte Protect Einwendungen geltend machen sollen, ohne ihre Zulassung als Partei abzuwarten.

119.

Ausgehend von den dem Gerichtshof vorliegenden Angaben scheint mir nach den österreichischen Rechtsvorschriften alles andere als offensichtlich zu sein, dass von einer Umweltschutzorganisation erwartet werden könnte, dass sie sich darüber im Klaren ist, dass sie eine Parteistellung in dem verwaltungsbehördlichen Verfahren über einen Antrag auf eine Genehmigung zur Entnahme von Wasser zur Schneeerzeugung dadurch erlangen könnte, dass sie Einwendungen nach § 42 AVG einfach geltend macht. Vielmehr scheint nach § 102 Abs. 3 WRG 1959 die Möglichkeit der Geltendmachung solcher Einwendungen allein den Parteien vorbehalten und nach § 102 Abs. 1 WRG 1959 einer Umweltschutzorganisation, die keine subjektiv‑öffentlichen Rechte hat, die Erlangung der Parteistellung verwehrt zu sein.

120.

Von einer Umweltschutzorganisation zu verlangen, dessen ungeachtet in einer solchen Situation (auf nahezu spekulativer Grundlage) zu versuchen, Einwendungen geltend zu machen, wäre meines Erachtens unfair und irreführend. In einer solchen Situation § 42 AVG anzuwenden und Protect den Verlust der Parteistellung aufzuerlegen, liefe darauf hinaus, sie dafür zu bestrafen, dass sie nicht das getan hat, was das nationale Recht ihr offenbar verwehrt. Eine solche Verfahrensregelung würde die Kriterien nach Art. 9 Abs. 4 des Aarhus-Übereinkommens, fair und gerecht zu sein, meines Erachtens nicht erfüllen. Sie erinnert in merkwürdiger Weise an die Situation des sterbenden Mannes in Kafkas Vor dem Gesetz, dem – nachdem er sein ganzes Leben mit dem Versuch verbracht hat, durch das Tor zu gehen, das nun geschlossen wird – gesagt wird, es habe ihm die ganze Zeit weit offen gestanden.

121.

Es ist Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob die nationalen Regelungen tatsächlich in dieser Weise Anwendung finden. Ist dies der Fall, würde der Umstand, dass Protect die Parteistellung im verwaltungsbehördlichen Verfahren und somit der Zugang zu einem Gericht verwehrt wird, eine Übergehung des Protect zustehenden Rechts auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf darstellen, das sich für sie als Umweltschutzorganisation aus Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens ergibt ( 103 ). Wie sich aus der von mir auf die erste Frage vorgeschlagenen Antwort ergibt, ist es, soweit dieses Recht zur Förderung der in Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie genannten zwingenden Ziele des Umweltrechts der Union erforderlich ist, nicht zulässig, einer Umweltschutzorganisation dieses Recht vorzuenthalten.

122.

Stellt andererseits das vorlegende Gericht fest, dass von einer Umweltschutzorganisation wie Protect, auf der Grundlage fairer und gerechter Verfahrensregelungen, vernünftigerweise hätte erwartet werden können, ihre Einwendungen im verwaltungsbehördlichen Verfahren rechtzeitig geltend zu machen, dürften durch die verfahrensrechtliche Frist nach § 42 AVG keine Rechte beeinträchtigt werden, die durch das Aarhus-Übereinkommen oder die Wasserrahmenrichtlinie garantiert werden. Grundsätzlich wahrt eine im nationalen Recht vorgesehene Frist, in der die Parteien Einwendungen geltend zu machen haben, den Wesensgehalt des Rechts auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf und dürfte nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung der legitimen Ziele der Rechtssicherheit, Zügigkeit und Ökonomie verwaltungsbehördlicher Verfahren erforderlich ist. So hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Festsetzung angemessener Fristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den betroffenen Einzelnen und die betroffene Behörde schützt, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Insbesondere hat er solche Fristen nicht als geeignet angesehen, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren ( 104 ). Vielmehr verlangt Art. 9 Abs. 4 des Aarhus-Übereinkommens selbst, dass die Verfahren „fair, gerecht [und] zügig“ sein müssen. Insoweit, als er die Möglichkeit einer Partei ausschließt, Einwendungen gegen ein Projekt nach einer bestimmten, von ihr nicht gewahrten Frist geltend zu machen, dürfte § 42 AVG diese Kriterien erfüllen ( 105 ).

123.

Die dritte Frage sollte daher dahin beantwortet werden, dass Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens und Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er nationalen Verfahrensregelungen, wonach eine Umweltschutzorganisation ihre Parteistellung in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren verliert, wenn Einwendungen in diesem Verfahren nicht rechtzeitig geltend gemacht werden, entgegensteht, sofern diese Regelungen die Kriterien nach Art. 9 Abs. 4 des Aarhus-Übereinkommens, fair und gerecht zu sein, nicht erfüllen.

Ergebnis

124.

Im Licht der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Art. 4 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 des am 25. Juni 1998 in Aarhus unterzeichneten und im Namen der Europäischen Gemeinschaft mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 genehmigten Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass er nationalen Verfahrensregelungen entgegensteht, die einer nach den Voraussetzungen des nationalen Rechts ordnungsgemäß gegründeten und tätigen Umweltschutzorganisation den Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren im Sinne von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens zur Anfechtung von Handlungen der zuständigen Behörde verwehren, die in einem auf der Grundlage der diese Richtlinie umsetzenden Bestimmungen des nationalen Rechts durchgeführten verwaltungsbehördlichen Verfahren ergangen sind.

Ein nationales Gericht muss sein nationales Verfahrensrecht in Bezug auf die Parteistellung in einem auf der Grundlage der die Richtlinie 2000/60 umsetzenden nationalen Rechtsvorschriften durchgeführten verwaltungsbehördlichen Verfahren zur Erteilung einer Genehmigung, wie es im Ausgangsverfahren in Rede steht, so weit wie möglich im Einklang mit den in dieser Richtlinie (insbesondere in Art. 4 und Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie) geregelten Zielen auslegen, um Umweltschutzorganisationen zu ermöglichen, diese Bestimmungen in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren vor der nationalen Behörde geltend zu machen.

Ist das Recht einer nach den Voraussetzungen des nationalen Rechts ordnungsgemäß gegründeten und tätigen Umweltschutzorganisation, in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren ergangene Handlungen der zuständigen nationalen Behörden auf der Grundlage von Art. 4 der Richtlinie 2000/60 vor einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht anzufechten, von einer vorherigen Beteiligung an einem solchen Verfahren abhängig, ist dieser Artikel in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass er nationalen Verfahrensregelungen entgegensteht, die einer solchen Organisation die Erlangung der Parteistellung in einem solchen Verfahren verwehren.

Art. 4 der Richtlinie 2000/60 in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass er nationalen Verfahrensregelungen, wonach eine Umweltschutzorganisation ihre Parteistellung in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren verliert, wenn Einwendungen in diesem Verfahren nicht rechtzeitig geltend gemacht werden, entgegensteht, sofern diese Regelungen die Kriterien nach Art. 9 Abs. 4 des Übereinkommens, fair und gerecht zu sein, nicht erfüllen.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Das Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten wurde am 25. Juni 1998 in Aarhus unterzeichnet und ist am 30. Oktober 2001 in Kraft getreten. Alle Mitgliedstaaten sind Vertragsparteien dieses Übereinkommens. Es ist im Namen der Union mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 über den Abschluss des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten im Namen der Europäischen Gemeinschaft (ABl. 2005, L 124, S. 1) genehmigt worden. Die Europäische Union ist ab diesem Zeitpunkt ebenfalls Vertragspartei dieses Übereinkommens.

( 3 ) Das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Projekt wird als das „Aichelberglift-Projekt“ bezeichnet.

( 4 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. 2000, L 327, S. 1).

( 5 ) Vgl. Urteil vom 8. November 2016, Lesoochranárske zoskupenie VLK (im Folgenden: Urteil Braunbären II, EU:C:2016:838, insbesondere Rn. 59).

( 6 ) Fünfter Erwägungsgrund.

( 7 ) Siebter Erwägungsgrund.

( 8 ) 13. Erwägungsgrund.

( 9 ) 18. Erwägungsgrund.

( 10 ) Zu den aufgeführten Tätigkeiten gehören z. B. solche im Bereich des Energiesektors, der Herstellung und Verarbeitung von Metallen und der mineralverarbeitenden Industrie. Sie umfassen jedenfalls Tätigkeiten, die eine „erhebliche“ Auswirkung auf die Umwelt haben können. Den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ist zu entnehmen, dass das Aichelberglift-Projekt nicht unter diesen Anhang fällt.

( 11 ) Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7) (im Folgenden: Habitatrichtlinie).

( 12 ) Art. 2 Abs. 1.

( 13 ) Art. 3 Abs. 1.

( 14 ) Art. 6 Abs. 1, 2 bzw. 3.

( 15 ) Erster Erwägungsgrund.

( 16 ) Elfter Erwägungsgrund.

( 17 ) 14. Erwägungsgrund.

( 18 ) 19. Erwägungsgrund.

( 19 ) 46. Erwägungsgrund.

( 20 ) Art. 2 Abs. 1 bzw. 3.

( 21 ) Art. 11 Abs. 3 Buchst. e.

( 22 ) Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012, L 26, S. 1) (im Folgenden: UVP-Richtlinie).

( 23 ) Art. 2 Abs. 1.

( 24 ) Art. 3.

( 25 ) Art. 6, Art. 9 bzw. Art. 11.

( 26 ) Art. 4. Den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ist zu entnehmen, dass das Aichelberglift-Projekt nicht unter Anhang I der UVP-Richtlinie fällt.

( 27 ) Vgl. unten, Nrn. 78, 110 und 119, zu weiteren Erläuterungen dieser Regelungen, die den dem Gerichtshof vorgelegten Angaben entnommen sind.

( 28 ) Die österreichische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass diese Entscheidung nicht angefochten und daher rechtskräftig geworden sei.

( 29 ) Den Erläuterungen der österreichischen Regierung in der mündlichen Verhandlung zufolge muss jedes Projekt offenbar in verschiedenen Verwaltungsverfahren geprüft werden, die jeweils mit einer Verwaltungsentscheidung abgeschlossen werden. Diese Verfahren werden insbesondere auf der Grundlage naturschutzrechtlicher Vorschriften und des WRG 1959 durchgeführt.

( 30 ) Nach meinem Verständnis gibt es nach § 42 Abs. 1 AVG zwei verschiedene Fristen, innerhalb deren eine Partei des Verfahrens Einwendungen erheben kann.

( 31 ) Vgl. Urteil Braunbären II, Rn. 45.

( 32 ) Vgl. Urteil vom 8. März 2011, Lesoochranárske zoskupenie (im Folgenden: Urteil Braunbären I) (C‑240/09, EU:C:2011:125, Rn. 30), wo der Gerichtshof u. a. auf die in seinen Urteilen vom 30. April 1974, Haegeman (181/73, EU:C:1974:41, Rn. 4 bis 6), und vom 30. September 1987, Demirel (12/86, EU:C:1987:400, Rn. 7), entwickelten Grundsätze verweist.

( 33 ) Vgl. u. a. Urteile vom 18. Oktober 2011, Boxus u. a. (C‑128/09 bis C‑131/09, C‑134/09 und C‑135/09, EU:C:2011:667), vom 15. Januar 2013, Križan u. a. (C‑416/10, EU:C:2013:8), vom 11. April 2013, Edwards und Pallikaropoulos (C‑260/11, EU:C:2013:221), vom 12. Mai 2011, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: Urteil Trianel) (C‑115/09, EU:C:2011:289), und vom 13. Februar 2014, Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑530/11, EU:C:2014:67).

( 34 ) Vgl. Rn. 34 bis 43 des Urteils. Zum weiteren Hintergrund vgl. auch die Erörterung der damaligen Rechtsprechung in meinen Schlussanträgen in jener Rechtssache (EU:C:2010:436, Nrn. 43 bis 57).

( 35 ) Art. 6 Abs. 1 Buchst. a bezieht sich auf in Anhang I aufgeführte Projekte (Projekte, bei denen von vornherein davon auszugehen ist, dass sie erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben), während Art. 6 Abs. 1 Buchst. b sich auf Projekte bezieht, die „eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können“.

( 36 ) Art. 9 Abs. 1 des Aarhus-Übereinkommens betrifft Verfahren über den Zugang zu umweltbezogenen Informationen. Er ist für das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen nicht von Bedeutung.

( 37 ) Zu den in diesem Anhang aufgeführten Projekten im Bereich Wasser, bei denen von vornherein davon auszugehen ist, dass sie eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben, gehören u. a.: Wärme- und Kernkraftwerke, Abwasserbehandlungsanlagen, Wasserstraßen und Häfen für die Binnenschifffahrt, Grundwasserentnahme- oder künstliche Grundwasserauffüllungssysteme mit einem jährlichen Volumen von mindestens 10 Mio. m3 Wasser, Bauvorhaben zur Umleitung von Wasserressourcen von einem Flusseinzugsgebiet in ein anderes und Stauwerke und sonstige Anlagen zur Zurückhaltung oder dauerhaften Speicherung von über 10 Mio. m3 Wasser.

( 38 ) Anhang I der UVP-Richtlinie umfasst ähnliche Projekte im Bereich Wasser wie Anhang I des Aarhus-Übereinkommens.

( 39 ) Art. 4 Abs. 2 der UVP-Richtlinie sieht eine ähnliche Verpflichtung für Projekte vor, die unter Anhang II dieser Richtlinie fallen.

( 40 ) Vgl. The Aarhus Convention: An Implementation Guide (im Folgenden: Aarhus Implementation Guide), 2. Aufl., 2014, S. 132 (nur verfügbar in Chinesisch, Englisch, Französisch und Russisch). Der Gerichtshof hat festgestellt, dass der Aarhus Implementation Guide als erläuterndes Dokument betrachtet und gegebenenfalls neben anderen einschlägigen Materialien zur Auslegung des Übereinkommens herangezogen werden kann (Urteil vom 16. April 2015, Gruber, C‑570/13, EU:C:2015:231, Rn. 35).

( 41 ) Vgl. Aarhus Implementation Guide, S. 133. Vgl. entsprechend auch Anhang III der UVP-Richtlinie, der für diese Bestimmung maßgebliche Kriterien aufführt.

( 42 ) Eine solche Prüfung führt zur Anwendbarkeit von Art. 6 und Art. 9 Abs. 2 des Aarhus-Übereinkommens, vgl. Urteil Braunbären II, Rn. 56 und 57. Das Vorabentscheidungsersuchen enthält lediglich die Angabe, dass der Antrag von Aichelberglift auf eine Bewilligung zunächst im Rahmen eines Verfahrens aufgrund von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie geprüft wurde, siehe oben, Nr. 22.

( 43 ) Wird einer Umweltschutzorganisation die Möglichkeit genommen, eine Beschwerde gegen eine solche Prüfung zu erheben, hat die Prüfung für diese Organisation keine Bindungswirkung, so dass Letztere deren Ergebnisse mit einer Klage gegen diese Prüfung oder gegen jede spätere Entscheidung, mit der eine Genehmigung für das betreffende Projekt erteilt wird, anfechten kann. Vgl. entsprechend Urteil vom 16. April 2015, Gruber (C‑570/13, EU:C:2015:231, Rn. 44 und 51). In diesem Fall können die Wirkungen von Art. 9 Abs. 2 des Aarhus-Übereinkommens somit über das Verfahren hinausreichen, aufgrund dessen er ursprünglich Anwendung findet, und zwar auch dann, wenn die im Rahmen dieses Verfahrens durchgeführte Prüfung zu dem Ergebnis geführt hat, dass keine erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b vorlagen.

( 44 ) Denn für diese vorherige Prüfung galten Art. 6 und Art. 9 Abs. 2 des Aarhus-Übereinkommens. Vgl. Urteil Braunbären II, Rn. 56 und 57.

( 45 ) Zuletzt im Urteil Braunbären II.

( 46 ) Vgl. Urteil vom 1. Juli 2015 (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 43).

( 47 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 31) (Hervorhebung nur hier).

( 48 ) Vgl. Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 50).

( 49 ) Vgl. Urteil vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 70).

( 50 ) Vgl. Urteil vom 19. Januar 1982, Becker (8/81, EU:C:1982:7, Rn. 25).

( 51 ) Der Gerichtshof hat im Kontext des Art. 2 Abs. 1 der UVP-Richtlinie entschieden, dass die Tatsache, dass der Mitgliedstaat über einen gewissen Ermessensspielraum verfügt, einer solchen unmittelbaren Wirkung nicht entgegensteht. Vgl. Urteil vom 24. Oktober 1996, Kraaijeveld u. a. (C‑72/95, EU:C:1996:404, Rn. 59).

( 52 ) Vgl. im Kontext von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 1985, L 175, S. 40) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie Urteil vom 7. Januar 2004, Wells (C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 64 bis 66). Vgl. im Kontext von Art. 9 der Richtlinie des Rates 79/409/EWG vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. 1979, L 103, S. 1) Urteil vom 7. März 1996, Associazione Italiana per il WWF u. a. (C‑118/94, EU:C:1996:86, Rn. 19).

( 53 ) Vgl. Urteil Braunbären II, Rn. 44.

( 54 ) Vgl. Urteil vom 17. Oktober 1991, Kommission/Deutschland (C‑58/89, EU:C:1991:391, Rn. 14). Vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 30. Mai 1991, Kommission/Deutschland (C‑59/89, EU:C:1991:225, Rn. 19), vom 30. Mai 1991, Kommission/Deutschland (C‑361/88, EU:C:1991:224, Rn. 16), vom 12. Dezember 1996, Kommission/Deutschland (C‑298/95, EU:C:1996:501, Rn. 16), vom 7. September 2004, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging (C‑127/02, EU:C:2004:482, Rn. 66), vom 25. Juli 2008, Janecek (C‑237/07, EU:C:2008:447, Rn. 37), und vom 19. November 2014, ClientEarth (C‑404/13, EU:C:2014:2382, Rn. 55 und 56).

( 55 ) Vgl. Urteil Braunbären II, Rn. 44.

( 56 ) Generalanwältin Kokott kam in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging (C‑127/02, EU:C:2004:60, Nr. 141) zum gleichen Ergebnis.

( 57 ) Vgl. Art. 25 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (ABl. 2010, L 334, S. 17) und Art. 11 der UVP-Richtlinie.

( 58 ) Vgl. die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337 und [96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung] in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl. 2003, L 156, S. 17).

( 59 ) Hervorhebung nur hier. Ausgehend von den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts dürften die übrigen Teile von Art. 14, die Informations- und Stellungnahmerechte vorsehen, für die vorliegende Rechtssache meines Erachtens nicht von Bedeutung sein.

( 60 ) Vgl. Urteil Braunbären I, Rn. 45, und Urteil vom 13. Januar 2015, Rat u. a./Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht (C‑401/12 P bis C‑403/12 P, EU:C:2015:4, Rn. 59).

( 61 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Braunbären I, Rn. 47; vgl. in anderem Kontext auch Urteil vom 15. September 2016, Star Storage u. a. (C‑439/14 und C‑488/14, EU:C:2016:688, Rn. 46).

( 62 ) ABl. 2010, C 83, S. 389 (im Folgenden: Charta). Diese Bestimmung regelt die Verpflichtung, sicherzustellen, dass „[e]in hohes Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität“ in die Politik der Union einbezogen werden.

( 63 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in der Rechtssache Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2014:2324, Nr. 6). Wie ich kürzlich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Malta (C‑557/15, EU:C:2017:613, Verfahren noch anhängig) ausgeführt habe, stimme ich in der Hervorhebung dieser wichtigen Entwicklung mit Generalanwalt Jääskinen völlig überein.

( 64 ) Weitere Ziele dieser Richtlinie sind oben in Nrn. 53 und 54 angesprochen worden.

( 65 ) Vgl. Aarhus Implementation Guide, S. 198.

( 66 ) C‑263/08, EU:C:2009:421, insbesondere Nrn. 73 und 74.

( 67 ) Ich habe dort die Ansicht vertreten, dass dies im Wesentlichen zwei Arten von Voraussetzungen sein könnten. Erstens solche, die sich auf die Erfüllung der nationalen Bestimmungen über die Eintragung, Gründung oder Anerkennung von Vereinen beziehen und deren Zweck darin besteht, diese Einrichtungen nach innerstaatlichem Recht juristisch für bestehend zu erklären; zweitens solche, die die Tätigkeit der Organisationen und das Bindeglied, das zwischen ihnen und der legitimen Verteidigung von Umweltschutzinteressen besteht, betreffen. Voraussetzungen, deren Definition so uneindeutig oder unzureichend ist, dass sie zu Unsicherheit oder zu diskriminierenden Ergebnissen führen, sind nicht zulässig. Erst recht ist jede Beschränkung auszuschließen, die zur Folge hat, dass der Zugang der Umweltorganisationen zu behördlichen und gerichtlichen Verfahren behindert statt gefördert wird.

( 68 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 26. Juni 2001, BECTU (C‑173/99, EU:C:2001:356, Rn. 53). Der Gerichtshof entschied dort, dass die in einer Richtlinie über den Anspruch von Arbeitnehmern auf bezahlten Urlaub enthaltene Formulierung „nach Maßgabe der Bedingungen …, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften … vorgesehen sind“ dahin zu verstehen ist, dass „es [den Mitgliedstaaten] freisteht, in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub festzulegen und dabei die konkreten Umstände zu bezeichnen, unter denen die Arbeitnehmer von diesem Recht, das ihnen für die Gesamtheit der zurückgelegten Beschäftigungszeiten zusteht, Gebrauch machen können, ohne dass die Mitgliedstaaten jedoch bereits die Entstehung dieses Anspruchs von irgendeiner Voraussetzung abhängig machen können“.

( 69 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Trianel (C‑115/09, EU:C:2010:773, Nr. 77).

( 70 ) Vgl. entsprechend die Begründung des Gerichtshofs in Rechtssachen, in denen der Gerichtshof mit der Prüfung eines Ausschlusses der Klagebefugnis befasst war, der für Nachbarn des Projektstandorts (Urteil vom 16. April 2015, Gruber, C‑570/13, EU:C:2015:231) und anerkannte Umweltschutzorganisationen mit weniger als 2000 Mitgliedern (Urteil vom 15. Oktober 2009, Djurgården-Lilla Värtans Miljöskyddsförening, C‑263/08, EU:C:2009:631) galt. Zur letzteren Rechtssache erscheint erwähnenswert, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt nur zwei Umweltschutzorganisationen in Schweden so viele Mitglieder hatten, so dass die Regelung die Wirkung hatte, praktisch allen dieser Organisationen den Zugang zu den Gerichten zu verwehren.

( 71 ) Vgl. Urteil vom 12. Mai 2011, Trianel (C‑115/09, EU:C:2011:289, Rn. 46).

( 72 ) Vgl. zu dieser Frage Stone, D., Should trees have standing?, Oxford University Press, Oxford, 2010.

( 73 ) Nach meinem Verständnis des Vorbringens der österreichischen Regierung könnte eine Umweltschutzorganisation, selbst wenn sie ein Grundstück neben dem Projektstandort kaufen würde, lediglich geltend machen, dass etwaige Vorschriften zum Schutz ihrer materiellen Rechte als Grundeigentümerin verletzt worden wären.

( 74 ) C‑263/08, EU:C:2009:421, Nrn. 59 bis 65.

( 75 ) Nach dem Aarhus Implementation Guide „soll das Übereinkommen ein hohes Maß an Flexibilität bei der Festlegung erlauben, welche Umweltschutzorganisationen Zugang zu Gerichten haben. … [D]ie Vertragsparteien sind nicht verpflichtet, in ihr innerstaatliches Recht die Regelung einer Popularklage mit der Wirkung einzuführen, dass jedermann jede umweltbezogene Entscheidung, Handlung oder Unterlassung anfechten kann“ (vgl. S. 198).

( 76 ) Vgl. Urteil vom 11. April 2013, Edwards und Pallikaropoulos (C‑260/11, EU:C:2013:221, Rn. 40).

( 77 ) Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Braunbären II (EU:C:2016:491, Nr. 48).

( 78 ) Vgl. Urteil des Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. November 2013, Österreichische Vereinigung zur Erhaltung, Stärkung und Schaffung/Österreich (CE:ECHR:2013:1128JUD003953407, Rn. 34).

( 79 ) Siehe oben, Nr. 74.

( 80 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C‑390/12, EU:C:2014:281, Rn. 30 bis 37), sowie meine Schlussanträge in jener Rechtssache (EU:C:2013:747, Nrn. 44 bis 46).

( 81 ) Vgl. Urteile vom 18. Dezember 2014, Abdida (C‑562/13, EU:C:2014:2453, Rn. 45), vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 95), und vom 28. März 2017, Rosneft (C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 73).

( 82 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson (C‑617/10, EU:C:2013:105, Rn. 17). Vgl. auch Urteil vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 49).

( 83 ) Vgl. entsprechend Urteil Braunbären II, Rn. 52, und Urteil vom 6. Oktober 2015, Delvigne (C‑650/13, EU:C:2015:648, Rn. 33).

( 84 ) Vgl. im Gegenschluss Urteil vom 27. Juni 2013, Agrokonsulting‑04 (C‑93/12, EU:C:2013:432, Rn. 59 bis 60); vgl. auch Urteile vom 23. Oktober 2014, Olainfarm (C‑104/13, EU:C:2014:2316, Rn. 34 bis 40), und vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 34 bis 41).

( 85 ) Vgl. Urteil vom 27. September 2017, Puškár (C‑73/16, EU:C:2017:725, Rn. 72 und 73).

( 86 ) Vgl. die in diesen Schlussanträgen angeführte Rechtsprechung. Vgl. ferner u. a. Urteil vom 22. September 1988, Saarland u. a. (187/87, EU:C:1988:439, Rn. 14 bis 20). Jene Rechtssache betraf die Auslegung von Art. 37 des Euratom-Vertrags, der die Frage zum Gegenstand hatte, ob ein Plan zur Ableitung radioaktiver Stoffe aller Art „eine radioaktive Verseuchung des Wassers, des Bodens oder des Luftraums eines anderen Mitgliedstaats verursachen kann“. Bezüglich der zu treffenden Entscheidung zwischen einer eng am Wortlaut orientierten Auslegung dieser Vorschrift und einem weiteren, eher teleologisch ausgerichtetem Verständnis sprachen sich sowohl der Gerichtshof als auch der Generalanwalt (Sir Gordon Slynn, vgl. seine Schlussanträge in dieser Rechtssache, EU:C:1988:291) für die letztgenannte Auslegung aus.

( 87 ) Siehe oben, Nr. 48.

( 88 ) Vgl. Urteil vom 15. Oktober 2009, Djurgården-Lilla Värtans Miljöskyddsförening (C‑263/08, EU:C:2009:631, Rn. 38).

( 89 ) Vgl. z. B. Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. 2003, L 41, S. 26); Art. 13 der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (ABl. 2004, L 143, S. 56); Art. 25 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (ABl. 2010, L 334, S. 17); Art. 11 der UVP-Richtlinie; und Art. 23 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. 2012, L 197, S. 1).

( 90 ) Hervorhebung nur hier.

( 91 ) Vgl. entsprechend Urteile vom 1. Juli 2015, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (C‑461/13, EU:C:2015:433, Rn. 32), und vom 4. Mai 2016, Kommission/Österreich (C‑346/14, EU:C:2016:322, Rn. 53).

( 92 ) Vgl. Urteil Braunbären II, Rn. 69 und 70.

( 93 ) Vgl. z. B. im Kontext staatlicher Beihilfen Urteil vom 13. Juni 2013, HGA u. a./Kommission (C‑630/11 P bis C‑633/11 P, EU:C:2013:387, Rn. 51), im Kontext der Festsetzung von Zertifikaten im System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten Urteil vom 29. März 2012, Kommission/Estland (C‑505/09 P, EU:C:2012:179, Rn. 86), im Kontext von Vorabentscheidungsersuchen Urteil vom 20. Oktober 2011, Interedil (C‑396/09, EU:C:2011:671, Rn. 20), und im Kontext von Wettbewerbsverfahren Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Alrosa (C‑441/07 P, EU:C:2010:377, Rn. 35).

( 94 ) Siehe oben, Nrn. 55 bis 58.

( 95 ) Vgl. entsprechend Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Braunbären II (EU:C:2016:491, Nr. 51).

( 96 ) Vgl. Urteil Braunbären I, Rn. 50.

( 97 ) Vgl. entsprechend Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Puškár (C‑73/16, EU:C:2017:253, Nr. 70).

( 98 ) Siehe oben, Nr. 78.

( 99 ) Ich weise darauf hin, dass nach § 42 AVG „rechtzeitig“ definiert ist als entweder spätestens am Tag vor der im Rahmen eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens durchgeführten mündlichen Verhandlung oder während der Verhandlung selbst; siehe oben, Nr. 19.

( 100 ) Siehe oben, Nr. 78.

( 101 ) Dass eine Umweltschutzorganisation eine Parteistellung in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren nicht erlangen kann, ist bereits Gegenstand der zweiten Vorlagefrage.

( 102 ) Den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts ist offenbar zu entnehmen, dass die Bezirkshauptmannschaft Gmünd der Ansicht war, dass Protect die Parteistellung nicht zukomme, während das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der Ansicht war, dass Protect diese Stellung nach § 42 AVG verloren habe. Siehe oben, Nrn. 24 und 25.

( 103 ) Vgl. Urteil vom 27. September 2017, Puškár (C‑73/16, EU:C:2017:725, Rn. 74), in dem der Gerichtshof festgestellt hat, dass Art. 47 der Charta verlangt, dass das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf durch eine Vorbedingung für die Einlegung eines Rechtsbehelfs bei Gericht nicht beeinträchtigt werden darf.

( 104 ) Vgl. Urteil vom 17. November 2016, Stadt Wiener Neustadt (C‑348/15, EU:C:2016:882, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 105 ) Dies wird durch den Aarhus Implementation Guide bestätigt; siehe S. 202.