URTEIL DES GERICHTS (Neunte erweiterte Kammer)

13. Dezember 2018 ( *1 )

„Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Slowakischer Markt für Breitbandtelekommunikationsdienste – Zugang von Drittunternehmen zu den Teilnehmeranschlüssen des auf dem Markt etablierten Anbieters – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV und Art. 54 des EWR-Abkommens festgestellt wird – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Begriff ‚Missbrauch‘ – Verweigerung des Zugangs – Margenbeschneidung – Berechnung der Margenbeschneidung – Kriterium des ebenso effizienten Wettbewerbers – Verteidigungsrechte – Zurechnung der von der Tochtergesellschaft begangenen Zuwiderhandlung an die Muttergesellschaft – Bestimmender Einfluss der Muttergesellschaft auf die Geschäftspolitik der Tochtergesellschaft – Tatsächliche Ausübung – Beweislast – Berechnung der Geldbuße – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006 – Gesonderte, wegen Rückfälligkeit und Anwendung eines Abschreckungsmultiplikators allein gegen die Muttergesellschaft verhängte Geldbuße“

In der Rechtssache T-827/14

Deutsche Telekom AG mit Sitz in Bonn (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte K. Apel und D. Schroeder,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer, L. Malferrari, C. Vollrath und L. Wildpanner als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Slovanet, a.s. mit Sitz in Bratislava (Slowakei), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt P. Tisaj,

Streithelferin,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses C(2014) 7465 final der Kommission vom 15. Oktober 2014 in einem Verfahren nach Artikel 102 AEUV und Artikel 54 des EWR-Abkommens (Sache AT.39523 – Slovak Telekom) in der durch die Beschlüsse C(2014) 10119 final und C(2015) 2484 final der Kommission vom 16. Dezember 2014 bzw. 17. April 2015 berichtigten Fassung, soweit er die Klägerin betrifft, hilfsweise auf Aufhebung oder Herabsetzung der mit dem Beschluss gegen die Klägerin verhängten Geldbußen,

erlässt

DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters M. van der Woude in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, der Richter S. Gervasoni, L. Madise und R. da Silva Passos (Berichterstatter) sowie der Richterin K. Kowalik-Bańczyk,

Kanzler: N. Schall, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2018,

folgendes

Urteil ( 1 )

I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Die Klägerin, die Deutsche Telekom AG, ist der etablierte Telekommunikationsanbieter in Deutschland und Muttergesellschaft des Konzerns Deutsche Telekom. Sie war seit dem 4. August 2000 und während des gesamten in der vorliegenden Rechtssache relevanten Zeitraums zu 51 % an der Slovak Telekom, a.s., dem etablierten Telekommunikationsanbieter in der Slowakei beteiligt, deren übrige Anteile zu 34 % vom Wirtschaftsministerium der Slowakischen Republik und zu 15 % vom Fonds des nationalen Erbes der Slowakischen Republik (im Folgenden zusammen: slowakischer Staat) gehalten wurden.

2

Am 15. Oktober 2014 erließ die Europäische Kommission den Beschluss C(2014) 7465 final in einem Verfahren nach Artikel 102 AEUV und Artikel 54 des EWR-Abkommens (Sache AT.39523 – Slovak Telekom), der durch die Beschlüsse C(2014) 10119 final und C(2015) 2484 final vom 16. Dezember 2014 bzw. 17. April 2015 berichtigt wurde (im Folgenden: angefochtener Beschluss). Er ist an die Klägerin und an Slovak Telekom gerichtet. Slovak Telekom hat am 26. Dezember 2014 eine eigenständige Klage erhoben, mit der sie ebenfalls die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses begehrt (Rechtssache T‑851/14).

A. Technologischer Hintergrund, Sachverhalt und rechtlicher Rahmen des angefochtenen Beschlusses

3

Slovak Telekom ist als indirektes Nachfolgeunternehmen des im Jahr 1992 aufgelösten staatseigenen Post- und Telekommunikationsunternehmens der größte Telekommunikations- und Breitbandanbieter in der Slowakei. Das gesetzliche Monopol, das sie auf dem slowakischen Telekommunikationsmarkt innehatte, endete im Jahr 2000. Slovak Telekom bietet ein breites Spektrum an Daten- und Sprachdiensten an und ist Eigentümerin und Betreiberin von Kupferleitungs- und Glasfasernetzen und eines Mobilfunknetzes. Die Kupferleitungsnetze und das Mobilfunknetz decken fast das gesamte Territorium der Slowakei ab.

4

Der angefochtene Beschluss betrifft wettbewerbswidrige Praktiken auf dem slowakischen Markt für Breitbandinternetdienste. Er zielt im Wesentlichen auf die Bedingungen ab, die Slovak Telekom in der Slowakei von 2005 bis 2010 für den entbündelten Zugang anderer Wirtschaftsteilnehmer zu den kupferbasierten Teilnehmeranschlüssen festlegte.

5

Als Teilnehmeranschluss wird der physische Anschluss mit Doppelader-Metallleitung (auch „Leitung“ genannt) bezeichnet, über den der Netzabschlusspunkt in den Räumlichkeiten des jeweiligen Teilnehmers mit dem Hauptverteiler oder einer entsprechenden Einrichtung im öffentlichen Telefonfestnetz verbunden ist.

6

Der entbündelte Zugang zum Teilnehmeranschluss ermöglicht es den Neueintretenden – in Abgrenzung zu den etablierten Telekommunikationsnetzanbietern üblicherweise als „alternative Anbieter“ bezeichnet –, die bereits bestehende, diesen etablierten Anbietern gehörende Telekommunikationsinfrastruktur zu nutzen, um den Endnutzern verschiedene Dienstleistungen anzubieten, wobei sie in Wettbewerb mit den etablierten Anbietern treten. Zu den verschiedenen Telekommunikationsdienstleistungen, die über den Teilnehmeranschluss an die Endnutzer erbracht werden können, zählt die Breitbanddatenübertragung für einen festen Internetanschluss sowie für Multimediaanwendungen mittels der DSL-Technologie („digital subscriber line“, digitaler Teilnehmeranschluss).

7

Die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses wurde auf der Ebene der Europäischen Union insbesondere durch die Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss (ABl. 2000, L 336, S. 4) und die Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (ABl. 2002, L 108, S. 33) geregelt. Die Verordnung Nr. 2887/2000 verpflichtete die Betreiber „mit beträchtlicher Marktmacht“, entbündelten Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen zu gewähren („unbundled local loop“ oder ULL) und ein Standardangebot zu veröffentlichen. Diese Bestimmungen wurden in der Slowakei mit dem Zákon z 3. decembra 2003 č. 610/2003 Z.z. o elektronických komunikáciách, v znení neskorších predpisov (Gesetz Nr. 610/2003 vom 3. Dezember 2003 über die elektronische Kommunikation) in geänderter Fassung umgesetzt, das, mit bestimmten Ausnahmen, am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist.

8

Dieser Regelungsrahmen verpflichtete die Betreiber, denen von der nationalen Regulierungsbehörde eine beträchtliche Marktmacht zugeschrieben wurde (im Allgemeinen die etablierten Anbieter), im Wesentlichen zur Gewährung eines entbündelten Zugangs zu ihren Teilnehmeranschlüssen sowie zu den damit verbundenen Dienstleistungen an alternative Anbieter zu transparenten, fairen und diskriminierungsfreien Bedingungen sowie zur Aufrechterhaltung eines Standardangebots für einen solchen entbündelten Zugang. Die nationale Regulierungsbehörde hatte sicherzustellen, dass durch die Tarifgestaltung für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss auf Basis der Kosten ein fairer und nachhaltiger Wettbewerb gefördert wird. Dazu konnte die nationale Regulierungsbehörde u. a. Änderungen des Standardangebots verlangen.

9

Nach Durchführung einer Marktanalyse erließ die nationale slowakische Regulierungsbehörde für den Telekommunikationssektor (im Folgenden: TUSR) am 8. März 2005 die erstinstanzliche Entscheidung Nr. 205/14/2005, mit der sie Slovak Telekom als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf dem Vorleistungsmarkt für den Zugang zum entbündelten Teilnehmeranschluss im Sinne der Verordnung Nr. 2887/2000 bezeichnete. Die TUSR erlegte Slovak Telekom daraufhin verschiedene Verpflichtungen auf, u. a. die Verpflichtung zur Vorlage eines Standardangebots binnen 60 Tagen. Diese Entscheidung wurde von Slovak Telekom angefochten und am 14. Juni 2005 vom Vorsitzenden der TUSR bestätigt. Nach dieser bestätigenden Entscheidung war Slovak Telekom verpflichtet, allen Anträgen auf Entbündelung ihrer Teilnehmeranschlüsse, die als angemessen und begründet galten, stattzugeben und den Zugang zu gewähren, um es den alternativen Anbietern zu ermöglichen, diese Anschlüsse zu nutzen, um ihre eigene Leistungen auf dem „Endkundenmarkt (‚Massenmarkt‘)“ für Festnetz-Breitbanddienste in der Slowakei anzubieten. Der Beschluss vom 14. Juni 2005 verpflichtete Slovak Telekom auch, alle in Betracht gezogenen Änderungen am Standardangebot für entbündelte Teilnehmeranschlüsse mindestens 45 Tage im Voraus zu veröffentlichen und der TUSR zu übermitteln.

10

Am 12. August 2005 veröffentlichte Slovak Telekom ihr Standardangebot für entbündelte Teilnehmeranschlüsse (im Folgenden: Standardangebot). Dieses Angebot, das bis Ende 2010 neunmal geändert wurde, enthält die vertraglichen und technischen Bedingungen für einen Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom. Auf Vorleistungsebene bietet Slovak Telekom Zugang zu Teilnehmeranschlüssen an, der in oder bei einem Hauptverteiler entbündelt ist, bis zu dem der zugangswillige alternative Anbieter sein eigenes Zentralnetz ausgebaut hat.

11

Nach dem angefochtenen Beschluss deckte das Teilnehmeranschlussnetz von Slovak Telekom, das für die Bereitstellung von Breitbanddiensten verwendet werden könnte, in der Zeit von 2005 bis 2010 75,7 % aller slowakischen Haushalte ab, nachdem die betroffenen Anschlüsse von diesem Betreiber entbündelt worden seien. Diese Abdeckung habe sich auf alle Teilnehmeranschlüsse des Metallleitungsnetzes von Slovak Telekom erstreckt, die zur Übertragung eines Breitbandsignals geeignet gewesen seien. In diesem Zeitraum seien allerdings ab dem 18. Dezember 2009 nur wenige Teilnehmeranschlüsse von Slovak Telekom entbündelt und von nur einem alternativen Anbieter im Hinblick auf die Bereitstellung von Breitbanddiensten für Geschäftskunden genutzt worden.

B. Verfahren vor der Kommission

12

Die Kommission leitete im vorliegenden Fall von Amts wegen eine Untersuchung u. a. der Bedingungen für einen entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom ein. Im Anschluss an Auskunftsverlangen vom 13. Juni 2008, die an alternative Anbieter gerichtet waren, und an eine unangekündigte Prüfung in den Räumlichkeiten von Slovak Telekom vom 13. bis 15. Januar 2009 beschloss die Kommission am 8. April 2009, gegen diese Gesellschaft ein förmliches Prüfverfahren im Sinne des Art. 2 ihrer Verordnung (EG) Nr. 773/2004 vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101 AEUV] und [102 AEUV] durch die Kommission (ABl. 2004, L 123, S. 18) einzuleiten.

13

Die Untersuchung wurde in Form von zusätzlichen Auskunftsverlangen an alternative Anbieter und an die TUSR sowie einer angekündigten Prüfung am 13. und 14. Juli 2009 in den Räumlichkeiten von Slovak Telekom fortgesetzt.

14

Slovak Telekom gab in mehreren zwischen dem 11. August 2009 und dem 31. August 2010 an die Kommission gerichteten schriftlichen Sachvorträgen an, dass aus ihrer Sicht keine Grundlage für die Annahme bestehe, dass sie vorliegend gegen Art. 102 AEUV verstoßen habe.

15

Im Rahmen der Untersuchung lehnte Slovak Telekom die Vorlage von Informationen zum Zeitraum vor dem 1. Mai 2004, dem Datum des Beitritts der Slowakischen Republik zur Union, ab. Sie erhob beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung zum einen der Entscheidung C(2009) 6840 der Kommission vom 3. September 2009 in einem Verfahren nach Artikel 18 Absatz 3 und Artikel 24 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 AEUV] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) und zum anderen der Entscheidung C(2010) 902 der Kommission vom 8. Februar 2010 in einem Verfahren nach Artikel 18 Absatz 3 und Artikel 24 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1/2003. Mit Urteil vom 22. März 2012, Slovak Telekom/Kommission (T‑458/09 und T‑171/10, EU:T:2012:145), hat das Gericht die gegen diese Entscheidungen erhobenen Klagen abgewiesen.

16

Am 13. Dezember 2010 beschloss die Kommission nach Auskunftsverlangen an die Klägerin, gegen diese ein förmliches Prüfverfahren im Sinne von Art. 2 der Verordnung Nr. 773/2004 einzuleiten.

17

Am 7. Mai 2012 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an Slovak Telekom. Diese Mitteilung der Beschwerdepunkte wurde am Folgetag der Klägerin übersandt. In dieser Mitteilung der Beschwerdepunkte legte die Kommission ihren vorläufigen Standpunkt dar, dass sich Slovak Telekom mutmaßlich eines Verstoßes gegen Art. 102 AEUV schuldig gemacht habe, indem sie die Margen ihrer Wettbewerber beim entbündelten Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen sowie auf den regionalen und nationalen Vorleistungsmärkten für Breitbandzugangsdienste beschnitten und den alternativen Anbietern den Zugang zu bestimmten Vorleistungen verweigert habe. Außerdem vertrat sie die vorläufige Auffassung, dass die Klägerin, weil sie im relevanten Zeitraum Muttergesellschaft von Slovak Telekom gewesen sei, für diese Zuwiderhandlung hafte.

18

Nach Einsicht der Akten erwiderten Slovak Telekom und die Klägerin jeweils am 5. September 2012 auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte. Am 6. und 7. November 2012 wurde daraufhin eine mündliche Anhörung durchgeführt.

19

Am 21. Juni 2013 legte Slovak Telekom der Kommission ein Angebot mit Verpflichtungszusagen zur Entkräftung der Einwendungen der Kommission aus wettbewerbsrechtlicher Sicht vor und bat diese, anstelle eines Verbotsbeschlusses einen Beschluss über Verpflichtungszusagen im Sinne des Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 zu erlassen. Die Kommission erachtete diese Verpflichtungszusagen jedoch als unzureichend und beschloss deshalb, das Verfahren fortzusetzen.

20

Die Kommission richtete an Slovak Telekom am 6. Dezember 2013 und an die Klägerin am 10. Januar 2014 ein Sachverhaltsschreiben, um ihnen Gelegenheit zu geben, Stellung zu zusätzlichen Beweismitteln zu nehmen, die die Kommission nach Übermittlung der Mitteilung der Beschwerdepunkte erhalten habe. Die Kommission gab an, dass diese Beweismittel, zu denen Slovak Telekom und die Klägerin Zugang gehabt hätten, für einen möglichen endgültigen Beschluss verwendet werden könnten.

21

Slovak Telekom und die Klägerin erwiderten am 21. Februar bzw. am 6. März 2014 auf das Sachverhaltsschreiben.

22

Die Kommission informierte bei Besprechungen mit Slovak Telekom (16. September 2014) und mit der Klägerin (29. September 2014) darüber, dass der Erlass eines Beschlusses auf der Grundlage des Art. 7 der Verordnung Nr. 1/2003 in Betracht gezogen werde.

C. Angefochtener Beschluss

23

Im angefochtenen Beschluss vertritt die Kommission die Auffassung, dass das Unternehmen, das Slovak Telekom und die Klägerin bildeten, vom 12. August 2005 bis zum 31. Dezember 2010 (im Folgenden: relevanter Zeitraum) eine einzige und ununterbrochene Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV und Art. 54 des EWR-Abkommens im Zusammenhang mit Breitbanddiensten in der Slowakei begangen habe.

1.   Bestimmung der relevanten Märkte und beherrschende Stellung von Slovak Telekom auf diesen Märkten

24

Im angefochtenen Beschluss bestimmt die Kommission zwei sachlich relevante Märkte:

den Endkundenmarkt („Massenmarkt“) für an festen Standorten angebotene Breitbanddienste;

den Vorleistungsmarkt für den Zugang zu entbündelten Teilnehmeranschlüssen.

25

In räumlicher Hinsicht erstreckt sich der relevante Markt nach dem angefochtenen Beschluss auf das gesamte Hoheitsgebiet der Slowakei.

26

Nach den Feststellungen der Kommission hatte Slovak Telekom im relevanten Zeitraum eine Monopolstellung auf dem Vorleistungsmarkt für den entbündelten Zugang zu entbündelten Teilnehmeranschlüssen inne und war kein unmittelbarer Wettbewerbsdruck in Form tatsächlicher oder potenzieller Wettbewerbskräfte oder einer ausgleichenden Nachfragemacht gegeben, der die Marktmacht dieser Gesellschaft einschränken würde. Slovak Telekom habe daher im relevanten Zeitraum eine beherrschende Stellung auf diesem Markt gehabt. In diesem Zeitraum habe Slovak Telekom auch auf dem Endkundenmarkt („Massenmarkt“) für an festen Standorten angebotene Breitbanddienste eine beherrschende Stellung gehabt.

2.   Verhalten von Slovak Telekom

a)   Verweigerung des entbündelten Zugangs zu ihren Teilnehmeranschlüssen

27

Im ersten Teil ihrer mit „Zugangsverweigerung“ überschriebenen Analyse hält die Kommission fest, dass Slovak Telekom, obwohl mehrere alternative Anbieter ein großes Interesse an einem Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen zum Ausdruck gebracht hätten, um mit ihr auf dem Endkundenmarkt für Breitbanddienste zu konkurrieren, im Standardangebot missbräuchliche Modalitäten und Bedingungen festgesetzt habe, um einen solchen Zugang inakzeptabel werden zu lassen. Slovak Telekom habe so den Zugang zu diesem Endkundenmarkt für Breitbanddienste verzögert, erschwert bzw. verhindert.

28

Als Erstes setze ein entbündelter Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen durch einen alternativen Anbieter voraus, dass dieser zuvor hinreichende und angemessene Informationen über das Netz des etablierten Unternehmens erhalte. Diese Informationen müssten es dem betreffenden alternativen Anbieter erlauben, sein Geschäftspotenzial abzuschätzen und auf der Grundlage entbündelter Zugänge zu Teilnehmeranschlüssen geeignete Pläne für das Endkundengeschäft zu erarbeiten. Im vorliegenden Fall habe das Standardangebot dieses Informationsbedürfnis der alternativen Anbieter jedoch nicht erfüllt.

29

So liefere das Standardangebot trotz der durch den maßgebenden rechtlichen Rahmen (siehe oben, Rn. 7 und 8) festgelegten Regelungen keine derartigen Grundinformationen über die physischen Zugangsorte und die Verfügbarkeit von Teilnehmeranschlüssen in bestimmten Teilen des Netzes. Den alternativen Anbietern seien derartige Informationen nur auf Antrag gegen Zahlung einer Gebühr innerhalb von fünf Tagen nach Inkrafttreten einer Vertraulichkeitsvereinbarung mit Slovak Telekom und nur gegen Vorlage einer Bankgarantie offengelegt worden. Diese Erfordernisse hätten die Mitteilung der relevanten Informationen an die alternativen Anbieter ungebührlich verzögert und erschwert und diese so von Bemühungen um Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom abgeschreckt.

30

Auch im Fall eines Zugangs auf Antrag seien die von Slovak Telekom mitgeteilten Informationen unzureichend gewesen. Konkret habe Slovak Telekom keine Informationen über die Verfügbarkeit ihrer Teilnehmeranschlüsse mitgeteilt, obwohl die alternativen Anbieter diese Informationen zwingend benötigt hätten, um ihre Geschäftspläne rechtzeitig zu erstellen und die Geschäftspotenziale einer Entbündelung zu bestimmen. Sie hätte nicht nur ein Verzeichnis der Hauptverteiler und ähnlicher Einrichtungen mitteilen müssen, sondern auch Beschreibungen der geografischen Abdeckung der jeweiligen Vermittlungsstellen, die aktuelle Auslastung der Kabelinfrastruktur (in %) für DSL-Dienste, den Stand des Ausbaus der Einrichtung des Pulsmodulationsverfahrens („pulse code modulation“, PCM) in Bezug auf die Kabel, die an die betreffenden Hauptverteiler angeschlossen seien, Namen und Funktionen der Verteiler sowie die Art ihrer Benutzung in den technischen und methodischen Leitlinien von Slovak Telekom wie auch die maximale Länge homogener Leitungen zum Teilnehmeranschluss. Im Übrigen sei sich Slovak Telekom der Problematik durchaus bewusst gewesen, die für die alternativen Anbieter mit diesen Zugangsbedingungen zu Informationen und dem beschränkten Umfang der bereitgestellten Informationen verbunden gewesen sei. Des Weiteren stellte die Kommission fest, dass das Entbündelungs-Standardangebot von Slovak Telekom von Anfang an die Verhängung finanzieller Sanktionen für den Fall unvollständiger Zugangsanträge vorgesehen habe, obwohl diese Gesellschaft erst im Mai 2009 ein Muster für Entbündelungsanträge von alternativen Anbietern veröffentlicht habe.

31

Als Zweites habe Slovak Telekom ungerechtfertigterweise den Umfang der Verpflichtung zur Entbündelung von Teilnehmeranschlüssen reduziert.

32

So habe Slovak Telekom erstens die „passiven“ Leitungen, d. h. Leitungen, die physisch zwar vorhanden, aber nicht in Gebrauch gewesen seien, zu Unrecht von dieser Verpflichtung ausgenommen. Durch diese Vorgehensweise habe sie eine erhebliche Anzahl an potenziellen Kunden für sich reserviert, die ihre Breitbandleistungen noch nicht gekauft hätten, aber an ihr Netz angeschlossen gewesen seien, obwohl die maßgeblichen regulatorischen Rahmenbedingungen keine Einschränkung der Entbündelungsverpflichtung auf lediglich aktive Leitungen vorsähen und der betreffende Markt im Wachstum begriffen gewesen sei. Die von Slovak Telekom vorgenommene Beschränkung sei durch keinerlei objektive technische Gründe gerechtfertigt gewesen.

33

Zweitens habe Slovak Telekom zu Unrecht die von ihr als „konfliktverursachende Dienste“ eingestuften Dienste von ihrer Entbündelungsverpflichtung ausgenommen, d. h. jene Dienste, die sie anbieten konnte und die in Konflikt mit der Bereitstellung des Zugangs zu einem Teilnehmeranschluss für einen alternativen Anbieter geraten konnten. Abgesehen davon, dass der Begriff der konfliktverursachenden Dienste selbst vage sei, sei die von Slovak Telekom einseitig erstellte Liste solcher Dienste offen und führe folglich zu Unsicherheit für die alternativen Anbieter. Diese Einschränkung habe den alternativen Anbietern eine große Zahl an potenziellen Kunden vorenthalten, die Slovak Telekom vorbehalten und daher dem Endkundenmarkt entzogen gewesen seien.

34

Drittens hält die Kommission die von Slovak Telekom im Standardangebot festgelegte Regel, nach der nur 25 % der in einem vielpaarigen Kabel enthaltenen Teilnehmeranschlüsse für die Bereitstellung von Breitbanddiensten verwendet werden konnten, um Übersprechen und Interferenzen zu vermeiden, für ungerechtfertigt. Diese Regel sei nicht gerechtfertigt, da sie allgemein und abstrakt sei und weder die Kabeleigenschaften noch die konkrete Mischung der Übertragungstechniken berücksichtige. Diesbezüglich zeige die Praxis in anderen Mitgliedstaaten das Bestehen von Alternativen zu solchen abstrakten Vorausbeschränkungen auf, wie beispielsweise den Grundsatz einer 100%‑Kabelfüllung in Verbindung mit der A-posteriori-Lösung aller konkreten Probleme, die sich aus Spektruminterferenzen ergäben. Schließlich habe Slovak Telekom auf sich selbst eine Maximalkabelnutzungsregelung von 63 % angewandt, die weniger streng sei als jene, die sie den alternativen Anbietern auferlegt habe.

35

Als Drittes habe Slovak Telekom schließlich im Standardangebot mehrere unfaire Bedingungen für den entbündelten Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen festgelegt.

36

Erstens hat Slovak Telekom laut dem angefochtenen Beschluss in das Standardangebot unfaire Bedingungen bezüglich der Kollokation aufgenommen, die sie in diesem Angebot definiere als „Bereitstellung von Platz und der benötigten technischen Ausrüstung für die geeignete Unterbringung von Telekommunikationseinrichtungen des entsprechend befugten Anbieters zum Zweck der Bereitstellung von Dienstleistungen für Endkunden des befugten Anbieters über Zugänge zu den betreffenden Teilnehmeranschlüssen“. Das derart geschaffene Hindernis für die alternativen Anbieter ergebe sich konkret aus folgenden Umständen: (1) Die Bedingungen hätten eine vorläufige Prüfung der Kollokationsmöglichkeiten vorgeschrieben, die objektiv nicht notwendig gewesen sei; (2) die alternativen Anbieter hätten die Bestimmung der Kollokationsform durch Slovak Telekom nur unter Zahlung zusätzlicher Gebühren anfechten können; (3) das Auslaufen des Reservierungszeitraums nach der Unterrichtung des alternativen Anbieters über das Ergebnis der vorläufigen oder detaillierten Prüfung ohne Abschluss der Kollokationsvereinbarung habe bewirkt, dass das Verfahren der vorläufigen oder detaillierten Prüfung habe in vollem Umfang wiederholt werden müssen; (4) Slovak Telekom sei bei der Bearbeitung zusätzlicher detaillierter Prüfungen, die sich im Zuge der Verhandlungen ergeben hätten, an keinerlei Fristen gebunden gewesen und habe das Recht gehabt, einen Kollokationsentwurf während der Frist bis zur Annahme eines Angebots durch den betreffenden alternativen Anbieter ohne Begründung und ohne Rechtsfolgen zurückzuziehen; (5) Slovak Telekom habe sich zu keinem präzisen Zeitrahmen für die Umsetzung der Kollokation verpflichtet; (6) Slovak Telekom habe einseitig unfaire und intransparente Kollokationsgebühren verlangt.

37

Zweitens seien die alternativen Anbieter nach dem Standardangebot verpflichtet gewesen, für jeden einzelnen Kollokationsraum für zwölf Monate im Voraus monatliche Prognosen der zu erwartenden Anträge auf Eignungsprüfung der Teilnehmeranschlüsse vorzulegen, bevor sie einen Antrag auf Eignungsprüfung des entsprechenden Teilnehmeranschlusses hätten stellen können. Dieses Erfordernis verlange aber von den alternativen Anbietern, Prognosen zu einer Zeit vorzulegen, zu der sie gar nicht in der Lage seien, ihren Bedarf an entbündelten Teilnehmeranschlüssen zu schätzen. Darüber hinaus bemängelt die Kommission den Umstand, dass bei Nichteinhaltung der Prognosebestimmungen Strafzahlungen verhängt worden seien, sowie den zwingenden Charakter der Prognoseverpflichtung und das Fehlen einer Frist für die Antwort von Slovak Telekom auf einen Antrag auf Eignungsprüfung bei Abweichung des Antrags von dem prognostizierten Volumen.

38

Drittens sei das verpflichtende Eignungsprüfungsverfahren, das es den alternativen Anbietern in der Phase der Eignungsprüfung habe ermöglichen sollen, zu bestimmen, ob sich ein spezieller Teilnehmeranschluss für die DSL-Technologie oder eine andere Breitbandtechnologie eigne, die sie zu nutzen beabsichtigten, bevor sie tatsächlich einen festen Antrag zur Entbündelung stellten, so ausgestaltet gewesen, dass diese Anbieter von der Beantragung eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom abgeschreckt worden seien. So sei zwar eine Überprüfung der Eignung der Teilnehmeranschlüsse für die Entbündelung bzw. der Grundvoraussetzungen für die Entbündelung einer spezifischen Leitung notwendig, jedoch habe die Abkopplung dieses Eignungsprüfungsverfahrens von dem eigentlichen Antrag auf Zugang zum Teilnehmeranschluss die Entbündelung unnötig verzögert und für die alternativen Anbieter zusätzliche Kosten verursacht. Außerdem seien mehrere im Rahmen des Eignungsprüfungsverfahrens untersuchte Gesichtspunkte überflüssig gewesen. Des Weiteren verweist die Kommission auf den ungerechtfertigten Charakter des auf zehn Tage begrenzten Gültigkeitszeitraums der Eignungsprüfung eines Teilnehmeranschlusses, nach dessen Ablauf die Stellung eines Zugangsantrags nicht mehr möglich gewesen sei.

39

Viertens habe das Standardangebot nachteilige Bedingungen in Bezug auf Reparaturen, Instandhaltung und Wartung enthalten, und zwar wegen (1) des Fehlens einer angemessenen Definition der „planmäßigen“ und „außerplanmäßigen Arbeiten“, (2) mangelnder Klarheit der Unterscheidung zwischen „außerplanmäßigen Arbeiten“ und einfachen „Störungen“, was zu ungerechtfertigtem Verhalten seitens Slovak Telekom führen könnte, (3) sehr kurzer Fristen für die Unterrichtung eines alternativen Anbieters über solche Arbeiten und für die Weiterleitung dieser Information an dessen Kunden sowie (4) der Verlagerung der Verantwortung für reparaturbedingte Unterbrechungen der Dienste auf den alternativen Anbieter, wenn dieser als nicht kooperativ angesehen worden sei.

40

Fünftens betrachtet die Kommission einige Bedingungen für die von jedem alternativen Anbieter, der mit Slovak Telekom eine Kollokationsvereinbarung abschließen und letztlich einen Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen erlangen wollte, geforderte Bankbürgschaft als unfair. So habe Slovak Telekom zunächst bei der Annahme oder Ablehnung einer Bankbürgschaft über einen zu großen Ermessensspielraum verfügt und habe diesbezüglich keiner Frist unterlegen. Ferner stehe der auf 66387,84 Euro festgelegte Betrag der Bürgschaft in keinem angemessenen Verhältnis zu Risiko und Kosten von Slovak Telekom, zumal es das Standardangebot von Slovak Telekom erlaube, bei Inanspruchnahme eine Vervielfachung dieser Bürgschaft zu verlangen, wobei der ursprüngliche Betrag der Bankbürgschaft bis zum 12‑Fachen erhöht werden könne. Darüber hinaus sei Slovak Telekom in der Lage gewesen, die Bankbürgschaft nicht nur zur Abdeckung einer Nichtzahlung für tatsächlich von ihr bereitgestellte Dienstleistungen, sondern auch für jedwede sonstige Schadensersatzansprüche in Anspruch zu nehmen, die sie habe geltend machen können. Im Übrigen habe Slovak Telekom die Bankbürgschaft abrufen können, ohne nachweisen zu müssen, dass sie den Schadensersatzpflichtigen zur Leistung aufgefordert habe, und ohne dass der Schadensersatzpflichtige die Möglichkeit gehabt hätte, sich dagegen zu wehren. Schließlich hätten die alternativen Anbieter von keiner vergleichbaren Bürgschaft profitiert, obwohl ihnen aus dem Verhalten von Slovak Telekom in Verbindung mit dem entbündelten Zugang zu Teilnehmeranschlüssen beträchtliche Verluste entstehen könnten.

41

Die Kommission kam zu dem Schluss, dass all diese Aspekte des Verhaltens von Slovak Telekom in der Gesamtschau eine Verweigerung des entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlüssen dieses Anbieters ergeben hätten.

b)   Beschneidung der Margen der alternativen Anbieter bei der Bereitstellung des entbündelten Zugangs zu ihren Teilnehmeranschlüssen

42

Im zweiten Teil ihrer Analyse des Verhaltens von Slovak Telekom stellt die Kommission das Vorliegen einer Margenbeschneidung durch Handlungen dieser Gesellschaft hinsichtlich des entbündelten Zugangs zu ihren Teilnehmeranschlüssen fest, was eine eigenständige Form des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung darstelle. So sei die Differenz zwischen den Preisen, die Slovak Telekom den alternativen Anbietern für die Bereitstellung des entbündelten Zugangs zu ihren Teilnehmeranschlüssen berechnet habe, und den Preisen, die diese Gesellschaft ihren eigenen Kunden berechnet habe, entweder negativ oder zumindest nicht ausreichend gewesen, um es ebenso effizienten Marktteilnehmern wie Slovak Telekom zu ermöglichen, die spezifischen Kosten zu decken, die Letztere zur Erbringung ihrer eigenen Produkte und Dienstleistungen auf dem nachgelagerten Markt, d. h. dem Endkundenmarkt, tragen müsse.

43

Bei dem Szenario eines ausschließlich Breitbanddienste beinhaltenden Dienstleistungsportfolios wäre ein ebenso effizienter Wettbewerber mittels eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom in der Lage gewesen, das gesamte Portfolio an DSL-Produkten zu reproduzieren, das Slovak Telekom im Laufe der Zeit entwickelt habe. Die Methode der Berücksichtigung getrennter Zeiträume (d. h. die Berechnung der verfügbaren Margen für jedes Jahr von 2005 bis 2010) zeige aber, dass einem ebenso effizienten Wettbewerber wie Slovak Telekom negative Margen entstanden wären und dass dieser Wettbewerber das von Slovak Telekom angebotene Breitbanddienstportfolio auf dem Endkundenmarkt daher nicht wirtschaftlich hätte reproduzieren können.

44

Auch bei dem Szenario eines Portfolios, das aufgrund eines vollständigen Zugangs zum entbündelten Teilnehmeranschluss neben Breitbanddiensten auch Sprachtelefoniedienste beinhaltet, wäre ein ebenso effizienter Wettbewerber wie Slovak Telekom aufgrund der von dieser Gesellschaft auf dem Vorleistungsmarkt für den entbündelten Zugang berechneten Preise nicht in der Lage gewesen, im Zeitraum von 2005 bis 2010 auf dem relevanten Endkundenmarkt rentabel tätig zu sein. Ein ebenso effizienter Wettbewerber hätte demnach das von Slovak Telekom angebotene Portfolio in diesem Zeitraum nicht rentabel reproduzieren können. Diese Feststellung werde auch durch das Hinzurechnen von ab dem Jahr 2007 verfügbaren Multiplay-Diensten zu diesem Referenzportfolio nicht berührt.

45

Da weder Slovak Telekom noch die Klägerin im Verwaltungsverfahren eine sachliche Rechtfertigung für ihr Verhalten mit Verdrängungswirkung vorgebracht hätten, sei das Verhalten von Slovak Telekom im relevanten Zeitraum als missbräuchliche Margenbeschneidung zu beurteilen.

3.   Analyse der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen des Verhaltens von Slovak Telekom

46

Die Kommission vertritt die Auffassung, dass diese beiden Verhaltensweisen von Slovak Telekom, nämlich die Verweigerung des entbündelten Zugangs zu ihren Teilnehmeranschlüssen und die Beschneidung der Margen der alternativen Anbieter, geeignet gewesen seien, alternative Anbieter am Zutritt zum slowakischen Endkundenmarkt („Massenmarkt“) für an festen Standorten angebotene Breitbanddienste mittels eines entbündelten Zugangs zu hindern. Die Verhaltensweisen hätten den Wettbewerb auf diesem Markt behindert, da für die konkurrierenden Anbieter keine tatsächliche rentable Alternative zu einem effizienten DSL-basierten Breitbandzugang auf der Grundlage entbündelter Teilnehmeranschlüsse bestanden habe. Die Auswirkungen des Verhaltens von Slovak Telekom auf den Wettbewerb seien umso stärker ausgeprägt gewesen, als der Endkundenmarkt für Breitbanddienste während des relevanten Zeitraums ein starkes Wachstumspotenzial aufgewiesen habe.

47

Des Weiteren habe diese Blockierung des Zugangs zur Entbündelung des Teilnehmeranschlusses den alternativen Anbietern eine Einkunftsquelle vorenthalten, die ihnen die Vornahme weiterer Investitionen in das Netz ermöglicht hätte (Konzept der „Investitionsleiter“), insbesondere in Form der Entwicklung ihres eigenen Zugangsnetzes, um ihre Endkunden direkt anzuschließen.

48

Die Kommission gelangt zu dem Ergebnis, dass das wettbewerbswidrige Verhalten von Slovak Telekom auf dem slowakischen Endkundenmarkt („Massenmarkt“) für an festen Standorten angebotene Breitbanddienste geeignet gewesen sei, negative Auswirkungen auf den Wettbewerb nach sich zu ziehen und angesichts der das gesamte Gebiet der Slowakei umfassenden geografischen Ausdehnung den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

4.   Adressaten des angefochtenen Beschlusses und Geldbußen

49

Nach dem angefochtenen Beschluss war die Klägerin während des gesamten relevanten Zeitraums nicht nur in der Lage, einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik von Slovak Telekom auszuüben, sondern hat diesen Einfluss auch tatsächlich ausgeübt. Die Kommission nahm an, dass die Klägerin und Slovak Telekom zu ein und demselben Unternehmen gehörten, und machte deshalb beide Gesellschaften für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV, die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist, haftbar.

50

Was die Ahndung der Zuwiderhandlung angeht, weist die Kommission darauf hin, dass der Betrag der Geldbußen nach den Grundsätzen ihrer Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2; im Folgenden: Leitlinien von 2006) festgesetzt worden sei.

51

Die Kommission berechnete zunächst den Grundbetrag der Geldbuße. Sie legte dabei 10 % des Umsatzes zugrunde, den Slovak Telekom im letzten vollständigen Geschäftsjahr, in dem sie an der Zuwiderhandlung beteiligt war (2010), auf dem Markt für den entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen und auf dem Endkundenmarkt für an einem festen Standort angebotene Breitbanddienste erzielt hatte. Sie multiplizierte diesen Anteil am Umsatz mit dem Faktor 5,33, um die Dauer der Zuwiderhandlung (fünf Jahre und vier Monate) zu berücksichtigen. Dies ergab einen Grundbetrag von 38838000 Euro. Es handelt sich um die erste für die betreffende Zuwiderhandlung verhängte Geldbuße, für die Slovak Telekom und die Klägerin nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a des angefochtenen Beschlusses gesamtschuldnerisch haften.

52

Sodann nahm die Kommission eine zweifache Anpassung dieses Grundbetrags vor. Als Erstes stellte sie fest, dass die Klägerin vor der Begehung der Zuwiderhandlung, um die es hier geht, bereits mit ihrer Entscheidung 2003/707/EG vom 21. Mai 2003 in einem Verfahren nach Artikel 82 [EG] (Sachen COMP/37.451, 37.578, 37.579 – Deutsche Telekom AG) (ABl. 2003, L 263, S. 9, im Folgenden: Entscheidung Deutsche Telekom) für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV wegen einer Margenbeschneidung im Telekommunikationssektor haftbar gemacht worden sei und dass sie, als diese Entscheidung ergangen sei, bereits zu 51 % an Slovak Telekom beteiligt und in der Lage gewesen sei, einen beherrschenden Einfluss auf diese Gesellschaft auszuüben. Folglich müsse bei der Klägerin der Grundbetrag wegen Rückfälligkeit um 50 % erhöht werden. Als Zweites stellte die Kommission fest, dass der weltweite Umsatz der Klägerin im Jahr 2013 60,132 Mrd. Euro betragen habe und dass zur Gewährleistung einer ausreichenden Abschreckung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße auf den Grundbetrag ein Multiplikator von 1,2 anzuwenden sei. Das Ergebnis dieser zweifachen Anpassung des Grundbetrags, nämlich 31070000 Euro, führt nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des angefochtenen Beschlusses zu einer gesonderten, nur gegen die Klägerin verhängten Geldbuße.

5.   Verfügender Teil des angefochtenen Beschlusses

53

Die Art. 1 und 2 des angefochtenen Beschlusses lauten:

„Artikel 1

(1)   Das Unternehmen bestehend aus Slovak Telekom a.s. / Deutsche Telekom AG hat eine einzige und ununterbrochene Zuwiderhandlung gegen Artikel 102 AEUV und Artikel 54 des EWR-Abkommens begangen.

(2)   Die Zuwiderhandlung dauerte vom 12. August 2005 bis zum 31. Dezember 2010 und bestand in den folgenden Verhaltensweisen:

(1)

Zurückhaltung netzrelevanter Informationen, die für die Entbündelung der Teilnehmeranschlüsse erforderlich sind, gegenüber alternativen Anbietern;

(2)

Verringerung des Umfangs seiner Verpflichtungen in Bezug auf die entbündelten Teilnehmeranschlüsse;

(3)

Festsetzung unfairer Bedingungen in seinem Standardangebot für entbündelte Teilnehmeranschlüsse in Bezug auf Kollokation, Eignungsprüfung, Vorlage von Prognosen, Reparaturen und Bankbürgschaften;

(4)

Anwendung unfairer Tarife, die es einem ebenso effizienten Wettbewerber, der auf der Vorleistungsebene auf den entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom a.s. angewiesen ist, unmöglich machen, ebenso umfassende Breitbanddienste für Endkunden wie Slovak Telekom a.s. aufzubauen, ohne Verluste zu verzeichnen.

Artikel 2

Für die in Artikel 1 genannte Zuwiderhandlung werden folgende Geldbußen verhängt:

(a)

gegen die Deutsche Telekom AG und die Slovak Telekom a.s. gesamtschuldnerisch eine Geldbuße von 38838000 EUR;

(b)

gegen die Deutsche Telekom AG eine Geldbuße von 31070000 EUR.

…“

II. Verfahren und Anträge der Parteien

[nicht wiedergegeben]

70

Die Klägerin beantragt,

den angefochtenen Beschluss für ganz oder teilweise nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft, hilfsweise, die gegen sie verhängten Geldbußen aufzuheben oder herabzusetzen;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

71

Die Kommission und die Streithelferin, Slovanet, beantragen,

die Klage abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdingung

72

Die Klägerin macht fünf Klagegründe geltend. Sie beziehen sich sowohl auf den Klageantrag auf vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses als auch auf den Hilfsantrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbußen. Gerügt werden Rechts- und Tatsachenfehler bei der Anwendung von Art. 102 AEUV auf das missbräuchliche Verhalten von Slovak Telekom und eine Verletzung der Verteidigungsrechte (erster Klagegrund), Rechts- und Tatsachenfehler hinsichtlich der Dauer des missbräuchlichen Verhaltens von Slovak Telekom (zweiter Klagegrund), Rechts- und Tatsachenfehler bei der Zurechnung des missbräuchlichen Verhaltens von Slovak Telekom an die Klägerin wegen der Zugehörigkeit zu ein und demselben Unternehmen (dritter Klagegrund), ein Verstoß gegen den unionsrechtlichen Unternehmensbegriff und gegen den Grundsatz der individuellen Straffestsetzung durch die Verhängung einer gesonderten Geldbuße allein gegen die Klägerin sowie ein Begründungsmangel (vierter Klagegrund) und Fehler bei der Berechnung der gesamtschuldnerisch gegen Slovak Telekom und die Klägerin verhängten Geldbuße (fünfter Klagegrund).

A. Zum Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses

73

Die von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe (siehe oben, Rn. 72) sind nacheinander zu prüfen.

1.   Zum ersten Klagegrund: Rechts- und Tatsachenfehler bei der Anwendung von Art. 102 AEUV auf das missbräuchliche Verhalten von Slovak Telekom und Verletzung der Verteidigungsrechte

74

Der erste Klagegrund besteht aus drei Teilen. Gerügt werden ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV, weil die Kommission eine Zuwiderhandlung im Sinne dieser Vorschrift festgestellt habe, ohne die Unerlässlichkeit der betreffenden Telekommunikationsinfrastruktur zu prüfen (erster Teil), eine Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör im Hinblick auf die Berechnung der Margenbeschneidung (zweiter Teil) und Fehler bei der Berechnung der langfristigen durchschnittlichen Grenzkosten („long run average incremental costs“, im Folgenden: LRAIC) (dritter Teil).

75

Die Klägerin macht sich im Rahmen ihres ersten Klagegrundes darüber hinaus den Vortrag von Slovak Telekom in der von dieser Gesellschaft am 26. Dezember 2014 gegen den angefochtenen Beschluss erhobenen Klage (Rechtssache T‑851/14) zu eigen. Sie geht davon aus, dass der Erfolg eines Klagegrundes in der Rechtssache T‑851/14 auch ihr in ihrer Rechtssache zugutekommen müsse. Sie beruft sich insoweit insbesondere auf das Urteil vom 22. Januar 2013, Kommission/Tomkins (C‑286/11 P, EU:C:2013:29).

[nicht wiedergegeben]

b)   Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 102 AEUV, weil die Kommission das Vorliegen einer Zuwiderhandlung im Sinne dieser Bestimmung festgestellt habe, ohne die Unerlässlichkeit der betreffenden Telekommunikationsinfrastruktur geprüft zu haben

81

Mit dem ersten Teil ihres ersten Klagegrundes bringt die Klägerin vor, dass die Kommission es im angefochtenen Beschluss fehlerhaft unterlassen habe, die Unerlässlichkeit des Zugangs zum kupferbasierten DSL-Netz von Slovak Telekom für ein Tätigwerden auf dem slowakischen Endkundenmarkt für Breitbandzugänge zu prüfen. Die Kommission habe dadurch den dem Urteil vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), zu entnehmenden Grundsatz missachtet, nach dem eine Liefer- bzw. Zugangsverweigerung nur dann einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstelle, wenn sie geeignet sei, jeglichen Wettbewerb auf dem abgeleiteten Markt auszuschließen, und der relevante vorgelagerte Input für die Tätigkeit auf einem nachgelagerten Markt unerlässlich sei. Die Anwendung dieses Grundsatzes auf den vorliegenden Fall werde nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass der vorliegende Fall eine konstruktive Zugangsverweigerung betreffe und nicht wie im Urteil vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), eine vollständige Lieferverweigerung. Es bestehe nämlich kein Grund dafür, dass das Vorliegen eines Missbrauchs wegen konstruktiver Zugangsverweigerung geringeren Nachweisanforderungen unterliegen sollte als das Bestehen eines Missbrauchs wegen vollständiger Zugangsverweigerung. Die insoweit durch die Kommission vorgenommene Unterscheidung beruhe auf einem unrichtigen Verständnis der Rn. 55 und 58 des Urteils vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige (C‑52/09, EU:C:2011:83). Sie würde darüber hinaus zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass der Nachweis der schwerwiegenderen Zuwiderhandlung (vollständige Zugangsverweigerung) strengeren Anforderungen unterläge als der der weniger schwerwiegenden (konstruktive Zugangsverweigerung). In diesem Zusammenhang hebt die Klägerin hervor, dass zumindest ein Unternehmen den Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom erhalten habe, was bei einer vollständigen Zugangsverweigerung ausgeschlossen gewesen wäre.

82

Auch werde diese Nachweisanforderung nicht durch den Umstand gemindert, dass Slovak Telekom einer regulatorischen Verpflichtung zur Gewährung eines entbündelten Zugangs zu ihren Teilnehmeranschlüssen an die Mitbewerber unterlegen habe, da diese Verpflichtung andere Ziele verfolge und anderen Voraussetzungen unterliege als die Ex-post-Missbrauchsprüfung nach Art. 102 AEUV. Diese durch die TUSR 2005 auferlegte Verpflichtung könne im Übrigen nicht die konkrete Prüfung der Unerlässlichkeit des Zugangs zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom zu einem späteren Zeitpunkt ersetzen. Trotz der rasanten Entwicklung der Telekommunikationsmärkte habe die Kommission eine solche konkrete Prüfung im vorliegenden Fall allerdings nicht durchgeführt.

83

Die Klägerin beanstandet zudem den Standpunkt der Kommission, wonach der auf das Urteil vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), zurückgehende Grundsatz auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finde, da das in Rede stehende Telekommunikationsnetz von der slowakischen Regierung unter Monopolbedingungen entwickelt worden sei. Die Kommission begründe nicht, warum es ihr dieser Umstand erlauben sollte, das Vorliegen eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung festzustellen, ohne die Unerlässlichkeit des Zugangs zum kupferbasierten DSL-Netz von Slovak Telekom zu prüfen. Da das Bestehen eines Missbrauchs stets unabhängig von den Bedingungen der Entstehung einer beherrschenden Stellung zu prüfen sei, gebe es keinen gerechtfertigten Grund, warum ehemalige staatliche Monopole bei der Anwendung von Art. 102 AEUV anders behandelt werden sollten als andere Unternehmen. Außerdem habe das kupferbasierte DSL-Netz von Slovak Telekom ursprünglich eine sehr niedrige Abdeckung und eine geringe Qualität aufgewiesen, weshalb diese Gesellschaft, wie aus Rn. 891 des angefochtenen Beschlusses hervorgehe, im Zeitraum von 2003 bis 2010, somit nach dem Verlust ihres Monopols, beständig in Breitband-Anlagegüter investiert habe.

84

Die Tatsache, dass mehrere alternative Anbieter auf Basis ihrer eigenen Infrastruktur erfolgreich in den Endkundenmarkt für Breitbandzugänge eingetreten seien, belege jedenfalls, dass der Zugang zu entbündelten Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom für die Entwicklung von Konkurrenzangeboten nicht unerlässlich gewesen sei.

85

Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

86

Nach ständiger Rechtsprechung trägt das Unternehmen, das eine beherrschende Stellung innehat, eine besondere Verantwortung dafür, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Binnenmarkt nicht beeinträchtigt (vgl. Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 135 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ist eine beherrschende Stellung aus einem ehemaligen gesetzlichen Monopol entstanden, muss dies berücksichtigt werden (Urteil vom 27. März 2012, Post Danmark, C‑209/10, EU:C:2012:172, Rn. 23).

87

Deshalb verbietet Art. 102 AEUV einem Unternehmen in beherrschender Stellung insbesondere die Anwendung von Praktiken, die für seine als ebenso effizient geltenden Wettbewerber eine Verdrängungswirkung entfalten und damit seine Stellung stärken, indem andere Mittel als diejenigen eines Leistungswettbewerbs herangezogen werden. Unter diesem Blickwinkel kann nicht jeder Preiswettbewerb als zulässig angesehen werden (vgl. Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 136 und die dort angeführte Rechtsprechung).

88

Bei der nach Art. 102 AEUV verbotenen missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung handelt es sich um einen objektiven Begriff, mit dem Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung gemeint sind, die auf einem Markt, auf dem der Grad an Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des betreffenden Unternehmens bereits geschwächt ist, die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Grades an Wettbewerb oder die Entwicklung des Wettbewerbs durch den Einsatz von anderen Mitteln behindern als denjenigen eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Wirtschaftsteilnehmer (vgl. Urteile vom 19. April 2012, Tomra Systems u. a./Kommission, C‑549/10 P, EU:C:2012:221, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 9. September 2009, Clearstream/Kommission, T‑301/04, EU:T:2009:317, Rn. 140 und die dort angeführte Rechtsprechung).

89

Art. 102 AEUV erfasst nicht nur Verhaltensweisen, durch die den Verbrauchern ein unmittelbarer Schaden erwächst, sondern auch solche, die die Verbraucher durch die Beeinträchtigung des Wettbewerbs schädigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. März 2012, Post Danmark, C‑209/10, EU:C:2012:172, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 29. März 2012, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, T‑336/07, EU:T:2012:172, Rn. 171).

90

Die Wirkung auf die Wettbewerbssituation, von der oben in Rn. 88 die Rede ist, betrifft nicht notwendig die konkrete Wirkung des beanstandeten missbräuchlichen Verhaltens. Für die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 102 AEUV ist nachzuweisen, dass das missbräuchliche Verhalten des Unternehmens in beherrschender Stellung darauf gerichtet ist, den Wettbewerb zu beschränken, oder anders ausgedrückt, dass das Verhalten eine solche Wirkung haben kann (Urteil vom 19. April 2012, Tomra Systems u. a./Kommission, C‑549/10 P, EU:C:2012:221, Rn. 68; vgl. auch Urteile vom 9. September 2009, Clearstream/Kommission, T‑301/04, EU:T:2009:317, Rn. 144 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 29. März 2012, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, T‑336/07, EU:T:2012:172, Rn. 268 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91

Zur Missbräuchlichkeit einer Margenbeschneidung ist festzustellen, dass nach Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV die unmittelbare oder mittelbare Erzwingung von unangemessenen Preisen durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung ausdrücklich verboten ist (Urteile vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige, C‑52/09, EU:C:2011:83, Rn. 25, und vom 29. März 2012, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, T‑336/07, EU:T:2012:172, Rn. 173). Da die Liste der missbräuchlichen Verhaltensweisen in Art. 102 AEUV aber nicht abschließend ist, handelt es sich bei der in dieser Bestimmung enthaltenen Aufzählung missbräuchlicher Praktiken nicht um eine erschöpfende Wiedergabe der Arten der nach dem Unionsrecht verbotenen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung (Urteile vom 21. Februar 1973, Europemballage und Continental Can/Kommission, 6/72, EU:C:1973:22, Rn. 26, vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige, C‑52/09, EU:C:2011:83, Rn. 26, und vom 29. März 2012, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, T‑336/07, EU:T:2012:172, Rn. 174).

92

Der erste Teil des ersten Klagegrundes betrifft lediglich das rechtliche Kriterium, das die Kommission in Abschnitt 7 des angefochtenen Beschlusses (Erwägungsgründe 355 bis 821) bei der Einstufung einer Reihe von Verhaltensweisen von Slovak Telekom im relevanten Zeitraum als „Zugangsverweigerung“ angewandt hat. Die Klägerin bestreitet nicht, dass die von der Kommission in diesem Abschnitt des angefochtenen Beschlusses festgestellten Verhaltensweisen begangen worden sind. Es handelt sich dabei um folgende Verhaltensweisen von Slovak Telekom: (1) Zurückhaltung von Informationen über ihr Netz, die für die Entbündelung ihrer Teilnehmeranschlüsse erforderlich sind, gegenüber alternativen Anbietern, (2) Verringerung ihrer gesetzlichen Verpflichtungen in Bezug auf die entbündelten Teilnehmeranschlüsse und (3) Festsetzung mehrerer unfairer Bedingungen in ihrem Standardangebot für entbündelte Teilnehmeranschlüsse (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 2 und 1507). Diese Verhaltensweisen gehören zu den Verhaltensweisen, wegen derer die Kommission eine einzige und ununterbrochene Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV festgestellt hat (angefochtener Beschluss, 1511. Erwägungsgrund).

93

Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, wendet sie sich mit dem ersten Teil des ersten Klagegrundes auch nicht gegen die von der Kommission in Abschnitt 8 (Erwägungsgründe 822 bis 1045) des angefochtenen Beschlusses vorgenommene Analyse der Margenbeschneidung durch Slovak Telekom. In ihrer Klage stellt die Klägerin nämlich nicht in Abrede, dass ein solches Verhalten eine eigenständige, sich von der Zugangsverweigerung unterscheidende Form des Missbrauchs darstellt, für die die im Urteil vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), aufgestellten Kriterien nicht gelten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

94

Im Kern rügt die Klägerin also, dass die Kommission die oben in Rn. 92 dargestellten Verhaltensweisen im Hinblick auf die Teilnehmeranschlüsse von Slovak Telekom als „Zugangsverweigerung“ eingestuft habe, ohne vorher geprüft zu haben, ob der Zugang zu diesen Anschlüssen im Sinne der dritten in Rn. 41 des Urteils vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), aufgestellten Bedingung „unentbehrlich“ ist.

95

In diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass die Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung, Zugang zu einer Dienstleistung zu gewähren, nur dann als Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV einzustufen ist, wenn sie geeignet ist, jeglichen Wettbewerb auf dem Markt durch denjenigen, der die Dienstleistung begehrt, auszuschalten, nicht objektiv zu rechtfertigen ist und die Dienstleistung selbst für die Ausübung der Tätigkeit des Nachfragers unentbehrlich ist (Urteil vom 26. November 1998, Bronner, C‑7/97, EU:C:1998:569, Rn. 41; vgl. auch Urteil vom 9. September 2009, Clearstream/Kommission, T‑301/04, EU:T:2009:317, Rn. 147 und die dort angeführte Rechtsprechung).

96

Im Übrigen ist den Rn. 43 und 44 des Urteils vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), zu entnehmen, dass zur Beantwortung der Frage, ob ein Produkt oder eine Dienstleistung unerlässlich für ein Unternehmen ist, das auf einem bestimmten Markt tätig werden will, zu untersuchen ist, ob es Produkte oder Dienstleistungen gibt, die Alternativlösungen darstellen, auch wenn sie weniger günstig sind, und ob technische, rechtliche oder wirtschaftliche Hindernisse bestehen, die geeignet sind, jedem Unternehmen, das auf diesem Markt tätig zu werden beabsichtigt, die Entwicklung – gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Wirtschaftsteilnehmern – von Alternativprodukten oder ‑dienstleistungen unmöglich zu machen oder zumindest unzumutbar zu erschweren. Nach Rn. 46 des Urteils vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), muss für die Annahme wirtschaftlicher Hindernisse zumindest dargetan sein, dass die Entwicklung dieser Produkte oder Dienstleistungen unrentabel wäre, wenn sie in vergleichbarem Umfang hergestellt bzw. erbracht würden wie von dem Unternehmen, das die bereits existierenden Produkte oder Dienstleistungen kontrolliert (Urteil vom 29. April 2004, IMS Health, C‑418/01, EU:C:2004:257, Rn. 28).

97

Da im vorliegenden Fall die Regelung für den Telekommunikationssektor aber den für diesen geltenden Rechtsrahmen festlegt und damit die Wettbewerbsbedingungen mitbestimmt, unter denen ein Telekommunikationsunternehmen seinen Tätigkeiten auf den betroffenen Märkten nachgeht, stellt sie einen relevanten Gesichtspunkt für die Anwendung von Art. 102 AEUV auf die Verhaltensweisen eines solchen Unternehmens dar, insbesondere bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit solcher Verhaltensweisen (Urteil vom 14. Oktober 2010, Deutsche Telekom/Kommission, C‑280/08 P, EU:C:2010:603, Rn. 224).

98

Die Kommission weist zu Recht darauf hin, dass die oben in Rn. 95 dargestellten Voraussetzungen in Fällen entwickelt und angewandt worden sind, in denen es um die Frage ging, ob Art. 102 AEUV gebieten kann, dass ein Unternehmen in beherrschender Stellung anderen Unternehmen Zugang zu einer Ware oder einer Dienstleistung gewährt, obwohl es hierzu gesetzlich in keiner Weise verpflichtet ist.

99

Ein solcher Kontext unterscheidet sich von dem der vorliegenden Rechtssache, in der Slovak Telekom von der TUSR mit Bescheid vom 8. März 2005, der am 14. Juni 2005 vom Vorsitzenden dieser Behörde bestätigt wurde, aufgegeben wurde, allen Anträgen auf Entbündelung ihrer Teilnehmeranschlüsse, die als angemessen und begründet galten, stattzugeben, um es den alternativen Anbietern zu ermöglichen, diese Anschlüsse zu nutzen, um ihre eigenen Leistungen auf dem „Endkundenmarkt (‚Massenmarkt‘)“ für Festnetz-Breitbanddienste in der Slowakei anzubieten (siehe oben, Rn. 9). Damit sollten für Slovak Telekom und deren Wettbewerber Investitions- und Innovationsanreize geschaffen und zugleich sichergestellt werden, dass der Wettbewerb auf dem Markt erhalten bleibt (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 218, 373, 388, 1053 und 1129).

100

Mit dem Bescheid der TUSR, der in Anwendung des Gesetzes Nr. 610/2003 erging, wurde in der Slowakei das in Art. 3 der Verordnung Nr. 2887/2000 aufgestellte Erfordernis des entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlüssen der Betreiber mit beträchtlicher Macht auf dem Markt für die Bereitstellung öffentlicher Telefonfestnetze umgesetzt (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 37 bis 46). Dieses Erfordernis hat der Unionsgesetzgeber im sechsten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2887/2000 wie folgt gerechtfertigt: „Für neue Marktteilnehmer wäre es unwirtschaftlich, innerhalb einer angemessenen Frist ein komplettes Gegenstück zu den zum Teilnehmeranschluss führenden Metallleitungen des etablierten Betreibers zu schaffen. Alternative Infrastrukturen … bieten … im Allgemeinen nicht die gleiche Funktionalität und Omnipräsenz …“

101

Nach den einschlägigen Rechtsvorschriften war es also eindeutig erforderlich, dass Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom besteht, um auf dem slowakischen Markt der Breitband-Internetzugänge die Entstehung und Entwicklung eines wirksamen Wettbewerbs zu ermöglichen. Die Kommission musste deshalb nicht nachweisen, dass der Zugang zu diesen Anschlüssen im Sinne der letzten Voraussetzung gemäß Rn. 41 des Urteils vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), unentbehrlich gewesen wäre.

102

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, die Existenz einer gesetzlichen Verpflichtung, Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom zu gewähren, bedeute nicht, dass der Zugang zu diesen Anschlüssen auch auf der Grundlage von Art. 102 AEUV zu gewähren sei, da eine solche gesetzliche Ex-ante-Verpflichtung andere Ziele verfolge und andere Voraussetzungen habe als die Ex-post-Kontrolle des Verhaltens eines beherrschenden Unternehmens gemäß Art. 102 AEUV.

103

Insoweit kann es mit dem Hinweis sein Bewenden haben, dass die oben in den Rn. 97 bis 101 angestellten Erwägungen nicht auf der Annahme beruhen, dass sich die Verpflichtung von Slovak Telekom, entbündelten Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen zu gewähren, aus Art. 102 AEUV ergäbe. In Einklang mit der oben in Rn. 97 dargestellten Rechtsprechung wird in den genannten Randnummern lediglich darauf hingewiesen, dass die Existenz einer solchen gesetzlichen Verpflichtung einen relevanten Umstand des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts darstellt, nach dem zu beurteilen ist, ob die in Abschnitt 7 des angefochtenen Beschlusses geprüften Verhaltensweisen von Slovak Telekom einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV darstellen.

104

Soweit sich die Klägerin zur Stützung ihres oben in Rn. 102 dargestellten Vorbringens auf Rn. 113 des Urteils vom 10. April 2008, Deutsche Telekom/Kommission (T‑271/03, EU:T:2008:101), beruft, kann sie damit keinen Erfolg haben. Zwar hat das Gericht in dieser Randnummer festgestellt, dass die nationalen Regulierungsbehörden aufgrund einzelstaatlichen Rechts tätig werden, das durchaus andere Ziele als die Wettbewerbspolitik der Union verfolgen kann. Diese Erwägung bezog sich aber auf das Vorbringen der betreffenden Klägerin, dass die Vorabkontrolle ihrer Tarife durch die deutsche Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post die Anwendung von Art. 102 AEUV auf eine etwaige Margenbeschneidung bei ihren Tarifen für den entbündelten Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen ausschließe, das vom Gericht zurückgewiesen wurde. Sie hatte also nichts mit der Frage zu tun, ob die Existenz einer gesetzlichen Verpflichtung des Anbieters in beherrschender Stellung, Zugang zu seinen Teilnehmeranschlüssen zu gewähren, für die Beurteilung der Frage relevant ist, ob die Bedingungen des Zugangs mit Art. 102 AEUV vereinbar sind.

105

Dass die Kommission die Unentbehrlichkeit des Zugangs zu dem betreffenden Netz nicht nachgewiesen hat, ist demnach nicht zu beanstanden.

106

Dies gälte auch dann, wenn anzunehmen wäre, dass die Erwägungen des Urteils vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige (C‑52/09, EU:C:2011:83), hier einschlägig wären. In diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass den Rn. 48 und 49 des Urteils vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), nicht zu entnehmen ist, dass die für den Nachweis einer missbräuchlichen Lieferverweigerung, wie sie Gegenstand der betreffenden ersten Vorlagefrage war, notwendigen Voraussetzungen zwangsläufig auch für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit eines Verhaltens gelten, das darin besteht, für die Erbringung von Dienstleistungen oder den Verkauf von Waren Bedingungen aufzustellen, die für den Empfänger nachteilig sind oder nicht von Interesse sein können (Urteil vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige, C‑52/09, EU:C:2011:83, Rn. 55). Derartige Verhaltensweisen könnten nämlich als solche eine eigenständige Form des Missbrauchs sein, die sich von der Lieferverweigerung unterscheidet (Urteil vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige, C‑52/09, EU:C:2011:83, Rn. 56).

107

Weiter hat der Gerichtshof festgestellt, dass eine abweichende Auslegung des Urteils vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), darauf hinausliefe, dass das Verhalten eines beherrschenden Unternehmens in Bezug auf seine Geschäftsbedingungen nur dann als missbräuchlich anzusehen wäre, wenn die für den Nachweis einer Lieferverweigerung notwendigen Voraussetzungen erfüllt wären, was die praktische Wirksamkeit von Art. 102 AEUV ungebührlich einschränken würde (Urteil vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige, C‑52/09, EU:C:2011:83, Rn. 58).

108

Die Klägerin macht insoweit zu Recht geltend, dass die Verhaltensweise, um die es in dem Ausgangsverfahren ging, mit dem sich der Gerichtshof in dem Urteil vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige (C‑52/09, EU:C:2011:83), befasst hat, wie sich aus Rn. 8 dieses Urteils ergibt, lediglich in einer Margenbeschneidung bestand, die der etablierte schwedische Festnetzanbieter angewandt haben soll, um alternative Anbieter davon abzuhalten, Zugang zu seinen Teilnehmeranschlüssen zu verlangen. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass die vom Gerichtshof in dem Urteil vorgenommene Auslegung der Bedingungen gemäß Rn. 41 des Urteils vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), auf diese Form des Missbrauchs beschränkt wäre und für Verhaltensweisen, die nicht lediglich die Entgelte betreffen, wie diejenigen, die von der Kommission in Abschnitt 7 des angefochtenen Beschlusses untersucht worden sind (siehe oben, Rn. 27 bis 41), nicht gälten.

109

Zunächst ist festzustellen, dass sich der Gerichtshof in den Rn. 55 bis 58 des Urteils vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige (C‑52/09, EU:C:2011:83), nicht auf die besondere Missbrauchsform der Beschneidung der Margen konkurrierender Anbieter auf einem nachgelagerten Markt bezogen hat, sondern auf die „Erbringung von Dienstleistungen oder den Verkauf von Waren [zu] Bedingungen …, die für den Empfänger nachteilig sind oder nicht von Interesse sein können“, und auf die von dem beherrschenden Unternehmen festgelegten „Geschäftsbedingungen“. Diese Formulierung legt nahe, dass mit diesen Verhaltensweisen der Verdrängung nicht nur die Margenbeschneidung, sondern auch andere Geschäftspraktiken gemeint sind, die geeignet sind, für aktuelle oder potenzielle Wettbewerber eine rechtswidrige Verdrängungswirkung zu erzeugen, wie die, die von der Kommission als konstruktive Verweigerung des Zugangs zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom eingestuft worden sind (vgl. in diesem Sinne angefochtener Beschluss, 366. Erwägungsgrund).

110

Dieses Verständnis des Urteils vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige (C‑52/09, EU:C:2011:83), wird dadurch bestätigt, dass der Gerichtshof in diesem Teil seiner Analyse auf die Rn. 48 und 49 des Urteils vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), verweist. Diese Randnummern waren der zweiten Vorlagefrage dieser Rechtssache gewidmet. Diese betraf aber nicht die Weigerung des betreffenden beherrschenden Unternehmens, dem Verleger einer Konkurrenztageszeitung Zugang zu seinem Hauszustellungssystem zu gewähren, die Gegenstand der ersten Vorlagefrage war, sondern die Einstufung als Missbrauch einer beherrschenden Stellung einer Verhaltensweise, die darin bestanden haben soll, dass das Unternehmen den Zugang zu seinem Hauszustellungssystem davon abhängig gemacht hat, dass der Verleger der Konkurrenztageszeitung es zugleich mit weiteren Dienstleistungen wie dem Vertrieb durch Verkaufsstellen oder dem Druck beauftragt.

111

Dem Vorbringen der Klägerin, die Anwendung des Ansatzes, dem in den Rn. 55 bis 58 des Urteils vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige (C‑52/09, EU:C:2011:83), gefolgt worden sei, auf den vorliegenden Fall würde zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass eine konstruktive Zugangsverweigerung leichter nachzuweisen sei als eine ganz normale, obwohl die letztgenannte Verhaltensweise eine schwerere Form des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung sei, kann nicht gefolgt werden. Es beruht auf der unzutreffenden Annahme, dass die Schwere einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV durch die Weigerung eines beherrschenden Unternehmens, anderen Unternehmen ein Produkt zu liefern oder eine Dienstleistung zu erbringen, allein von der Art der Zuwiderhandlung abhinge. Für die Schwere einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV sind aber eine ganze Reihe von Faktoren maßgeblich, die nichts damit zu tun haben, ob die Verweigerung der Lieferung ausdrücklich oder konstruktiv erfolgt, etwa die räumliche Reichweite der Zuwiderhandlung, die Frage, ob die Zuwiderhandlung absichtlich erfolgt, oder die Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt. Bestätigt wird dies durch die Leitlinien von 2006, in denen es in Ziff. 20 heißt, dass die Schwere einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 oder 102 AEUV in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände beurteilt wird.

112

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Rn. 69 des Urteils vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige (C‑52/09, EU:C:2011:83), festgestellt hat, dass sich bei der Beurteilung der Auswirkungen der Margenbeschneidung die Frage nach der Unentbehrlichkeit des Vorleistungsprodukts stellen könnte. Mit der Berufung auf die Verpflichtung der Kommission, die Unentbehrlichkeit des ungebündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom nachzuweisen, wollte die Klägerin im vorliegenden Fall aber lediglich ihre Behauptung untermauern, die Kommission habe bei der Beurteilung der in Abschnitt 7 des angefochtenen Beschlusses geprüften Verhaltensweisen nicht das angemessene rechtliche Kriterium angewandt (vgl. entsprechend Urteil vom 29. März 2012, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, T‑336/07, EU:T:2012:172, Rn. 182). Die Beurteilung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen dieser Verhaltensweise, die die Kommission in Abschnitt 9 des angefochtenen Beschlusses (Erwägungsgründe 1046 bis 1109) vorgenommen hat, wollte sie damit nicht angreifen.

113

Der Hinweis der Klägerin auf Rn. 79 der Mitteilung der Kommission – Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Artikel [102 AEUV] auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen (ABl. 2009, C 45, S. 7) verfängt nicht.

114

Zum einen wird, wie die Kommission zu Recht geltend macht, bei der Unterscheidung, die in dieser Randnummer zwischen einer bloßen Verweigerung der Lieferung und einer „konstruktiven Verweigerung“ der Lieferung vorgenommen wird, nicht erläutert, welche rechtlichen Kriterien jeweils für die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV maßgeblich sind. Zum anderen wird in der Mitteilung klargestellt, dass in ihr lediglich erläutert werden soll, welche Prioritäten die Kommission bei der Anwendung von Art. 102 AEUV auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch Unternehmen in marktbeherrschender Stellung setzt, aber keine Aussage über die Rechtslage getroffen werden soll (Mitteilung, Rn. 2 und 3).

115

Somit ist festzustellen, dass die Einstufung der in Abschnitt 7 des angefochtenen Beschlusses geprüften Verhaltensweisen von Slovak Telekom als Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV nicht voraussetzte, dass die Kommission nachweist, dass der Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom im Sinne der oben in Rn. 96 dargestellten Rechtsprechung für die Ausübung der Tätigkeit der konkurrierenden Anbieter auf dem Endkundenmassenmarkt für an einem festen Standort angebotene Breitbanddienste unentbehrlich war.

116

Folglich ist der erste Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

c)   Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör im Hinblick auf die Berechnung der Margenbeschneidung

117

Mit dem zweiten Teil ihres ersten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass die Kommission ihren Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren in zweierlei Hinsicht verletzt habe.

118

Erstens habe ihr die Kommission bei einer Sachstandsbesprechung am 29. September 2014 eine Reihe von neuen Punkten mitgeteilt. Ein ihr bei dieser Gelegenheit übermitteltes Dokument mit dem Titel „Margin squeeze calculation (preliminary results)“ (Berechnung der Preis-Kosten-Schere [vorläufige Ergebnisse]) habe zum Vorschein gebracht, dass die von Slovak Telekom im Jahr 2005 erzielte Marge bei Berücksichtigung getrennter Zeiträume (Jahr für Jahr) positiv gewesen sei. Überdies habe dieses Dokument Zahlenmaterial enthalten, das ihr bis zu dieser Besprechung nicht zugänglich gemacht worden sei. Schließlich habe die Kommission bei dieser Besprechung ihre Absicht erklärt, bei der Berechnung der vom 12. August 2005 bis zum 31. Dezember 2010 zu verzeichnenden Margen einen mehrjährigen Zeitraum zu berücksichtigen und so auch für das Jahr 2005 eine negative Marge festzustellen. Diese Ankündigung habe allerdings sowohl sie als auch Slovak Telekom überrascht, da sie beide bis zu diesem Zeitpunkt eine solche Methode nicht vorgeschlagen hätten.

119

Auf ihr Ersuchen habe ihr die Kommission am 1. Oktober 2014 mitgeteilt, dass sie ihr eine Stellungnahme zu diesen Punkten bis spätestens 3. Oktober 2014 übermitteln könne. Da der letztgenannte Tag in Deutschland jedoch ein gesetzlicher Feiertag gewesen sei, hätten ihr weniger als zwei Arbeitstage für ihre Stellungnahme zur Verfügung gestanden. Da einige der für die überarbeitete Berechnung der Margenbeschneidung verwendeten Zahlen aus der Stellungnahme von Slovak Telekom zum Sachverhaltsschreiben gestammt hätten und sie zu dieser keinen Zugang gehabe habe, habe ihr die Kommission mit Schreiben vom 7. Oktober 2014 Einsicht in diese Stellungnahme gewährt und ihr eine Frist zur Stellungnahme hierzu bis spätestens zum Abend des 9. Oktober 2014 gesetzt.

120

Diese sehr kurz bemessenen Fristen hätten ihr praktisch jede ernsthafte Gelegenheit genommen, sich zu den ihr am 29. September 2014 zur Kenntnis gebrachten neuen Punkten zu äußern, obwohl diese Punkte in den angefochtenen Beschluss Eingang gefunden hätten. Das von der Kommission zum genannten Zeitpunkt erstmals vorgelegte Zahlenmaterial sei nicht nur neu – insbesondere wegen des Rückgriffs auf die LRAIC –, sondern auch komplex gewesen. Sie sei nicht in der Lage gewesen, diese neuen Zahlen Ökonomen zu unterbreiten, was ihr zweifellos ermöglicht hätte, Einfluss auf die Beurteilung des Zeitraums der untersuchten Margenbeschneidung durch die Kommission zu nehmen.

121

Zweitens wirft die Klägerin der Kommission vor, im angefochtenen Beschluss Korrekturen oder Anpassungen an den von Slovak Telekom vorgelegten Daten zur Berechnung der LRAIC vorgenommen zu haben, ohne sie zuvor über ihre diesbezüglichen Einwände zu informieren, wodurch sie ihr jede Möglichkeit zur effektiven Stellungnahme genommen habe.

122

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

123

Die Beachtung der Verteidigungsrechte bei der Durchführung von Verwaltungsverfahren im Bereich der Wettbewerbspolitik stellt einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, dessen Wahrung die Gerichte der Union zu sichern haben (vgl. Urteil vom 18. Juni 2013, ICF/Kommission, T‑406/08, EU:T:2013:322, Rn. 115 und die dort angeführte Rechtsprechung).

124

Danach ist dem betroffenen Unternehmen im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zu geben, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen und Umstände sowie zu den von ihr zur Stützung ihrer Behauptung, dass eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln vorliege, herangezogenen Schriftstücken effektiv Stellung zu nehmen. In diesem Sinne sieht Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 vor, dass den Beteiligten eine Mitteilung der Beschwerdepunkte übersandt wird, in der alle wesentlichen Tatsachen, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, klar angegeben werden müssen (Urteil vom 5. Dezember 2013, SNIA/Kommission, C‑448/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:801, Rn. 41 und 42).

125

Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn die endgültige Entscheidung den Betroffenen keine anderen Zuwiderhandlungen zur Last legt als diejenigen, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannt werden, und sich nur auf Tatsachen stützt, zu denen die Betroffenen im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zur Äußerung hatten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Mai 2012, MasterCard u. a./Kommission, T‑111/08, EU:T:2012:260, Rn. 266, und vom 18. Juni 2013, ICF/Kommission, T‑406/08, EU:T:2013:322, Rn. 117).

126

Die Darstellung der wesentlichen Tatsachen, auf die sich die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte stützt, kann jedoch in gedrängter Form erfolgen, und die Entscheidung braucht nicht notwendig ein Abbild der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu sein, da es sich bei dieser um ein vorbereitendes Schriftstück handelt, dessen tatsächliche und rechtliche Wertungen lediglich vorläufiger Natur sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. November 1987, British American Tobacco und Reynolds Industries/Kommission, 142/84 und 156/84, EU:C:1987:490, Rn. 70, vom 5. Dezember 2013, SNIA/Kommission, C‑448/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:801, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 24. Mai 2012, MasterCard u. a./Kommission, T‑111/08, EU:T:2012:260, Rn. 267). Zulässig sind daher Ergänzungen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Parteien, deren Argumente zeigen, dass sie ihre Verteidigungsrechte tatsächlich wahrnehmen konnten. Die Kommission darf auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsverfahrens Argumente, auf die sie ihre Beschwerdepunkte stützt, in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ändern oder ergänzen (Urteil vom 9. September 2011, Alliance One International/Kommission, T‑25/06, EU:T:2011:442, Rn. 181). Bis zum Erlass einer endgültigen Entscheidung kann daher die Kommission in Anbetracht insbesondere der schriftlichen oder mündlichen Äußerungen der Beteiligten entweder einzelne oder auch sämtliche bis dahin gegen diese erhobenen Beschwerdepunkte fallen lassen und damit ihre Auffassung zugunsten der Beteiligten ändern oder umgekehrt beschließen, neue Beschwerdepunkte hinzuzufügen, sofern sie den betreffenden Unternehmen Gelegenheit gibt, hierzu Stellung zu nehmen (vgl. Urteil vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission, T‑191/98 und T‑212/98 bis T‑214/98, EU:T:2003:245, Rn. 115 und die dort angeführte Rechtsprechung).

127

Wegen der Vorläufigkeit der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ist die endgültige Entscheidung der Kommission nicht allein deshalb für nichtig zu erklären, weil die endgültige Beurteilung des Sachverhalts nicht genau der vorläufigen entspricht (Urteil vom 5. Dezember 2013, SNIA/Kommission, C‑448/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:801, Rn. 43). Wird ein Argument, das eine Partei im Verwaltungsverfahren vorgebracht hat, berücksichtigt, ohne dass der Partei vor Erlass der endgültigen Entscheidung Gelegenheit gegeben wurde, sich dazu zu äußern, so kann allein darin keine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte liegen, wenn dieses Argument die Natur der gegen sie erhobenen Vorwürfe nicht verändert (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 10. Juli 2001, Irish Sugar/Kommission, C‑497/99 P, EU:C:2001:393, Rn. 24, und Urteile vom 28. Februar 2002, Compagnie générale maritime u. a./Kommission, T‑86/95, EU:T:2002:50, Rn. 447, und vom 9. September 2011, Alliance One International/Kommission, T‑25/06, EU:T:2011:442, Rn. 182).

128

Denn die Kommission muss, eben um die Verteidigungsrechte der Adressaten einer Mitteilung von Beschwerdepunkten zu wahren, diese anhören und ihre Stellungnahme zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen berücksichtigen. Sie muss die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts in der Mitteilung der Beschwerdepunkte in ihrer endgültigen Entscheidung also präzisieren können, indem sie Erkenntnisse aus dem Verwaltungsverfahren berücksichtigt. Sie kann Beschwerdepunkte, bei denen sich herausgestellt hat, dass sie unbegründet sind, fallen lassen, oder bei den Beschwerdepunkten, die sie aufrechterhält, ihre Argumentation verfeinern und vervollständigen. Allerdings darf die Kommission dabei nur Tatsachen feststellen, zu denen sich die Betreffenden äußern konnten. Und sie muss im Verwaltungsverfahren die für die Verteidigung erforderlichen Informationen mitgeteilt haben (vgl. Urteile vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C‑534/07 P, EU:C:2009:505, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 5. Dezember 2013, SNIA/Kommission, C‑448/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:801, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

129

Nach einer gefestigten Rechtsprechung liegt eine Verletzung der Verteidigungsrechte vor, wenn aufgrund eines von der Kommission begangenen Fehlers die Möglichkeit besteht, dass das von ihr durchgeführte Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Zum Nachweis eines solchen Verstoßes braucht ein klagendes Unternehmen nicht darzutun, dass die Entscheidung der Kommission einen anderen Inhalt gehabt hätte. Es muss nur hinreichend belegen, dass es sich ohne den Fehler besser hätte verteidigen können, z. B. deshalb, weil es zu seiner Verteidigung Schriftstücke hätte einsetzen können, in die ihm im Verwaltungsverfahren keine Einsicht gewährt wurde (vgl. Urteile vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, C‑194/99 P, EU:C:2003:527, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 24. Mai 2012, MasterCard u. a./Kommission, T‑111/08, EU:T:2012:260, Rn. 269 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 9. September 2015, Philips/Kommission, T‑92/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:605, Rn. 93).

130

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist nun zunächst die erste Rüge der Klägerin zu prüfen. Die Klägerin macht geltend, sie habe sich im Verwaltungsverfahren zu neuen Gesichtspunkten, über die sie in der Besprechung vom 29. September 2014, zu der die Kommission eingeladen habe, unterrichtet worden sei und die im angefochtenen Beschluss berücksichtigt worden seien, nicht effektiv äußern können. Dadurch sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden. Es handelt sich bei diesen neuen Gesichtspunkten um neue Zahlen zur Berechnung der Margenbeschneidung, die von Slovak Telekom vorgelegt wurden (1), den Umstand, dass die Marge für das Jahr 2005 nach der Berechnung gemäß der Methode der Berücksichtigung getrennter Zeiträume (Jahr für Jahr) positiv gewesen sei (2), und die von der Kommission in der Besprechung geäußerte Absicht, bei der Berechnung der Margen einen mehrjährigen Zeitraum zu berücksichtigen und so auch für das Jahr 2005 eine negative Marge festzustellen (3).

131

Zu den ersten beiden Gesichtspunkten ist festzustellen, dass die für das Jahr 2005 festgestellten Margen nach den Feststellungen der Kommission im 1010. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses bei drei der analysierten Portfolios positiv waren. Dies steht im Widerspruch zu der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Berechnung der Beschneidung der Margen beim Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom, nach der die für das Jahr 2005 berechnete Marge negativ war (Mitteilung der Beschwerdepunkte, Tabelle 88 und 1203. Erwägungsgrund). Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission aber nicht alle Zahlen übernommen, die sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte bei der Berechnung der Margenbeschneidung zugrunde gelegt hatte. Deshalb wurden im angefochtenen Beschluss andere Margen festgestellt als die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorläufig berechneten.

132

Die Kommission weist in ihren Schriftsätzen, ohne dass dies von der Klägerin bestritten wird, aber zu Recht darauf hin, dass diese Änderungen bei der Berechnung der Margenbeschneidung darauf zurückzuführen sind, dass Daten und Berechnungen zugrunde gelegt worden sind, die Slovak Telekom selbst auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte hin zur Verfügung gestellt hat. Dass diese Daten und Berechnungen berücksichtigt worden sind, zeigt sich u. a. in den Erwägungsgründen 910, 945, 963 und 984 des angefochtenen Beschlusses. Im Übrigen geht aus den Erwägungsgründen 946 (Fn. 1405) und 1000 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Kommission beim Erlass des angefochtenen Beschlusses die von Slovak Telekom als Antwort auf das Sachverhaltsschreiben übermittelte Aktualisierung der Berechnung der Margenbeschneidung berücksichtigt hat (siehe oben, Rn. 21).

133

Damit hat die Kommission bei der Beurteilung der Margenbeschneidung im angefochtenen Beschluss die Natur der gegen Slovak Telekom und somit gegen die Klägerin als Muttergesellschaft erhobenen Vorwürfe nicht verändert. Sie hat diesen Gesellschaften keine Tatsachen zur Last gelegt, zu denen diese im Verwaltungsverfahren nicht hätten Stellung nehmen können. Sie hat lediglich die von Slovak Telekom im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwände berücksichtigt, um die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltene Analyse der Margenbeschneidung zu verfeinern und zu vervollständigen. Damit sollte gerade den Anforderungen an die Wahrung des rechtlichen Gehörs (siehe oben, Rn. 128) Rechnung getragen werden. Der Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren verlangte nicht, dass den Parteien vor Erlass des angefochtenen Beschlusses erneut die Möglichkeit gegeben wird, zu den angepassten Berechnungen der Margenbeschneidung Stellung zu nehmen.

134

Zu dem dritten oben in Rn. 130 angeführten Gesichtspunkt, der die Methode betrifft, bei der Berechnung der Margenbeschneidung einen mehrjährigen Zeitraum zu berücksichtigen, ist festzustellen, das Slovak Telekom in Rn. 1281 ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, die in der Klagebeantwortung wiedergegeben wird, Einwände dagegen erhoben hatte, dass, wie von der Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgeschlagen, ausschließlich die Methode der Berücksichtigung getrennter Zeiträume (Jahr für Jahr) angewandt wird.

135

Slovak Telekom hat im Kern geltend gemacht, dass die Anbieter im Telekommunikationssektor ihre Fähigkeit, eine angemessene Rendite zu erwirtschaften, im Hinblick auf einen längeren Zeitraum als ein Jahr untersuchten. Slovak Telekom hat deshalb u. a. vorgeschlagen, die Prüfung der Margenbeschneidung durch eine Analyse unter Berücksichtigung eines mehrjährigen Zeitraums zu vervollständigen. Aus Rn. 587 der Antwort der Klägerin auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ergibt sich, dass die Klägerin das Vorbringen von Slovak Telekom insoweit unterstützt hat.

136

Wie sich aus dem 859. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt, hat die Kommission dem Einwand von Slovak Telekom Rechnung getragen und einen mehrjährigen Zeitraum berücksichtigt, um zu ermitteln, ob dies etwas an ihrer Feststellung ändert, dass die von Slovak Telekom gegenüber alternativen Anbietern für den entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen praktizierten Entgelte von 2005 bis 2010 zu einer Margenbeschneidung geführt haben.

137

Bei dieser zusätzlichen Prüfung, deren Ergebnis in den Erwägungsgründen 1013 und 1014 des angefochtenen Beschlusses wiedergegeben ist, hat die Kommission bei den Dienstleistungsportfolios sowohl für den Zeitraum 2005 bis 2010 (angefochtener Beschluss, 1013. Erwägungsgrund, Tabelle 39) als auch für den Zeitraum 2005 bis 2008 (angefochtener Beschluss, 1014. Erwägungsgrund, Tabelle 40) jeweils eine negative Gesamtmarge festgestellt. Die Kommission ist deshalb im 1015. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Schluss gelangt, dass eine Analyse unter Berücksichtigung eines mehrjährigen Zeitraums an ihrer nach der Methode der Berücksichtigung getrennter Zeiträume (Jahr für Jahr) getroffenen Feststellung, dass eine Margenbeschneidung vorliege, nichts ändere.

138

Somit ist festzustellen, dass die Analyse unter Berücksichtigung eines mehrjährigen Zeitraums im angefochtenen Beschluss bei der Ermittlung einer Margenbeschneidung auf den Einwand hin durchgeführt wurde, der von Slovak Telekom in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zur Methode der Berücksichtigung getrennter Zeiträume (Jahr für Jahr) erhoben und von der Klägerin unterstützt wurde. Die in den Erwägungsgründen 1175 bis 1222 des angefochtenen Beschlusses vorgenommene Analyse unter Berücksichtigung getrennter Zeiträume (Jahr für Jahr) sollte mit der Analyse der Margen beim entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom unter Berücksichtigung eines mehrjährigen Zeitraums ergänzt, aber nicht ersetzt werden. Die zusätzlich durchgeführte Analyse unter Berücksichtigung eines mehrjährigen Zeitraums hat die Kommission in ihrer Auffassung bestärkt, dass auf dem slowakischen Markt der Breitbandinternetdienste vom 12. August 2005 bis zum 31. Dezember 2010 eine Margenbeschneidung existierte.

139

Wie die Kommission geltend macht, wurden der Klägerin und Slovak Telekom durch die Analyse unter Berücksichtigung eines mehrjährigen Zeitraums nicht Tatsachen zur Last gelegt, zu denen diese Gesellschaften sich im Verwaltungsverfahren nicht hätten äußern können. Die Natur der gegen sie erhobenen Vorwürfe wurde nicht verändert. Es wurde auf einen von Slovak Telekom auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erhobenen Einwand hin lediglich eine zusätzliche Analyse der durch die von Slovak Telekom für den entbündelten Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen praktizierten Entgelte hervorgerufenen Margenbeschneidung durchgeführt.

140

Unter diesen Umständen verlangte der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör von der Kommission nach der oben in den Rn. 127 und 128 dargestellten Rechtsprechung nicht, der Klägerin vor Erlass des angefochtenen Beschlusses Gelegenheit zu geben, erneut zum Thema der Analyse der Beschneidung der Margen für den entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom unter Berücksichtigung eines mehrjährigen Zeitraums Stellung zu nehmen. Andernfalls könnte der angefochtene Beschluss keine Punkte enthalten, zu denen den Parteien im Verwaltungsverfahren nicht speziell Gelegenheit gegeben worden ist, Stellung zu nehmen, auch wenn diese Punkte die Natur der gegen die Parteien erhobenen Vorwürfe nicht verändern. Dies wäre nicht mit der oben in Rn. 127 dargestellten Rechtsprechung vereinbar.

141

Etwas Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, die Methode der Berechnung der Margenbeschneidung, die die Kommission im Rahmen der zusätzlichen Prüfung angewandt habe, entspreche nicht der Methode, die Slovak Telekom in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgeschlagen habe. Diese Methode habe auf der Entscheidungspraxis der Kommission basiert. Die Kommission habe im vorliegenden Fall die Analyse unter Berücksichtigung eines mehrjährigen Zeitraums verwendet, um die Dauer der Zuwiderhandlung zu erhöhen.

142

Dieses Vorbringen beruht auf einem unrichtigen Verständnis des angefochtenen Beschlusses. Die Kommission war nämlich bereits nach der Methode der Berücksichtigung getrennter Zeiträume (Jahr für Jahr) zu dem Schluss gelangt, dass ein ebenso effizienter Wettbewerber wie Slovak Telekom das Breitbanddienstleistungen umfassende Endkundenportfolio von Slovak Telekom im Zeitraum vom 12. August 2005 bis zum 31. Dezember 2010 nicht rentabel hätte reproduzieren können (angefochtener Beschluss, 1012. Erwägungsgrund). Die Kommission vertrat die Auffassung, dass die Tatsache, dass von August bis Dezember 2005 eine positive Marge vorliege, dem Einschluss dieses Zeitraums in den Zeitraum der Zuwiderhandlung (Margenbeschneidung) nicht widerspreche, da Anbieter ihre Fähigkeit, eine angemessene Rendite zu erwirtschaften, über einen längeren Zeitraum prüften (angefochtener Beschluss, 998. Erwägungsgrund). Die Kommission hat die Dauer der Margenbeschneidung also auf der Grundlage der Methode der Berücksichtigung getrennter Zeiträume (Jahr für Jahr) ermittelt. Die Methode der Berücksichtigung eines mehrjährigen Zeitraums wurde lediglich zusätzlich angewandt.

143

Zur Wahrung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör musste die Kommission die von Slovak Telekom in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte hinsichtlich der Methode der Berechnung der Margen erhobenen Einwände, die von der Klägerin geteilt wurden, nach der oben in Rn. 128 dargestellten Rechtsprechung beim Erlass des angefochtenen Beschlusses jedenfalls lediglich berücksichtigen (siehe oben, Rn. 135). Der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verlangte nicht, dass die Kommission zu dem von der Klägerin gewünschten Ergebnis gelangt, indem sie den Einwänden von Slovak Telekom folgt, also feststellt, dass vom 12. August 2005 bis zum 31. Dezember 2010 keine Margenbeschneidung vorgelegen hat.

144

Unterstellt, die Kommission wäre verpflichtet gewesen, der Klägerin vor Erlass des angefochtenen Beschlusses Gelegenheit zu geben, speziell zu den oben in Rn. 130 genannten Punkten Stellung zu nehmen, ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass die Kommission einer solchen Verpflichtung nachgekommen wäre. Zwar waren die Fristen, die die Kommission der Klägerin gesetzt hat, um zu diesen Punkten Stellung zu nehmen, sehr kurz bemessen. In Anbetracht des sehr fortgeschrittenen Stadiums des Verwaltungsverfahrens, in dem die Besprechung vom 29. September 2014 stattgefunden hat, nämlich mehr als zwei Jahre und vier Monate nach der Absendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte, und der vertieften Kenntnis der Akte, die die Klägerin zu diesem Zeitpunkt gehabt haben dürfte, bedeutet dies aber nicht, dass die Klägerin deshalb überhaupt nicht in der Lage gewesen wäre, effektiv Stellung zu nehmen.

145

Folglich ist die erste Rüge des zweiten Teils des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

146

Zurückzuweisen ist auch die zweite Rüge, mit der die Klägerin geltend macht, die Kommission habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass sie ihr im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit gegeben habe, zu den im angefochtenen Beschluss vorgenommenen Korrekturen und Anpassungen der von Slovak Telekom für die Berechnung des LRAIC übermittelten Daten effektiv Stellung zu nehmen.

147

Es trifft zu, dass die Kommission die von Slovak Telekom nach der Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelten neuen Daten zur Berechnung der LRAIC im angefochtenen Beschluss nicht in vollem Umfang berücksichtigt hat. Dies ergibt sich insbesondere aus den Erwägungsgründen 910, 945 und 963 des angefochtenen Beschlusses. Wie oben in Rn. 143 in anderem Zusammenhang ausgeführt, kann die Kommission aber nicht verpflichtet sein, die Parteien erneut anzuhören, wenn sie beabsichtigt, in ihrer endgültigen Entscheidung nicht sämtlichen Einwänden, die die Parteien in ihren Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erhoben haben, zu folgen, es sei denn, die Natur der gegen die Parteien erhobenen Vorwürfe würde dadurch verändert.

148

Dadurch, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss die von Slovak Telekom nach der Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelten neuen Daten zur Berechnung der LRAIC nicht in vollem Umfang berücksichtigt hat, werden die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Punkte, auf denen die im Verwaltungsverfahren gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe beruhen, nicht verändert. Der zweite Teil des ersten Klagegrundes ist daher in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

d)   Zum dritten Teil des ersten Klagegrundes: Fehler bei der Berechnung der langfristigen durchschnittlichen Grenzkosten (LRAIC)

149

Mit dem dritten Teil des ersten Klagegrundes rügt die Klägerin, die Kommission habe die LRAIC von Slovak Telekom falsch berechnet, d. h. jene Kosten, die diese Gesellschaft nicht zu tragen gehabt hätte, wenn sie die entsprechenden Dienste nicht angeboten hätte. Der von Slovak Telekom als Anlage zu ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgelegte Beratungsbericht (im Folgenden: Beratungsbericht) habe eine Anpassung der Vermögenswerte von Slovak Telekom auf das Niveau eines effizienten Betreibers, der ein optimales Netz aufbauen würde, das zur Befriedigung der gegenwärtigen und künftigen Nachfrage dimensioniert sei (im Folgenden: Optimierungsanpassungen), vorgeschlagen. Die Kommission habe solche Anpassungen aber letztlich nicht vorgenommen. Die Kommission habe es nicht akzeptiert, die bestehenden Vermögenswerte durch moderne Äquivalente zu ersetzen („modern asset equivalent“). Sie habe auch die Reduzierung der Vermögenswerte auf der Grundlage der derzeit verwendeten Kapazität nicht berücksichtigt. Diese Vorgehensweise sei deshalb kritikwürdig, weil die Kommission im Übrigen eine Neubewertung der Vermögenswerte von Slovak Telekom im angefochtenen Beschluss akzeptiert habe, weil die im Beratungsbericht vorgeschlagene Anpassung sehr wohl auf den historischen Kosten dieses Betreibers und nicht auf den Kosten eines hypothetischen Wettbewerbers basiert sei und weil diese Kosten im Verhältnis zu einem effizienten Wettbewerber beurteilt werden müssten. Darüber seien im Beratungsbericht bei der Berechnung der LRAIC hinreichende Kapazitätsreserven für Slovak Telekom berücksichtigt worden und sei, entgegen den Behauptungen der Kommission, als Maßstab nicht ein Wettbewerber zugrunde gelegt worden, der ganz ohne Ineffizienzen operiert hätte. Ohne diesen Berechnungsfehler hätte die Kommission aufgrund der neu bewerteten, geringeren LRAIC zwangsläufig zu dem Schluss des Vorliegens höherer, wenn nicht sogar positiver Margen für bestimmte Jahre kommen müssen.

150

Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

151

Zu dem Vorbringen der Klägerin ist zunächst festzustellen, dass Slovak Telekom in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte unter Berufung auf den Beratungsbericht eine Methode vorgeschlagen hatte, die auf dem Wiederbeschaffungsprinzip beruht und bei der die nachgelagerten Kosten für den Zeitraum von 2005 bis 2010 auf der Grundlage von Daten ab 2011 geschätzt wurden (angefochtener Beschluss, 881. Erwägungsgrund). Slovak Telekom hatte in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte geltend gemacht, dass bei der Ermittlung der LRAIC zum einen ihre Vermögenswerte neu zu bewerten seien und zum anderen zu berücksichtigen sei, dass ihr Netz für das Breitbandangebot nicht effizient sei. Was die fehlende Effizienz angeht, hat Slovak Telekom vorgeschlagen, Optimierungsanpassungen vorzunehmen, nämlich die bestehenden Anlagegüter durch moderne Äquivalenzgüter zu ersetzen, die effizienter und billiger sind („modern asset equivalent“) (1), nach Möglichkeit die Technologie beizubehalten (2) und die Anlagegüter auf der Grundlage der derzeit verwendeten Kapazität (im Gegensatz zur installierten Kapazität) zu reduzieren (3).

152

In ihrer eigenen Berechnung der LRAIC hat Slovak Telekom die Kapitalkosten und die Abschreibungskosten der Vermögenswerte in den Jahren 2005 bis 2010 sowie die auf diese entfallenden Betriebsausgaben durch Anwendung des vom Verfasser des Beratungsberichts für das Jahr 2011 berechneten gewichteten durchschnittlichen Anpassungsfaktors angepasst (angefochtener Beschluss, 897. Erwägungsgrund). Slovak Telekom hat geltend gemacht, dass die vorgeschlagenen Optimierungsanpassungen Reservekapazitäten wiedergäben, die in den Netzelementen ermittelt worden seien. Es handele sich dabei um Anlagegüter, die, weil sie nicht produktiv genutzt würden, aus dem Netz entfernt, aber von Slovak Telekom noch nicht verkauft worden seien (angefochtener Beschluss, 898. Erwägungsgrund).

153

Die Kommission hat es jedoch abgelehnt, diese Optimierungsanpassungen im angefochtenen Beschluss vorzunehmen.

154

Was als Erstes den Austausch der bestehenden Anlagegüter durch modernere Äquivalenzgüter angeht, hat die Kommission im 900. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass ein solcher Austausch nicht zulässig sei, da er vom Konzept her der Anpassung der Kosten ohne richtige Anpassung der Abschreibungen ähnele. Die Kommission hat insoweit auf die Erwägungsgründe 889 bis 893 des angefochtenen Beschlusses verwiesen, in denen sie Zweifel an der Anpassung der Anschaffungskosten für den Zeitraum von 2005 bis 2010 in der von Slovak Telekom vorgeschlagenen Form geäußert hat. Die Kommission hat ferner darauf hingewiesen, dass ein solcher Austausch nicht mit dem „ebenso effizienter Wettbewerber“-Test übereinstimme (angefochtener Beschluss, 901. Erwägungsgrund). Die Rechtsprechung habe bestätigt, dass die Missbräuchlichkeit der Preispolitik eines beherrschenden Unternehmens grundsätzlich anhand seiner eigenen Lage bestimmt werde. Im vorliegenden Fall stütze sich die von Slovak Telekom vorgeschlagene Anpassung der LRAIC aber auf eine Gesamtheit hypothetischer Anlagegüter, und nicht auf dieselben Wirtschaftsgüter, die im Besitz von Slovak Telekom seien.

155

Was als Zweites die Berücksichtigung der Kapazitätsüberschüsse der Netze auf der Grundlage der „aktuell“ genutzten Kapazität angeht, hat die Kommission festgestellt, dass es, da Investitionen auf der Grundlage von Prognosen der Nachfrage erfolgten, unvermeidlich sei, dass bei einer nachträglichen Sicht mitunter Kapazitäten ungenutzt blieben (angefochtener Beschluss, 902. Erwägungsgrund).

156

Keiner der Rügen, die von der Klägerin gegen diesen Teil des angefochtenen Beschlusses erhoben werden, kann gefolgt werden.

157

Erstens macht die Klägerin zu Unrecht geltend, dass zwischen der Ablehnung der Optimierungsanpassungen der LRAIC und dem Akzeptieren der von Slovak Telekom vorgeschlagenen Neubewertung der Vermögenswerte im 894. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ein Widerspruch bestehe. Dasselbe gilt für ihr Vorbringen in der Erwiderung, die Kommission hätte die von Slovak Telekom vorgeschlagenen Optimierungsanpassungen akzeptieren müssen, weil sie wie bei der Neubewertung der Vermögenswerte auch bei den Optimierungsanpassungen nicht über zuverlässige Daten hinsichtlich der historischen Kosten verfügt habe.

158

Die Neubewertung der Vermögenswerte basierte nämlich auf den Vermögenswerten, die Slovak Telekom 2011 besaß. Hierzu hat die Kommission festgestellt, dass keine Kostendaten vorlägen, die die inkrementellen Kosten der Breitband-Anlagegüter von Slovak Telekom für den Zeitraum von 2005 bis 2010 besser abbildeten. Deshalb hat sie die von Slovak Telekom vorgeschlagene Neubewertung der Vermögenswerte von Slovak Telekom im angefochtenen Beschluss in ihre Margenbeschneidungsanalyse einbezogen. Sie hat allerdings darauf hingewiesen, dass die Neubewertung der Vermögenswerte wahrscheinlich dazu führe, dass die Schätzung der nachgelagerten Anschaffungskosten zu niedrig ausfalle (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 885 bis 894).

159

Hingegen wurden mit den von Slovak Telekom vorgeschlagenen Optimierungsanpassungen die Vermögenswerte auf das ungefähre Niveau eines effizienten Betreibers angepasst, der auf der Grundlage „heute verfügbarer“ Informationen und Nachfrageprognosen ein optimales Netz aufbauen würde, das zur Befriedigung der künftigen Nachfrage dimensioniert ist (angefochtener Beschluss, 895. Erwägungsgrund). Die Optimierungsanpassungen beruhten auf einer Projektion und auf einem Modell eines optimalen Netzes, und nicht auf einer Schätzung der inkrementellen Kosten der tatsächlich existierenden Anlagegüter von Slovak Telekom.

160

Die Optimierungsanpassungen im Allgemeinen und die Ersetzung der vorhandenen Anlagegüter durch moderne Äquivalente im Besonderen hatten also ein anderes Ziel als die von Slovak Telekom vorgeschlagene Neubewertung der Anlagegüter. Dass die Kommission die von Slovak Telekom vorgeschlagene Neubewertung der vorhandenen Anlagegüter wegen des Fehlens zuverlässiger anderer Daten über die LRAIC von Slovak Telekom berücksichtigt hat, bedeutet nicht, dass sie die Optimierungsanpassungen der LRAIC akzeptiert hätte. Die Ungleichbehandlung der Ersetzung der vorhandenen Anlagegüter durch modernere Äquivalente und der von Slovak Telekom vorgeschlagenen Neubewertung der Anlagegüter ist daher nicht zu beanstanden.

161

Zweitens kann dem Vorbringen der Klägerin auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie die Feststellung im 901. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angreift, wonach die Optimierungsanpassungen dazu führen würden, dass die LRAIC auf der Grundlage der Anlagegüter eines hypothetischen Wettbewerbers, und nicht auf der Grundlage der Anlagegüter des betreffenden etablierten Anbieters, Slovak Telekom, berechnet würden.

162

Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der von einem beherrschenden Unternehmen angewandten Preispolitik nach Art. 102 AEUV grundsätzlich auf Preiskriterien abzustellen, die sich auf die dem beherrschenden Unternehmen entstandenen Kosten und seine Strategie stützen (vgl. Urteil vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige, C‑52/09, EU:C:2011:83, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 29. März 2012, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, T‑336/07, EU:T:2012:172, Rn. 190; vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. April 2008, Deutsche Telekom/Kommission, T‑271/03, EU:T:2008:101, Rn. 188 und die dort angeführte Rechtsprechung).

163

Insbesondere bei einer Preispolitik, die auf eine Margenbeschneidung hinausläuft, kann anhand dieser Prüfungskriterien festgestellt werden, ob das Unternehmen nach dem Kriterium des ebenso effizienten Wettbewerbers (siehe oben, Rn. 87) effizient genug gewesen wäre, um seine Endkundendienste anzubieten, ohne dabei Verluste hinnehmen zu müssen, wenn es vorher seine eigenen Vorleistungspreise für die Vorleistungen hätte zahlen müssen (Urteile vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige, C‑52/09, EU:C:2011:83, Rn. 42, und vom 29. März 2012, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, T‑336/07, EU:T:2012:172, Rn. 191; vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2010, Deutsche Telekom/Kommission, C‑280/08 P, EU:C:2010:603, Rn. 201).

164

Ein solcher Ansatz ist umso mehr gerechtfertigt, als er außerdem mit dem allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit im Einklang steht, da die Berücksichtigung der Kosten des beherrschenden Unternehmens es diesem erlaubt, im Hinblick auf seine besondere Verantwortung nach Art. 102 AEUV, die Rechtmäßigkeit seines eigenen Verhaltens zu beurteilen. Denn ein marktbeherrschendes Unternehmen kennt zwar seine eigenen Kosten und Entgelte, die seiner Wettbewerber aber in der Regel nicht (Urteile vom 14. Oktober 2010, Deutsche Telekom/Kommission, C‑280/08 P, EU:C:2010:603, Rn. 202, vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige, C‑52/09, EU:C:2011:83, Rn. 44, und vom 29. März 2012, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, T‑336/07, EU:T:2012:172, Rn. 192).

165

Zwar hat der Gerichtshof in den Rn. 45 und 46 des Urteils vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige (C‑52/09, EU:C:2011:83), darauf hingewiesen, dass nicht auszuschließen ist, dass die Kosten und Preise der Wettbewerber für die Prüfung der auf eine Margenbeschneidung hinauslaufenden Preispolitik relevant sind. Die Preise und Kosten der Wettbewerber auf demselben Markt sind nach diesem Urteil aber nur dann zu prüfen, wenn in Anbetracht der Umstände eine Bezugnahme auf die Preise und Kosten des beherrschenden Unternehmens nicht möglich ist, was die Klägerin im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht hat (vgl. entsprechend Urteil vom 29. März 2012, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, T‑336/07, EU:T:2012:172, Rn. 193).

166

Im vorliegenden Fall sollten mit dem Austausch der bestehenden Anlagegüter durch modernere Äquivalenzgüter die Anschaffungskosten der Anlagegüter angepasst werden, indem „aktuelle“ Werte zugrunde gelegt wurden, ohne jedoch die Abschreibungen richtig anzupassen (angefochtener Beschluss, 900. Erwägungsgrund). Ein solcher Austausch hätte bedeutet, dass die Margenbeschneidung auf der Grundlage hypothetischer Anlagegüter berechnet wird, d. h. auf der Grundlage von Anlagegütern, die nicht denen entsprechen, die Slovak Telekom besaß. Die den Anlagegütern von Slovak Telekom zuzuordnenden Kosten wären also zu niedrig geschätzt worden (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 893 und 900). Ferner hätte die Berücksichtigung der Überkapazität der Netze auf der Grundlage der „aktuell“ genutzten Kapazität dazu geführt, dass nicht produktiv genutzte Anlagegüter von Slovak Telekom ausgeschlossen worden wären (siehe oben, Rn. 152).

167

Nach den oben in den Rn. 162 bis 165 dargestellten Grundsätzen ist die Feststellung der Kommission, dass die von Slovak Telekom vorgeschlagenen Optimierungsanpassungen der LRAIC bei der Berechnung der Margenbeschneidung dazu geführt hätten, dass von den Kosten, die Slovak Telekom selbst im Zeitraum vom 12. August 2005 bis zum 31. Dezember 2010 gehabt habe, abgewichen worden wäre, daher nicht zu beanstanden.

168

Nicht gefolgt werden kann auch dem Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe dadurch, dass sie im angefochtenen Beschluss festgestellt habe, dass es unvermeidlich sei, dass mitunter Kapazitäten ungenutzt blieben (angefochtener Beschluss, 902. Erwägungsgrund), gegen den Grundsatz, dass bei der Margenbeschneidung auf einen effizienten Wettbewerber abzustellen sei, verstoßen. Nach den oben in den Rn. 162 und 163 dargestellten Grundsätzen ist bei einer Preispolitik, die auf eine Margenbeschneidung hinausläuft, zu prüfen, ob ein Wettbewerber, der ebenso effizient ist wie das beherrschende Unternehmen, seine Endkundendienste anbieten könnte, ohne dabei Verluste hinnehmen zu müssen. Bei einer solchen Prüfung wird also nicht auf einen Anbieter abgestellt, der unter den im betreffenden Zeitraum gegebenen Marktbedingungen vollkommen effizient ist. Hätte die Kommission die durch die Kapazitätsüberschüsse bedingten Optimierungsanpassungen akzeptiert, hätten die Berechnungen der LRAIC durch Slovak Telekom aber die Kosten eines optimalen, nachfragegerechten Netzes widergespiegelt, das nicht unter den Ineffizienzen des Netzes von Slovak Telekom leidet, d. h. die Kosten eines Wettbewerbers, der effizienter ist als Slovak Telekom. Auch wenn im vorliegenden Fall feststeht, dass ein Teil der relevanten Anlagegüter von Slovak Telekom in der Zeit vom 12. August 2005 bis zum 31. Dezember 2010 nicht genutzt wurde, ist die Entscheidung der Kommission, diesen Teil der Anlagegüter, also die Kapazitätsüberschüsse, bei der Berechnung der LRAIC zu berücksichtigen, daher nicht zu beanstanden.

169

Folglich ist der dritte Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen und damit dieser Klagegrund insgesamt.

2.   Zum zweiten Klagegrund: Rechts- und Tatsachenfehler hinsichtlich der Dauer des missbräuchlichen Verhaltens von Slovak Telekom

170

Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Klägerin geltend, der angefochtene Beschluss leide, soweit darin festgestellt werde, dass die Zuwiderhandlung am 12. August 2005 begonnen habe, an einem offensichtlichen Beurteilungsfehler und verstoße gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit. Die Klägerin macht sich insoweit den Vortrag von Slovak Telekom in der Rechtssache T‑851/14 zu eigen. Sie erhebt drei Rügen. Die Kommission habe zu Unrecht festgestellt, dass die konstruktive Verweigerung des Zugangs zu den Teilnehmeranschlüssen am 12. August 2005, dem Tag, an dem Slovak Telekom ihr Standardangebot veröffentlicht habe, begonnen habe (erste Rüge) und dass 2005 eine Margenbeschneidung vorliege (zweite und dritte Rüge).

a)   Vorbemerkungen

[nicht wiedergegeben]

172

Zweitens ist zu dem Vorbringen der Klägerin selbst zunächst festzustellen, dass, wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 90), für die Feststellung eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV nur nachzuweisen ist, dass das missbräuchliche Verhalten des Unternehmens in beherrschender Stellung darauf gerichtet ist, den Wettbewerb zu beschränken, oder eine solche Wirkung haben kann. Auch wenn die Praxis eines Unternehmens in beherrschender Stellung in Ermangelung jeglicher wettbewerbswidriger Wirkung auf den Markt nicht als missbräuchlich angesehen werden kann, ist doch nicht erforderlich, dass eine solche Wirkung unbedingt konkret eintritt, da der Nachweis einer potenziellen wettbewerbswidrigen Wirkung genügt (vgl. Urteil vom 6. Dezember 2012, AstraZeneca/Kommission, C‑457/10 P, EU:C:2012:770, Rn. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung).

173

Nach der oben in Rn. 89 angeführten Rechtsprechung fallen Verhaltensweisen, die den Wettbewerb beeinträchtigen, z. B., indem sie den Markteintritt von Wettbewerbern verhindern oder verzögern, auch dann unter das Verbot von Art. 102 AEUV, wenn den Verbrauchern dadurch kein unmittelbarer Schaden erwächst.

174

Im vorliegenden Fall bestand die von der Kommission festgestellte Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV in verschiedenen Verhaltensweisen von Slovak Telekom, nämlich der Verweigerung des entbündelten Zugangs zu ihren Teilnehmeranschlüssen und einer Beschneidung der Margen der alternativen Anbieter beim Zugang zu diesen Anschlüssen (angefochtener Beschluss, 1497. Erwägungsgrund). Die Verweigerung des Zugangs erfolgte durch folgende Verhaltensweisen von Slovak Telekom: (1) Zurückhaltung von Informationen über ihr Netz, die für die Entbündelung ihrer Teilnehmeranschlüsse erforderlich sind, gegenüber alternativen Anbietern, (2) Verringerung ihrer gesetzlichen Verpflichtungen in Bezug auf die entbündelten Teilnehmeranschlüsse und (3) Festsetzung mehrerer unfairer Bedingungen in ihrem Standardangebot für entbündelte Teilnehmeranschlüsse (siehe oben, Rn. 92).

175

Die Kommission hat festgestellt, dass diese verschiedenen Verhaltensweisen Bestandteil der Ausschlussstrategie von Slovak Telekom gewesen seien, mit der das Ziel verfolgt worden sei, den Wettbewerb auf dem Endkundenmarkt für an einem festen Standort angebotene Breitbanddienste in der Slowakei zu beschränken und zu verfälschen und die Erträge und die Marktposition von Slovak Telekom auf diesem Markt zu schützen (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 1507 bis 1511). Sie ist daher zu dem Schluss gelangt, dass diese Verhaltensweisen, für die die Klägerin als Muttergesellschaft von Slovak Telekom einzustehen habe, Teil eines Gesamtplans zur Beschränkung des Wettbewerbs seien und folglich eine einzige und ununterbrochene Zuwiderhandlung darstellten (angefochtener Beschluss, 1511. Erwägungsgrund).

176

Diese Einstufung als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlungen wird von der Klägerin mit ihrer Klage nicht angegriffen, wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Angegriffen wird mit dem zweiten Klagegrund vielmehr die Feststellung, dass die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung am 12. August 2005, dem Tag, an dem Slovak Telekom ihr Standardangebot für entbündelte Teilnehmeranschlüsse veröffentlicht hat, begonnen habe (angefochtener Beschluss, 1184. Erwägungsgrund).

177

Die Kommission hat insoweit das Vorbringen von Slovak Telekom im Verwaltungsverfahren zurückgewiesen, dass die ihr zur Last gelegte Zuwiderhandlung nicht zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ihres Standardangebots begonnen haben könne, da es sich dabei lediglich um einen Rahmenvertrag handele, in dem die Bedingungen des Zugangs zu den Teilnehmeranschlüssen festgelegt würden, so dass noch Verhandlungen mit interessierten alternativen Anbietern geführt werden müssten, und dass eine Verweigerung der Lieferung nur bei einem Scheitern solcher Verhandlungen festgestellt werden könne. Die Kommission hat hierzu festgestellt, dass sie dargetan habe, dass mehrere Bedingungen des Standardangebots für die Erlangung des entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom durch einen alternativen Anbieter unfair gewesen seien. Das Standardangebot, das erstellt werde, um die regulatorische Verpflichtung zur Zugangsgewährung umzusetzen, müsse von Anfang an faire Bedingungen enthalten (angefochtener Beschluss, 1520. Erwägungsgrund).

178

Zurückgewiesen hat die Kommission auch das Vorbringen der Klägerin, die Verhaltensweise der Margenbeschneidung von Slovak Telekom habe erst am 1. Januar 2006 begonnen haben können, da im Jahr 2005 keine negative Marge habe festgestellt werden können (angefochtener Beschluss, 1521. Erwägungsgrund). Die Kommission hat insoweit auf ihre Ausführungen im 998. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses verwiesen, wonach der Umstand, dass im Jahr 2005 keine negative Marge habe festgestellt werden können, nichts daran ändere, dass vom 12. August bis zum 31. Dezember 2005 eine Margenbeschneidung vorgelegen habe, da kein alternativer Anbieter sich auf der Grundlage einer sich auf einen so kurzen Zeitraum beziehenden Prognose der Rentabilitätsaussichten dafür entschieden hätte, in den betreffenden Markt einzutreten. Außerdem hat die Kommission darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass im Jahr 2005 keine negative Marge habe festgestellt werden können, ohnehin keine Auswirkung auf die Dauer der Zuwiderhandlung haben könne, da diese noch andere Verhaltensweisen einschließe, mit denen sie eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bilde.

179

Die erste Rüge der Klägerin, mit der geltend gemacht wird, die Kommission habe zu Unrecht festgestellt, dass die konstruktive Verweigerung des Zugangs zu den Teilnehmeranschlüssen am 12. August 2005 begonnen habe, und die zweite und dritte Rüge, mit denen geltend gemacht wird, die Kommission habe fehlerhaft festgestellt, dass im Jahr 2005 eine Margenbeschneidung vorgelegen habe, sind im Hinblick auf diese Vorbemerkungen zu prüfen.

b)   Zu der Feststellung, dass die konstruktive Verweigerung des Zugangs zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom am 12. August 2005 begonnen habe

180

Mit ihrer ersten Rüge macht die Klägerin geltend, dass sich das Standardangebot auf die Setzung eines Rahmens beschränkt habe, der selbst nicht zu einer Margenbeschneidung habe führen können, sondern erst durch individuelle Verhandlungen mit etwaigen Bewerbern um einen entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss habe ausgefüllt werden müssen. Diese Verhandlungen hätten in der Praxis aber zu verbesserten Konditionen für die Bewerber geführt. Eine Lieferverweigerung könne erst beim Scheitern solcher Verhandlungen festgestellt werden. Der angefochtene Beschluss stehe diesbezüglich nicht im Einklang mit der Entscheidungspraxis der Kommission. Die Klägerin verweist insoweit auf die Entscheidung C(2004) 1958 endg. vom 2. Juni 2004 (Sache COMP/38.096 – Clearstream, im Folgenden: Entscheidung Clearstream) und den Beschluss C(2011) 4378 endg. vom 22. Juni 2011 (Sache COMP/39.525 – Telekomunikacja Polska, im Folgenden: Beschluss Telekomunikacja Polska). Die eingeschränkte Nachfrage nach einem entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom erkläre sich insbesondere durch den Umstand, dass bestimmte alternative Anbieter der Ansicht gewesen seien, dass ein Markteintritt auf der Basis eines Breitbandzugangs oder des Aufbaus ihrer eigenen lokalen Infrastruktur vorteilhafter sei.

181

Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Sie wird dabei von der Streithelferin unterstützt.

182

Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass der Vorsitzende der TUSR Slovak Telekom mit Bescheid vom 14. Juni 2005 dazu verpflichtete, zu fairen und angemessenen Bedingungen entbündelten Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen zu gewähren, und dass Slovak Telekom daraufhin am 12. August 2005 ein Standardangebot für den entbündelten Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen veröffentlichte (siehe oben, Rn. 9 und 10).

183

Die Klägerin wendet sich auch nicht gegen die Beschreibung des Inhalts des Standardangebots in Abschnitt 7.6 („Die unfairen Bedingungen von ST“) des angefochtenen Beschlusses. Auf der Grundlage dieser Beschreibung ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass die Bedingungen des Standardangebots so festgelegt worden seien, dass der entbündelte Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen für alternative Anbieter nicht akzeptabel geworden sei (angefochtener Beschluss, 820. Erwägungsgrund).

184

Aus Abschnitt 7.6 des angefochtenen Beschlusses geht aber hervor, dass sich die missbräuchlichen Verhaltensweisen, die von der Kommission dort als „Lieferverweigerung“ eingestuft worden sind, im Wesentlichen aus dem Standardangebot selbst ergeben.

185

Was erstens das Vorenthalten von für die Entbündelung von Teilnehmeranschlüssen notwendigen Informationen über das Netz von Slovak Telekom gegenüber alternativen Anbietern angeht, hat die Kommission angenommen, dass das Standardangebot keine Grundinformationen über die physischen Zugangspunkte und die Verfügbarkeit von Teilnehmeranschlüssen in bestimmten Teilen des Zugangsnetzes enthalte (angefochtener Beschluss, 439. Erwägungsgrund). Die Kommission hat in den Erwägungsgründen 443 bis 528 des angefochtenen Beschlusses zwar die Netzinformationen geprüft, die Slovak Telekom einem alternativen Anbieter auf seinen Entbündelungsantrag hin geliefert hat. Aus diesem Teil des angefochtenen Beschlusses geht aber auch hervor, dass sich die Modalitäten des Zugangs zu solchen Informationen, die die Kommission für unfair und damit abschreckend für alternative Bieter gehalten hat, aus dem Standardangebot selbst ergeben. Die Kommission hat insbesondere beanstandet, dass das Standardangebot nicht den genauen Umfang der Netzinformationen, die den alternativen Anbietern geliefert würden, bestimmt habe, indem es die Kategorien der zu liefernden Netzinformationen spezifiziert habe (angefochtener Beschluss, 507. Erwägungsgrund), dass das Standardangebot die Offenlegung von Informationen aus nicht öffentlichen Informationssystemen erst nach Abschluss des Rahmenvertrags über den Zugang zu Teilnehmeranschlüssen vorsehe (angefochtener Beschluss, 510. Erwägungsgrund) und dass das Standardangebot die Offenlegung der Informationen über das Netz von Slovak Telekom davon abhängig mache, dass der alternative Anbieter hohe Gebühren entrichte (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 519 und 527).

186

Was zweitens die Verringerung der gesetzlichen Verpflichtungen in Bezug auf die entbündelten Teilnehmeranschlüsse durch Slovak Telekom angeht, ist festzustellen, dass sich die von der Kommission beanstandete Beschränkung der gesetzlichen Verpflichtungen auf aktive Leitungen (siehe oben, Rn. 32) aus Abschnitt 5.2 der Einleitung des Standardangebots von Slovak Telekom ergibt (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 535 und 536). Die Kommission hat aus den Bestimmungen des Anhangs 3 des Standardangebots abgeleitet, dass Slovak Telekom konfliktverursachende Dienste von ihrer Entbündelungsverpflichtung ausgenommen habe (siehe oben, Rn. 33) (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 570, 572, 577, 578 und 584). Und die von Slovak Telekom für den entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen auferlegte einschränkende 25%‑Regel für Kabeldienste, die die Kommission für ungerechtfertigt gehalten hat (siehe oben, Rn. 34), ergibt sich aus Anhang 8 des Standardangebots (angefochtener Beschluss, 606. Erwägungsgrund).

187

Was drittens die Festsetzung unfairer Bedingungen im Standardangebot für entbündelte Teilnehmeranschlüsse von Slovak Telekom im Hinblick auf Kollokation, Prognosen, Reparaturen, Dienstleistungen und Wartungsarbeiten sowie Bankbürgschaften angeht, ist festzustellen, dass sich diese Bedingungen allesamt aus dem von Slovak Telekom am 12. August 2005 veröffentlichten Standardangebot ergeben, wie in Abschnitt 7.6.4 des angefochtenen Beschlusses dargelegt wird. Danach waren die von der Kommission beanstandeten Klauseln zur Kollokation in den Anhängen 4, 5, 14 und 15 des Standardangebots (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 653, 655 und 683), zur Verpflichtung der alternativen Anbieter zur Vorlage von Prognosen in den Anhängen 12 und 14 des Standardangebots (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 719 und 726 bis 728), zum Verfahren der Prüfung der Eignung der Teilnehmeranschlüsse in Anhang 5 des Standardangebots (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 740, 743, 767, 768 und 774), zu den Bedingungen bezüglich Reparaturen, Dienstleistungen und Wartungsarbeiten in Anhang 11 des Standardangebots (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 780, 781, 787, 790 und 796) und zu der vom den entbündelten Zugang begehrenden alternativen Anbieter verlangten Bankbürgschaft in den Anhängen 5 und 17 des Standardangebots (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 800, 802 bis 807, 815 und 816) enthalten.

188

Selbst unterstellt, bestimmte dieser Zugangsmodalitäten hätten im Rahmen von bilateralen Verhandlungen zwischen Slovak Telekom und den Zugang begehrenden Anbietern aufgeweicht werden können, was die Klägerin lediglich behauptet hat, ohne dies zu belegen, würde dies die Feststellung der Kommission, dass das am 12. August 2005 veröffentlichte Standardangebot wegen der unfairen Bedingungen, die es enthalten habe, geeignet gewesen sei, ab diesem Zeitpunkt alternative Anbieter von der Einreichung von Zugangsanträgen abzuschrecken, nicht entkräften.

189

Die Feststellung der Kommission, dass Slovak Telekom durch die in ihrem am 12. August 2005 veröffentlichten Standardangebot festgelegten Zugangsmodalitäten den Eintritt alternativer Anbieter in den Endkundenmarkt („Massenmarkt“) für Breitbanddienste an einem festen Standort in der Slowakei trotz der entsprechenden Verpflichtung gemäß dem Bescheid der TUSR beeinträchtigt habe und dass dieses Verhalten daher geeignet gewesen sei, ab diesem Zeitpunkt solche negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb zu haben (angefochtener Beschluss, insbesondere Erwägungsgründe 1048, 1050, 1109, 1184 und 1520), ist daher nicht zu beanstanden.

190

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin in der Erwiderung, wonach die eingeschränkte Nachfrage der alternativen Anbieter nach entbündeltem Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom zum einen darauf zurückzuführen sei, dass für die alternativen Anbieter der Breitbandvorleistungszugang („wholesale broadband access“, WBA, oder „bitstream“), der mit Produkten wie „ISP Gate/ADSL Partner“ angeboten werde, eine interessante Alternative für den Zugang zum Endkundenmarkt darstelle, da er deutlich geringere Investitionen erfordere, und zum anderen darauf, dass bestimmte alternative Anbieter den Markteintritt auf Basis ihrer eigenen lokalen Infrastruktur für vorteilhafter hielten. Diese Behauptung, mit der die Klägerin die wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Verhaltensweisen, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, allgemein in Abrede stellt, ist nicht belegt, so dass sie die entsprechenden Feststellungen der Kommission in den Erwägungsgründen 1049 bis 1183 des angefochtenen Beschlusses nicht zu entkräften vermag.

191

Dem Vorbringen der Klägerin kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie den von der Kommission im vorliegenden Fall festgestellten Zeitpunkt des Beginns der Zuwiderhandlung unter Verweis auf die Entscheidung Clearstream und den Beschluss Telekomunikacja Polska in Zweifel ziehen will. Ohne dass festgestellt werden müsste, ob solche Entscheidungen überhaupt zu dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses maßgeblichen rechtlichen Rahmen gehören können, was die Kommission bestreitet, ist festzustellen, dass die Entscheidungen in einem Kontext ergangen sind, der sich von dem des vorliegenden Falles unterscheidet, und mit ihnen daher nicht dargetan werden kann, dass die Kommission mit dem angefochtenen Beschluss von ihrer früheren Entscheidungspraxis abgewichen wäre.

192

Im Gegensatz zum angefochtenen Beschluss ist die Entscheidung Clearstream in einem Kontext ergangen, der dadurch gekennzeichnet war, dass das Unternehmen, dem die betreffende Infrastruktur gehörte, gesetzlich überhaupt nicht verpflichtet war, anderen Unternehmen Zugang zu seiner Infrastruktur zu gewähren, und auch nicht verpflichtet war, ein Standardangebot zu veröffentlichen, in dem die Bedingungen für den Zugang zu der Infrastruktur festgelegt sind.

193

Zu dem Beschluss Telekomunikacja Polska ist festzustellen, dass die Kommission darin festgestellt hat, dass der betreffende etablierte Anbieter seine marktbeherrschende Stellung auf den polnischen Märkten für Vorleistungen für den Breitbandzugang und für den entbündelten Zugang zu seinen Teilnehmeranschlüssen dadurch missbraucht habe, dass er nicht bereit gewesen sei, Zugang zu seinem Netz zu gewähren und Produkte auf Vorleistungsebene dieser Märkte bereitzustellen, um seine Stellung auf dem Endkundenmarkt zu behaupten. Außerdem war der Kontext des Beschlusses Telekomunikacja Polska dadurch gekennzeichnet, dass eine gesetzliche Verpflichtung bestand, die der von Slovak Telekom in der vorliegenden Rechtssache entsprach, und dass der betreffende polnische Telekommunikationsanbieter ein Standardangebot für den entbündelten Zugang zu seinen Teilnehmeranschlüssen veröffentlichen musste. Bei näherer Betrachtung des Beschlusses Telekomunikacja Polska ist jedoch festzustellen, dass der Ansatz dieses Beschlusses zu dem des angefochtenen Beschlusses überhaupt nicht im Widerspruch steht. In dem Beschluss Telekomunikacja Polska hat die Kommission festgestellt, dass sich die wettbewerbswidrige Strategie des beherrschenden Anbieters erst bei den Verhandlungen mit den alternativen Anbietern, die entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen und Zugang zu den Vorleistungen für den Breitbandzugang begehrt hätten, konkretisiert habe. Die unangemessenen Bedingungen für den Zugang ergaben sich also aus den Zugangsverträgen, die der betreffende Anbieter bei Verhandlungen mit alternativen Anbietern anbot. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Verzögerung des Verhandlungsprozesses nicht bereits ab Veröffentlichung des ersten Standardangebots des beherrschenden Anbieters festgestellt werden konnte. Die Beschränkung des Zugangs zum Netz durch den beherrschenden Anbieter hat sich erst nach Abschluss der mit den alternativen Anbietern geschlossenen Verträge über den Zugang auf Vorleistungsebene entwickelt. Die Beschränkung des tatsächlichen Zugangs zu Teilnehmeranschlüssen erfolgte, nachdem der betreffende alternative Anbieter Zugang zu einem Kollokationsraum oder die Genehmigung zur Installation eines Verbindungskabels erhalten hatte. Die Probleme des Zugangs zu zuverlässigen und genauen allgemeinen Informationen, auf die die alternativen Teilnehmer angewiesen waren, um Entscheidungen im Bereich des Zugangs zu treffen, traten in jeder Stufe des Prozesses des Zugangs zum Netz des beherrschenden Anbieters auf. Die Verhaltensweisen des beherrschenden Anbieters in der Sache Telekomunikacja Polska unterschieden sich demnach von den Verhaltensweisen, die von der Kommission im angefochtenen Beschluss als „Lieferverweigerung“ eingestuft worden sind und die sich im Wesentlichen aus dem Standardangebot für den entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom selbst ergaben (siehe oben, Rn. 184 bis 189). Aufgrund dieser Unterschiede war es gerechtfertigt, dass die Kommission im vorliegenden Fall anders als im Beschluss Telekomunikacja Polska, in dem als Beginn der Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV der Zeitpunkt angesehen wurde, zu dem die Verhandlungen über den Zugang zwischen dem beherrschenden Anbieter und einem alternativen Anbieter begonnen wurden und der mehrere Monate nach der Veröffentlichung des ersten Standardangebots lag (angefochtener Beschluss, 909. Erwägungsgrund und Fn. 1259), als Zeitpunkt des Beginns der konstruktiven Verweigerung des Zugangs zu den Teilnehmeranschlüssen den 12. August 2005 angesehen hat, den Tag, an dem das Standardangebot veröffentlicht wurde.

194

Folglich ist die erste Rüge, mit der geltend gemacht wird, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass die konstruktive Verweigerung des Zugangs zu den Teilnehmeranschlüssen am 12. August 2005 begonnen habe, als unbegründet zurückzuweisen.

195

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin die von der Kommission vorgenommene Einstufung sämtlicher in Art. 1 Abs. 2 des angefochtenen Beschlusses angeführten Verhaltensweisen – Zurückhaltung netzrelevanter Informationen, die für die Entbündelung der Teilnehmeranschlüsse erforderlich sind, gegenüber alternativen Anbietern (1), Verringerung des Umfangs ihrer Verpflichtungen in Bezug auf die entbündelten Teilnehmeranschlüsse (2), Festsetzung unfairer Bedingungen in ihrem Standardangebot für entbündelte Teilnehmeranschlüsse in Bezug auf Kollokation, Eignungsprüfung, Vorlage von Prognosen, Reparaturen und Bankbürgschaften (3), Anwendung unfairer Tarife, die es einem ebenso effizienten Wettbewerber, der auf der Vorleistungsebene auf den entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom angewiesen ist, unmöglich machen, ebenso umfassende Breitbanddienste für Endkunden wie Slovak Telekom aufzubauen, ohne Verluste zu verzeichnen (4) – als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung nicht in Abrede stellt.

196

Da die erste Rüge der Klägerin, mit der geltend gemacht wird, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass die konstruktive Verweigerung des Zugangs zu den Teilnehmeranschlüssen am 12. August 2005 begonnen habe, zurückgewiesen worden ist (siehe oben, Rn. 194), ist die Feststellung der Kommission, dass die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist, am 12. August 2005 begonnen habe, nicht zu beanstanden.

197

Dadurch ist das Gericht aber nicht daran gehindert, die zweite und die dritte Rüge der Klägerin zu untersuchen und zu prüfen, ob Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 des angefochtenen Beschlusses insoweit teilweise für nichtig erklärt werden kann, als darin festgestellt wird, dass die Klägerin vom 12. August bis zum 31. Dezember 2005 unfaire Tarife angewandt hat, die es einem ebenso effizienten Wettbewerber, der auf der Vorleistungsebene auf den entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom angewiesen ist, unmöglich machen, ebenso umfassende Breitbanddienste für Endkunden wie Slovak Telekom aufzubauen, ohne Verluste zu verzeichnen (vgl. entsprechend Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 864 und 865 und Nr. 1 des Tenors).

c)   Zum Vorliegen einer Margenbeschneidung im Jahr 2005

198

Mit der zweiten und der dritten Rüge wendet sich die Klägerin gegen die Feststellung der Kommission, dass im Jahr 2005 eine Margenbeschneidung existiert habe.

199

Mit der zweiten Rüge macht die Klägerin geltend, die Marge von Slovak Telekom sei während des Jahres 2005 in allen Konstellationen positiv gewesen. Da eine solche positive Marge notwendigerweise impliziere, dass ebenso effiziente Wettbewerber wie Slovak Telekom bei einem Markteintritt keine Verluste erleiden würden, habe die Kommission zu Unrecht das Vorliegen einer Margenbeschneidung während dieses Jahres angenommen. Darüber hinaus sei es falsch, dass eine Markteintrittsentscheidung eines Wettbewerbers im Jahr 2005 für einen so kurzen Zeitraum wie 4,5 Monate undenkbar gewesen wäre. Zu dieser Zeit hätten die Zahlen für die späteren Jahre nämlich wohl noch nicht festgestanden und hätten daher keinen Einfluss auf eine solche Investitionsentscheidung haben können.

200

Mit der dritten Rüge macht die Klägerin geltend, die Methode der Berechnung der Margen unter Berücksichtigung eines mehrjährigen Zeitraums, die bisher nur ergänzend zugunsten des betroffenen Unternehmens eingesetzt worden sei, habe der Kommission eine künstliche Ausdehnung einer Margenbeschneidung auf frühere Jahre ermöglicht, die jenen Jahren vorangegangen seien, für die eine solche Margenbeschneidung tatsächlich festgestellt werden könne. Diese Methode könne jedoch nicht verwendet werden, um eine Margenbeschneidung in die Vergangenheit auszudehnen. Da die Preisentwicklung nach dem Jahr 2005 weder für Slovak Telekom noch für sie vorhersehbar gewesen sei, verstoße die Annahme, dass Slovak Telekom und sie ab diesem Zeitraum eine Zuwiderhandlung begangen hätten, gegen Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003. Der Umstand, dass die Kommission selbst mehrere Jahre gebraucht habe, um eine Berechnung der Margenbeschneidung präsentieren zu können, belege, dass weder ihr noch Slovak Telekom habe bewusst sein können, dass Slovak Telekom zum Sachverhaltszeitpunkt einen Missbrauch in Form einer Margenbeschneidung begangen habe.

201

Hinsichtlich der zweiten Rüge erwidert die Kommission, dass die allenfalls leicht positive Marge im Jahr 2005 der Feststellung einer Margenbeschneidung ab dem 12. August 2005 nicht entgegenstehe. Aufgrund dieser Beschneidung hätten nämlich die Wettbewerber, die in diesen Markt eingetreten wären, ihre mit diesem Eintritt verbundenen Investitionen nicht amortisieren können. Darüber hinaus würde es entgegen dem Vorbringen der Klägerin kein Anbieter in Erwägung ziehen, in einen Markt ohne angemessene Renditeerwartung über mehrere Jahre einzutreten.

202

Auf die dritte Rüge erwidert die Kommission, dass sie den Beginn der Zuwiderhandlung mit dem 12. August 2005 nicht beliebig festgelegt habe, sondern aufgrund der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Veröffentlichung des Standardangebots und unter Berücksichtigung des Zeitraums, von dem an Slovak Telekom zur Entbündelung ihrer Teilnehmeranschlüsse verpflichtet gewesen sei. Was den behaupteten Verstoß gegen Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 angehe, sei festzustellen, dass es genüge, dass einem Unternehmen die Tatsachen, die es rechtfertigten, den ihm vorgeworfenen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung anzunehmen, bekannt seien, um seine Verantwortlichkeit im Sinne von Art. 102 AEUV festzustellen. Im vorliegenden Fall habe Slovak Telekom gewusst, dass ein ebenso effizienter Wettbewerber seit dem Jahr 2005 bei einem Markteintritt keine Aussicht auf Erzielung einer hinreichend positiven Marge gehabt habe. Entgegen der Behauptung der Klägerin seien außerdem die Kosten der Zugänge auf Vorleistungsebene im Wesentlichen nicht umstritten gewesen. Die Klägerin erkläre im Übrigen nicht, warum die auf einen mehrjährigen Zeitraum abstellende Methode nur zugunsten des in Rede stehenden beherrschenden Unternehmens verwendet werden dürfe.

203

Schließlich bedeute eine etwaige Feststellung des Fehlens einer Margenbeschneidung für das Jahr 2005 jedenfalls nicht, dass nicht der 12. August 2005 als Zeitpunkt des Beginns der Zuwiderhandlung angenommen werden könne, da sie das Vorliegen zweier Missbrauchsformen für den gesamten Zeitraum der Zuwiderhandlung nachgewiesen habe. Folglich würde eine solche Feststellung der Klägerin keinen Vorteil verschaffen.

204

Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission nach der Methode der „getrennten Zeiträume“ (Jahr für Jahr) zu dem Schluss gelangt ist, dass Slovak Telekom am 12. August 2005 mit Verhaltensweisen der Margenbeschneidung begonnen habe. Die Analyse der einzelnen Jahre des relevanten Zeitraums habe ergeben, dass ein ebenso effizienter Wettbewerber durch Verwenden des entbündelten Zugangs zum Teilnehmeranschluss auf der Vorleistungsebene von Slovak Telekom negative Margen verzeichnet hätte und dass er das Breitbandportfolio für Endkunden von Slovak Telekom nicht wirtschaftlich hätte reproduzieren können (angefochtener Beschluss, 997. Erwägungsgrund). Die Tatsache, dass im Jahr 2005 für vier Monate eine positive Marge vorliege, widerspreche dieser Feststellung nicht, da ein Eintritt über vier Monate nicht als dauerhafter Eintritt betrachtet werden könne; die Anbieter prüften ihre Fähigkeit, eine angemessene Rendite zu erwirtschaften, über einen längeren, mehrere Jahre umfassenden Zeitraum (angefochtener Beschluss, 998. Erwägungsgrund). Dementsprechend ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass ein ebenso effizienter Wettbewerber wie Slovak Telekom das Endkundenportfolio von Slovak Telekom im Zeitraum vom 12. August 2005 bis zum 31. Dezember 2010 nicht rentabel hätte reproduzieren können (angefochtener Beschluss, 1012. Erwägungsgrund).

205

Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 162), ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der von einem beherrschenden Unternehmen angewandten Preispolitik grundsätzlich auf Preiskriterien abzustellen, die sich auf die dem beherrschenden Unternehmen entstandenen Kosten und seine Strategie stützen.

206

Insbesondere bei einer Preispolitik, die auf eine Margenbeschneidung hinausläuft, kann anhand dieser Prüfungskriterien festgestellt werden, ob das Unternehmen effizient genug gewesen wäre, um seine Endkundendienste anzubieten, ohne dabei Verluste hinnehmen zu müssen, wenn es vorher seine eigenen Vorleistungspreise für die Vorleistungen hätte zahlen müssen (siehe oben, Rn. 163 und die dort angeführte Rechtsprechung).

207

Ein solcher Ansatz ist umso mehr gerechtfertigt, als er außerdem mit dem allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit im Einklang steht, da die Berücksichtigung der Kosten des beherrschenden Unternehmens es diesem erlaubt, im Hinblick auf seine besondere Verantwortung nach Art. 102 AEUV, die Rechtmäßigkeit seines eigenen Verhaltens zu beurteilen. Denn ein marktbeherrschendes Unternehmen kennt zwar seine eigenen Kosten und Entgelte, aber die seiner Wettbewerber in der Regel nicht. Außerdem beeinträchtigt ein Ausschlussmissbrauch auch die potenziellen Wettbewerber des beherrschenden Unternehmens, die die Aussicht auf mangelnde Rentabilität von einem Markteintritt abhalten könnte (siehe oben, Rn. 164 und die dort angeführte Rechtsprechung).

208

Demnach hat die Kommission beim Nachweis der Margenbeschneidung im 828. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht auf das Kriterium des ebenso effizienten Wettbewerbers abgestellt, bei dem nachzuweisen ist, dass die nachgelagerte Geschäftstätigkeit des marktbeherrschenden Unternehmens auf der Grundlage der den Wettbewerbern dieses Unternehmens von der auf dem vorgelagerten Markt tätigen Sparte des marktbeherrschenden Unternehmens in Rechnung gestellten Preise nicht rentabel gewesen wäre.

209

Wie aus den Tabellen 32 bis 35 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, hat die von der Kommission durchgeführte Analyse für die Zeit vom 12. August bis zum 31. Dezember 2005 bei allen Szenarien eine positive Marge ergeben, wie die Kommission im 998. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses selbst eingeräumt hat.

210

Für einen solchen Fall hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass, soweit das Unternehmen in beherrschender Stellung seine Preise in einer Höhe festlegt, die die Kosten für den Vertrieb der betreffenden Ware oder für die Erbringung der betreffenden Dienstleistung im Wesentlichen deckt, ein ebenso leistungsfähiger Wettbewerber wie dieses Unternehmen grundsätzlich die Möglichkeit hat, mit diesen Preisen zu konkurrieren, ohne Verluste zu erleiden, die langfristig untragbar wären (Urteil vom 27. März 2012, Post Danmark, C‑209/10, EU:C:2012:172, Rn. 38).

211

Demnach hatte ein ebenso effizienter Wettbewerber wie Slovak Telekom in der Zeit vom 12. August bis zum 31. Dezember 2005, sofern ihm ein entbündelter Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen gewährt worden wäre, grundsätzlich die Möglichkeit, auf dem Endkundenbreitbandmarkt mit Slovak Telekom zu konkurrieren, ohne Verluste zu erleiden, die langfristig untragbar wären.

212

Zwar hat der Gerichtshof entschieden, dass die Kommission bei einer positiven Differenz im Rahmen der Prüfung der Ausschlusswirkungen einer Preispolitik durchaus nachweisen kann, dass diese Preispolitik den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern die Ausübung ihrer Tätigkeiten auf dem betreffenden Markt, z. B. aufgrund einer geringeren Rentabilität, zumindest erschweren konnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige, C‑52/09, EU:C:2011:83, Rn. 74). Diese Rechtsprechung lässt sich Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 zuordnen, wonach in allen Verfahren zur Anwendung von Art. 102 AEUV die Beweislast für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV der Partei oder der Behörde obliegt, die diesen Vorwurf erhebt, hier also der Kommission.

213

Im vorliegenden Fall hat die Kommission im angefochtenen Beschluss aber nicht nachgewiesen, dass die Preispolitik von Slovak Telekom in der Zeit vom 12. August bis zum 31. Dezember 2005 solche Ausschlusswirkungen gehabt hätte. Wegen der festgestellten positiven Margen war ein solcher Nachweis aber unbedingt erforderlich.

214

Mit der bloßen Behauptung, die Anbieter prüften ihre Fähigkeit, eine angemessene Rendite zu erwirtschaften, über einen längeren, mehrere Jahre umfassenden Zeitraum (angefochtener Beschluss, 998. Erwägungsgrund), ist dieser Nachweis nicht erbracht. Eine solche Vorgehensweise der Anbieter, einmal unterstellt, sie sei erwiesen, beruht nämlich auf einer Rentabilitätsprognose, die zwangsläufig unsicher ist. Im Übrigen sind die positiven Margen im vorliegenden Fall ganz am Anfang des relevanten Zeitpunkts aufgetreten, als noch keine negative Marge festgestellt werden konnte. Die Erwägung im 998. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses genügt also nicht den oben in Rn. 164 dargestellten Anforderungen des Grundsatzes der Rechtssicherheit, nämlich, dass ein beherrschendes Unternehmen beurteilen können muss, ob sein Verhalten mit Art. 102 AEUV vereinbar ist.

215

Daran ändert auch die Feststellung negativer Margen nach der Methode der Berücksichtigung eines mehrjährigen Zeitraums nichts. Im vorliegenden Fall hat diese Methode nämlich nur mittels einer Verrechnung der positiven Margen des Jahres 2005 mit den negativen Margen der Jahre 2006 bis 2010 (angefochtener Beschluss, 1013. Erwägungsgrund) bzw. 2006 bis 2008 (angefochtener Beschluss, 1014. Erwägungsgrund) zur Feststellung negativer Margen geführt.

216

Die Kommission hat außerdem im 1026. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf der Grundlage von Dokumenten der Regulierungsabteilung von Slovak Telekom von April 2005 zu einer Strategie für die Vorlage des Standardangebots für entbündelte Teilnehmeranschlüsse und für die Preise entbündelter Teilnehmeranschlüsse festgestellt, dass Slovak Telekom seit dem 12. August 2005 gewusst habe, dass die Preise für Zugänge auf Vorleistungsebene zu Teilnehmeranschlüssen bei alternativen Anbietern eine Margenbeschneidung verursachten.

217

Wegen der positiven Margen, die vom 12. August bis zum 31. Dezember 2005 zu verzeichnen waren, traf die Kommission hinsichtlich der Ausschlusswirkungen der Slovak Telekom in diesem Zeitraum zur Last gelegten Verhaltensweise der Margenbeschneidung aber eine besondere Nachweispflicht (vgl. die oben in Rn. 212 angeführte Rechtsprechung).

218

Mit der Behauptung der Kommission und den entsprechenden Belegen ist also nicht dargetan, dass die Slovak Telekom zur Last gelegte Verhaltensweise der Margenbeschneidung Ausschlusswirkung gehabt hätte, z. B., dass die Rentabilität geringer gewesen wäre, was für die betreffenden Anbieter die Ausübung ihrer Tätigkeit auf dem betreffenden Markt zumindest erschwert hätte.

219

In den Abschnitten 9 und 10 des angefochtenen Beschlusses, in denen es um die wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Verhaltens von Slovak Telekom geht, wird auf die Auswirkungen der Margenbeschneidung, die vom 12. August bis zum 31. Dezember 2005 vorgelegen haben soll, überhaupt nicht eingegangen.

220

Nach der gefestigten Rechtsprechung, nach der Zweifel, die dem Richter verbleiben, dem Unternehmen zugutekommen müssen, an das die eine Zuwiderhandlung feststellende Entscheidung gerichtet ist (Urteile vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, EU:T:2004:221, Rn. 177, und vom 12. Juli 2011, Hitachi u. a./Kommission, T‑112/07, EU:T:2011:342, Rn. 58), ist daher festzustellen, dass die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass die Verhaltensweise von Slovak Telekom, die zu einer Margenbeschneidung geführt hat, vor dem 1. Januar 2006 begonnen hätte. Der angefochtene Beschluss leidet insoweit unter einem Beurteilungsfehler. Daher braucht nicht geprüft zu werden, ob die Vorgehensweise der Kommission darüber hinaus gegen Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 verstößt, wie die Klägerin geltend macht.

221

Folglich ist dem zweiten Klagegrund teilweise stattzugeben und Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 des angefochtenen Beschlusses insoweit für nichtig zu erklären, als festgestellt wird, dass die Klägerin vom 12. August bis zum 31. Dezember 2005 unfaire Tarife angewandt habe, die es einem ebenso effizienten Wettbewerber, der auf der Vorleistungsebene auf den entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom angewiesen sei, unmöglich machten, ebenso umfassende Breitbanddienste für Endkunden wie Slovak Telekom aufzubauen, ohne Verluste zu verzeichnen.

[nicht wiedergegeben]

4.   Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen den unionsrechtlichen Unternehmensbegriff und gegen den Grundsatz der individuellen Straffestsetzung sowie Begründungsmangel

474

Mit ihrem vierten Klagegrund macht die Klägerin geltend, dass der angefochtene Beschluss, weil gegen sie neben der gesamtschuldnerisch gegen Slovak Telekom und sie verhängten Geldbuße zur Abschreckung und wegen Rückfälligkeit noch eine gesonderte Geldbuße in Höhe von 31070000 Euro verhängt worden sei, gegen den unionsrechtlichen Unternehmensbegriff und gegen den Grundsatz der individuellen Straffestsetzung verstoße (erster Teil) und insoweit unter einem Begründungsmangel leide (zweiter Teil).

475

Zunächst ist der behauptete Begründungsmangel zu untersuchen, dann der behauptete Verstoß gegen den Begriff des Unternehmens und den Grundsatz der individuellen Straffestsetzung.

a)   Zum behaupteten Begründungsmangel

476

Mit dem zweiten Teil des vierten Klagegrundes wirft die Klägerin der Kommission vor, im angefochtenen Beschluss keine Gründe dafür angegeben zu haben, warum sie die Aufschläge wegen Rückfälligkeit und zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung allein zu tragen habe, wodurch sie ihre Begründungspflicht verletzt habe. Die Kommission habe nämlich lediglich festgestellt, aus welchen erschwerenden Gründen eine Anpassung des Grundbetrags der Geldbuße erfolgen solle, und sodann verfügt, dass die Aufschläge allein von ihr, der Klägerin, zu tragen seien. Der angefochtene Beschluss ermögliche es ihr nicht, den eine solche Vorgehensweise rechtfertigenden Grund zu verstehen, zumal ihre Haftung im vorliegenden Fall lediglich aus dem Umstand folge, dass ihr eine von ihrer Tochtergesellschaft Slovak Telekom begangene Zuwiderhandlung zugerechnet worden sei. Zwar ließen die von der Kommission im Rahmen des vorliegenden Verfahrens angeführten Rn. 1533 und 1535 des angefochtenen Beschlusses den Schluss zu, dass ihr Umsatz den von Slovak Telekom übersteige, jedoch erklärten diese Passagen des angefochtenen Beschlusses nicht, warum Slovak Telekom der eigens gegen sie verhängten Geldbuße entgehen sollte.

477

Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Sie wird dabei von der Streithelferin unterstützt.

478

Nach einer gefestigten Rechtsprechung hat die Pflicht zur Begründung einer Einzelfallentscheidung neben der Ermöglichung einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung durch den Unionsrichter den Zweck, den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob die Entscheidung rechtmäßig ist oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. November 1983, Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission, 322/81, EU:C:1983:313, Rn. 14, und vom 29. Februar 2016, Schenker/Kommission, T‑265/12, EU:T:2016:111, Rn. 230).

479

Im vorliegenden Fall ist zu dem Teil der Geldbuße, der wegen Rückfälligkeit allein gegen die Klägerin verhängt wurde, festzustellen, dass aus den Erwägungsgründen 1525 bis 1531 des angefochtenen Beschlusses eindeutig hervorgeht, dass diese Erhöhung der gesamtschuldnerisch gegen die Klägerin und Slovak Telekom verhängten Geldbuße damit gerechtfertigt wurde, dass gegen die Klägerin, deren Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung, um die es im vorliegenden Fall geht, festgestellt wurde, mit der Entscheidung Deutsche Telekom bereits wegen einer ähnlichen Zuwiderhandlung eine Geldbuße verhängt worden war. Zwar wird in diesem Teil des angefochtenen Beschlusses nicht erläutert, warum allein die Klägerin die Folgen der Rückfälligkeit tragen soll, und nicht auch Slovak Telekom. Aus dem angefochtenen Beschluss ergibt sich aber implizit, dass dies damit zusammenhängt, dass für die Zuwiderhandlung, die Gegenstand der Entscheidung Deutsche Telekom war, allein die Klägerin verantwortlich gemacht wurde, die deshalb Adressat dieser Entscheidung war.

480

Zu dem Teil der Geldbuße, der wegen der Anwendung eines Multiplikators von 1,2 zum Zweck der Abschreckung allein gegen die Klägerin verhängt wurde, ist festzustellen, dass die Kommission im 1533. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass die Klägerin 2013 einen weltweiten Gesamtumsatz von 60,123 Mrd. Euro erzielt habe, dass auf den Umsatz, der mit den relevanten Produkten erzielt worden sei, weniger als 0,067 % des Gesamtumsatzes der Klägerin entfielen, und dass die Klägerin für die von Slovak Telekom begangene Zuwiderhandlung hafte. Die Kommission hat daraus in den Erwägungsgründen 1534 und 1535 des angefochtenen Beschlusses gefolgert, dass gegen die Klägerin nach Ziff. 30 der Leitlinien von 2006 eine höhere Geldbuße als der wegen Rückfälligkeit um 50 % erhöhte Grundbetrag der Geldbuße verhängt werden müsse, um eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße zu gewährleisten. In diesem Teil des angefochtenen Beschlusses wird zwar nicht erläutert, warum nicht auch Slovak Telekom das Ergebnis der Anwendung des Multiplikators von 1,2 zu tragen hat. Aus den Ausführungen der Kommission geht aber implizit hervor, dass dies damit zusammenhängt, dass Slovak Telekom zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses einen deutlich niedrigeren Umsatz erzielte als die Klägerin und die Geldbuße in Höhe von 38838000 Euro für Slovak Telekom daher eine hinreichend abschreckende Wirkung hatte.

481

Auch wenn die Begründung des angefochtenen Beschlusses hinsichtlich der allein gegen die Klägerin verhängten Geldbuße knapp ausfällt, hat sie die Klägerin insoweit ausreichend über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses unterrichtet. Dieser konnte von der Klägerin effektiv angefochten werden. Auch kann das Gericht anhand der Begründung seine Kontrolle der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses hinsichtlich der allein gegen die Klägerin verhängten Geldbuße ausüben.

482

Der zweite Teil des vierten Klagegrundes, mit dem ein Begründungsmangel geltend gemacht wird, ist daher zurückzuweisen.

b)   Zum Verstoß gegen den unionsrechtlichen Unternehmensbegriff und den Grundsatz der individuellen Straffestsetzung

483

Mit dem ersten Teil des vierten Klagegrundes stellt die Klägerin fest, dass die gesonderte Geldbuße, die mit dem angefochtenen Beschluss gegen sie verhängt worden sei, auf zwei Umständen beruhe, die die Kommission in diesem Beschluss berücksichtigt habe, nämlich zum einen auf der Größe des Unternehmens, dem sie angehöre, die nach Auffassung der Kommission die Anwendung eines Multiplikators von 1,2 auf die Geldbuße rechtfertige, und zum anderen darauf, dass sie bereits in der Entscheidung Deutsche Telekom für eine ähnliche Zuwiderhandlung haftbar gemacht worden sei, was nach Auffassung der Kommission eine Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße um 50 % rechtfertige. Die Klägerin hebt jedoch hervor, dass die Kommission sie im angefochtenen Beschluss nicht aufgrund ihrer eigenen unmittelbaren Beteiligung an den die Zuwiderhandlung begründenden Taten haftbar mache, sondern lediglich aufgrund ihrer Verbindungen mit Slovak Telekom. Darüber hinaus seien sie und Slovak Telekom nach dem angefochtenen Beschluss nicht nur während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung, sondern auch zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung Deutsche Telekom Teil ein und desselben Unternehmens gewesen, wobei der Erwerb ihrer Mehrheitsbeteiligung an Slovak Telekom vom 4. August 2000 und die Struktur dieser Beteiligung seither unverändert geblieben seien.

484

Die Verhängung einer gesonderten Geldbuße gegen sie verstoße daher gegen den unionsrechtlichen Unternehmensbegriff und den Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung. Nach diesem Grundsatz sei die Höhe der Geldbuße gemäß Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 zum einen nach der Schwere der dem betroffenen Unternehmen individuell vorgeworfenen Zuwiderhandlung und zum anderen nach deren Dauer festzusetzen. So gehe aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass die Kommission gesonderte Geldbußen nur gegenüber unterschiedlichen Unternehmen verhängen könne, nicht aber gegen verschiedene Gesellschaften, die Teil desselben Unternehmens seien, da der Grundsatz der individuellen Straffestsetzung auf das Innenverhältnis zwischen verschiedenen juristischen Personen innerhalb eines Unternehmens keine Anwendung finde. Wie die Entscheidungspraxis der Kommission bestätige, sei eine gesonderte Geldbuße nur dann gerechtfertigt, wenn sich die Zusammensetzung des betreffenden Unternehmens im Laufe des relevanten Zeitraums in rechtlicher Hinsicht verändert habe, so dass von verschiedenen Unternehmen gesprochen werden könne. Da dies vorliegend nicht der Fall gewesen sei, habe die Kommission dadurch, dass sie gegen sie eine höhere Geldbuße verhängt habe als gegen Slovak Telekom, gegen den Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung verstoßen. Außerdem sei vorbehaltlich struktureller Veränderungen bei dem für die Zuwiderhandlung verantwortlichen Unternehmen für die Berechnung der in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen 10%‑Obergrenze der Gesamtumsatz des betreffenden Unternehmens heranzuziehen. Hinsichtlich der Rückfälligkeit komme es angesichts des Umstands, dass sie selbst die in der Entscheidung Deutsche Telekom geahndete Zuwiderhandlung begangen habe, nicht darauf an, ob Slovak Telekom zur Zeit der Begehung dieser Zuwiderhandlung bereits Teil des für die Zuwiderhandlung verantwortlichen Unternehmens gewesen sei. In diesem Stadium sei einzig relevant, dass Letzteres die Zuwiderhandlung begangen habe und die nunmehr mit einer Sanktion zu belegende Konzerngesellschaft aktuell Teil des Unternehmens sei.

485

Was die Wiederholungsgefahr angehe, sei im vorliegenden Fall jedenfalls davon auszugehen, dass Slovak Telekom nicht nur bereits Teil des Unternehmens gewesen sei, das für die in der Entscheidung Deutsche Telekom geahndete Zuwiderhandlung verantwortlich gewesen sei, sondern diese Zuwiderhandlung angesichts der großen Publizität dieser Entscheidung auch mitbekommen habe. Was die Abschreckungswirkung angehe, seien sie und Slovak Telekom nach der Argumentation der Kommission Teil ein und desselben Unternehmens, weshalb es falsch sei, bei der Berechnung der Geldbuße ihre unterschiedliche Größe zu berücksichtigen.

486

Schließlich bringt die Klägerin hilfsweise vor, dass die Kommission keinesfalls Ermessen in dem Sinne habe, dass sie frei entscheiden könnte, ohne sachlichen Grund gegen eine Konzerngesellschaft eine Geldbuße festzusetzen, gegen eine andere dagegen nicht. Im vorliegenden Fall aber sei es unangebracht, die Gesellschaft zu privilegieren, die die Handlungen begangen habe, die die Zuwiderhandlung begründeten, und die Muttergesellschaft, bei deren Haftung es sich um eine rein abgeleitete Haftung handelt, schlechter zu behandeln.

487

Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Nach ihrer Ansicht bedeutet der bloße Umstand, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Begehung der in der Entscheidung Deutsche Telekom geahndeten Zuwiderhandlung 51 % der Anteile an Slovak Telekom gehalten habe, nicht, dass Slovak Telekom zu dem Unternehmen gehört habe, das diese Zuwiderhandlung begangen habe. Die Argumentation der Klägerin gehe insoweit von einer unrichtigen Prämisse aus, da das für den in der Entscheidung Deutsche Telekom geahndeten Missbrauch einer beherrschenden Stellung verantwortliche Unternehmen nur aus dieser letztgenannten Gesellschaft bestanden habe und nicht aus der Klägerin und Slovak Telekom. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin verfüge sie bei der Ahndung eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht aber über einen weiten Ermessensspielraum, um die unterschiedliche Situation von Gesellschaften innerhalb eines Konzerns zu berücksichtigen. Der Gerichtshof habe niemals zu erkennen gegeben, dass ein solcher Handlungsspielraum auf Fälle einer Veränderung der Zusammensetzung des Unternehmens beschränkt wäre.

488

Dies sei mit dem Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung nicht unvereinbar, der nur besage, dass Geldbußen anhand der Schwere der dem betreffenden Unternehmen individuell zur Last gelegten Zuwiderhandlung zu bemessen seien. Daraus folge, dass die Sanktion für die juristischen Personen, die das Unternehmen bildeten, das die Zuwiderhandlung begangen habe, nicht über das hinausgehen dürfe, was angesichts dieser Zuwiderhandlung gerechtfertigt sei. Hingegen könne aus dem Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung nicht abgeleitet werden, dass sie dazu verpflichtet wäre, alle das betreffende Unternehmen bildenden juristischen Personen mit der gleichen Geldbuße zu belegen.

489

Im vorliegenden Fall habe sie von dem ihr zustehenden weiten Ermessen Gebrauch gemacht, indem sie entschieden habe, dass Slovak Telekom, die eine vergleichsweise kleine Gesellschaft sei, nicht für den Gesamtbetrag der verhängten Geldbuße haftbar zu machen sei. Hingegen sei im Fall der Klägerin ein Aufschlag zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung gerechtfertigt, da diese eine sehr große Gesellschaft sei und eine geringere Geldbuße auf sie keine abschreckende Wirkung hätte. Da es nach der Rechtsprechung in ihrem Ermessen liege, eine Muttergesellschaft, obwohl sie einem gegen das Wettbewerbsrecht der Union verstoßenden Unternehmen angehört habe, nicht zu bestrafen, müsse sie erst recht eine Gesellschaft, die dem für eine solche Zuwiderhandlung verantwortlichen Unternehmen angehört habe, aus objektiven Gründen mit nur einem Teil der entsprechenden Gesamtgeldbuße belegen dürfen. Im Übrigen habe die Klägerin nicht dargetan, dass es rechtswidrig gewesen wäre, dass sie den erschwerenden Umstand der Rückfälligkeit und den Aufschlag zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung auf sie angewandt habe.

490

Des Weiteren habe eine Vermutung für einen bestimmenden Einfluss der Klägerin auf das Marktverhalten von Slovak Telekom weder zum Zeitpunkt der Begehung der der Entscheidung Deutsche Telekom zugrunde liegenden Zuwiderhandlung noch während des Zeitraums der Begehung der im angefochtenen Beschluss geahndeten Zuwiderhandlung gegolten. Mangels konkreter Beweise dafür, dass Slovak Telekom und die Klägerin bereits zum Zeitpunkt der Begehung der in der Entscheidung Deutsche Telekom in Rede stehenden Zuwiderhandlung Teil desselben Unternehmens gewesen seien, habe sie die gegen Slovak Telekom verhängte Geldbuße nicht wegen Rückfälligkeit erhöhen können. Da die Entscheidung Deutsche Telekom hingegen an die Klägerin gerichtet gewesen sei, könne sie ihr gegenüber einen Aufschlag wegen Rückfälligkeit vornehmen, ohne dass eine weitere umfängliche Sachverhaltsaufklärung erforderlich wäre, um festzustellen, ob sie bereits zum Zeitpunkt der in dieser Entscheidung geahndeten Zuwiderhandlung ein gemeinsames Unternehmen mit Slovak Telekom gebildet habe. Den Aufschlag zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung hätte sie zwar auch gegenüber Slovak Telekom anwenden können, da diese Gesellschaft Teil des für die im vorliegenden Fall geahndete wettbewerbsrechtliche Zuwiderhandlung verantwortlichen Unternehmens gewesen sei, jedoch habe sie im Hinblick auf das ihr zustehende weite Ermessen ein solches Vorgehen nicht für angebracht gehalten.

1) Grundsätze

491

Die Verfasser der Verträge haben sich dafür entschieden, den Unternehmensbegriff zu verwenden, um den Urheber einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht zu bestimmen, dem gemäß den Art. 101 und 102 AEUV eine Sanktion auferlegt werden kann (vgl. Urteil vom 27. April 2017, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑516/15 P, EU:C:2017:314, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

492

Das Wettbewerbsrecht der Union betrifft demnach die Tätigkeit von Unternehmen, wobei der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung umfasst (vgl. Urteil vom 27. April 2017, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑516/15 P, EU:C:2017:314, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung). In diesem Zusammenhang ist unter dem Begriff des Unternehmens eine wirtschaftliche Einheit zu verstehen, selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen besteht (vgl. Urteile vom 1. Juli 2010, Knauf Gips/Kommission, C‑407/08 P, EU:C:2010:389, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 27. April 2017, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑516/15 P, EU:C:2017:314, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

493

Verstößt eine solche wirtschaftliche Einheit gegen die Wettbewerbsregeln, hat sie daher nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für diese Zuwiderhandlung einzustehen (vgl. Urteile vom 20. Januar 2011, General Química u. a./Kommission, C‑90/09 P, EU:C:2011:21, Rn. 35 und 36 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 27. April 2017, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑516/15 P, EU:C:2017:314, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

494

Für die Anwendung und den Vollzug der Entscheidungen, die die Kommission gemäß den Art. 101 und 102 AEUV erlässt, muss eine Einheit mit Rechtspersönlichkeit bestimmt werden, die Adressat der Entscheidung ist, mit der eine Zuwiderhandlung gegen eine dieser beiden Vorschriften festgestellt und geahndet wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2014, Saint-Gobain Glass France u. a./Kommission, T‑56/09 und T‑73/09, EU:T:2014:160, Rn. 312 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union muss daher eindeutig einer juristischen Person zugerechnet werden, gegen die Geldbußen festgesetzt werden können und an die die Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2015, Kommission u. a./Versalis u. a., C‑93/13 P und C‑123/13 P, EU:C:2015:150, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 27. April 2017, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑516/15 P, EU:C:2017:314, Rn. 50, und vom 27. März 2014, Saint-Gobain Glass France u. a./Kommission, T‑56/09 und T‑73/09, EU:T:2014:160, Rn. 312 und die dort angeführte Rechtsprechung).

495

Weder Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1/2003 noch die Rechtsprechung legen fest, welche juristische oder natürliche Person die Kommission für die Zuwiderhandlung haftbar zu machen und durch die Verhängung einer Geldbuße zu sanktionieren hat (vgl. Urteil vom 27. April 2017, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑516/15 P, EU:C:2017:314, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

496

Einer Muttergesellschaft kann das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft jedoch insbesondere dann zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht selbständig bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Beziehungen, die zwischen den beiden Rechtssubjekten bestehen (vgl. Urteile vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑97/08 P, EU:C:2009:536, Rn. 58 und 72 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 18. Januar 2017, Toshiba/Kommission, C‑623/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:21, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

497

In einem solchen Fall wird nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs gegen die Muttergesellschaft, der das rechtswidrige Verhalten ihrer Tochtergesellschaft zugerechnet wurde, persönlich wegen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Union vorgegangen, der ihr wegen des bestimmenden Einflusses, den sie auf die Tochtergesellschaft ausgeübt hat und der es ihr erlaubt hat, das Marktverhalten der Tochtergesellschaft zu bestimmen, selbst zur Last gelegt wird (vgl. Urteil vom 27. April 2017, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑516/15 P, EU:C:2017:314, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

498

Handelt es sich bei der Haftung der Muttergesellschaft um eine rein abgeleitete Haftung, d. h., trifft sie die Muttergesellschaft ausschließlich aufgrund der unmittelbaren Beteiligung einer Tochtergesellschaft an der Zuwiderhandlung, findet die Haftung der Muttergesellschaft ihren Ursprung in dem rechtswidrigen Verhalten ihrer Tochtergesellschaft, das der Muttergesellschaft in Anbetracht der wirtschaftlichen Einheit, die diese Gesellschaften bilden, zugerechnet wird. Folglich hängt die Haftung der Muttergesellschaft zwangsläufig von den die von ihrer Tochtergesellschaft begangene Zuwiderhandlung begründenden Tatsachen ab, mit denen ihre Haftung untrennbar verbunden ist (Urteil vom 27. April 2017, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑516/15 P, EU:C:2017:314, Rn. 61).

499

Der Gerichtshof hat deshalb entschieden, dass in dem Fall, in dem sich die Haftung der Muttergesellschaft bloß von der ihrer Tochtergesellschaft ableitet und in dem kein weiterer Faktor das der Muttergesellschaft vorgeworfene Verhalten individuell charakterisiert, die Haftung der Muttergesellschaft nicht über diejenige ihrer Tochtergesellschaft hinausgehen darf (vgl. Urteile vom 17. September 2015, Total/Kommission, C‑597/13 P, EU:C:2015:613, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 19. Januar 2017, Kommission/Total und Elf Aquitaine, C‑351/15 P, EU:C:2017:27, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 27. April 2017, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑516/15 P, EU:C:2017:314, Rn. 62).

500

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist nun als Erstes der Teil der Geldbuße, der wegen Rückfälligkeit allein gegen die Klägerin verhängt wurde, und als Zweites der Teil der Geldbuße, der zur Abschreckung allein gegen die Klägerin verhängt wurde, zu prüfen.

2) Zu dem Teil der Geldbuße, der wegen Rückfälligkeit allein gegen die Klägerin verhängt wurde

501

Mit dem ersten Teil des vierten Klagegrundes macht die Klägerin für den Fall, dass ihre rein abgeleitete Haftung für die Zuwiderhandlung, die Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, bestätigt werden sollte, geltend, die Kommission könne die Folgen der Rückfälligkeit wegen der früheren ähnlichen Zuwiderhandlung, die mit der Entscheidung Deutsche Telekom geahndet worden sei, nicht ihr allein aufbürden, ohne sie auch Slovak Telekom aufzubürden.

502

Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

503

Zwar hat der Gerichtshof, wie die Klägerin geltend macht, entschieden, dass die Grundsätze des Unionsrechts zur persönlichen Verantwortung für die Zuwiderhandlung und zur individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung, die die Kommission bei der Ausübung ihrer Sanktionsbefugnis im Bereich der Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht zu beachten hat, nur das Unternehmen als solches und nicht die ihm angehörenden natürlichen oder juristischen Personen betreffen (Urteil vom 10. April 2014, Kommission u. a./Siemens Österreich u. a., C‑231/11 P bis C‑233/11 P, EU:C:2014:256, Rn. 56).

504

Der Grundsatz der individuellen Straffestsetzung ist aber in Einklang zu bringen mit dem Grundsatz, der sich aus der oben in Rn. 499 dargestellten Rechtsprechung ergibt, nämlich, dass es wegen bestimmter Faktoren, die das eigene Verhalten der Muttergesellschaft individuell charakterisieren, gerechtfertigt sein kann, gegen die Muttergesellschaft eine schwerere Sanktion zu verhängen als die, die sich aus der Zurechnung der von der Tochtergesellschaft begangenen Zuwiderhandlung ergibt.

505

Insoweit hat das Gericht bereits entschieden, dass es die Einheit des Marktverhaltens eines Unternehmens zwar rechtfertigt, dass bei einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln die verschiedenen Gesellschaften, die während der Dauer der Zuwiderhandlung zu dem Unternehmen gehörten, grundsätzlich alle für die Zahlung desselben Betrags der Geldbuße haftbar gemacht werden, aber eine Ausnahme hiervon für erschwerende oder mildernde Umstände und ganz allgemein für individuelle Umstände anzuerkennen ist, die eine Anpassung der Höhe der Geldbuße rechtfertigten. Es hat daraus gefolgert, dass eine Einheit, bei der der erschwerende Umstand der Rückfälligkeit nicht festgestellt worden ist, nicht zusammen mit einer anderen Einheit, bei der ein solcher Umstand festgestellt worden ist, für den Anteil der Geldbuße gesamtschuldnerisch haftbar gemacht werden kann, der der Erhöhung wegen Rückfälligkeit entspricht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Januar 2014, Evonik Degussa und AlzChem/Kommission, T‑391/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:22, Rn. 271).

506

Der erschwerende Umstand der Rückfälligkeit kann daher einen Faktor darstellen, der das eigene Verhalten der Muttergesellschaft individuell charakterisiert und rechtfertigt, dass deren rein abgeleitete Haftung die der Tochtergesellschaft übersteigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Februar 2016, UTi Worldwide u. a./Kommission, T‑264/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:112, Rn. 332).

507

Im vorliegenden Fall ist erstens festzustellen, dass von der Klägerin nicht bestritten wird, dass die Entscheidung Deutsche Telekom lediglich an sie gerichtet war und dass nicht festgestellt worden ist, dass Slovak Telekom für die mit dieser Entscheidung geahndete Zuwiderhandlung verantwortlich wäre.

508

Die in der inzwischen bestandskräftigen Entscheidung Deutsche Telekom festgestellte Verantwortlichkeit der Klägerin stellt also einen Faktor dar, der das der Klägerin im vorliegenden Verfahren zur Last gelegte Verhalten individuell charakterisiert.

509

Zweitens ist festzustellen, dass Slovak Telekom bereits während eines erheblichen Teils der in der Entscheidung Deutsche Telekom geahndeten Zuwiderhandlung und zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung zum Konzern Deutsche Telekom gehörte, auch wenn diese Entscheidung nicht an sie gerichtet war.

510

Nach der Rechtsprechung setzt die Erhöhung der Haftung einer Gesellschaft wegen Rückfälligkeit, die nicht Adressat eines Beschlusses war, mit dem eine erste Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union festgestellt wurde, aber Adressat eines Beschlusses ist, mit dem gegen sie wegen ihrer Beteiligung an einer neuen, ähnlichen Zuwiderhandlung eine Geldbuße verhängt wird, voraus, dass die Gesellschaft der Begründung des letztgenannten Beschlusses entnehmen kann, in welcher Eigenschaft und in welchem Umfang sie an der ersten Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sein soll (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Mai 2013, Eni/Kommission, C‑508/11 P, EU:C:2013:289, Rn. 129, und vom 5. März 2015, Kommission u. a./Versalis u. a., C‑93/13 P und C‑123/13 P, EU:C:2015:150, Rn. 98 die dort angeführte Rechtsprechung).

511

Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass Slovak Telekom in irgendeiner Weise an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen wäre, die die Kommission in der Entscheidung Deutsche Telekom geahndet hat, und diese Zuwiderhandlung daher auch ihr hätte zugerechnet werden können.

512

Würde dem Vorbringen der Klägerin, die Kommission hätte den erschwerenden Umstand der Rückfälligkeit bei Slovak Telekom berücksichtigen müssen, gefolgt, würde dies bedeuten, dass Slovak Telekom für das frühere Verhalten der Klägerin, ihrer Muttergesellschaft, haftete. Der Gerichtshof hat aber entschieden, dass es nicht zulässig ist, einer Gesellschaft sämtliche Handlungen eines Konzerns zuzurechnen, auch wenn diese Gesellschaft nicht als die juristische Person ermittelt wurde, die an der Spitze des Konzerns für die Koordinierung von dessen Tätigkeit verantwortlich war (Urteil vom 2. Oktober 2003, Aristrain/Kommission, C‑196/99 P, EU:C:2003:529, Rn. 98).

513

Im vorliegenden Fall steht fest, dass Slovak Telekom nicht an der Spitze des Unternehmens gestanden hat, das die in der Entscheidung Deutsche Telekom geahndete Zuwiderhandlung begangen hat. Diese Zuwiderhandlung ist unmittelbar von der Klägerin allein begangen worden. Folglich hat sich allein die Klägerin sowohl an der mit der Entscheidung Deutsche Telekom als auch an der mit dem angefochtenen Beschluss geahndeten Zuwiderhandlung beteiligt, was ihr Verhalten individuell charakterisiert.

514

Somit ist festzustellen, dass nicht zu beanstanden ist, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss allein bei der Klägerin die Geldbuße wegen Rückfälligkeit erhöht hat.

3) Zu dem Teil der Geldbuße, der zur Abschreckung allein gegen die Klägerin verhängt wurde

515

Der Begriff der Abschreckung stellt einen bei der Berechnung der Geldbuße zu berücksichtigenden Gesichtspunkt dar. Nach ständiger Rechtsprechung sollen mit Geldbußen wegen Verstößen gegen die Art. 101 und 102 AEUV, wie sie in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehen sind, rechtswidrige Handlungen der betreffenden Unternehmen geahndet und diese Unternehmen und andere Wirtschaftsteilnehmer vor künftigen Verletzungen der Wettbewerbsregeln des Unionsrechts abgeschreckt werden. Der Zusammenhang zwischen der Größe und den Gesamtressourcen der Unternehmen und der Notwendigkeit, die abschreckende Wirkung der Geldbuße sicherzustellen, lässt sich jedoch nicht bestreiten. Daher kann die Kommission bei der Berechnung der Geldbuße u. a. die Größe und die Wirtschaftskraft des betreffenden Unternehmens berücksichtigen (vgl. Urteil vom 17. Juni 2010, Lafarge/Kommission, C‑413/08 P, EU:C:2010:346, Rn. 102 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 5. Juni 2012, Imperial Chemical Industries/Kommission, T‑214/06, EU:T:2012:275, Rn. 142 und die dort angeführte Rechtsprechung).

516

Dass Größe und Gesamtressourcen des betreffenden Unternehmens berücksichtigt werden, um eine hinreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße sicherzustellen, ist durch die angestrebte Wirkung auf das Unternehmen gerechtfertigt, da die Sanktion insbesondere im Hinblick auf dessen Wirtschaftskraft nicht unerheblich sein darf (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juni 2012, Imperial Chemical Industries/Kommission, T‑214/06, EU:T:2012:275, Rn. 143 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 6. Februar 2014, Elf Aquitaine/Kommission, T‑40/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:61, Rn. 312 und die dort angeführte Rechtsprechung). So ist entschieden worden, dass das Abschreckungsziel, das die Kommission bei der Bemessung einer Geldbuße verfolgen darf, nur unter Berücksichtigung der Situation des Unternehmens zum Zeitpunkt der Verhängung der Geldbuße erreicht werden kann (vgl. Urteil vom 5. Juni 2012, Imperial Chemical Industries/Kommission,T‑214/06, EU:T:2012:275, Rn. 143 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Dezember 2014, Lucchini/Kommission, T‑91/10, EU:T:2014:1033, Rn. 314 und die dort angeführte Rechtsprechung).

517

Soweit ein Unternehmen aufgrund seines hohen Umsatzes die zur Zahlung seiner Geldbuße erforderlichen Mittel leichter aufbringen kann, ist die Kommission berechtigt, die Geldbuße gemäß Ziff. 30 der Leitlinien von 2006 entsprechend zu erhöhen, um deren hinreichend abschreckende Wirkung zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Mai 2011, Elf Aquitaine/Kommission, T‑299/08, EU:T:2011:217, Rn. 253, vom 6. März 2012, UPM-Kymmene/Kommission, T‑53/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:101, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 6. Februar 2014, Elf Aquitaine/Kommission, T‑40/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:61, Rn. 352).

518

Der Gesamtumsatz des betreffenden Unternehmens liefert einen Anhaltspunkt für die Größe eines Unternehmens und seine Wirtschaftskraft, die ausschlaggebend für die Beurteilung der Abschreckungskraft einer Geldbuße gegen das Unternehmen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission, T‑220/00, EU:T:2003:193, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 22. Mai 2008, Evonik Degussa/Kommission, C‑266/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:295, Rn. 120).

519

Im vorliegenden Fall bildeten die Klägerin und Slovak Telekom im relevanten Zeitraum, wie die Kommission zu Recht festgestellt hat, eine wirtschaftliche Einheit und handelt es sich bei der Haftung der Klägerin für die Zuwiderhandlung, die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist, um eine vollständig von der Haftung von Slovak Telekom abgeleitete Haftung.

520

Nach der Rechtsprechung kann gegen eine Muttergesellschaft, auch wenn es sich bei ihrer Haftung um eine vollständig von der Haftung der Tochtergesellschaft abgeleitete Haftung handelt, eine höhere Geldbuße verhängt werden als gegen die Tochtergesellschaft. Dies setzt aber voraus, dass ein Faktor vorliegt, der das der Muttergesellschaft vorgeworfene Verhalten individuell charakterisiert (vgl. die oben in Rn. 499 angeführte Rechtsprechung). Legt die Kommission wie im vorliegenden Fall bei der Beurteilung der Schwere der von dem Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung und der Berechnung der gegen das Unternehmen zu verhängenden Geldbuße aber den Umsatz der Tochtergesellschaft zugrunde, ist der Umsatz der Muttergesellschaft, auch wenn er wesentlich höher ist als der der Tochtergesellschaft, kein Faktor, der das individuelle Verhalten der Muttergesellschaft bei der Verwirklichung der dem Unternehmen zugerechneten Zuwiderhandlung charakterisiert, da es sich bei der Haftung der Muttergesellschaft um eine vollständig von der Haftung der Tochtergesellschaft abgeleitete Haftung handelt. Außerdem ist die bloße Feststellung eines Umsatzes ein tatsächliches Element, das das Verhalten der Muttergesellschaft nicht individuell charakterisieren kann. Die Kommission durfte zur Rechtfertigung der Anwendung des speziell für die Klägerin geltenden Abschreckungsmultiplikators also nicht auf deren Umsatz abstellen.

521

Die Kommission kann sich auch nicht auf das Ermessen berufen, über das sie bei der Festsetzung von Geldbußen, mit denen Zuwiderhandlungen gegen die Art. 101 oder 102 AEUV geahndet werden, verfügt. Nach der Rechtsprechung belässt Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 der Kommission zwar ein Ermessen, beschränkt dessen Ausübung jedoch durch die Einführung objektiver Kriterien, an die die Kommission sich halten muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. November 2014, Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission, C‑580/12 P, EU:C:2014:2363, Rn. 55). Zu diesen objektiven Kriterien gehört aber der in der genannten Vorschrift vorkommende Begriff des Unternehmens, unter dem eine wirtschaftliche Einheit zu verstehen ist, selbst wenn diese rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen besteht (siehe oben, Rn. 492).

522

Im vorliegenden Fall hat die Kommission nachgewiesen, dass die Klägerin im relevanten Zeitraum einen bestimmenden Einfluss auf Slovak Telekom ausgeübt hat, und deshalb festgestellt, dass für die Zuwiderhandlung, die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist, die wirtschaftliche Einheit verantwortlich ist, die die Klägerin und Slovak Telekom gebildet haben. Es war daher objektiv nicht gerechtfertigt, den Multiplikator 1,2 auf die Klägerin anzuwenden.

523

Somit ist festzustellen, dass die Kommission dadurch, dass sie den Abschreckungsmultiplikator 1,2 auf die Klägerin angewandt hat, den Begriff des Unternehmens im Sinne des Unionsrechts nicht richtig aufgefasst hat.

524

Insoweit ist dem vierten Klagegrund daher stattzugeben, im Übrigen ist er zurückzuweisen. Art. 2 Abs. 1 Buchst. d des angefochtenen Beschlusses ist wegen Anwendung des Abschreckungsmultiplikators 1,2 auf die Klägerin für nichtig zu erklären.

5.   Zum fünften Klagegrund: Fehler bei der Berechnung der gesamtschuldnerisch gegen Slovak Telekom und die Klägerin verhängten Geldbuße

525

Mit dem fünften Klagegrund rügt die Klägerin mehrere Fehler, die der Kommission bei der Berechnung der gesamtschuldnerisch gegen sie und Slovak Telekom verhängten Geldbuße unterlaufen sein sollen. Der Klagegrund, in dem sich die Klägerin das Vorbringen von Slovak Telekom in deren eigener Klage zu eigen macht, gliedert sich in zwei Teile, die nacheinander zu prüfen sind.

a)   Zum ersten Teil des fünften Klagegrundes: offensichtlicher Beurteilungsfehler und Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz wegen der Berechnung der Geldbuße auf der Grundlage des Umsatzes von Slovak Telekom im Jahr 2010

526

Mit dem ersten Teil des fünften Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass die Kommission dadurch, dass sie bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße den Umsatz zugrunde gelegt habe, den Slovak Telekom im Jahr 2010 auf dem Markt für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss und dem Endkundenmarkt für an einem festen Standort angebotene Breitbanddienste erzielt habe, nicht nur einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, sondern auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen habe. Zwar stehe der angefochtene Beschluss insoweit im Einklang mit Ziff. 13 der Leitlinien von 2006, der früheren Entscheidungspraxis der Kommission sei jedoch zu entnehmen, dass diese Regel keine Anwendung finden dürfe, wenn die im letzten vollständigen Geschäftsjahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung erzielten Umsätze erheblich vom jährlichen Durchschnitt der relevanten Umsätze in den ersten Jahren der Beteiligung an der Zuwiderhandlung abwichen. Im vorliegenden Fall sei der relevante Umsatz von Slovak Telekom in den Jahren 2005 bis 2010 um 133 % gestiegen. Da diese Steigerung erheblich sei, sei allein der im Jahr 2010 erzielte Umsatz nicht hinreichend repräsentativ.

527

Unter diesen Umständen hätte die Kommission für die Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße den durchschnittlichen Jahresumsatz während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung, d. h. in den Jahren 2005 bis 2010, heranziehen müssen. Indem die Kommission von ihrer früheren Entscheidungspraxis abgewichen sei, weil die genannte Umsatzsteigerung nicht exponentiell gewesen sei, habe sie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Die Behauptung der Kommission, dass die Umsatzsteigerung auf das vermeintlich missbräuchliche Marktverhalten von Slovak Telekom zurückzuführen sei, beruhe auf reiner Spekulation. Die Umsatzsteigerung sei auf das schnelle Wachstum der Breitbandmärkte während des Zeitraums der Zuwiderhandlung und nicht auf wachsende Marktanteile von Slovak Telekom in diesem Zeitraum zurückzuführen.

528

Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Sie wird hierbei von der Streithelferin unterstützt.

[nicht wiedergegeben]

530

Was die Begründetheit angeht, ist zum ersten Teil des fünften Klagegrundes zunächst festzustellen, dass bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen ist.

531

Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 bestimmt: „Zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße verwendet die Kommission den Wert der von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des EWR verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren … Zusammenhang stehen. Im Regelfall ist der Umsatz im letzten vollständigen Geschäftsjahr zugrunde zu legen, in dem das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war.“

532

Zudem geht aus der Rechtsprechung hervor, dass der Teil des Umsatzes, der mit den Waren oder Dienstleistungen erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog, einen zutreffenden Anhaltspunkt für das Ausmaß der Zuwiderhandlung auf dem betreffenden Markt liefert und somit ein objektives Kriterium ist, das zutreffend angibt, wie schädlich sich die Zuwiderhandlung auf den normalen Wettbewerb auswirkt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2016, Portugal Telecom/Kommission, T‑208/13, EU:T:2016:368, Rn. 236 und die dort angeführte Rechtsprechung).

533

Entsprechend zielt Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 bei einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV darauf ab, bei der Berechnung der gegen das betreffende Unternehmen verhängten Geldbuße einen Betrag als Ausgangspunkt festzulegen, der die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung angemessen wiedergibt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 76, vom 12. November 2014, Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission, C‑580/12 P, EU:C:2014:2363, Rn. 57, und vom 23. April 2015, LG Display und LG Display Taiwan/Kommission, C‑227/14 P, EU:C:2015:258, Rn. 53).

534

Dass die Kommission ihr Ermessen durch den Erlass der Leitlinien von 2006 selbst beschränkt hat, bedeutet nicht, dass ihr kein wesentliches Ermessen mehr verbliebe. Die Leitlinien von 2006 enthalten nämlich verschiedene Spielräume, die es der Kommission ermöglichen, ihr Ermessen im Einklang mit den Vorschriften der Verordnung Nr. 1/2003, wie sie von den Unionsgerichten ausgelegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung), und mit anderen Vorschriften und Grundsätzen des Unionsrechts auszuüben. In Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 heißt es selbst, dass bei der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße „im Regelfall“ der Umsatz im letzten vollständigen Geschäftsjahr zugrunde zu legen ist, in dem das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2015, Samsung SDI u. a./Kommission, T‑84/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:611, Rn. 214).

535

Im vorliegenden Fall geht aus den Erwägungsgründen 1490 bis 1495 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Kommission bei der Festsetzung des Grundbetrages der gesamtschuldnerisch gegen die Klägerin und Slovak Telekom verhängten Geldbuße den Umsatz zugrunde gelegt hat, den Slovak Telekom im letzten vollständigen Geschäftsjahr, in dem sie an der Zuwiderhandlung beteiligt war (2010), auf dem Markt des Zugangs zu den entbündelten Teilnehmeranschlüssen und der Endkunden an einem festen Standort angebotenen Breitbanddienste erzielt hat. Die Kommission hat also Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 angewandt.

536

Das Vorbringen der Klägerin, der Kommission sei dadurch, dass sie im vorliegenden Fall trotz eines starken Anstiegs des Umsatzes von Slovak Telekom im relevanten Zeitraum nicht von dieser Regel abgewichen sei, ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, ist nicht stichhaltig.

537

Die Klägerin macht geltend, in den Jahren 2005 bis 2010 sei der relevante Umsatz von Slovak Telekom um 133 %, nämlich von 31184949 Euro auf 72868176 Euro, gestiegen. Die Klägerin hat aber nicht dargetan, dass dieser Umsatz von 72868176 Euro, den Slovak Telekom im letzten vollständigen Geschäftsjahr, in dem sie an der Zuwiderhandlung beteiligt war, erzielt hat, zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses keinen Anhaltspunkt für ihre reale Größe, ihre Wirtschaftskraft auf dem Markt und das Ausmaß der Zuwiderhandlung geliefert hätte.

538

Gefolgt werden kann dem Vorbringen der Klägerin auch insoweit nicht, als sie geltend macht, die Kommission habe dadurch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, dass sie, weil der Anstieg des relevanten Umsatzes von Slovak Telekom nicht exponentiell gewesen sei, von ihrer bisherigen Entscheidungspraxis abgewichen sei.

539

Wie jedes Organ bei allen seinen Tätigkeiten hat die Kommission, wenn sie eine Geldbuße wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsvorschriften gegen ein Unternehmen festsetzt, den Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten, der es verbietet, vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich zu behandeln, sofern dies nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteile vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 261, und vom 9. September 2015, Philips/Kommission, T‑92/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:605, Rn. 204).

540

Nach ständiger Rechtsprechung bildet die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen und haben Entscheidungen in anderen Fällen, da es wenig wahrscheinlich ist, dass deren Umstände, etwa die betroffenen Märkte, Produkte, Unternehmen und Zeiträume, die gleichen sind, in Bezug auf das mögliche Vorliegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung lediglich Hinweischarakter (vgl. Urteil vom 24. September 2009, Erste Group Bank u. a./Kommission, C‑125/07 P, C‑133/07 P und C‑137/07 P, EU:C:2009:576, Rn. 233 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteile vom 16. Juni 2011, Heineken Nederland und Heineken/Kommission, T‑240/07, EU:T:2011:284, Rn. 347, und vom 27. Februar 2014, InnoLux/Kommission, T‑91/11, EU:T:2014:92, Rn. 144).

541

Frühere Entscheidungen der Kommission über Geldbußen können im Hinblick auf die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung nur relevant sein, wenn dargetan wird, dass die diesen Entscheidungen zugrunde liegenden tatsächlichen Gegebenheiten wie die Märkte, die Erzeugnisse, die Länder, die Unternehmen und die betroffenen Zeiträume die gleichen sind wie in dem zu entscheidenden Fall (vgl. Urteile vom 13. September 2010, Trioplast Industrier/Kommission, T‑40/06, EU:T:2010:388, Rn. 145 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 262 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 9. September 2015, Philips/Kommission, T‑92/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:605, Rn. 205 und die dort angeführte Rechtsprechung).

542

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin aber nicht dargetan, dass die früheren Entscheidungen, auf die sie sich beruft, nämlich der Beschluss Telekomunikacja Polska, der Beschlusses C(2010) 8761 final der Kommission vom 8. Dezember 2010 (Sache COMP/39.309 – LCD – Flüssigkristallanzeigen) und die Entscheidung K(2009) 5355 endg. der Kommission vom 8. Juli 2009 (Sache COMP/39.401 – E.ON/GDF), hinsichtlich des Sachverhalts mit dem vorliegenden Fall vergleichbar wären. Die Klägerin beschränkt sich darauf, diese drei Entscheidungen anzuführen, und weist darauf hin, dass bei den betreffenden Unternehmen über den gesamten Zeitraum der Zuwiderhandlung ein erhebliches Umsatzwachstum zu verzeichnen gewesen sei und dass die Kommission in diesen Fällen bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße jeweils den durchschnittlichen Jahresumsatz der Unternehmen zugrunde gelegt habe.

543

Jedenfalls waren die Umsatzzuwächse, die in diesen drei Entscheidungen für die Zeiträume der Zuwiderhandlung festgestellt wurden, wesentlich höher als im vorliegenden Fall. Die Kommission hat in ihren Schriftsätzen darauf hingewiesen, dass der Nettozuwachs des Umsatzes, der im 896. Erwägungsgrund des Beschlusses Telekomunikacja Polska festgestellt worden sei, bezogen auf den gesamten Zeitraum der Zuwiderhandlung mehr als 3000 % betragen habe. Auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass die relevanten Zuwächse bezogen auf den gesamten Zeitraum der betreffenden Zuwiderhandlungen bei der Zuwiderhandlung, die mit dem Beschluss C(2010) 8761 final geahndet worden sei, 521,58 % bei einem ersten Markt und 422,65 % bei einem zweiten Markt und bei der Zuwiderhandlung, die mit der Entscheidung K(2009) 5355 endg. geahndet worden sei, 261 % betragen hätten.

544

Somit ist festzustellen, dass die Kommission dadurch, dass sie den Umsatz zugrunde gelegt hat, den Slovak Telekom in dem Jahr, das am 31. Dezember 2010 geendet hat, d. h. im letzten vollständigen Geschäftsjahr, in dem Slovak Telekom an der Zuwiderhandlung beteiligt war, erzielt hat, und sich damit an die von ihr selbst in Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 aufgestellte Regel gehalten hat, die Grenzen des Ermessens, über das sie bei der Festsetzung von Geldbußen verfügt, nicht überschritten hat.

545

Folglich ist der erste Teil des fünften Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

b)   Zum zweiten Teil des fünften Klagegrundes: Berechnungsfehler aufgrund der Einbeziehung des Jahres 2005 in den Zeitraum der Zuwiderhandlung

546

Mit dem zweiten Teil ihres fünften Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass das Jahr 2005 zu Unrecht in den Zeitraum der Zuwiderhandlung einbezogen und deshalb bei der Berechnung des Grundbetrags der gesamtschuldnerisch gegen sie und Slovak Telekom verhängten Geldbuße zu Unrecht berücksichtigt worden sei.

547

Nach Auffassung der Kommission ist dieses Vorbringen zurückzuweisen, da das Jahr 2005 zu Recht in den Zeitraum der Zuwiderhandlung einbezogen worden sei.

548

Wie bereits oben in den Rn. 172 bis 196 zum zweiten Klagegrund ausgeführt, ist die Feststellung der Kommission, dass das von Slovak Telekom am 12. August 2005 veröffentlichte Standardangebot wegen der unfairen Bedingungen, die es enthielt, ab diesem Zeitpunkt alternative Anbieter von Anträgen auf entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen abhalten konnte, ebenso wenig zu beanstanden wie der Schluss, den die Kommission daraus gezogen hat, nämlich, dass die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist, an diesem Tag begonnen hat.

549

Zum zweiten Klagegrund hat das Gericht aber ferner ausgeführt, dass Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 des angefochtenen Beschlusses insoweit für nichtig zu erklären ist, als festgestellt wird, dass die Klägerin vom 12. August bis zum 31. Dezember 2005 unfaire Tarife angewandt habe, die es einem ebenso effizienten Wettbewerber, der auf der Vorleistungsebene auf den entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom angewiesen sei, unmöglich machten, ebenso umfassende Breitbanddienste für Endkunden wie Slovak Telekom aufzubauen, ohne Verluste zu verzeichnen (siehe oben, Rn. 221).

550

Somit ist Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 des angefochtenen Beschlusses insoweit für nichtig zu erklären, als festgestellt wird, dass die Klägerin vom 12. August bis zum 31. Dezember 2005 unfaire Tarife angewandt habe, die es einem ebenso effizienten Wettbewerber, der auf der Vorleistungsebene auf den entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom angewiesen sei, unmöglich machten, ebenso umfassende Breitbanddienste für Endkunden wie Slovak Telekom aufzubauen, ohne Verluste zu verzeichnen. Deshalb und wegen der Ausführungen oben in den Rn. 515 bis 524 ist auch Art. 2 des angefochtenen Beschlusses insoweit für nichtig zu erklären, als er die Klägerin betrifft. Im Übrigen sind die Anträge auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.

B. Zum Hilfsantrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbußen

551

Die Klägerin beantragt hilfsweise, die mit dem angefochtenen Beschluss gegen sie verhängten Geldbußen aufzuheben oder herabzusetzen.

552

Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet die in Art. 263 AEUV vorgesehene Rechtmäßigkeitskontrolle, dass der Unionsrichter sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht eine Kontrolle der beanstandeten Entscheidung im Hinblick auf die vom Kläger vorgebrachten Argumente vornimmt und befugt ist, die Beweise zu würdigen, die genannte Entscheidung für nichtig zu erklären und die Höhe der Geldbußen zu ändern (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C‑534/07 P, EU:C:2009:505, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 26. Januar 2017, Duravit u. a./Kommission, C‑609/13 P, EU:C:2017:46, Rn. 30 die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 27. März 2014, Saint-Gobain Glass France u. a./Kommission, T‑56/09 und T‑73/09, EU:T:2014:160, Rn. 461 und die dort angeführte Rechtsprechung).

553

Die Rechtmäßigkeitskontrolle wird ergänzt durch die dem Unionsrichter in Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 im Einklang mit Art. 261 AEUV eingeräumte Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung. Diese Befugnis ermächtigt den Richter über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Sanktion hinaus dazu, die Beurteilung der Kommission durch seine eigene zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen (Urteile vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 63, und vom 8. Dezember 2011, KME Germany u. a./Kommission, C‑389/10 P, EU:C:2011:816, Rn. 130; vgl. auch Urteil vom 26. Januar 2017, Duravit u. a./Kommission, C‑609/13 P, EU:C:2017:46, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

554

Die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung entspricht nicht einer Prüfung von Amts wegen. Das Verfahren vor den Gerichten der Union ist ein streitiges Verfahren. Mit Ausnahme der Gründe zwingenden Rechts, die der Richter von Amts wegen zu berücksichtigen hat, ist es deshalb grundsätzlich Sache des Klägers, gegen die angefochtene Entscheidung Klagegründe vorzubringen und für diese Beweise beizubringen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 213 und die dort angeführte Rechtsprechung).

555

Ob die Höhe der Geldbußen, die die Kommission mit dem angefochtenen Beschluss verhängt hat, zu ändern ist, ist nach Maßgabe dieser Grundsätze zu prüfen.

556

Als Erstes ist festzustellen, dass sich das Vorbringen der Klägerin zu ihrem Hilfsantrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbußen nicht von dem zu ihrem Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses unterscheidet. Soweit das Vorbringen der Klägerin bereits im Zusammenhang mit dem Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses zurückgewiesen worden ist, ist es daher auch hier im Zusammenhang mit dem Hilfsantrag zurückzuweisen.

557

Als Zweites ist festzustellen, dass die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass die Verhaltensweise von Slovak Telekom, die zu einer Margenbeschneidung geführt hat, vor dem 1. Januar 2006 begonnen hätte, so dass Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 des angefochtenen Beschlusses insoweit für nichtig zu erklären ist, als er die Klägerin betrifft und in die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung eine Margenbeschneidung einbezieht, die vom 12. August bis zum 31. Dezember 2005 begangen worden sein soll (siehe oben, Rn. 204 bis 221).

558

Was die Auswirkungen dieses Fehlers auf den Grundbetrag der Geldbuße angeht, für die die Klägerin gesamtschuldnerisch haftet, hält das Gericht es in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung für angemessen, den von der Kommission festgestellten Anteil an den relevanten Umsätzen der Klägerin von 10 % auf 9,8 % herabzusetzen. Da Slovak Telekom im letzten vollständigen Geschäftsjahr, in dem sie an der Zuwiderhandlung beteiligt war, einen relevanten Umsatz von 72868176 Euro erzielt hat, ist bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße, für die die Klägerin gesamtschuldnerisch haftet, von einem Betrag von 7141081,20 Euro auszugehen. Nach Multiplikation dieses Betrags mit einem Faktor von 5,33 für die Dauer der Zuwiderhandlung ergibt sich ein Grundbetrag der Geldbuße von 38061963 Euro.

559

Als Drittes ist zu berücksichtigen, dass oben in Rn. 523 festgestellt worden ist, dass die Kommission dadurch, dass sie den Abschreckungsmultiplikator 1,2 allein auf die Klägerin angewandt hat, um die Größe und Wirtschaftskraft des für die Zuwiderhandlung verantwortlich gemachten Unternehmens zu berücksichtigen, den unionsrechtlichen Unternehmensbegriff nicht richtig aufgefasst hat. Hierzu ist die gesonderte Geldbuße, die gegen die Klägerin wegen der von der Kommission im angefochtenen Beschluss festgestellten Rückfälligkeit verhängt wurde, neu zu berechnen. Sie beträgt 50 % des Grundbetrags der Geldbuße, für die die Klägerin gesamtschuldnerisch haftet, vor Anwendung des Multiplikators 1,2, und ist demnach auf 19030981 Euro festzusetzen.

560

Als Viertes ist festzustellen, dass das Gericht in der Rechtssache, in der heute das Urteil Slovak Telekom/Kommission (T‑851/14) ergeht, festgestellt hat, dass die Kommission fehlerhaft festgestellt hat, dass Slovak Telekom in der Zeit vom 12. August bis zum 31. Dezember 2005 eine Verhaltensweise begangen habe, die zu einer Margenbeschneidung geführt habe. Das Gericht hat Art. 1 Abs. 2 und Art. 2 des angefochtenen Beschlusses deshalb insoweit für nichtig erklärt, als sie Slovak Telekom betreffen, und die Geldbuße, die Slovak Telekom nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a des angefochtenen Beschlusses zu zahlen hat, herabgesetzt.

561

Im vorliegenden Fall hat das Gericht den oben in Rn. 560 genannten Fehler auf dieselbe Weise berücksichtigt (siehe oben, Rn. 557 und 558). Der Antrag der Klägerin, in der vorliegenden Rechtssache dem heutigen Urteil Slovak Telekom/Kommission (T‑851/14) Rechnung zu tragen, geht deshalb ins Leere. Der unter Berufung auf das Urteil vom 22. Januar 2013, Kommission/Tomkins (C‑286/11 P, EU:C:2013:29), gestellte Antrag der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

562

Somit wird die Geldbuße, für die die Klägerin gesamtschuldnerisch haftet, auf 38061963 Euro, und die Geldbuße, für die sie allein haftet, auf 19030981 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird der Antrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße zurückgewiesen.

IV. Kosten

563

Die unterliegende Partei ist auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen (Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung). Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, trägt jede Partei ihre eigenen Kosten, jedoch kann das Gericht entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint (Art. 134 Abs. 3 der Verfahrensordnung).

564

Im vorliegenden Fall sind die Kommission und die Streithelferin teilweise unterlegen. Die Klägerin hat aber lediglich beantragt, der Kommission die Kosten aufzuerlegen, nicht der Streithelferin.

565

Unter diesen Umständen sind der Klägerin vier Fünftel ihrer eigenen Kosten und gemäß den jeweiligen Anträgen vier Fünftel der Kosten der Kommission und der Streithelferin aufzuerlegen. Die Kommission trägt ein Fünftel ihrer eigenen Kosten und der Kosten der Klägerin. Die Streithelferin trägt ein Fünftel ihrer eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 des Beschlusses C(2014) 7465 final der Kommission vom 15. Oktober 2014 in einem Verfahren nach Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Artikel 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (Sache AT.39523 – Slovak Telekom) wird insoweit für nichtig erklärt, als darin festgestellt wird, dass die Deutsche Telekom AG vom 12. August 2005 bis zum 31. Dezember 2005 unfaire Tarife angewandt habe, die es einem ebenso effizienten Wettbewerber, der auf der Vorleistungsebene auf den entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen der Slovak Telekom a.s. angewiesen sei, unmöglich machten, ebenso umfassende Breitbanddienste für Endkunden wie die Slovak Telekom a.s. aufzubauen, ohne Verluste zu verzeichnen.

 

2.

Art. 2 des Beschlusses C(2014) 7465 final wird insoweit für nichtig erklärt, als gegen die Deutsche Telekom AG gesamtschuldnerisch eine Geldbuße in Höhe von 38838000 Euro und allein eine Geldbuße in Höhe von 31070000 Euro verhängt wird.

 

3.

Die gegen die Deutsche Telekom AG gesamtschuldnerisch verhängte Geldbuße wird auf 38061963 Euro und die gegen diese Gesellschaft allein verhängte Geldbuße auf 19030981 Euro festgesetzt.

 

4.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

5.

Die Deutsche Telekom AG trägt vier Fünftel ihrer eigenen Kosten, vier Fünftel der Kosten der Europäischen Kommission und vier Fünftel der Kosten der Slovanet, a.s.

 

6.

Die Kommission trägt ein Fünftel ihrer eigenen Kosten und ein Fünftel der Kosten der Deutschen Telekom AG.

 

7.

Die Slovanet, a.s. trägt ein Fünftel ihrer eigenen Kosten.

 

Van der Woude

Gervasoni

Madise

da Silva Passos

Kowalik-Bańczyk

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Dezember 2018.

Der Kanzler

E. Coulon

Der Präsident

M. van der Woude


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

( 1 ) Es werden nur die Randnummern des Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.