Rechtssache C‑572/14
Austro-Mechana Gesellschaft zur Wahrnehmung mechanisch-musikalischer Urheberrechte GmbH
gegen
Amazon EU Sàrl u. a.
(Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs)
„Vorlage zur Vorabentscheidung — Verordnung (EG) Nr. 44/2001 — Gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen — Art. 5 Nr. 3 — Begriff der unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist — Richtlinie 2001/29/EG — Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft — Art. 5 Abs. 2 Buchst. b — Vervielfältigungsrecht — Ausnahmen und Beschränkungen — Vervielfältigung zum privaten Gebrauch — Gerechter Ausgleich — Nichtzahlung — Mögliche Einbeziehung in den Anwendungsbereich von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001“
Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 21. April 2016
Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Verordnung Nr. 44/2001 – Besondere Zuständigkeiten – Zuständigkeit für Klagen aus unerlaubter Handlung oder einer ihr gleichgestellten Handlung – Begriff – Klage auf Zahlung einer Vergütung, die nach einer nationalen Regelung zur Umsetzung der in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 vorgesehenen Regelung des gerechten Ausgleichs geschuldet wird – Einbeziehung – Verpflichtung, die Vergütung an eine Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte zu zahlen – Keine Auswirkung
(Verordnung Nr. 44/2001 des Rates, Art. 5 Nr. 3; Richtlinie 2001/29 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 5 Abs. 2 Buchst. b)
Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass bei einer Klage auf Zahlung einer Vergütung, die nach einer nationalen Regelung zur Umsetzung der in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vorgesehenen Regelung des gerechten Ausgleichs geschuldet wird – und nach der der Urheber, wenn Trägermaterial im Inland gewerbsmäßig entgeltlich in den Verkehr kommt, dann einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung hat, wenn von einem Werk, das durch Rundfunk gesendet, der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt oder auf einem zu Handelszwecken hergestellten Bild- oder Tonträger festgehalten ist, seiner Art nach zu erwarten ist, dass es zum eigenen oder privaten Gebrauch vervielfältigt wird – eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung im Sinne von Art. 5 Nr. 3 dieser Verordnung den Gegenstand des Verfahrens bilden.
Die Wendung „unerlaubte Handlung oder … Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ bezieht sich auf jede Klage, mit der eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht werden soll und die nicht an einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 anknüpft.
Insoweit fehlt zum einen eine solche Anknüpfung, da die Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung vom Zahlungspflichtigen nicht freiwillig eingegangen wurde, sondern ihm aufgrund des gewerbsmäßigen und entgeltlichen Inverkehrbringens von Trägermaterial, das zur Vervielfältigung von Werken oder Schutzgegenständen verwendet werden kann, vom nationalen Recht auferlegt wurde.
Zum anderen soll mit der Klage die Schadenshaftung eines Beklagten geltend gemacht werden, denn die Klage stützt sich auf einen Verstoß dieses Beklagten gegen die Bestimmungen der in Rede stehenden nationalen Regelung, die ihn zur Zahlung dieses gerechten Ausgleichs verpflichten, und der Verstoß stellt eine rechtswidrige Handlung dar, die beim Kläger einen Schaden verursacht. Der fehlende Erhalt dieser Vergütung stellt nämlich ein schädigendes Ereignis im Sinne von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 dar, da dieser Ausgleich die Urheber für ohne ihre Erlaubnis angefertigte Privatkopien ihrer geschützten Werke entschädigen soll, so dass er als Leistung im Gegenzug für den Schaden anzusehen ist, der den Urhebern durch solche, von ihnen nicht erlaubte Kopien entsteht. Der Umstand, dass dieser gerechte Ausgleich nicht an die Inhaber eines ausschließlichen Vervielfältigungsrechts, die er entschädigen soll, zu zahlen ist, sondern an eine Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte, ist in dieser Hinsicht ohne Belang, da Ansprüche auf diese Vergütung nach der in Rede stehenden nationalen Regelung nur von diesen Gesellschaften geltend gemacht werden können.
(vgl. Rn. 32, 37, 38, 43-46, 50, 53 und Tenor)