URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

31. Januar 2017 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts — Asyl — Richtlinie 2004/83/EG — Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge — Art. 12 Abs. 2 Buchst. c und Art. 12 Abs. 3 — Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling — Begriff ‚Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen‘ — Bedeutung — Führendes Mitglied einer terroristischen Vereinigung — Strafrechtliche Verurteilung wegen der Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung — Einzelprüfung“

In der Rechtssache C‑573/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d'État (Staatsrat, Belgien) mit Entscheidung vom 13. November 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Dezember 2014, in dem Verfahren

Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides

gegen

Mostafa Lounani

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen, J. L. da Cruz Vilaça und E. Juhász, der Kammerpräsidentin M. Berger, des Kammerpräsidenten E. Regan, der Richter A. Rosas (Berichterstatter), A. Borg Barthet, J. Malenovský und E. Levits, der Richterin K. Jürimäe und des Richters C. Lycourgos,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

des Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides, vertreten durch E. Derriks, avocat,

von Herrn Lounani, vertreten durch C. Marchand und D. Alamat, avocats,

der belgischen Regierung, vertreten durch C. Pochet, M. Jacobs und S. Vanrie als Bevollmächtigte im Beistand von D. Matray, C. Piront und N. Schynts, avocats,

der griechischen Regierung, vertreten durch M. Michelogiannaki als Bevollmächtigte,

der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González und L. Banciella Rodríguez-Miñón als Bevollmächtigte,

der französischen Regierung, vertreten durch F.-X. Bréchot und D. Colas als Bevollmächtigte,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Salvatorelli, avvocato dello Stato,

der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und M. M. Tátrai als Bevollmächtigte,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Holt, S. Brandon und V. Kaye als Bevollmächtigte im Beistand von D. Blundell, Barrister,

der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande und R. Troosters als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 31. Mai 2016

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12 Abs. 2 Buchst. c und Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2004, L 304, S. 12, berichtigt im ABl. 2005, L 204, S. 24).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Commissaire général aux réfugiés et aux apatrides (Generalkommissar für Flüchtlinge und Staatenlose, im Folgenden: Generalkommissar) und Herrn Mostafa Lounani, einem marokkanischen Staatsangehörigen, weil dieser wegen Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen wurde.

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

Charta der Vereinten Nationen

3

In Art. 1 Nrn. 1 und 3 der am 26. Juni 1945 in San Francisco (Vereinigte Staaten) unterzeichneten Charta der Vereinten Nationen heißt es:

„Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele:

1.

den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen;

3.

eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen, um internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Art zu lösen und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen“.

Genfer Abkommen

4

Das am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichnete Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (United Nations Treaty Series, Band 189, S. 150, Nr. 2545 [1954]) trat am 22. April 1954 in Kraft und wurde durch das am 31. Januar 1967 in New York abgeschlossene und am 4. Oktober 1967 in Kraft getretene Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ergänzt (im Folgenden: Genfer Abkommen bzw. Genfer Konvention).

5

Art. 1 des Genfer Abkommens enthält u. a. in Abschnitt A eine Definition des Begriffs „Flüchtling“ im Sinne des Abkommens und sieht in Abschnitt F vor:

„Die Bestimmungen dieses Abkommens finden keine Anwendung auf Personen, in Bezug auf die aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist,

c)

dass sie sich Handlungen zuschulden kommen ließen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen.“

Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen

6

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (im Folgenden: Sicherheitsrat) verabschiedete am 28. September 2001 die Resolution 1373 (2001). In den Erwägungsgründen dieser Resolution bekräftigte der Sicherheitsrat insbesondere die „Notwendigkeit, durch terroristische Handlungen verursachte Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit mit allen Mitteln im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen zu bekämpfen“.

7

In Ziff. 3 Buchst. f und g der genannten Resolution werden alle Staaten aufgefordert, „bevor sie einer Person Flüchtlingsstatus gewähren, im Einklang mit den entsprechenden Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts und des Völkerrechts, einschließlich der internationalen Menschenrechtsnormen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sich zu vergewissern, dass der Asylsuchende keine terroristischen Handlungen geplant oder erleichtert oder sich daran beteiligt hat“, bzw. „in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht sicherzustellen, dass diejenigen, die terroristische Handlungen begehen, organisieren oder erleichtern, den Flüchtlingsstatus nicht missbrauchen“.

8

In Ziff. 5 dieser Resolution erklärt der Sicherheitsrat, „dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen und dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“.

9

Am 12. November 2001 verabschiedete der Sicherheitsrat die Resolution 1377 (2001), in deren Ziff. 5 er „betont, dass Akte des internationalen Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen stehen und dass die Finanzierung, Planung und Vorbereitung sowie jegliche andere Form der Unterstützung von Akten des internationalen Terrorismus ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen [dieser] Charta … stehen“.

10

In der am 14. September 2005 vom Sicherheitsrat verabschiedeten Resolution 1624 (2005) wird insbesondere darauf hingewiesen, dass „alle Staaten bei der Bekämpfung des Terrorismus im Einklang mit ihren Verpflichtungen nach dem Völkerrecht uneingeschränkt zusammenarbeiten müssen, um alle Personen, die die Finanzierung, Planung, Vorbereitung oder Begehung terroristischer Handlungen unterstützen, erleichtern, sich daran beteiligen oder sich daran zu beteiligen versuchen oder den Tätern Unterschlupf gewähren, zu finden, ihnen einen sicheren Zufluchtsort zu verweigern und sie vor Gericht zu bringen“.

11

In Ziff. 1 seiner Resolution 1624 (2005) fordert der Sicherheitsrat „alle Staaten auf, die notwendigen und geeigneten Maßnahmen im Einklang mit ihren Verpflichtungen nach dem Völkerrecht zu ergreifen, um

a)

die Aufstachelung zur Begehung einer terroristischen Handlung oder terroristischer Handlungen gesetzlich zu verbieten;

b)

ein solches Verhalten zu verhindern;

c)

allen Personen, zu denen glaubwürdige und sachdienliche Informationen vorliegen, die ernsthaften Grund zu der Annahme geben, dass sie sich eines solchen Verhaltens schuldig gemacht haben, einen sicheren Zufluchtsort zu verweigern“.

12

In Ziff. 5 der am 24. September 2014 vom Sicherheitsrat verabschiedeten Resolution 2178 (2014) wird bekräftigt, dass „die Mitgliedstaaten … die Anwerbung, Organisation, Beförderung oder Ausrüstung von Personen, die in einen Staat reisen, der nicht der Staat ihrer Ansässigkeit oder Staatsangehörigkeit ist, um terroristische Handlungen zu begehen, zu planen, vorzubereiten oder sich daran zu beteiligen oder Terroristen auszubilden oder sich zu Terroristen ausbilden zu lassen, sowie die Finanzierung ihrer Reisen und Aktivitäten verhüten und bekämpfen“.

13

In Ziff. 6 dieser Resolution erinnert der Sicherheitsrat:

„… an seinen Beschluss in Resolution 1373 (2001), wonach alle Mitgliedstaaten sicherstellen werden, dass alle Personen, die an der Finanzierung, Planung, Vorbereitung oder Begehung terroristischer Handlungen oder an deren Unterstützung mitwirken, vor Gericht gestellt werden, und beschließt, dass alle Staaten sicherstellen müssen, dass ihre innerstaatlichen Gesetze und sonstigen Vorschriften schwere Straftaten ausreichend umschreiben, damit die folgenden Personen und Handlungen in einer der Schwere der Straftat angemessenen Weise strafrechtlich verfolgt und bestraft werden können:

c)

die vorsätzliche Organisation oder sonstige Erleichterung, einschließlich Anwerbungshandlungen, der Reisen von Personen, die in einen Staat reisen, der nicht der Staat ihrer Ansässigkeit oder Staatsangehörigkeit ist, um terroristische Handlungen zu begehen, zu planen, vorzubereiten oder sich daran zu beteiligen oder Terroristen auszubilden oder sich zu Terroristen ausbilden zu lassen, durch ihre Staatsangehörigen oder in ihrem Hoheitsgebiet“.

Unionsrecht

Richtlinie 2004/83

14

Nach dem dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/83 stellt die Genfer Konvention einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen dar.

15

Die Erwägungsgründe 16, 17 und 22 der Richtlinie 2004/83 lauten:

„(16)

Es sollten Mindestnormen für die Bestimmung und die Merkmale der Flüchtlingseigenschaft festgelegt werden, um die zuständigen innerstaatlichen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Genfer Konvention zu leiten.

(17)

Es müssen gemeinsame Kriterien für die Anerkennung von Asylbewerbern als Flüchtlinge im Sinne von Artikel 1 der Genfer Konvention eingeführt werden.

(22)

Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, ‚dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen‘ und ‚dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen‘.“

16

Art. 12 („Ausschluss“) in Kapitel III („Anerkennung als Flüchtling“) der Richtlinie 2004/83 sieht in den Abs. 2 und 3 vor:

„(2)   Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser ist von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass er

c)

sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen.

(3)   Absatz 2 findet auf Personen Anwendung, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.“

Rahmenbeschluss 2002/475/JI

17

Der sechste Erwägungsgrund des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. 2002, L 164, S. 3) lautet:

„In allen Mitgliedstaaten sollte eine Angleichung der Definition der terroristischen Straftaten, einschließlich der Straftaten, die im Zusammenhang mit terroristischen Vereinigungen begangen werden, erfolgen. Ferner sollten gegen natürliche und juristische Personen, die eine solche Straftat begangen haben oder für eine solche Straftat zur Verantwortung gezogen werden können, Strafen und Sanktionen verhängt werden können, welche die Schwere dieser Straftaten widerspiegeln.“

18

Art. 1 („Terroristische Straftaten sowie Grundrechte und Rechtsgrundsätze“) des Rahmenbeschlusses 2002/475 bestimmt in seinem Abs. 1:

„Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die unter den Buchstaben a) bis i) aufgeführten, nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften als Straftaten definierten vorsätzlichen Handlungen, die durch die Art ihrer Begehung oder den jeweiligen Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen können, als terroristische Straftaten eingestuft werden …

…:

a)

Angriffe auf das Leben einer Person, die zum Tode führen können;

b)

Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit einer Person;

c)

Entführung oder Geiselnahme;

d)

schwer wiegende Zerstörungen an einer Regierungseinrichtung oder einer öffentlichen Einrichtung, einem Verkehrsmittel, einer Infrastruktur …;

e)

Kapern von Luft- und Wasserfahrzeugen …;

f)

Herstellung, Besitz, Erwerb, Beförderung oder Bereitstellung oder Verwendung von Schusswaffen, Sprengstoffen …;

g)

Freisetzung gefährlicher Stoffe oder Herbeiführen von Bränden, Überschwemmungen oder Explosionen, wenn dadurch das Leben von Menschen gefährdet wird;

h)

Störung oder Unterbrechung der Versorgung mit Wasser, Strom oder anderen lebenswichtigen natürlichen Ressourcen …;

i)

Drohung, eine der in a) bis h) genannten Straftaten zu begehen.“

19

Art. 2 („Straftaten im Zusammenhang mit einer terroristischen Vereinigung“) des Rahmenbeschlusses 2002/475 lautet:

„(1)   Im Sinne dieses Rahmenbeschlusses bezeichnet der Begriff ‚terroristische Vereinigung‘ einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die zusammenwirken, um terroristische Straftaten zu begehen. Der Begriff ‚organisierter Zusammenschluss‘ bezeichnet einen Zusammenschluss, der nicht nur zufällig zur unmittelbaren Begehung einer strafbaren Handlung gebildet wird und der nicht notwendigerweise förmlich festgelegte Rollen für seine Mitglieder, eine kontinuierliche Zusammensetzung oder eine ausgeprägte Struktur hat.

(2)   Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, damit die nachstehenden vorsätzlichen Handlungen unter Strafe gestellt werden:

a)

Anführen einer terroristischen Vereinigung,

b)

Beteiligung an den Handlungen einer terroristischen Vereinigung einschließlich Bereitstellung von Informationen oder materiellen Mitteln oder durch jegliche Art der Finanzierung ihrer Tätigkeit mit dem Wissen, dass diese Beteiligung zu den strafbaren Handlungen der terroristischen Vereinigung beiträgt.“

20

Die Art. 3 und 4 des Rahmenbeschlusses 2002/475 wurden durch den Rahmenbeschluss 2008/919/JI (ABl. 2008, L 330, S. 21) geändert, dessen zehnter Erwägungsgrund Folgendes bestimmt: „Die Definition terroristischer Straftaten einschließlich von Straftaten im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten sollte in allen Mitgliedstaaten weiter angeglichen werden, um auch die öffentliche Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat sowie die Anwerbung und Ausbildung für terroristische Zwecke zu erfassen, wenn diese Handlungen vorsätzlich begangen werden.“

21

Art. 3 („Straftaten im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten“) des Rahmenbeschlusses 2002/475 in der durch den Rahmenbeschluss 2008/919 geänderten Fassung bestimmt in seinen Abs. 1 und 2:

„(1)   Im Sinne dieses Rahmenbeschlusses bedeutet der Ausdruck

b)

‚Anwerbung für terroristische Zwecke‘ eine andere Person dazu zu bestimmen, eine in Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben a bis h oder in Artikel 2 Absatz 2 aufgeführte Straftat zu begehen;

(2)   Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass folgende vorsätzliche Handlungen als Straftaten im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten eingestuft werden:

b)

Anwerbung für terroristische Zwecke;

f)

die Ausstellung gefälschter Verwaltungsdokumente mit dem Ziel, eine der in Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben a bis h und in Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b aufgeführten Straftaten zu begehen.“

22

Art. 4 des Rahmenbeschlusses 2002/475 in der durch den Rahmenbeschluss 2008/919 geänderten Fassung betrifft die Anstiftung zur Begehung bestimmter Straftaten nach den Art. 1 bis 3 des Rahmenbeschlusses 2002/475, die Beihilfe zur Begehung derartiger Straftaten und den Versuch der Begehung dieser Straftaten.

Belgisches Recht

23

Art. 55/2 der Loi du 15 décembre 1980 sur l’accès au territoire, le séjour, l’établissement et l’éloignement des étrangers (Gesetz vom 15. Dezember 1980 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern, Belgisches Staatsblatt vom 31. Dezember 1980, S. 14584, und, konsolidierte Fassung in deutscher Übersetzung, vom 22. Dezember 1995) lautet:

„Ein Ausländer ist von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn Artikel 1 D, E oder F des Genfer Abkommens anwendbar ist. Dies gilt auch für Personen, die andere zu den in Artikel 1 F des Genfer Abkommens genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.“

24

Mit der zwecks Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475 erlassenen Loi du 19 décembre 2003 relative aux infractions terroristes (Gesetz vom 19. Dezember 2003 über terroristische Straftaten, Belgisches Staatsblatt vom 29. Dezember 2003, S. 61689, deutsche Fassung der hier relevanten Bestimmungen in der Übersetzung der Art. 101 bis 232 des Strafgesetzbuchs, Belgisches Staatsblatt vom 27. April 2010) wurde in das Buch II des Code pénal (Strafgesetzbuch) der Titel Iter („Terroristische Straftaten“) eingefügt, der die Art. 137 bis 141ter umfasst.

25

Art. 137 des Strafgesetzbuchs in der durch das Gesetz vom 19. Dezember 2003 geänderten Fassung (im Folgenden: geändertes Strafgesetzbuch) bestimmt in seinem § 1:

„Die in den Paragraphen 2 und 3 erwähnte Straftat, die aufgrund ihrer Art oder ihres Kontextes ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft gefährden kann und vorsätzlich begangen wird, um eine Bevölkerung ernsthaft einzuschüchtern, um öffentliche Behörden oder eine internationale Organisation unberechtigterweise zu Handlungen oder Unterlassungen zu zwingen oder um politische, verfassungsmäßige, wirtschaftliche oder soziale Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu vernichten, ist eine terroristische Straftat.“

26

Art. 139 Abs. 1 des geänderten Strafgesetzbuchs bestimmt:

„Ein auf … Dauer angelegter organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die zusammenwirken, um in Artikel 137 erwähnte terroristische Straftaten zu begehen, ist eine terroristische Vereinigung.“

27

Art. 140 des geänderten Strafgesetzbuchs, der Art. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/475 entspricht, lautet:

„§ 1 -   Wer sich an Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung beteiligt, auch durch Bereitstellung von Informationen oder materiellen Mitteln an eine terroristische Vereinigung oder durch jegliche Art der Finanzierung von Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung, mit dem Wissen, dass seine Beteiligung zu Verbrechen oder Vergehen der terroristischen Vereinigung beiträgt, wird mit einer Zuchthausstrafe von fünf bis zu zehn Jahren und mit einer Geldbuße von 100 bis zu 5.000 EUR bestraft.

§ 2 -   Jeder Anführer einer terroristischen Vereinigung wird mit einer Zuchthausstrafe von fünfzehn bis zu zwanzig Jahren und mit einer Geldbuße von 1.000 bis zu 200.000 EUR bestraft.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

28

Herr Lounani emigrierte im Jahr 1991 aus Marokko nach Deutschland, wo er einen Asylantrag stellte, der abgelehnt wurde. Im Jahr 1997 kam er nach Belgien, wo er sich seitdem illegal aufhält.

29

Mit Urteil vom 16. Februar 2006 wurde Herr Lounani vom Tribunal correctionnel de Bruxelles (Strafgericht Brüssel, Belgien) auf der Grundlage von insbesondere Art. 140 des geänderten Strafgesetzbuchs wegen Beteiligung – als führendes Mitglied – an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung – im vorliegenden Fall der belgischen Zelle des „Groupe islamique des combattants marocains“ (islamische Gruppe marokkanischer Kämpfer, im Folgenden: GICM) – sowie wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Urkundenfälschung, Verwendung gefälschter Urkunden und illegalen Aufenthalts zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

30

Die Tatsachen, aufgrund deren das Tribunal correctionnel de Bruxelles (Strafgericht Brüssel) Herrn Lounani der Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung für schuldig befunden hatte, wurden in der Vorlageentscheidung wie folgt zusammengefasst: „logistische Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, insbesondere durch materielle oder intellektuelle Dienste“; „Fälschung von Pässen“ und „betrügerisches Überlassen von Pässen“; „aktive Beteiligung an der Ausschleusung Freiwilliger in den Irak“. Insbesondere das betrügerische Überlassen von Pässen wurde im Urteil vom 16. Februar 2006 als „Beteiligung an der Tätigkeit einer Zelle, die einer Terrorbewegung logistische Unterstützung leistet“ eingeordnet.

31

Am 16. März 2010 beantragte Herr Lounani bei den belgischen Behörden Asyl. Er berief sich auf die Furcht vor Verfolgung für den Fall, dass er in sein Herkunftsland zurückkehren müsste, da die Gefahr bestünde, nach seiner Verurteilung in Belgien von den marokkanischen Behörden als radikaler Islamist und Dschihadist eingestuft zu werden. Über diesen Asylantrag erging am 8. Dezember 2010 eine Entscheidung des Generalkommissars, mit der die Anerkennung von Herrn Lounani als Flüchtling aufgrund von Art. 55/2 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern und Art. 1 Abschnitt F Buchst. c des Genfer Abkommens abgelehnt wurde.

32

Am 24. Dezember 2010 erhob Herr Lounani beim Conseil du contentieux des étrangers (Rat für Ausländerstreitsachen, Belgien) eine Klage auf Aufhebung dieser Entscheidung. Mit Urteil vom 13. Januar 2011 hob dieser die Entscheidung auf und verwies die Akte zurück an den Generalkommissar, weil in der Akte noch wesentliche Bestandteile fehlten, ohne die er die Entscheidung weder bestätigen noch abändern könne, und somit eine ergänzende Beweisaufnahme erforderlich sei.

33

Am 2. Februar 2011 erließ der Generalkommissar eine neue Entscheidung, mit der Herrn Lounani die Anerkennung als Flüchtling verwehrt wurde. Der am 18. Februar 2011 mit einer Klage auf Aufhebung dieser neuen Entscheidung befasste Conseil du contentieux des étrangers (Rat für Ausländerstreitsachen) hob diese mit Urteil vom 3. März 2011 auf und verwies die Akte zurück an den Generalkommissar, weil dieser keine echte ergänzende Beweisaufnahme durchgeführt habe.

34

Am 24. Mai 2011 erließ der Generalkommissar eine dritte Entscheidung, mit der Herrn Lounani die Anerkennung als Flüchtling verwehrt wurde. Am 14. Juni 2011 erhob Herr Lounani beim Conseil du contentieux des étrangers (Rat für Ausländerstreitsachen) eine Klage auf Abänderung dieser Entscheidung und seine Anerkennung als Flüchtling. Mit Urteil vom 1. Juli 2011 entschied dieser, dass Herr Lounani als Flüchtling anzuerkennen sei.

35

Der mit einer Kassationsbeschwerde gegen dieses Urteil befasste Conseil d'État (Staatsrat, Belgien) hob es mit Urteil vom 13. Juli 2012 auf und verwies die Rechtssache an den Conseil du contentieux des étrangers (Rat für Ausländerstreitsachen) in anderer Besetzung zurück.

36

Der erneut befasste Conseil du contentieux des étrangers (Rat für Ausländerstreitsachen) vertrat die Auffassung, dass die Herrn Lounani konkret vorgeworfenen Tatsachen keine terroristischen Straftaten als solche darstellten, da das Tribunal correctionnel de Bruxelles (Strafgericht Brüssel) in seinem Urteil vom 16. Februar 2016 Herrn Lounani wegen seiner Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung verurteilt habe, ohne ihm die Begehung einer terroristischen Handlung oder die Beteiligung daran im Sinne von Art. 137 des geänderten Strafgesetzbuchs vorzuwerfen. Es sei weder das geringste Ansetzen zu einer diese Art von Straftatbestand erfüllenden konkreten Handlung seitens des GICM noch ein eigenes Verhalten von Herrn Lounani nachgewiesen worden, das seine persönliche Verantwortung für die Begehung einer solchen Handlung begründen könnte.

37

Da der Conseil du contentieux des étrangers (Rat für Ausländerstreitsachen) folglich der Ansicht war, dass keine der Handlungen, wegen deren Herr Lounani verurteilt worden war, die erforderliche Schwere erreiche, um im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 als Handlung, „die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen … zuwider[läuft]“, eingestuft zu werden, änderte er mit Urteil vom 12. Februar 2013 die Entscheidung des Generalkommissars vom 24. Mai 2011 ab und erkannte Herrn Lounani als Flüchtling an.

38

Der Generalkommissar legte gegen dieses Urteil beim Conseil d’État (Staatsrat) Kassationsbeschwerde ein.

39

Unter diesen Umständen hat der Conseil d’État (Staatsrat) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 dahin auszulegen, dass eine Anwendung der dort vorgesehenen Ausschlussklausel notwendigerweise voraussetzt, dass der Asylbewerber wegen einer der in Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475 vorgesehenen terroristischen Straftaten verurteilt worden ist?

2.

Falls nicht, sind Sachverhalte, die der Gegenpartei im Urteil des Tribunal correctionnel de Bruxelles (Strafgericht Brüssel) vom 16. Februar 2006 zur Last gelegt wurden und aufgrund deren sie wegen Beteiligung an einer terroristischen Organisation verurteilt worden ist, als Handlungen anzusehen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 zuwiderlaufen?

3.

Ist im Rahmen der Prüfung, ob einer Person, die internationalen Schutz beantragt, dieser Schutz wegen der Beteiligung an einer terroristischen Organisation zu versagen ist, die Verurteilung als führendes Mitglied einer terroristischen Organisation, mit der festgestellt wird, dass der Antragsteller eine terroristische Handlung weder begangen, versucht noch angedroht hat, ausreichend, um das Vorliegen einer ihm zuzurechnenden Beteiligungs- oder Anstiftungshandlung im Sinne von Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83 festzustellen, oder ist es erforderlich, die fraglichen Sachverhalte einzeln zu prüfen und die Beteiligung an der Begehung einer in Art. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475 definierten terroristischen Straftat oder die Anstiftung hierzu nachzuweisen?

4.

Muss sich im Rahmen der Prüfung, ob einer Person, die internationalen Schutz beantragt, dieser Schutz wegen der Beteiligung an einer terroristischen Organisation, gegebenenfalls als Anführer, zu versagen ist, die in Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83 genannte Anstiftungs- oder Beteiligungshandlung auf die Begehung einer terroristischen Straftat, wie sie in Art. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475 definiert ist, beziehen, oder kann sie sich auf die in Art. 2 dieses Beschlusses genannte Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung beziehen?

5.

Ist es im Bereich des Terrorismus möglich, den internationalen Schutz nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 zu versagen, wenn keine Begehung, Anstiftung zu oder Beteiligung an einer Gewalttat besonders grausamer Art im Sinne von Art. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475 vorliegt?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

40

Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 dahin auszulegen ist, dass nur dann angenommen werden kann, dass der dort vorgesehene Grund für den Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling vorliegt, wenn die Person, die internationalen Schutz beantragt, wegen einer der in Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475 vorgesehenen terroristischen Straftaten verurteilt worden ist.

41

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass aus den Erwägungsgründen 3, 16 und 17 der Richtlinie 2004/83 hervorgeht, dass die Genfer Konvention einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen darstellt und dass die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Voraussetzungen der Anerkennung als Flüchtling und über den Inhalt des Flüchtlingen zu gewährenden Schutzes erlassen wurden, um die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Genfer Konvention auf der Grundlage gemeinsamer Konzepte und Kriterien zu leiten (Urteil vom 2. Dezember 2014, A u. a., C‑148/13 bis C‑150/13, EU:C:2014:2406, Rn. 45).

42

Die Bestimmungen der Richtlinie 2004/83 sind daher im Licht der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention und anderen einschlägigen Verträgen, auf die Art. 78 Abs. 1 AEUV Bezug nimmt, auszulegen (Urteile vom 9. November 2010, B und D, C‑57/09 und C‑101/09, EU:C:2010:661, Rn. 78, und vom 2. Dezember 2014, A u. a., C‑148/13 bis C‑150/13, EU:C:2014:2406, Rn. 46).

43

Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 entspricht im Wesentlichen Art. 1 Abschnitt F Buchst. c des Genfer Abkommens, der vorsieht, dass die Bestimmungen dieses Abkommens keine Anwendung auf Personen finden, in Bezug auf die aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sie sich Handlungen zuschulden kommen ließen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen.

44

Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 verweist genauer auf Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, „wie sie in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind“, zuwiderlaufen.

45

Nach dem 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/83 sind die in Art. 12 Abs. 2 Buchst. c dieser Richtlinie genannten Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, u. a. „in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, ‚dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen‘ und ‚dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen‘“.

46

Zu diesen Resolutionen zählt die Resolution 1377 (2001) des Sicherheitsrats, aus der hervorgeht, dass nicht nur „Akte des internationalen Terrorismus“, sondern auch „die Finanzierung, Planung und Vorbereitung sowie jegliche andere Form der Unterstützung von Akten des internationalen Terrorismus“ im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen stehen.

47

Im Übrigen kann aus der Resolution 1624 (2005) des Sicherheitsrats abgeleitet werden, dass die Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, nicht auf die „Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus“ beschränkt sind. Der Sicherheitsrat fordert die Staaten darin nämlich auf, zur Bekämpfung des Terrorismus im Einklang mit ihren Verpflichtungen nach dem Völkerrecht „alle[n] Personen, die die Finanzierung, Planung, Vorbereitung oder Begehung terroristischer Handlungen unterstützen, erleichtern, sich daran beteiligen oder sich daran zu beteiligen versuchen oder den Tätern Unterschlupf gewähren“, einen sicheren Zufluchtsort zu verweigern und sie vor Gericht zu bringen. Außerdem werden die Staaten in Ziff. 1 Buchst. c dieser Resolution aufgefordert, allen Personen, zu denen glaubwürdige und sachdienliche Informationen vorliegen, die ernsthaften Grund zu der Annahme geben, dass sie sich der Aufstachelung zur Begehung einer terroristischen Handlung oder terroristischer Handlungen schuldig gemacht haben, einen sicheren Zufluchtsort zu verweigern.

48

Daraus ergibt sich, dass der in Art. 1 Abschnitt F Buchst. c des Genfer Abkommens und Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 enthaltene Begriff „Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen“ nicht dahin ausgelegt werden kann, dass er auf die Begehung terroristischer Handlungen, wie sie in den Resolutionen des Sicherheitsrats beschrieben sind (im Folgenden: terroristische Handlungen), beschränkt ist.

49

Entgegen der Auffassung von Herrn Lounani kann dieser Begriff erst recht nicht dahin ausgelegt werden, dass er nur auf die terroristischen Straftaten im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475 anwendbar ist, und folglich auch nicht dahin, dass es Voraussetzung ist, dass es zu einer strafrechtlichen Verurteilung wegen einer solchen Straftat gekommen ist.

50

Insoweit ist festzustellen, dass der Rahmenbeschluss 2002/475 – wie aus seinem sechsten Erwägungsgrund hervorgeht – darauf abzielt, in allen Mitgliedstaaten die Definition der terroristischen Straftaten, einschließlich der Straftaten, die im Zusammenhang mit terroristischen Vereinigungen begangen werden, anzugleichen.

51

Wie die Europäische Kommission angemerkt hat, zählt der Rahmenbeschluss 2002/475 hierfür verschiedene Handlungen auf, die unter den allgemeinen Begriff des Terrorismus fallen können, und gliedert sie in vier Kategorien von Straftaten, nämlich in „terroristische Straftaten“ (Art. 1), „Straftaten im Zusammenhang mit einer terroristischen Vereinigung“ (Art. 2), „Straftaten im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten“ (Art. 3) und schließlich die Anstiftung zur Begehung bestimmter dieser Straftaten, die Beihilfe zur Begehung entsprechender Straftaten bzw. den Versuch der Begehung entsprechender Straftaten (Art. 4).

52

Hätte der Unionsgesetzgeber den Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 einschränken und den Begriff „Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen“ allein auf die in Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475 aufgezählten Straftaten beschränken wollen, hätte er dies ohne Schwierigkeiten tun können, indem er diese Straftaten ausdrücklich erwähnt oder auf den Rahmenbeschluss 2002/475 Bezug nimmt.

53

Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 nimmt jedoch weder auf den Rahmenbeschluss 2002/475 Bezug – obwohl dieser zum Zeitpunkt der Abfassung von Art. 12 Abs. 2 Buchst. c existierte – noch auf ein anderes im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus erlassenes Instrument der Europäischen Union.

54

Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 dahin auszulegen ist, dass nicht nur dann angenommen werden kann, dass der dort vorgesehene Grund für den Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling vorliegt, wenn die Person, die internationalen Schutz beantragt, wegen einer der in Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475 vorgesehenen terroristischen Straftaten verurteilt worden ist.

Zur zweiten und zur dritten Frage

Zur Zulässigkeit

55

Der Generalkommissar und die belgische Regierung vertreten die Auffassung, dass die dritte Frage des vorlegenden Gerichts unzulässig sei, und zwar zum einen deshalb, weil sie nicht hinreichend die Gründe beschreibe, aus denen das vorlegende Gericht davon ausgehe, dass eine Antwort auf diese Frage für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits erforderlich sei, und zum anderen deshalb, weil eine solche Antwort keinerlei Nutzen für die Entscheidung dieses Rechtsstreits hätte. Im vorliegenden Fall sei Herr Lounani nämlich nicht nur auf der Grundlage von Art. 140 des geänderten Strafgesetzbuchs als führendes Mitglied einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden, sondern auch für andere nach belgischem Recht strafbare Handlungen, die er in terroristischer Absicht begangen habe.

56

Dazu ist darauf hinzuweisen, dass eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof darf die Entscheidung über ein Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichts nur dann verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteile vom 14. April 2016, Polkomtel, C‑397/14, EU:C:2016:256, Rn. 37, vom 6. September 2016, Petruhhin, C‑182/15, EU:C:2016:630, Rn. 20, und vom 13. Oktober 2016, Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej und Petrotel, C‑231/15, EU:C:2016:769, Rn. 16).

57

Dies ist jedoch in der vorliegenden Rechtssache nicht der Fall.

58

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht seine zweite und seine dritte Frage im Rahmen einer Kassationsbeschwerde gegen das Urteil vom 12. Februar 2013 gestellt hat, in dem der Conseil du contentieux des étrangers (Rat für Ausländerstreitsachen) den Standpunkt eingenommen hat, dass die dem Beschwerdegegner des Ausgangsverfahrens konkret vorgeworfenen Tatsachen nicht die erforderliche Schwere erreichten, um im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 als „Handlungen …, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen … zuwiderlaufen“, eingestuft werden zu können. Diesem Urteil zufolge ist nämlich die Verurteilung von Herrn Lounani durch das Tribunal correctionnel de Bruxelles (Strafgericht Brüssel) wegen seiner Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung – wenn auch als führendes Mitglied dieser Vereinigung –, ohne dass ihm terroristische Straftaten als solche zur Last gelegt werden, nicht ausreichend, um aus schwerwiegenden Gründen die Annahme zu rechtfertigen, dass er Handlungen begangen habe, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderliefen.

59

In diesem Zusammenhang möchte das vorlegende Gericht wissen, ob von den Handlungen, wegen deren Herr Lounani verurteilt worden ist, als solchen angenommen werden kann, dass sie im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, und verneinendenfalls, ob die Verurteilung von Herrn Lounani als führendes Mitglied einer terroristischen Vereinigung für den Nachweis ausreicht, dass aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er im Sinne von Art. 12 Abs. 3 dieser Richtlinie zu Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat.

60

Aus der Vorlageentscheidung ist somit klar erkennbar, dass das vorlegende Gericht bestimmen möchte, inwieweit die Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung, wegen deren Herr Lounani verurteilt worden ist, die Anwendung des in Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 vorgesehenen Ausschlussgrundes rechtfertigen kann, und dass es in diesem Zusammenhang wissen möchte, ob die Verurteilung wegen seiner Beteiligung als führendes Mitglied an den Aktivitäten dieser Vereinigung dazu führen kann, dass er nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. c in Verbindung mit Art. 12 Abs. 3 dieser Richtlinie von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen ist.

61

Die dritte Frage ist daher zulässig.

Zur Beantwortung der Fragen

62

Mit seiner zweiten und seiner dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 12 Abs. 2 Buchst. c in Verbindung mit Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83 dahin auszulegen ist, dass Handlungen der Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung – wie jene, wegen deren der Beschwerdegegner des Ausgangsverfahrens verurteilt worden ist – unter den in diesen Bestimmungen vorgesehenen Ausschlussgrund fallen können, obwohl die betreffende Person eine terroristische Handlung weder begangen oder zu begehen versucht noch angedroht hat.

63

Hinsichtlich der Handlungen, wegen deren Herr Lounani strafrechtlich verurteilt worden ist, geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass diese Verurteilung insbesondere auf Art. 140 des geänderten Strafgesetzbuchs gestützt ist, mit dem Art. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/475 in belgisches Recht umgesetzt wird, der die Straftaten im Zusammenhang mit einer terroristischen Vereinigung definiert und in seinem Abs. 2 Buchst. b die Beteiligung an den Handlungen einer terroristischen Vereinigung einschließt.

64

Als das Tribunal correctionnel de Bruxelles (Strafgericht Brüssel) Herrn Lounani in seinem Urteil vom 16. Februar 2006 wegen dieser Straftat für schuldig sprach, stützte es dies im Einzelnen darauf, dass er an den Aktivitäten der belgischen Zelle des GICM als führendes Mitglied beteiligt gewesen sei, indem er dieser Vereinigung insbesondere durch materielle oder intellektuelle Dienste logistische Unterstützung geleistet habe, indem er Pässe gefälscht bzw. betrügerisch überlassen habe und indem er sich aktiv an der Ausschleusung Freiwilliger in den Irak beteiligt habe.

65

Somit wurde weder festgestellt, dass Herr Lounani persönlich terroristische Handlungen begangen hat, noch, dass er zu solchen Handlungen angestiftet hat oder daran beteiligt war.

66

Wie in Rn. 48 des vorliegenden Urteils dargelegt, geht aus den einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats jedoch hervor, dass der Begriff „Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen“ nicht auf terroristische Handlungen beschränkt ist.

67

Es ist insbesondere festzustellen, dass der Sicherheitsrat in der Resolution 2178 (2014) „seiner ernsten Besorgnis über die akute und zunehmende Bedrohung, die von ausländischen terroristischen Kämpfern ausgeht, das heißt von Personen, die in einen Staat reisen, der nicht der Staat ihrer Ansässigkeit oder Staatsangehörigkeit ist, um terroristische Handlungen zu begehen, zu planen, vorzubereiten“, Ausdruck verliehen und seine Besorgnis in Bezug auf Netzwerke ausgedrückt hat, die von terroristischen Einrichtungen aufgebaut worden sind und über die ausländische terroristische Kämpfer und die Ressourcen zu ihrer Unterstützung zwischen den Staaten hin und her geschleust werden.

68

Zu den gegen dieses Phänomen zu ergreifenden Maßnahmen gehört, dass die Staaten dafür zu sorgen haben, dass sie die Anwerbung, Organisation, Beförderung oder Ausrüstung von Personen, die in einen Staat reisen, der nicht der Staat ihrer Ansässigkeit oder Staatsangehörigkeit ist, um insbesondere terroristische Handlungen zu begehen, zu planen oder vorzubereiten, verhüten und bekämpfen.

69

Folglich ist die Anwendung des in Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 vorgesehenen Ausschlusses von der Anerkennung als Flüchtling nicht auf diejenigen zu beschränken, die tatsächlich terroristische Handlungen begehen, sondern kann sich auch auf Personen erstrecken, die die Anwerbung, Organisation, Beförderung oder Ausrüstung von Personen vornehmen, die in einen Staat reisen, der nicht der Staat ihrer Ansässigkeit oder Staatsangehörigkeit ist, um insbesondere terroristische Handlungen zu begehen, zu planen oder vorzubereiten.

70

Außerdem geht aus Art. 12 Abs. 2 Buchst. c in Verbindung mit Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83 hervor, dass der in der erstgenannten Bestimmung vorgesehene Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling auch auf Personen anwendbar ist, in Bezug auf die aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sie andere zu Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, angestiftet haben oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben. Angesichts der Ausführungen in den Rn. 48 und 66 des vorliegenden Urteils verlangt die Anwendung dieser zusammen betrachteten Bestimmungen nicht, dass die Person, die internationalen Schutz beantragt, zu einer terroristischen Handlung angestiftet hat oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat.

71

Insoweit weist die Kommission zutreffend darauf hin, dass die Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung eine große Bandbreite von Verhaltensweisen unterschiedlicher Schwere umfassen kann.

72

Unter diesen Umständen darf die zuständige Stelle des betreffenden Mitgliedstaats Art. 12 Abs. 2 Buchst. c Richtlinie 2004/83 erst anwenden, nachdem sie in jedem Einzelfall eine Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände, die ihr bekannt sind, vorgenommen hat, um zu ermitteln, ob schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass die Handlungen des Betreffenden, der im Übrigen die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling erfüllt, unter diesen Ausschlusstatbestand fallen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2010, B und D, C‑57/09 und C‑101/09, EU:C:2010:661, Rn. 87 und 94).

73

Hinsichtlich der Frage, ob Handlungen wie die Herrn Lounani zur Last gelegten unter Handlungen im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, oder unter Anstiftung zu solchen Handlungen oder Beteiligung daran in sonstiger Weise im Sinne von Art. 12 Abs. 3 dieser Richtlinie fallen können, obliegt die endgültige Beurteilung des Antrags auf internationalen Schutz den zuständigen nationalen Behörden unter der Kontrolle der nationalen Gerichte.

74

In Bezug auf zu berücksichtigende Angaben ist festzustellen, dass Herr Lounani nach der Vorlageentscheidung ein führendes Mitglied einer terroristischen Vereinigung internationaler Dimension war, die am 10. Oktober 2002 in die Liste der Vereinten Nationen, die bestimmte Personen und Vereinigungen enthält, gegen die Sanktionen verhängt wurden, aufgenommen wurde und in der seither aktualisierten Liste weiterhin aufgeführt blieb. Seine Handlungen zur logistischen Unterstützung der Aktivitäten dieser Vereinigung haben insofern eine internationale Dimension, als er an der Fälschung von Pässen beteiligt war und Freiwillige unterstützt hat, die sich in den Irak begeben wollten.

75

Derartige Handlungen können den Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling rechtfertigen.

76

Entsprechend den Ausführungen in den Rn. 12, 13 und 67 bis 69 des vorliegenden Urteils ist insoweit darauf hinzuweisen, dass die Resolutionen des Sicherheitsrats, insbesondere die Resolution 2178 (2014) in ihrer Ziff. 5 und ihrer Ziff. 6 Buchst. c, unter den Aktivitäten, gegen die die Staaten im Rahmen ihres Kampfes gegen den internationalen Terrorismus vorzugehen haben, die vorsätzliche Organisation der Reisen von Personen nennen, die in einen Staat reisen, der nicht der Staat ihrer Ansässigkeit oder Staatsangehörigkeit ist, um terroristische Handlungen zu begehen, zu planen oder vorzubereiten.

77

Somit wird, wenn man als erwiesen unterstellt, dass die Vereinigung, der Herr Lounani als führendes Mitglied angehörte, keine terroristische Handlung begangen hat und dass die von dieser Vereinigung unterstützten Freiwilligen, die sich in den Irak begeben wollten, letztlich keine derartigen Handlungen begangen haben, dadurch jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Handlungen von Herrn Lounani als den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufend angesehen werden können. Angesichts der Ausführungen in den Rn. 41 bis 54 und 66 bis 70 des vorliegenden Urteils gilt dies auch für den von dem vorlegenden Gericht in seiner dritten Frage erwähnten Umstand, dass Herr Lounani eine terroristische Straftat im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475 weder begangen oder zu begehen versucht noch angedroht habe. Aus denselben Gründen ist für die Anwendung von Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83 nicht der Nachweis erforderlich, dass Herr Lounani zu einer solchen Straftat angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat.

78

Außerdem ist im Rahmen der von der zuständigen Behörde vorzunehmenden Einzelprüfung der Umstand von besonderer Bedeutung, dass Herr Lounani von den Gerichten eines Mitgliedstaats wegen der Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden ist und diese Verurteilung rechtskräftig ist.

79

Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 2 Buchst. c und Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83 dahin auszulegen sind, dass Handlungen der Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung – wie jene, wegen deren der Beschwerdegegner des Ausgangsverfahrens verurteilt worden ist – den Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling rechtfertigen können, auch wenn nicht erwiesen ist, dass die betreffende Person eine terroristische Handlung begangen, zu begehen versucht oder angedroht hat. Für die Einzelprüfung der Tatsachen, anhand deren beurteilt werden kann, ob schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass sich eine Person Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, zuschulden kommen ließ, zu solchen Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat, sind sowohl der Umstand, dass diese Person von den Gerichten eines Mitgliedstaats wegen der Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden ist, als auch die Feststellung, dass diese Person ein führendes Mitglied dieser Vereinigung war, von besonderer Bedeutung, ohne dass nachgewiesen werden müsste, dass diese Person selbst zu einer terroristischen Handlung angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat.

Zur vierten und zur fünften Frage

80

In Anbetracht der Antworten auf die ersten drei Fragen sind die vierte und die fünfte Frage nicht zu beantworten.

Kosten

81

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes ist dahin auszulegen, dass nicht nur dann angenommen werden kann, dass der dort vorgesehene Grund für den Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling vorliegt, wenn die Person, die internationalen Schutz beantragt, wegen einer der in Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung vorgesehenen terroristischen Straftaten verurteilt worden ist.

 

2.

Art. 12 Abs. 2 Buchst. c und Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83 sind dahin auszulegen, dass Handlungen der Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung – wie jene, wegen deren der Beschwerdegegner des Ausgangsverfahrens verurteilt worden ist – den Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling rechtfertigen können, auch wenn nicht erwiesen ist, dass die betreffende Person eine terroristische Handlung im Sinne der Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen begangen, zu begehen versucht oder angedroht hat. Für die Einzelprüfung der Tatsachen, anhand deren beurteilt werden kann, ob schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass sich eine Person Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, zuschulden kommen ließ, zu solchen Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat, sind sowohl der Umstand, dass diese Person von den Gerichten eines Mitgliedstaats wegen der Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden ist, als auch die Feststellung, dass diese Person ein führendes Mitglied dieser Vereinigung war, von besonderer Bedeutung, ohne dass nachgewiesen werden müsste, dass diese Person selbst zu einer terroristischen Handlung angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat.

 

Unterschriften


( *1 ) ? Verfahrenssprache: Französisch.