SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 28. Juni 2016 ( 1 )

Rechtssache C‑292/15

Hörmann Reisen GmbH

gegen

Stadt Augsburg,Landkreis Augsburg

(Vorabentscheidungsersuchen der Vergabekammer Südbayern [Deutschland])

„Öffentliche Aufträge — Öffentliche Personenverkehrsdienste mit Omnibussen — Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 — Art. 4 Abs. 7 — Vergabe von Unteraufträgen — Verpflichtung des Betreibers des öffentlichen Dienstes, einen bedeutenden Teil der öffentlichen Personenverkehrsdienste selbst zu erbringen — Umfang — Art. 5 Abs. 1 — Vergabeverfahren — Vergabe des öffentlichen Auftrags nach Maßgabe der Richtlinie 2004/18/EG“

1. 

Nach der Richtlinie 2004/18/EG ( 2 ) können öffentliche Auftraggeber die Vergabe von Unteraufträgen durch erfolgreiche Bieter nur unter sehr begrenzten Umständen einschränken ( 3 ). Dies steht mit dem Ziel der Rechtsvorschriften der Union über die Vergabe öffentlicher Aufträge im Einklang, den Zugang kleiner und mittlerer Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen zu fördern und deren Vergabe somit für den Wettbewerb zu öffnen. In der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ( 4 ), in der bestimmt ist, wie die zuständigen Behörden tätig werden können, um die effektive Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs zu gewährleisten, hat der Unionsgesetzgeber dagegen besondere Vorschriften für die Vergabe von Unteraufträgen festgelegt. Die Verordnung Nr. 1370/2007 erlaubt den zuständigen Behörden, zu entscheiden, ob für solche Dienstleistungen Unteraufträge vergeben werden dürfen oder nicht, damit eine bestmögliche Nutzung öffentlicher Gelder sichergestellt wird. Dürfen für sie Unteraufträge vergeben werden, verpflichtet die Verordnung den ausgewählten Betreiber dennoch, „einen bedeutenden Teil“ dieser Dienste selbst zu erbringen (im Folgenden: Eigenerbringungspflicht). Im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens hat der Gerichtshof zunächst zu prüfen, ob diese besonderen Vorschriften für einen Vertrag über die Erbringung öffentlicher Personenverkehrsdienste mit Bussen gelten, der nach der Verordnung Nr. 1370/2007 gemäß der Richtlinie 2004/18 zu vergeben ist. Das vorlegende Gericht ersucht außerdem um Hinweise zum Umfang der in dieser Verordnung vorgesehenen Eigenerbringungspflicht.

Rechtlicher Hintergrund

Richtlinie 2004/18

2.

Die Richtlinie 2004/18 koordiniert die Verfahren für die Vergabe öffentlicher Aufträge, die einen bestimmten Wert überschreiten ( 5 ). Sie soll sicherstellen, dass die Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch den Staat, die Gebietskörperschaften und andere Einrichtungen des öffentlichen Rechts „an die Einhaltung … des Grundsatzes der Gleichbehandlung, des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes der Transparenz [gebunden ist]“. Außerdem soll sie „die Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens für den Wettbewerb … garantieren“ ( 6 ). Um den Zugang von kleinen und mittleren Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen zu fördern, enthält die Richtlinie Bestimmungen über Unteraufträge ( 7 ).

3.

Art. 1 Abs. 2 Buchst. a bezeichnet „öffentliche Aufträge“„zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne [der Richtlinie 2004/18]“. Nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. d sind „öffentliche Dienstleistungsaufträge“„öffentliche Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang II, die keine öffentlichen Bau- oder Lieferaufträge sind“, und umfassen damit den „Landverkehr“ ( 8 ). Nach Art. 1 Abs. 4 bezeichnet „Dienstleistungskonzessionen“„Verträge, die von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht“.

4.

Nach Art. 25 („Unteraufträge“) Abs. 1 „kann der öffentliche Auftraggeber [in den Verdingungsunterlagen] den Bieter auffordern oder er kann von einem Mitgliedstaat verpflichtet werden, den Bieter aufzufordern, ihm in seinem Angebot den Teil des Auftrags, den der Bieter gegebenenfalls im Wege von Unteraufträgen an Dritte zu vergeben gedenkt, sowie die bereits vorgeschlagenen Unterauftragnehmer bekannt zu geben“.

Verordnung Nr. 1370/2007

5.

Nach dem neunten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1370/2007 müssen alle zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten „die Möglichkeit haben, die Betreiber eines öffentlichen Dienstes gemäß den Bedingungen d[er] Verordnung frei auszuwählen und dabei die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen zu berücksichtigen“, um die öffentlichen Personenverkehrsdienste „optimal nach den Bedürfnissen der Bevölkerung gestalten zu können“. In diesem Erwägungsgrund heißt es weiterhin, dass, „[u]m die Anwendung der Grundsätze der Transparenz, der Gleichbehandlung konkurrierender Betreiber und der Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten, wenn Ausgleichsleistungen oder ausschließliche Rechte gewährt werden, … in einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag der zuständigen Behörde an den ausgewählten Betreiber eines öffentlichen Dienstes die Art der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und die vereinbarten Gegenleistungen festgelegt werden [müssen]“.

6.

Im 19. Erwägungsgrund heißt es insbesondere, „[d]ie Vergabe von Unteraufträgen kann zu einem effizienteren öffentlichen Personenverkehr beitragen und ermöglicht die Beteiligung weiterer Unternehmen neben dem Betreiber eines öffentlichen Dienstes, der den öffentlichen Dienstleistungsauftrag erhalten hat“. Jedoch „[sollten die zuständigen Behörden im] Hinblick auf eine bestmögliche Nutzung öffentlicher Gelder … die Bedingungen für die Vergabe von Unteraufträgen bezüglich ihrer öffentlichen Personenverkehrsdienste festlegen können, insbesondere im Falle von Diensten, die von einem internen Betreiber erbracht werden“.

7.

Nach Art. 1 Abs. 1 ist Zweck der Verordnung Nr. 1370/2007, „festzulegen, wie die zuständigen Behörden unter Einhaltung des Unionsrechts im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs tätig werden können, um die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu gewährleisten, die unter anderem zahlreicher, sicherer, höherwertig oder preisgünstiger sind als diejenigen, die das freie Spiel des Marktes ermöglicht hätte“. Hierzu wird in der Verordnung „festgelegt, unter welchen Bedingungen die zuständigen Behörden den Betreibern eines öffentlichen Dienstes eine Ausgleichsleistung für die ihnen durch die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen verursachten Kosten und/oder ausschließliche Rechte im Gegenzug für die Erfüllung solcher Verpflichtungen gewähren, wenn sie ihnen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen oder entsprechende Aufträge vergeben“.

8.

Nach Art. 1 Abs. 2 gilt die Verordnung 1370/2007 für „den innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Personenverkehr mit der Eisenbahn und andere Arten des Schienenverkehrs sowie auf der Straße, mit Ausnahme von Verkehrsdiensten, die hauptsächlich aus Gründen historischen Interesses oder zu touristischen Zwecken betrieben werden“.

9.

Nach den in Art. 2 enthaltenen Definitionen bezeichnet:

„a)

‚öffentlicher Personenverkehr‘ Personenbeförderungsleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die für die Allgemeinheit diskriminierungsfrei und fortlaufend erbracht werden;

b)

‚zuständige Behörde‘ jede Behörde oder Gruppe von Behörden eines oder mehrerer Mitgliedstaaten, die zur Intervention im öffentlichen Personenverkehr in einem bestimmten geografischen Gebiet befugt ist, oder jede mit einer derartigen Befugnis ausgestattete Einrichtung;

i)

‚öffentlicher Dienstleistungsauftrag‘ einen oder mehrere rechtsverbindliche Akte, die die Übereinkunft zwischen einer zuständigen Behörde und einem Betreiber eines öffentlichen Dienstes bekunden, diesen Betreiber eines öffentlichen Dienstes mit der Verwaltung und Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten zu betrauen, die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterliegen …“

10.

Art. 3 Abs. 1 sieht vor, dass, wenn eine zuständige Behörde dem ausgewählten Betreiber ausschließliche Rechte und/oder Ausgleichsleistungen gleich welcher Art für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen gewährt, dies im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags erfolgt.

11.

Art. 4 („Obligatorischer Inhalt öffentlicher Dienstleistungsaufträge und allgemeiner Vorschriften“) sieht insbesondere vor:

„(1)   In den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen …:

b)

sind zuvor in objektiver und transparenter Weise aufzustellen:

i)

die Parameter, anhand deren gegebenenfalls die Ausgleichsleistung berechnet wird, und

ii)

die Art und der Umfang der gegebenenfalls gewährten Ausschließlichkeit;

dabei ist eine übermäßige Ausgleichsleistung zu vermeiden. …

(7)   In den Unterlagen des wettbewerblichen Vergabeverfahrens und den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen ist transparent anzugeben, ob und in welchem Umfang eine Vergabe von Unteraufträgen in Frage kommt. Werden Unteraufträge vergeben, so ist der mit der Verwaltung und Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten nach Maßgabe dieser Verordnung betraute Betreiber verpflichtet, einen bedeutenden Teil der öffentlichen Personenverkehrsdienste selbst zu erbringen. Ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag, der gleichzeitig Planung, Aufbau und Betrieb öffentlicher Personenverkehrsdienste umfasst, kann eine vollständige Übertragung des Betriebs dieser Dienste an Unterauftragnehmer vorsehen. Im öffentlichen Dienstleistungsauftrag werden entsprechend dem nationalen Recht und dem [Unions]recht die für eine Vergabe von Unteraufträgen geltenden Bedingungen festgelegt.“

12.

Art. 5 („Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge“) legt in Abs. 1 fest:

„Öffentliche Dienstleistungsaufträge werden nach Maßgabe dieser Verordnung vergeben. Dienstleistungsaufträge oder öffentliche Dienstleistungsaufträge gemäß der Definition in den Richtlinien 2004/17/EG oder 2004/18/EG für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen werden jedoch gemäß den in jenen Richtlinien vorgesehenen Verfahren vergeben, sofern die Aufträge nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen im Sinne jener Richtlinien annehmen. Werden Aufträge nach den Richtlinien 2004/17/EG oder 2004/18/EG vergeben, so sind die Absätze 2 bis 6 des vorliegenden Artikels nicht anwendbar.“

13.

Art. 5 Abs. 2 bis 6 enthält Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge, die vom Vergaberecht der Union abweichen. Beispielsweise „[können die zuständigen Behörden,] [s]ofern dies nicht nach nationalem Recht untersagt ist, … entscheiden, öffentliche Dienstleistungsaufträge, die entweder einen geschätzten Jahresdurchschnittswert von weniger als 1000000 Euro oder eine jährliche öffentliche Personenverkehrsleistung von weniger als 300000 km aufweisen, direkt zu vergeben“ ( 9 ).

14.

Art. 8 Abs. 2 legt einen Übergangszeitraum für die Umsetzung von Art. 5 fest. Zwar muss die Vergabe von Aufträgen für den öffentlichen Verkehr auf Schiene und Straße ab dem 3. Dezember 2019 im Einklang mit Art. 5 erfolgen, die Mitgliedstaaten sind allerdings verpflichtet, diese Vorschrift während des Übergangszeitraums schrittweise anzuwenden, um ernste strukturelle Probleme zu vermeiden ( 10 ). Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 der Verordnung Nr. 1370/2007 sieht weitere Einzelheiten zu dem Übergangserfordernis vor. Aus Art. 8 Abs. 1 Satz 3 ergibt sich jedoch, dass Art. 8 Abs. 2 bis 4 nicht für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 gilt.

Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

15.

Am 7. März 2015 veröffentlichten die Stadt Augsburg und der Landkreis Augsburg im Amtsblatt der Europäischen Union eine Bekanntmachung für die Ausschreibung von Personenbeförderungsleistungen mit Omnibussen (Linienbündel „Lech Nord“) ( 11 ). In der Bekanntmachung hieß es, die Bieter könnten bis zu 30 % der Beförderungsleistung (gemessen an den Fahrplankilometern) an Subunternehmen vergeben.

16.

Die Hörmann Reisen GmbH ist ein kleines oder mittleres in Deutschland gegründetes Unternehmen und im Bereich des öffentlichen Verkehrs tätig. Für eine erfolgreiche Teilnahme an dem Vergabeverfahren müsste sie mit einer umfangreicheren Vergabe an Subunternehmer kalkulieren, als dies nach der Bekanntmachung erlaubt ist.

17.

Daher ficht Hörmann Reisen die Beschränkung der Vergabe von Unteraufträgen vor der Vergabekammer Südbayern an. Sie trägt vor, dass die Verordnung Nr. 1370/2007 wegen deren Art. 5 Abs. 1 im Ausgangsverfahren nicht anwendbar und die Beschränkung der Vergabe von Unteraufträgen mit der Richtlinie 2004/18 unvereinbar sei. Dagegen machen die öffentlichen Auftraggeber geltend, die Verordnung Nr. 1370/2007 finde im Ausgangsverfahren Anwendung und Art. 4 Abs. 7 der Verordnung erlaube ihnen, die Vergabe von Unteraufträgen so zu beschränken, wie sie es getan hätten. Die von ihnen geforderte Eigenerbringung von mindestens 70 % stehe mit der Verpflichtung des ausgewählten Betreibers, „einen bedeutenden Teil“ der betreffenden öffentlichen Personenverkehrsdienste selbst zu erbringen, im Einklang.

18.

Da die Entscheidung im Ausgangsverfahren davon abhängt, welche Unionsvorschriften für das streitige Vergabeverfahren gelten, hat die Vergabekammer Südbayern das Verfahren ausgesetzt und folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

a)

Kommen bei einem Vergabeverfahren nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 in Verbindung mit der Richtlinie 2004/18 bzw. der Richtlinie 2014/24 grundsätzlich nur die Vorschriften dieser Richtlinien zur Anwendung, so dass von den genannten Richtlinien abweichende Vorschriften in der Verordnung Nr. 1370/2007 unangewendet bleiben müssen?

b)

Richtet sich demnach die Zulässigkeit der Vergabe von Unteraufträgen bei einem derartigen Vergabeverfahren ausschließlich nach den vom Gerichtshof zur Richtlinie 2004/18 entwickelten Regeln und nach der Regelung des Art. 63 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24, oder kann ein öffentlicher Auftraggeber abweichend davon gemäß Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1370/2007 eine prozentuale Eigenerbringungsquote (gemessen an den Fahrplankilometern) für die Bieter festschreiben?

c)

Ist für den Fall, dass Art. 4 Abs. 7 auf Vergabeverfahren nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 in Verbindung mit der Richtlinie 2004/18 bzw. 2014/24 anwendbar ist, der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf den Erwägungsgrund 19 dieser Verordnung bei der Festlegung der Selbsterbringungsquote frei, so dass die Forderung einer Selbsterbringungsquote von 70 % gemessen an den Fahrplankilometern durch den Auftraggeber gerechtfertigt sein kann?

19.

Schriftliche Erklärungen sind von Hörmann Reisen, den öffentlichen Auftraggebern und der Europäischen Kommission eingereicht worden. Eine mündliche Verhandlung ist nicht beantragt und nicht durchgeführt worden.

Würdigung

Vorbemerkungen

20.

Die Vergabekammer Südbayern ist ein „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV und kann dem Gerichtshof daher Fragen zur Vorabentscheidung vorlegen ( 12 ).

21.

Die öffentlichen Auftraggeber und die Kommission berufen sich in ihren schriftlichen Erklärungen sowohl auf die Richtlinie 2004/18 als auch auf die Richtlinie 2004/17/EG ( 13 ). Die Richtlinie 2004/17, die gemeinhin „Sektorenrichtlinie“ genannt wird ( 14 ), würde in Fällen wie dem des Ausgangsverfahrens nur gelten, wenn die öffentlichen Auftraggeber selbst Verkehrsleistungen im Sinne von Art. 5 der Richtlinie erbrächten ( 15 ). Der Gerichtshof hat jedoch keine ausreichenden Informationen, um festzustellen, ob diese Voraussetzung vorliegt und ob, selbst wenn dies der Fall wäre, der Sachverhalt so gelagert ist, dass Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/17 die Anwendung dieser Richtlinie ausschließt ( 16 ). Zudem erwähnen die Vorlagefragen die Richtlinie 2004/17 nicht. Daher werde ich diese Richtlinie in den folgenden Ausführungen nicht weiter berücksichtigen.

22.

Darüber hinaus ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Hinweise zu Art. 4 Abs. 7 und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 in Verbindung mit der Richtlinie 2004/18 bzw. der Richtlinie 2014/24. Nach ständiger Rechtsprechung ist jedoch grundsätzlich diejenige Richtlinie anwendbar, die zu dem Zeitpunkt gilt, zu dem der öffentliche Auftraggeber die Art des Verfahrens auswählt und endgültig entscheidet, ob die Verpflichtung zu einem vorherigen Aufruf zum Wettbewerb für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags besteht. Unanwendbar sind hingegen die Bestimmungen einer Richtlinie, deren Umsetzungsfrist nach diesem Zeitpunkt abgelaufen ist ( 17 ). So hat der Gerichtshof kürzlich entschieden, dass, wenn die Richtlinie 2014/24 vor Ablauf der Frist zu ihrer Umsetzung angewandt würde, den Mitgliedstaaten ebenso wie den öffentlichen Auftraggebern und den Wirtschaftsteilnehmern die erforderliche Zeit genommen würde, um sich an die mit dieser Richtlinie eingeführten neuen Vorschriften anzupassen ( 18 ). Dies ist im Hinblick auf die Vergabe von Unteraufträgen besonders relevant: Hier führt Art. 63 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24 erhebliche Änderungen im Vergleich zu Art. 25 der Richtlinie 2004/18 ein ( 19 ). Im Ausgangsverfahren wurde die Ausschreibung am 7. März 2015 veröffentlicht, d. h. mehr als ein Jahr vor Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2014/24. Dementsprechend ist die Richtlinie 2014/24 im Ausgangsverfahren zeitlich nicht anwendbar, und ich werde die Fragen des vorlegenden Gerichts nur anhand der Verordnung Nr. 1370/2007 und der Richtlinie 2004/18 prüfen.

23.

Das vorlegende Gericht macht keine Angaben zum Wert des fraglichen öffentlichen Dienstleistungsauftrags. In der im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Ausschreibung war jedoch angegeben, der Auftrag werde ungefähr 639000 km Personenverkehrsdienste mit Bussen umfassen ( 20 ). Meines Erachtens ist die Schlussfolgerung der Kommission, der Wert des Auftrags übersteige die Schwelle, die die Anwendung der Richtlinie 2004/18 auslöst, wahrscheinlich zutreffend ( 21 ). Dies ist jedoch letztlich vom vorlegenden Gericht zu prüfen.

24.

Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die öffentlichen Personenverkehrsdienste mit Bussen, die Gegenstand des in Rede stehenden öffentlichen Dienstleistungsauftrags sind, durch die in Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1370/2007 enthaltenen besonderen Vorschriften über die Vergabe von Unteraufträgen geregelt werden, auch wenn der Auftrag gemäß der Richtlinie 2004/18 zu vergeben ist. Ich werde daher diese Fragen gemeinsam prüfen. Die dritte Frage ist hiervon getrennt, da sie den Umfang der in Art. 4 Abs. 7 Satz 2 vorgesehenen Eigenerbringungspflicht betrifft. Deshalb werde ich diese Frage gesondert behandeln.

Zu den Fragen 1 und 2: Unterliegt ein Auftrag für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen oder Straßenbahnen den besonderen in Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1370/2007 festgelegten Vorschriften über die Vergabe von Unteraufträgen?

25.

Es ist unstreitig, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftrag den öffentlichen Personenverkehr auf der Straße im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 betrifft. Auch wird nicht bestritten, dass der Auftrag „öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 dieser Verordnung betrifft.

26.

Die in Art. 5 Abs. 1 enthaltene Verweisung auf die in den Vergaberichtlinien vorgesehenen Vergabeverfahren schließt Dienstleistungskonzessionen im Sinne der Definitionen jener Richtlinien aus ( 22 ). Der Gerichtshof hat in einem anderen Verfahren aus diesen Definitionen geschlossen, dass ein Dienstleistungsauftrag eine Gegenleistung umfasst, die vom öffentlichen Auftraggeber unmittelbar an den Dienstleistungserbringer gezahlt wird, während im Fall einer Dienstleistungskonzession die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen in dem Recht (als solchem oder in Verbindung mit der Zahlung eines Preises) zur Nutzung der Dienstleistung besteht ( 23 ). Diesbezüglich ist der im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Bekanntmachung zu entnehmen, dass der erfolgreiche Bieter eine monatliche Vergütung von den öffentlichen Auftraggebern erhält ( 24 ). Zwar ist es letztlich Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu prüfen, jedoch bin ich der Auffassung, dass der Gerichtshof daher davon ausgehen sollte, dass es sich bei dem Auftrag nicht um eine Dienstleistungskonzession im Sinne der Richtlinie 2004/18 handelt.

27.

Daraus folgt, dass der in Rede stehende Auftrag gemäß Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 nach Maßgabe der Richtlinie 2004/18 zu vergeben ist und nicht nach Maßgabe der besonderen Vergabevorschriften in Art. 5 Abs. 2 bis 6 dieser Verordnung oder der Übergangsregelung in Art. 8 Abs. 2 bis 4 der Verordnung ( 25 ).

28.

Bedeutet dies, dass die besonderen Vorschriften über die Vergabe von Unteraufträgen in Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1370/2007 nicht auf diesen Auftrag anwendbar sind?

29.

Die Beantwortung dieser Frage setzt voraus, dass wir uns Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 genauer ansehen. Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Unionsrechtsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden ( 26 ).

30.

In Bezug auf den Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 ergibt sich erstens aus Satz 1 dieser Vorschrift, dass Aufträge für öffentliche Personenverkehrsleistungen „nach Maßgabe [der] Verordnung [Nr. 1370/2007]“ zu vergeben sind.

31.

Während Satz 2 für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen, die nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen annehmen, eine Ausnahme zu der in Satz 1 vorgesehenen Regel enthält, stellt Satz 3 den Umfang der Ausnahme klar: Werden Aufträge nach Maßgabe der Richtlinie 2004/17 oder der Richtlinie 2004/18 vergeben, „so sind die Absätze 2 bis 6 des … Artikels [5] nicht anwendbar“. Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 vorgesehene Ausnahme betrifft somit ausschließlich die in diesen Absätzen enthaltenen besonderen Vorschriften über das Vergabeverfahren. Satz 3 ergäbe keinen Sinn, wenn es das Ziel des Gesetzgebers wäre, Aufträge für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen vom Anwendungsbereich der anderen Vorschriften der Verordnung Nr. 1370/2007 auszunehmen, einschließlich der in Art. 4 Abs. 7 vorgesehenen Vorschriften über die Vergabe von Unteraufträgen. In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens bildet Art. 4 Abs. 7 somit eine Lex specialis zu den nach der Richtlinie 2004/18 geltenden Vorschriften über die Vergabe von Unteraufträgen.

32.

Entgegen dem Vorbringen von Hörmann Reisen steht diese Auslegung nicht im Widerspruch zur Wendung „der mit der Verwaltung und Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten nach Maßgabe [der] Verordnung [Nr. 1370/2007] betraute Betreiber“ in Art. 4 Abs. 7 ( 27 ). Der Zweck von Art. 5 Abs. 1 ist nicht, einen Pauschalausschluss öffentlicher Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen zu formulieren, sondern, eine viel enger gefasste Ausnahme festzulegen. Die Verordnung Nr. 1370/2007 regelt demnach die Betrauung von Betreibern öffentlicher Verkehrsdienste mit solchen Personenverkehrsdiensten ( 28 ), mit dieser begrenzten Ausnahme.

33.

Der Kontext, in den Art. 5 Abs. 1 eingebettet ist, stützt diese Auslegung ebenfalls. Die Ausnahme für den öffentlichen Verkehr mit Bussen und Straßenbahnen findet sich in einer Vorschrift, die die „Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge“ regelt. Die Verordnung Nr. 1370/2007 trennt somit diesen Punkt klar von u. a. dem Punkt „Obligatorischer Inhalt öffentlicher Dienstleistungsaufträge und allgemeiner Vorschriften“, der in Art. 4 geregelt ist.

34.

Darüber hinaus steht der Schluss, zu dem ich gekommen bin, im Einklang mit dem in Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 festgelegten Anwendungsbereich dieser Verordnung. Nach dieser Bestimmung gilt die Verordnung u. a. „für den innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Personenverkehr … auf der Straße“. Diese Formulierung in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 Satz 3 bestätigt eindeutig, dass es tatsächlich nicht die Absicht des Gesetzgebers war, einen Pauschalausschluss vorzunehmen, durch den öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, die nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen annehmen, vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1370/2007 ausgenommen werden.

35.

Schließlich unterstützt diese Auslegung das Ziel der Verordnung, die zuständigen Behörden in die Lage zu versetzen, die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse – wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden öffentlichen Personenverkehrsdienste mit Bussen – zu gewährleisten, die zahlreicher, sicherer, höherwertiger oder preisgünstiger sind als diejenigen, die das freie Spiel des Marktes ermöglicht hätte ( 29 ).

36.

Wie im neunten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1370/2007 festgeschrieben, müssen die zuständigen Behörden, um dieses Ziel verfolgen zu können, die Möglichkeit haben, die Betreiber eines öffentlichen Dienstes gemäß den Bedingungen dieser Verordnung frei auszuwählen und dabei die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen zu berücksichtigen. Zwar hat der Unionsgesetzgeber eingeräumt, dass die Vergabe von Unteraufträgen zu einem effizienteren Personenverkehr beitragen kann, jedoch hat er auch anerkannt, dass im Hinblick auf eine bestmögliche Nutzung öffentlicher Gelder „die zuständigen Behörden … die Bedingungen für die Vergabe von Unteraufträgen bezüglich ihrer öffentlichen Personenverkehrsdienste festlegen können [sollten]“. Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1370/2007 gibt den zuständigen Behörden daher die Flexibilität, zu entscheiden, ob die Vergabe von Unteraufträgen je nach Umständen zu einem möglichst effizienten Personenverkehr von allgemeinem Interesse beitragen kann ( 30 ).

37.

Ich kann der Verordnung nichts entnehmen, was auf eine Absicht des Unionsgesetzgebers hindeutet, den zuständigen Behörden diese Flexibilität bei der Vergabe von Aufträgen für die Erbringung öffentlicher Verkehrsdienste mit Bussen, die nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen annehmen, zu nehmen.

38.

Daher komme ich zu dem Schluss, dass Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 dahin auszulegen ist, dass öffentliche Dienstleistungsaufträge für Personenverkehrsdienste mit Bussen wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen gemäß der Definition in der Richtlinie 2004/18 annehmen und die nach Maßgabe dieser Richtlinie zu vergeben sind, durch die Verordnung Nr. 1370/2007 geregelt werden, mit Ausnahme der Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach Art. 5 Abs. 2 bis 6 dieser Verordnung. Derartige Aufträge unterliegen somit den besonderen in Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1370/2007 festgelegten Vorschriften über die Vergabe von Unteraufträgen.

Zu Frage 3: Welchen Umfang hat die Eigenerbringungspflicht in Art. 4 Abs. 7 Satz 2 der Verordnung Nr. 1370/2007?

39.

Art. 4 Abs. 7 enthält drei allgemeine Anforderungen an die Vergabe von Unteraufträgen. Erstens müssen die zuständigen Behörden „transparent“ angeben, ob und in welchem Umfang eine Vergabe von Unteraufträgen erlaubt wird. Werden Unteraufträge vergeben, ist zweitens der erfolgreiche Bieter dennoch verpflichtet, „einen bedeutenden Teil“ der öffentlichen Personenverkehrsdienste, mit denen er nach Maßgabe der Verordnung Nr. 1370/2007 betraut wurde, selbst zu erbringen. Drittens sind im öffentlichen Dienstleistungsauftrag die für eine Vergabe von Unteraufträgen geltenden Bedingungen festzulegen. Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in Art. 4 Abs. 7 Satz 2 vorgesehene Eigenerbringungspflicht eine Begrenzung nach unten darstellt und ob die zuständigen Behörden daher über ein weites Ermessen verfügen, um die Vergabe von Unteraufträgen noch weiter zu beschränken.

40.

Der Ausdruck „ein bedeutender Teil“ ist ungenau. Damit lässt er den zuständigen Behörden fraglos einen gewissen Spielraum. Hier ist anzumerken, dass die Verpflichtung des Betreibers, einen bedeutenden Teil der öffentlichen Personenverkehrsdienste zu erbringen, nicht mit der Verpflichtung gleichzusetzen ist, den überwiegenden Teil dieser Dienste zu erbringen ( 31 ). Daher verstehe ich Art. 4 Abs. 7 Satz 2 nicht so, dass er den gewählten Betreiber verpflichtet, „mindestens 50 %“ der betreffenden Dienstleistungen selbst zu erbringen. Diese Auslegung wird offenbar durch andere Sprachfassungen des Art. 4 Abs. 7 bestätigt ( 32 ).

41.

Hörmann Reisen trägt im Wesentlichen vor, dass die Verpflichtung in Art. 4 Abs. 7 eine Obergrenze für die Eigenerbringung setzt, die von den zuständigen Behörden festgelegt werden kann. Wie im 19. Erwägungsgrund festgestellt, könne die Vergabe von Unteraufträgen zu effizienteren öffentlichen Personenverkehrsleistungen beitragen. Daher dürften die zuständigen Behörden keine Eigenerbringungsquote auferlegen, die mehr als „einen bedeutenden Teil“ der fraglichen Dienstleistungen ausmache – wie etwa „die meisten“ oder „den ganz überwiegenden Teil“ dieser Dienstleistungen. Hörmann Reisen zieht daher den Schluss, dass die im Ausgangsverfahren streitige Mindestquote für die Eigenerbringung (70 %) mit Art. 4 Abs. 7 Satz 2 unvereinbar sei, sofern diese Bestimmung im vorliegenden Fall anwendbar sei.

42.

Ich stimme dieser Betrachtungsweise nicht zu. Aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 7 sowie dem Ziel und der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung ergibt sich, dass die in ihrem Satz 2 vorgesehene Eigenerbringungspflicht lediglich eine Untergrenze darstellt.

43.

Erstens ist die Verpflichtung aus Art. 4 Abs. 7 Satz 2 zusammen mit dem Grundsatz in Satz 1 zu lesen, dass in den Unterlagen des wettbewerblichen Vergabeverfahrens und den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen anzugeben ist, ob eine Vergabe von Unteraufträgen erlaubt ist („considered“ in der englischen Sprachfassung) und in welchem Umfang. Diesem Satz kann entnommen werden, dass die zuständigen Behörden ein weites Ermessen bei der Beschränkung der Vergabe von Unteraufträgen haben.

44.

Ferner kann nach Art. 4 Abs. 7 Satz 3 ein öffentlicher Auftraggeber bei einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag, „der gleichzeitig Planung, Aufbau und Betrieb öffentlicher Personenverkehrsdienste umfasst“, für diesen Auftrag „eine vollständige Übertragung … an Unterauftragnehmer vorsehen“ ( 33 ). Da Satz 3 eine Ausnahme zu der in Satz 2 vorgesehenen Regel bildet, legt sein Wortlaut nahe, dass Satz 2 lediglich eine Untergrenze festlegt.

45.

Darüber hinaus wäre es mit dem Ziel des Unionsgesetzgebers, den zuständigen Behörden Flexibilität einzuräumen, damit sie öffentliche Gelder bei der Organisation ihrer öffentlichen Personenverkehrsdienste bestmöglich nutzen, unvereinbar, wenn man ihnen verwehrte, ausgewählte Betreiber öffentlicher Dienstleistungen zu verpflichten, die meisten oder alle öffentlichen Personenverkehrsdienste selbst zu erbringen ( 34 ). Auch wäre dies angesichts des (zweifellos bestehenden) Rechts der zuständigen Behörden, sämtliche Formen der Vergabe von Unteraufträgen auszuschließen (dieses Recht folgt eindeutig aus der Formulierung in Art. 4 Abs. 7 Satz 1 „ist … anzugeben, ob … eine Vergabe von Unteraufträgen in Frage kommt“), kaum zu rechtfertigen.

46.

Schließlich wird meine Auslegung durch die Entstehungsgeschichte der Verordnung Nr. 1370/2007 gestützt. Art. 4 Abs. 7 Satz 2 stammt aus einem vom Europäischen Parlament in zweiter Lesung des Verfahrens eingebrachten Änderungsantrag ( 35 ). Der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr des Europäischen Parlaments begründete diesen wie folgt: „Wird der Einsatz von Fahrzeugen und Mitarbeitern ausschließlich auf Unterauftragnehmer, die wiederum Unterauftragnehmer einsetzen können, abgewälzt, sind hierdurch negative Auswirkungen auf bestehende Sozial- und Qualitätsstandards zu befürchten. Dem kann nur dadurch entgegengewirkt werden, dass das mit einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag betraute Unternehmen im Falle einer Unterauftragsvergabe verpflichtet ist, den überwiegenden Teil der öffentlichen Personenverkehrsdienste selbst zu erbringen …“ ( 36 ). Meines Erachtens ist klar, dass eine Bekanntmachung, die den ausgewählten Betreiber eines öffentlichen Dienstes verpflichtet, mehr als „einen bedeutenden Teil“ der öffentlichen Personenverkehrsdienste – oder sogar alle diese Dienste – selbst zu erbringen, dieses Ziel nicht untergraben kann.

47.

Vor diesem Hintergrund komme ich zu dem Schluss, dass ein öffentlicher Auftraggeber in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens nicht gegen das in Art. 4 Abs. 7 Satz 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 festgelegte Erfordernis verstößt, wenn er in der Bekanntmachung vorgibt, dass der erfolgreiche Bieter nicht berechtigt ist, für mehr als 30 % der öffentlichen Personenverkehrsdienste mit Bussen (gemessen an den Fahrplankilometern), mit denen er durch den öffentlichen Dienstleistungsauftrag betraut wird, Unteraufträge zu vergeben.

Ergebnis

48.

Nach alledem schlage ich vor, dass der Gerichtshof in Beantwortung der von der Vergabekammer Südbayern vorgelegten Fragen wie folgt entscheidet:

1.

Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates ist dahin auszulegen, dass öffentliche Dienstleistungsaufträge für Personenverkehrsdienste mit Bussen wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen gemäß der Definition in der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge annehmen und die nach Maßgabe dieser Richtlinie zu vergeben sind, durch die Verordnung Nr. 1370/2007 geregelt werden, mit Ausnahme der Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach Art. 5 Abs. 2 bis 6 dieser Verordnung. Derartige Aufträge unterliegen somit den besonderen in Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1370/2007 festgelegten Vorschriften über die Vergabe von Unteraufträgen.

2.

Aus Art. 4 Abs. 7 Satz 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 folgt, dass eine zuständige Behörde in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens in einer Bekanntmachung vorgeben kann, dass der erfolgreiche Bieter nicht berechtigt ist, für mehr als 30 % der öffentlichen Personenverkehrsdienste mit Bussen (gemessen an den Fahrplankilometern), mit denen er durch den öffentlichen Dienstleistungsauftrag betraut wird, Unteraufträge zu vergeben.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114). Die für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgebliche Fassung der Richtlinie ist die zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 1336/2013 der Kommission vom 13. Dezember 2013 (ABl. 2013, L 335, S. 17) geänderte Fassung. Die Richtlinie 2004/18 wurde mit Wirkung vom 18. April 2016 durch die Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18 (ABl. 2014, L 94, S. 65) aufgehoben und ersetzt.

( 3 ) Vgl. für eine Zusammenfassung der Rechtsprechung und der zugrunde liegenden Prinzipien meine Schlussanträge in der Rechtssache Wrocław – Miasto na prawach powiatu (C‑406/14, EU:C:2015:761, Nrn. 29 bis 43).

( 4 ) Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. 2007, L 315, S. 1). Durch die Verordnung Nr. 1370/2007 wurde die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates vom 26. Juni 1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs (ABl. 1969, L 156, S. 1) aufgehoben. Wie der sechste Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1370/2007 bestätigt, enthielt die Verordnung Nr. 1191/69 keine Bestimmungen über die Vergabe öffentlicher Verkehrsdienstleistungsaufträge.

( 5 ) Zum maßgeblichen Zeitpunkt galt die Richtlinie 2004/18 für öffentliche Dienstleistungsaufträge wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, deren geschätzter Wert netto ohne Mehrwertsteuer mindestens 207000 Euro betrug (Art. 7 Buchst. b erster Gedankenstrich der Richtlinie 2004/18).

( 6 ) Zweiter Erwägungsgrund.

( 7 ) 32. Erwägungsgrund.

( 8 ) Anhang II Teil A Kategorie 2.

( 9 ) Art. 5 Abs. 4.

( 10 ) Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 1.

( 11 ) ABl. 2015, S 47-81632.

( 12 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. September 2014, Bundesdruckerei (C‑549/13, EU:C:2014:2235, Rn. 20 bis 23).

( 13 ) Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134, S. 1).

( 14 ) Vgl. z. B. Urteil vom 10. April 2008, Ing. Aigner (C‑393/06, EU:C:2008:213, Rn. 26).

( 15 ) D. h. die „Bereitstellung oder das Betreiben von Netzen zur Versorgung der Allgemeinheit mit Verkehrsleistungen per Schiene, automatischen Systemen, Straßenbahn, Trolleybus, Bus oder Kabel“ (Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2004/17).

( 16 ) Aus Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/17 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. 1993, L 199, S. 84) ergibt sich, dass der Betrieb eines öffentlichen Busverkehrs vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/17 ausgenommen ist, sofern andere Unternehmen entweder allgemein oder für ein besonderes, geografisch abgegrenztes Gebiet die Möglichkeit haben, die gleiche Aufgabe unter den gleichen Bedingungen wie der betreffende Auftraggeber zu übernehmen.

( 17 ) Vgl. zuletzt Urteil vom 7. April 2016, Partner Apelski Dariusz (C‑324/14, EU:C:2016:214, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 18 ) Urteil vom 7. April 2016, Partner Apelski Dariusz (C‑324/14, EU:C:2016:214, Rn. 86).

( 19 ) Nach Art. 63 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24 können die öffentlichen Auftraggeber vorschreiben, dass „bestimmte kritische Aufgaben“ direkt vom Bieter selbst oder – wenn der Bieter einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern angehört – von einem Gruppenteilnehmer ausgeführt werden. Im Gegensatz zu Art. 25 der Richtlinie 2004/18 erlaubt diese Vorschrift daher ausdrücklich, die Untervergabe zu beschränken. Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Wrocław – Miasto na prawach powiatu (C‑406/14, EU:C:2015:761, Nr. 39).

( 20 ) Punkt II.2.1. Die Bekanntmachung sah auch die (optionale) Möglichkeit vor, einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag zu vergeben, der ungefähr 834500 km umfasst.

( 21 ) Vgl. Fn. 5 dieser Schlussanträge.

( 22 ) Vgl. Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18. Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/17 enthält eine vergleichbare Definition.

( 23 ) Vgl. u. a. Urteil vom 10. November 2011, Norma-A und Dekom (C‑348/10, EU:C:2011:721, Rn. 41).

( 24 ) Punkt III.1.2 der Bekanntmachung.

( 25 ) Art. 8 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1370/2007; vgl. Nr. 14 der vorliegenden Schlussanträge.

( 26 ) Vgl. u. a. Urteile vom 17. November 1983, Merck (292/82, EU:C:1983:335, Rn. 12), und vom 17. März 2016, Liffers (C‑99/15, EU:C:2016:173, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 27 ) Hervorhebung nur hier.

( 28 ) Art. 1 Abs. 2.

( 29 ) Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1.

( 30 ) Art. 4 Abs. 7 Satz 2 beschränkt diese Flexibilität jedoch, indem der gewählte Betreiber verpflichtet wird, „einen bedeutenden Teil der öffentlichen Personenverkehrsdienste“ selbst zu erbringen. Vgl. Nrn. 39 bis 47 der vorliegenden Schlussanträge.

( 31 ) Die letztere Formulierung wird in Art. 5 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung Nr. 1370/2007 verwendet. Diese Bestimmung betrifft jedoch die Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsleistungen durch einen „internen Betreiber“ und ist daher offenbar für das Ausgangsverfahren nicht einschlägig.

( 32 ) Vgl. z. B. die deutsche Fassung („einen bedeutenden Teil“), die spanische Fassung („una parte importante“), die französische Fassung („une partie importante“), die italienische Fassung („una parte importante“), die niederländische Fassung („een aanzienlijk deel“) und die schwedische Fassung („en stor del“).

( 33 ) Anzumerken ist, dass dem Vorlagebeschluss (und auch den Angaben, die dem Gerichtshof vorliegen) nichts zu entnehmen ist, was darauf hindeutet, dass der fragliche Auftrag über öffentliche Personenverkehrsdienste tatsächlich dieser Definition entspricht.

( 34 ) Vgl. Nrn. 35 und 36 der vorliegenden Schlussanträge.

( 35 ) Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Mai 2007 zu dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und Nr. 1107/70 des Rates, 13736/1/2006 – C6-0042/2007 – 2000/0212(COD) (ABl. 2008, C 76 E, S. 92).

( 36 ) Empfehlung des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr vom 4. April 2007 zu dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und Nr. 1107/70 des Rates, 13736/1/2006 – C6-0042/2007 –2000/0212(COD), Änderungsantrag 21. Zwar verwendet Art. 4 Abs. 7 den Ausdruck „einen bedeutenden Teil der“, statt „den überwiegenden Teil der“, jedoch ändert dies nichts an meiner im letzten Satz in Nr. 46 dargelegten Auffassung.