16.6.2014 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 184/15 |
Rechtsmittel der Evonik Degussa GmbH, AlzChem AG, vormals AlzChem Trostberg GmbH, vormals AlzChem Hart GmbH gegen das Urteil des Gerichts (Dritte Kammer) vom 23. Januar 2014 in der Rechtssache T-391/09, Evonik Degussa GmbH, AlzChem AG, vormals AlzChem Trostberg GmbH, vormals AlzChem Hart GmbH gegen Europäische Kommission, eingelegt am 3. April 2014
(Rechtssache C-155/14 P)
2014/C 184/19
Verfahrenssprache: Deutsch
Verfahrensbeteiligte
Rechtsmittelführerinnen: Evonik Degussa GmbH, AlzChem AG, vormals AlzChem Trostberg GmbH, vormals AlzChem Hart GmbH (Prozessbevollmächtigte: C. Steinle, Rechtsanwalt, I. Bodenstein, Rechtsanwältin)
Anderer Verfahrensbeteiligter: Europäische Kommission
Anträge der Rechtsmittelführerinnen
Die Rechtsmittelführerinnen beantragen,
1. |
das Urteil des Gerichts (Dritte Kammer) vom 23. Januar 2014 (Rechtssache T-391109) insoweit aufzuheben, als die Rechtsmittelführerinnen durch das Urteil beschwert sind; |
2. |
die Entscheidung der Kommission K(2009) 5791 endg. vom 22. Juli 2009 (Sache COMP/39.396 - Calciumcarbid und Reagenzien auf Magnesiumbasis für die Stahl- und Gasindustrien), soweit die Rechtsmittelführerinnen betroffen sind, für nichtig zu erklären; hilfsweise, die in Artikel 2 Buchstabe (g) und (h) der genannten Entscheidung gegen die Rechtsmittelführerinnen verhängte Geldbuße herabzusetzen; hilfsweise für den Fall, dass der vorstehende Antrag abgewiesen werden sollte, Artikel 2 Buchstaben (g) und (h) der Entscheidung dahingehend abzuändern, dass SKW Stahl-Metallurgie GmbH für den vollen Betrag der gegen die Rechtsmittelführerinnen festgesetzten Geldbuße gesamtschuldnerisch haftet; die Rechtsmittelführerinnen verstehen diesen Hilfsantrag so, wie ihn das Gericht in Randnr. 264 und 265 des Urteils verstanden hat, nämlich als Hilfsantrag auf Erhöhung des Anteils der gegen die Rechtsmittelführerinnen verhängten Geldbuße, der als gezahlt gilt, wenn SKW die von der Kommission gegen sie verhängte Geldbuße zahlt. |
3. |
hilfsweise zum Antrag Ziffer 2, die Sache zur Entscheidung in Einklang mit der rechtlichen Beurteilung im Urteil des Gerichtshofes an das Gericht zurückzuverweisen; |
4. |
in jedem Fall die Kommission zu verurteilen, die Kosten der Rechtsmittelführerinnen für die Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof zu tragen. |
Rechtsmittelgründe und wesentliche Argumente
Das Rechtsmittel richtet sich gegen das Urteil des Gerichts vom 23. Januar 2014 in der Rechtssache T-391/09, soweit dieses die Rechtsmittelführerinnen beschwert. In dem Urteil hat das Gericht der gegen die Entscheidung K(2009) 5791 endg. der Europäischen Kommission vom 22. Juli 2009 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39.396 — Calciumcarbid und Reagenzien auf Magnesiumbasis für die Stahl- und die Gasindustrien) erhobenen Klagen der Rechtsmittelführerinnen teilweise stattgegeben und sie teilweise abgewiesen.
Die Rechtsmittelführerinnen machen insgesamt fünf Rechtsmittelgründe geltend:
1. |
Mit dem ersten Rechtsmittelgrund greifen die Rechtsmittelführerinnen an, dass das Gericht ihnen das kartellrechtswidrige Verhalten von SKW Stahl-Technik GmbH & Co. KG („SKW“) unter Verstoß gegen die Reichweite der Haftungszurechnung aus Art. 81 EG (heute Art. 101 AEUV), den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit, die Unschuldsvermutung und das Schuldprinzip zugerechnet hat, indem es die Widerlegung der Vermutung entscheidenden Einflusses zurückwies. SKW habe sich ab April 2004 in einem Machtvakuum vor dem unmittelbar bevorstehenden Verkauf dieser Gesellschaft an einen Dritten eigenmächtig und entgegen ausdrücklicher spezifischer Weisungen der Rechtsmittelführerinnen an einem Kartell beteiligt. Das Gericht habe in diesem außergewöhnlichen Sonderfall, der aus der Masse der bislang entschiedenen Fälle klar herausrage, zu Unrecht eine Einzelfallgerechtigkeit versagt. |
2. |
Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund greifen die Rechtsmittelführerinnen an, dass das Gericht unter Verstoß gegen das rechtliche Gehör und die Begründungspflicht ihren Vortrag zurückgewiesen hat, dass die Kommissionsentscheidung für nichtig hätte erklärt werden müssen, da die Haftungsanteile im Innenverhältnis der Gesamtschuldner nicht entsprechend dem zwischenzeitlich ergangenen Urteil des Gerichts in Sachen Siemens Österreich (vom 3. März 2011, Rechtssachen T-122/07 bis T-124/07, Slg. 2011, II-793) festgelegt wurden. Der Klagevortrag sei weder verspätet noch unzureichend gewesen. |
3. |
Im Hinblick auf die Höhe der Geldbuße rügen die Rechtsmittelführerinnen mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund, dass das Gericht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen hat, als es die Geldbußen gegen die Rechtsmittelführerinnen nicht — wie im Parallelfall Gigaset — angesichts der Fehler bei der Bußgeldberechnung, insbesondere der Nichtberücksichtigung einer Eintrittsgebühr und der fehlerhaften Berücksichtigung einer Kronzeugenermäßigung bei der Geldbuße von SKW, herabgesetzt hat. |
4. |
Die Rechtsmittelführerinnen begrüßen es, dass das Gericht bei der Neufestsetzung ihrer Geldbußen auch den Anteil der Geldbuße neu festgesetzt hat, „der als gezahlt gilt, wenn SKW Zahlungen auf die mit der angefochtenen Entscheidungen gegen sie verhängte Geldbuße leistet“ (Tenor Ziffer 2. erster Spiegelstrich). Mit dem vierten hilfsweisen Rechtsmittelgrund greifen die Rechtsmittelführerinnen allerdings an, dass das Gericht unter Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, nulla poena sine lege certa und der Begründungspflicht bei der Neufestsetzung die doppelte Tilgungswirkung einer Zahlung von SKW sowohl für ARQUES Industries AG („Arques“) (heutige Gigaset AG („Gigaset“)) als auch für die Rechtsmittelführerinnen nicht ausdrücklich festgelegt hat. |
5. |
Mit dem fünften hilfsweisen Rechtsmittelgrund greifen die Rechtsmittelführerinnen an, dass das Gericht bei der Neufestsetzung der Geldbußen insbesondere unter Verstoß gegen die Grundsätze zur Festlegung gesamtschuldnerischer Geldbußen (Art. 81 EG, Art. 23 VO 1/2003) (1), bei dem Anteil, der durch eine Leistung von SKW als gezahlt gilt, die Kronzeugenermäßigung in Abzug gebracht hat. Damit berücksichtige das Gericht zu Lasten der Rechtsmittelführerinnen bei diesem Anteil eine Kronzeugenermäßigung, obwohl SKW nicht gemäß der Kronzeugenmitteilung mit der Kommission kooperiert habe. |
(1) Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln; ABl. L 1, S. 1.