Rechtssache C‑427/14

Valsts ieņēmumu dienests

gegen

„Veloserviss“ SIA

(Vorabentscheidungsersuchen, eingereicht beim Augstākās tiesas Administratīvo lietu departaments)

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Zollkodex der Gemeinschaften — Nachträgliche Prüfung der Anmeldungen — Grundsatz des Vertrauensschutzes — Beschränkung der Überprüfung der Ergebnisse einer nachträglichen Prüfung im nationalen Recht — Möglichkeit — Bescheid über die erste nachträgliche Prüfung — Angaben, deren Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids nicht bekannt war“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 10. Dezember 2015

  1. Zollunion — Zollanmeldungen — Nachträgliche Prüfung — Nationale Regelung, die die Überprüfung der Ergebnisse einer nachträglichen Prüfung auf die drei Jahre nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld beschränkt — Nicht gegeben — Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit wegen der Möglichkeit einer solchen Prüfung innerhalb dieser Frist — Fehlen

    (Verordnung Nr. 2913/92 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 2700/2000 geänderten Fassung, Art. 78 Abs. 3 und Art. 221 Abs. 4)

  2. Eigene Quellen der Europäischen Union — Nacherhebung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben — Voraussetzungen für die Nichtberücksichtigung der in Art. 220 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 2913/92 genannten Einfuhrabgaben — Fehler der zuständigen Behörden — Erfordernis eines aktiven Verhaltens

    (Verordnung Nr. 2913/92 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 2700/2000 geänderten Fassung, Art. 220 Abs. 2 Buchst. b)

  1.  Art. 78 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung Nr. 2700/2000 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Möglichkeit der Zollbehörden einschränkt, eine erneute nachträgliche Prüfung vorzunehmen und daraus die Konsequenzen zu ziehen, indem eine neue Zollschuld festgesetzt wird, soweit sich diese Beschränkung auf einen Zeitraum von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der ursprünglichen Zollschuld bezieht, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

    Da es nach Ablauf der Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nämlich nicht mehr möglich ist, eine neue Zollschuld mitzuteilen und dementsprechend die Konsequenzen einer nachträglichen Prüfung im Sinne von Art. 78 Abs. 3 des Zollkodex zu ziehen, sind die Mitgliedstaaten im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit nicht daran gehindert, den Rückgriff auf das dort vorgesehene Überprüfungsverfahren nach Ablauf von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der ursprünglichen Zollschuld u. a. dadurch einzuschränken, dass sie diese Überprüfung an eine solche Verjährungsfrist knüpfen. Während dieses Zeitraums von drei Jahren muss die nationale Regelung eines Mitgliedstaats hingegen den Zollbehörden erlauben, erneut eine Maßnahme zu treffen, um den Fall aufgrund einer nachträglichen Prüfung nach Art. 78 Abs. 3 des Zollkodex, u. a., indem die Zollschuld geändert wird, neu zu regeln. Darüber hinaus muss das Ergreifen einer solchen Maßnahme selbst nach dem Ablauf dieses Zeitraums in einem Fall möglich sein, in dem eine Zollschuld im Sinne von Art. 221 Abs. 4 des Zollkodex aufgrund einer Handlung entsteht, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

    Daraus folgt außerdem, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes die Zollbehörden im Allgemeinen nicht daran hindert, spätere nachträgliche Prüfungen vorzunehmen und daraus die Konsequenzen im Sinne von Art. 78 Abs. 3 des Zollkodex zu ziehen. Ein Abgabenschuldner muss nämlich während des Zeitraums von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der ursprünglichen Zollschuld als Wirtschaftsteilnehmer das Risiko eingehen und die notwendigen Vorkehrungen treffen, um sich dagegen abzusichern, dass die Zollbehörden auf die Entscheidung in Bezug auf die Zollschuld unter Berücksichtigung neuer Tatsachen, über die sie eventuell aufgrund von Prüfungen Kenntnis erlangt haben, zurückkommen.

    (vgl. Rn. 36, 37, 41, 42, 46 und Tenor)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 43, 44)