Rechtssache C‑472/14

Canadian Oil Company Sweden AB

und

Anders Rantén

gegen

Riksåklagaren

(Vorabentscheidungsersuchen des Högsta domstol)

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe — Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-Verordnung) — Umfang des harmonisierten Bereichs — Registrierung von Stoffen bei der Europäischen Chemikalienagentur vor ihrem Inverkehrbringen — Art. 5 — Nationales Chemikalienverzeichnis — Verpflichtung zur Anmeldung für die Zwecke der Registrierung — Vereinbarkeit mit der REACH-Verordnung — Art. 34 AEUV und 36 AEUV — Mengenmäßige Einfuhrbeschränkung“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 17. März 2016

  1. Rechtsangleichung – Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe – REACH-Verordnung – Pflicht zur Registrierung bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) – Nationale Regelung, die eine parallele Pflicht zur Registrierung chemischer Produkte vorsieht, die gewerbsmäßig in einem Mitgliedstaat hergestellt oder in einen Mitgliedstaat eingeführt werden – Zulässigkeit – Voraussetzungen

    (Verordnung Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates in der durch die Verordnung Nr. 552/2009 geänderten Fassung)

  2. Freier Warenverkehr – Mengenmäßige Beschränkungen – Maßnahmen gleicher Wirkung – Nationale Regelung, die eine Pflicht zur Registrierung chemischer Produkte vorsieht, die gewerbsmäßig in einem Mitgliedstaat hergestellt oder in einen Mitgliedstaat eingeführt werden – Unzulässigkeit – Rechtfertigung – Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt – Vereinbarkeit mit der REACH-Verordnung – Zulässigkeit

    (Art. 34 AEUV und 36 AEUV; Verordnung Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates in der durch die Verordnung Nr. 552/2009 geänderten Fassung)

  1.  Die Verordnung Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) in der durch die Verordnung Nr. 552/2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die den Einführer chemischer Produkte verpflichtet, diese Produkte bei der zuständigen nationalen Behörde zu registrieren, obwohl er nach dieser Verordnung bereits einer Verpflichtung zur Registrierung derselben Produkte bei der ECHA unterliegt, sofern diese Registrierung bei der zuständigen nationalen Behörde keine Voraussetzung für das Inverkehrbringen dieser Produkte darstellt, sich auf andere Angaben als die nach der Verordnung verlangten bezieht und zur Erreichung der Ziele der Verordnung beiträgt, insbesondere dazu, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen sowie den freien Verkehr solcher Stoffe im Binnenmarkt zu gewährleisten, und zwar namentlich durch die Einführung eines Systems zur Kontrolle des sicheren Umgangs mit solchen Produkten in dem betroffenen Mitgliedstaat und durch die Bewertung dieses Umgangs. Dies zu überprüfen ist Sache des nationalen Gerichts.

    Die Harmonisierung, zu der die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1907/2006 über die Verpflichtung zur Anmeldung und Registrierung chemischer Stoffe führen, so umfassend sie zur Schaffung eines integrierten Kontrollsystems dieser Stoffe im Hoheitsgebiet der Union im Hinblick auf die Gewährleistung eines sicheren Umgangs mit diesen Stoffen auch sein mag, ist nämlich nicht geeignet, eine andere Registrierung auszuschließen, wie die Registrierung, die den nationalen Behörden im Wesentlichen die Datenbasen zur Verfügung stellen soll, die für die Überwachung chemischer Produkte im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats notwendig sind, und die vor allem zur Schaffung eines Systems der Kontrolle dieses sicheren Umgangs in dem betreffenden Mitgliedstaat und zur Bewertung dieses Umgangs beiträgt, insbesondere um auf Unionsebene sachdienliche Verbesserungen dazu vorzuschlagen.

    (vgl. Rn. 34, 38, 41, Tenor 1)

  2.  Art. 34 AEUV in Verbindung mit Art. 36 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Verpflichtung zur Anmeldung und Registrierung chemischer Produkte nicht entgegenstehen, die in einer nationalen Regelung vorgesehen ist, die Informationen verlangt, die sich im Wesentlichen auf die Menge der Stoffe und Zubereitungen, die auf dem Gebiet des bestreffenden Mitgliedstaats vorhanden sind, auf ihren Standort in diesem Hoheitsgebiet, auf die spezifischen Bereiche ihrer Verwendung und auf die beteiligten Akteure beziehen.

    Auch wenn nämlich der verpflichtende Charakter der Einfuhrregistrierung von Chemikalien bei der zuständigen nationalen Behörde eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Art. 34 AEUV darstellt, ist eine Registrierung, mit der ein Ziel verfolgt wird, das mit dem Ziel der Verordnung Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen, verknüpft ist, geeignet, etwaige Behinderungen des freien Warenverkehrs zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn mit der Registrierung gemäß der nationalen Regelung Daten gewonnen werden sollen, die zum einen in erster Linie die in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1907/2006 fallenden Daten ergänzen sollen und die zum anderen insbesondere zu der von dieser Verordnung vorgesehenen Einführung eines Systems zur Kontrolle eines sicheren Umgangs mit chemischen Produkten und zur Bewertung dieses Umgangs beitragen, namentlich um auf Unionsebene alle sachdienlichen Verbesserungen vorzuschlagen.

    (vgl. Rn. 37, 44, 46, 48, Tenor 2)