URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)

2. Juni 2016 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Verbrauchsteuern — Richtlinie 2003/96/EG — Gestaffelte Verbrauchsteuersätze für Kraftstoffe und Heizstoffe — Voraussetzung für die Anwendung des Steuersatzes für Heizstoffe — Vorlegung einer monatlichen Zusammenstellung der Erklärungen, denen zufolge die erworbenen Erzeugnisse für Heizzwecke bestimmt sind — Anwendung des Verbrauchsteuersatzes für Kraftstoffe bei Nichtvorlegung dieser Zusammenstellung — Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache C‑418/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Wojewódzki Sąd Administracyjny we Wrocławiu (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Breslau, Polen) mit Entscheidung vom 4. Juni 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 5. September 2014, in dem Verfahren

ROZ-ŚWIT Zakład Produkcyjno-Handlowo-Usługowy Henryk Ciurko, Adam Pawłowski spółka jawna

gegen

Dyrektor Izby Celnej we Wrocławiu

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos sowie der Richter E. Juhász und C. Vajda (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der ROZ-ŚWIT Zakład Produkcyjno-Handlowo-Usługowy Henryk Ciurko, Adam Pawłowski spółka jawna, vertreten durch K. Kocowski und S. Bogdański, adwokaci,

des Dyrektor Izby Celnej we Wrocławiu, vertreten durch W. Bronicki, E. Białas-Giejbatow und D. Kowalik als Bevollmächtigte im Beistand von J. Kaute, radca prawny,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und K. Maćkowska als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Owsiany-Hornung und F. Tomat als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 3, Art. 5 und Art. 21 Abs. 4 der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. 2003, L 283, S. 51) in der durch die Richtlinie 2004/75/EG des Rates vom 29. April 2004 (ABl. 2004, L 195, S. 31) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2003/96) sowie des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der ROZ‑ŚWIT Zakład Produkcyjno-Handlowo-Usługowy Henryk Ciurko, Adam Pawłowski spółka jawna (im Folgenden: ROZ‑ŚWIT) und dem Dyrektor Izby Celnej we Wrocławiu (Direktor der Zollkammer Breslau) wegen dessen Weigerung, ROZ‑ŚWIT bei nicht fristgerechter Vorlegung der monatlichen Zusammenstellung der Erklärungen, denen zufolge die erworbenen Erzeugnisse für Heizzwecke bestimmt sind (im Folgenden: Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber), den auf Heizstoffe anwendbaren Verbrauchsteuersatz zu gewähren.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Die Erwägungsgründe 3, 4, 9, 17 und 18 der Richtlinie 2003/96 lauten:

„(3)

Das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes und die Erreichung der Ziele der anderen Gemeinschaftspolitiken erfordern die Festsetzung von gemeinschaftlichen Mindeststeuerbeträgen für die meisten Energieerzeugnisse einschließlich elektrischen Stroms, Erdgas und Kohle.

(4)

Erhebliche Abweichungen zwischen den von den einzelnen Mitgliedstaaten vorgeschriebenen nationalen Energiesteuerbeträgen könnten sich als abträglich für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erweisen.

(9)

Den Mitgliedstaaten sollte die nötige Flexibilität für die Festlegung und die Durchführung von auf den jeweiligen nationalen Kontext abgestimmten politischen Maßnahmen eingeräumt werden.

(17)

Je nach Verwendung der Energieerzeugnisse und des elektrischen Stroms sind unterschiedliche gemeinschaftliche Mindeststeuerbeträge festzusetzen.

(18)

Die zu bestimmten industriellen und gewerblichen Zwecken sowie als Heizstoff verwendeten Energieerzeugnisse werden in der Regel niedriger besteuert als die als Kraftstoff verwendeten Energieerzeugnisse.“

4

Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Zum Verbrauch als Heiz‑ oder Kraftstoff bestimmte oder als solche zum Verkauf angebotene bzw. verwendete andere Energieerzeugnisse als diejenigen, für die in dieser Richtlinie ein Steuerbetrag festgelegt wurde, werden je nach Verwendung zu dem für einen gleichwertigen Heiz‑ oder Kraftstoff erhobenen Steuersatz besteuert.“

5

Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet wie folgt:

„Die Steuerbeträge, die die Mitgliedstaaten für Energieerzeugnisse und elektrischen Strom nach Artikel 2 vorschreiben, dürfen die in dieser Richtlinie vorgesehenen Mindeststeuerbeträge nicht unterschreiten.“

6

Art. 5 dieser Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten können unter Steueraufsicht gestaffelte Steuersätze anwenden, soweit diese die in dieser Richtlinie vorgesehenen Mindeststeuerbeträge nicht unterschreiten und mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, und zwar in den folgenden Fällen:

Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen den gestaffelten Steuersätzen und der Qualität der Erzeugnisse;

die gestaffelten Steuersätze richten sich nach dem Verbrauch an elektrischem Strom und sonstigen Energieerzeugnissen, die als Heizstoff verwendet werden;

die Steuersätze gelten für den öffentlichen Personennahverkehr (einschließlich Taxis), die Müllabfuhr, die Streitkräfte und öffentliche Verwaltung, Menschen mit Behinderung oder Krankenwagen[;]

es wird bei den in den Artikeln 9 und 10 genannten Energieerzeugnissen bzw. dem elektrischen Strom zwischen betrieblicher und nicht betrieblicher Verwendung unterschieden.“

7

Die Art. 7 bis 9 der Richtlinie 2003/96 sehen vor, dass für Kraftstoffe, für die Erzeugnisse, die als Kraftstoff zu industriellen und gewerblichen Zwecken verwendet werden, sowie für Heizstoffe die in Anhang I Tabellen A bis C dieser Richtlinie festgelegten Mindeststeuerbeträge gelten.

8

In den Art. 14 bis 19 dieser Richtlinie werden die uneingeschränkten oder eingeschränkten Steuerbefreiungen oder Steuerermäßigungen genannt, die die Mitgliedstaaten oder einige von ihnen unter den dort aufgestellten Voraussetzungen anwenden können oder müssen.

9

Art. 21 Abs. 4 dieser Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten können ferner vorsehen, dass die Steuer auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom entsteht, wenn festgestellt wird, dass eine Voraussetzung für den Endverbrauch, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften für die Gewährung eines ermäßigten Steuersatzes oder einer Steuerbefreiung vorgesehen ist, nicht oder nicht mehr erfüllt wird.“

Polnisches Recht

10

Art. 89 Abs. 1, 4, 5 und 14 bis 16 des Ustawa o podatku akcyzowym (Verbrauchsteuergesetz) vom 6. Dezember 2008 in geänderter Fassung (Dz. U. 2009, Nr. 3, Pos. 11, im Folgenden: Verbrauchsteuergesetz) bestimmt:

„(1)   Die Verbrauchsteuersätze für Energieerzeugnisse betragen:

10.

für Heizöle mit den KN-Codes von 2710 19 51 bis 2710 19 69:

a)

bei deren Destillation 30 RHT oder mehr bei einer Temperatur von 350 Grad Celsius übergehen oder deren Dichte bei der Temperatur von 15 Grad Celsius unter 890 Kilogramm/Kubikmeter liegt und die gemäß den besonderen Vorschriften rot gefärbt und gekennzeichnet sind – 232,00 [polnische Zloty (PLN)]/1 000 Liter,

b)

die zu sonstigen Heizölen gehören und nicht gemäß den besonderen Vorschriften der Pflicht zur Färbung und Kennzeichnung unterliegen – 64,00 PLN/1 000 Kilogramm;

(4)   Im Falle:

1.

der Verwendung der in Abs. 1 Nr. … 10 … genannten Erzeugnisse für den Antrieb von Verbrennungsmotoren, ihrer Verwendung, wenn sie die in besonderen Vorschriften bestimmten Bedingungen im Bereich einer ordnungsgemäßen Kennzeichnung und Färbung nicht erfüllen, sowie ihres Besitzes in einem Behälter, der an einen Kraftstoffmesser angeschlossen ist oder ihres Verkaufs aus einem solchen Behälter gilt entsprechend der Satz von 1822,00 PLN/1 000 Liter, und wenn ihre Dichte bei der Temperatur von 15 Grad Celsius gleich oder höher als 890 Kilogramm/Kubikmeter ist – der Satz von 2047,00 PLN/1 000 Kilogramm;

(5)   Der Verkäufer der in Abs. 1 Nr. … 10 … genannten verbrauchsteuerpflichtigen Waren, die nicht aufgrund ihrer Zweckbestimmung von der Verbrauchsteuer befreit sind, ist verpflichtet, bei ihrem Verkauf:

1.

an juristische Personen, Organisationseinheiten ohne Rechtspersönlichkeit und natürliche Personen, die eine Wirtschaftstätigkeit ausüben, vom Erwerber eine Erklärung zu erlangen, dass die erworbenen Waren für Heizzwecke bestimmt sind oder als für Heizzwecke bestimmte Waren verkauft werden, wobei die Bestimmung für Heizzwecke zur Anwendung der in Abs. 1 Nr. … 10 … genannten Verbrauchsteuersätze berechtigt;

2.

an natürliche Personen, die keine Wirtschaftstätigkeit ausüben, vom Erwerber eine Erklärung zu erlangen, dass die erworbenen Waren für Heizzwecke bestimmt sind, die zur Anwendung der in Abs. 1 Nr. … 10 … genannten Verbrauchsteuersätze berechtigt; diese Erklärung ist der Kopie des Kassenbons oder der Kopie eines anderen Verkaufsdokuments, das für den Erwerber ausgestellt worden ist, beizufügen, und falls dies nicht möglich ist, ist der Verkäufer verpflichtet, die Nummer und das Ausstellungsdatum des Dokuments, das diesen Verkauf bestätigt, in der Erklärung anzugeben.

(14)   Der Verkäufer der in Abs. 1 Nr. … 10 … genannten verbrauchsteuerpflichtigen Waren hat eine monatliche Zusammenstellung der in Abs. 5 genannten Erklärungen zu erstellen und diese dem zuständigen Leiter der Zollstelle bis zum 25. Tag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Verkauf erfolgt ist, zu übergeben; die Originalerklärungen hat der Verkäufer über einen Zeitraum von 5 Jahren, gerechnet ab Ende des Kalenderjahres, in dem sie erstellt worden sind, aufzubewahren und zwecks einer Kontrolle zur Verfügung zu stellen.

(15)   Die monatliche Zusammenstellung der Erklärungen hat folgende Angaben zu enthalten:

1.

bei dem in Abs. 14 genannten Verkäufer:

a)

den Vor- und Nachnamen oder den Firmennamen sowie die Anschrift des Sitzes oder des Wohnsitzes des Rechtssubjekts, das die Zusammenstellung übergibt,

b)

die Menge und die Art sowie die Zweckbestimmung der Waren, die die Erklärung betrifft,

c)

das Datum der Abgabe der Erklärung,

d)

das Datum und den Ort der Erstellung der Zusammenstellung sowie eine leserliche Unterschrift der die Zusammenstellung erstellenden Person,

e)

die Bestimmung der Anzahl der Heizgeräte, die im Besitz der Erwerber sind und deren Anzahl sich aus den von ihnen abgegebenen Erklärungen ergibt,

f)

den Ort (die Adresse), an dem sich die in den Erklärungen genannten Heizgeräte befinden,

(16)   Bei Nichterfüllung der in Abs. 5 bis 15 genannten Bedingungen wird der in Abs. 4 Nr. 1 genannte Verbrauchsteuersatz angewandt.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11

Mit Entscheidung vom 23. Februar 2011 erließ der Naczelnik Urzędu Celnego we Wrocławiu (Leiter des Zollamts Breslau, Polen) einen Nachforderungsbescheid über eine Steuerschuld der ROZ‑ŚWIT im Bereich der Verbrauchsteuer.

12

Aus dieser Entscheidung geht hervor, dass in dem von den Steuerbehörden eingeleiteten Verfahren festgestellt wurde, dass ROZ‑ŚWIT im Zeitraum vom 1. März 2009 bis 31. Dezember 2009 eine Reihe von Verkäufen von Heizstoffen bestehend aus Leichtöl durchgeführt hatte. Es wurde festgestellt, dass diese Verkäufe überprüft worden waren und außer Zweifel stand, dass die Erwerber den Erwerb und den Verbrauch dieses Heizstoffs für Heizzwecke bestätigt hatten. ROZ‑ŚWIT hatte jedoch die Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber nach Art. 89 Abs. 14 des Verbrauchsteuergesetzes nicht fristgerecht vorgelegt. Daher wurde gemäß Art. 89 Abs. 16 der in Art. 89 Abs. 4 Nr. 1 dieses Gesetzes vorgesehene Verbrauchsteuersatz für Kraftstoffe angewandt.

13

ROZ-ŚWIT erhob beim Direktor der Zollkammer Breslau Einspruch gegen diese Entscheidung und machte geltend, die Unterlassung der Vorlegung der Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber sei nur ein formeller Fehler, während an der tatsächlichen Bestimmung des fraglichen Heizstoffs für Heizzwecke keine Zweifel bestünden.

14

Nach der Zurückweisung dieses Einspruchs erhob ROZ‑ŚWIT Klage beim Wojewódzki Sąd Administracyjny we Wrocławiu (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Breslau, Polen).

15

Das vorlegende Gericht fragt sich, ob, wenn ein Mitgliedstaat von dem in der Richtlinie 2003/96 vorgesehenen Recht Gebrauch gemacht hat, die Verbrauchsteuern für die Waren zu staffeln, die gemäß ihrer Verwendung in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, die Bestimmung in Art. 89 Abs. 16 des Verbrauchsteuergesetzes gegen diese Richtlinie verstoße, soweit sie aufgrund der Unterlassung der Vorlegung der Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber dazu führe, dass die Verbrauchsteuer für Kraftstoffe auf ein als Heizstoff verwendetes Erzeugnis angewandt werde.

16

Zudem hat das vorlegende Gericht Zweifel daran, dass die Pflicht zur Erstellung und Vorlegung einer solchen Zusammenstellung im Hinblick auf das verfolgte Ziel, nämlich die Verhinderung von Steuerhinterziehung und ‑vermeidung, verhältnismäßig sei. Es ist der Ansicht, dass diese Verpflichtung formeller und untergeordneter Art sei, da sie nur eine Vorabprüfung der Bestimmung der betreffenden Erzeugnisse zulasse. In diesem Zusammenhang führt es die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Bereich der Mehrwertsteuer an. Danach muss zum einen der Vorsteuerabzug gewährt werden, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat (vgl. Urteil vom 12. Juli 2012, EMS-Bulgaria Transport, C‑284/11, EU:C:2012:458, Rn. 61 und 62); zum anderen geht das nationale Recht, das die Steuerbefreiung bei der Ausfuhr von der Einhaltung einer Frist für das Verlassen des Hoheitsgebiets abhängig macht, ohne die Erstattung der wegen Nichtbeachtung dieser Frist bereits entrichteten Mehrwertsteuer zu gestatten, obwohl der Steuerpflichtige den Beweis erbracht hat, dass die Ware das Zollgebiet der Union verlassen hat, über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und ‑vermeidung notwendig ist (vgl. Urteil vom 19. Dezember 2013, BDV Hungary Trading, C‑563/12, EU:C:2013:854, Rn. 39).

17

Das vorlegende Gericht möchte auch wissen, ob die in Art. 89 Abs. 16 des Verbrauchsteuergesetzes vorgesehene Sanktion, wonach der Kraftstoffen vorbehaltene Verbrauchsteuersatz anzuwenden ist, wenn die Verpflichtung, fristgerecht eine Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber zu vorzulegen, nicht eingehalten wird, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist. Insbesondere zur Schwere des Verstoßes ist das Gericht der Ansicht, dass diese Sanktion nicht die Verhinderung von Steuerhinterziehungen zum Ziel habe, sondern allein die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung erfasse und im Übrigen einen nicht unerheblichen Betrag darstelle.

18

Vor diesem Hintergrund hat der Wojewódzki Sąd Administracyjny we Wrocławiu (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Breslau) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Zu den Vorlagefragen

19

Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2003/96 und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen sind, dass sie einer innerstaatlichen Regelung entgegenstehen, wonach zum einen die Verkäufer von Heizstoffen verpflichtet sind, fristgerecht eine monatliche Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber vorzulegen, denen zufolge die erworbenen Erzeugnisse für Heizzwecke bestimmt sind, und zum anderen bei nicht fristgerechter Vorlegung einer solchen Zusammenstellung der Verbrauchsteuersatz für Kraftstoffe auf den verkauften Heizstoff angewandt wird, obwohl festgestellt wurde, dass an der Bestimmung dieses Erzeugnisses für Heizzwecke keine Zweifel bestehen.

20

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die allgemeinen Rechtsgrundsätze, zu denen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zählt, Teil der Unionsrechtsordnung sind. Sie müssen daher von den Unionsorganen, aber auch von den Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Unionsrichtlinien übertragen, beachtet werden (vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteile vom 21. Februar 2008, Netto Supermarkt, C‑271/06, EU:C:2008:105, Rn. 18, und vom 10. September 2009, Plantanol, C‑201/08, EU:C:2009:539, Rn. 43).

21

Folglich muss eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mit der insbesondere die Bestimmungen der Richtlinie 2003/96 in die Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats umgesetzt werden sollen, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten.

Zur Verpflichtung, eine Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber vorzulegen

22

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber, deren Erstellung und Übergabe an die Zollstelle in Art. 89 Abs. 14 und 15 des Verbrauchsteuergesetzes vorgesehen ist, ein Instrument der Kontrolle darstellt, das die Verhinderung von Steuerhinterziehung und ‑vermeidung zum Ziel hat.

23

Da die Richtlinie 2003/96 weder einen bestimmten Mechanismus zur Kontrolle der Verwendung von Heizstoffen noch Maßnahmen zur Bekämpfung der mit dem Verkauf von Heizstoffen verbundenen Steuerhinterziehung näher erläutert, obliegt es den Mitgliedstaaten, unter Beachtung des Unionsrechts in ihrem nationalen Recht solche Mechanismen und Maßnahmen vorzusehen. Insoweit geht aus dem neunten Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervor, dass die Mitgliedstaaten bei der Festlegung und der Durchführung von auf den jeweiligen nationalen Kontext abgestimmten politischen Maßnahmen über einen Gestaltungsspielraum verfügen.

24

Was die Verhältnismäßigkeit der Verpflichtung angeht, eine Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber vorzulegen, verweist das vorlegende Gericht auf Entscheidungen des Trybunał Konstytucyjny (Verfassungsgerichtshof, Polen) sowie bestimmter polnischer Verwaltungsgerichte, wonach eine solche Zusammenstellung die Steuerbehörde über die Durchführung eines begünstigten Verkaufs von Heizstoffen sowie den Ort und die vorgesehene Art der Verwendung informiert. Mit der Zusammenstellung können zudem die in ihr enthaltenen Angaben vorab geprüft und daher Steuerhinterziehungen identifiziert und ermittelt werden.

25

Unter Berücksichtigung des Ermessensspielraums, über den die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die zu erlassenden Maßnahmen und Mechanismen zur Verhinderung der mit dem Verkauf des Heizstoffs verbundenen Steuerhinterziehung und ‑vermeidung verfügen, und da eine Verpflichtung zur Vorlegung einer Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber bei den zuständigen Behörden nicht offensichtlich unverhältnismäßig ist, ist davon auszugehen, dass eine solche Verpflichtung eine geeignete Maßnahme zur Erreichung dieses Ziels ist und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

26

Die Richtlinie 2003/96 und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind daher dahin auszulegen, dass sie einer innerstaatlichen Regelung nicht entgegenstehen, wonach die Verkäufer von Heizstoffen verpflichtet sind, fristgerecht eine monatliche Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber vorzulegen, denen zufolge die erworbenen Erzeugnisse für Heizzwecke bestimmt sind.

Zur Anwendung des Verbrauchsteuersatzes für Kraftstoffe im Fall der Nichteinhaltung der Verpflichtung, eine Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber vorzulegen

27

Gemäß Art. 89 Abs. 16 des Verbrauchsteuergesetzes führt die Nichteinhaltung der Verpflichtung, fristgerecht eine Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber zu erstellen und zu übergeben, zur Anwendung des Verbrauchsteuersatzes für Kraftstoffe auf den verkauften Heizstoff, unabhängig von dessen tatsächlicher Verwendung.

28

Was erstens die Vereinbarkeit einer solchen Folge mit der Richtlinie 2003/96 angeht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die vom vorlegenden Gericht in seiner ersten Frage genannten Bestimmungen dieser Richtlinie für das Ausgangsverfahren nicht unmittelbar relevant sind. Zunächst betrifft Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 dieser Richtlinie nämlich „andere Energieerzeugnisse als diejenigen, für die in dieser Richtlinie ein Steuerbetrag festgelegt wurde“, während sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, dass der Steuerbetrag des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisses in der Richtlinie 2003/96 klargestellt wird.

29

Sodann sieht Art. 5 dieser Richtlinie gestaffelte Steuersätze in bestimmten Fällen vor, die in diesem Artikel abschließend aufgezählt werden, nämlich wenn ein Zusammenhang mit der Qualität der Erzeugnisse besteht, wenn sie sich nach dem Verbrauch richten, wenn die Erzeugnisse in bestimmten öffentlichen Bereichen verwendet werden oder auch wenn diese Steuersätze zwischen betrieblicher und nicht betrieblicher Verwendung unterscheiden. Dieser Artikel betrifft daher nicht die unterschiedliche Verwendung von Kraftstoff und Heizstoff.

30

Art. 21 Abs. 4 der Richtlinie 2003/96 betrifft schließlich die Voraussetzungen, die mit der Anwendung von Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen im Sinne der Art. 14 bis 19 dieser Richtlinie verbunden sind.

31

Hingegen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die allgemeine Systematik der Richtlinie 2003/96 auf einer klaren Unterscheidung zwischen Kraft‑ und Heizstoffen insbesondere nach dem Kriterium der Verwendung beruht. Die mit den Erwägungsgründen 17 und 18 dieser Richtlinie eingeführte Unterscheidung zwischen Kraft- und Heizstoffen wird u. a. durch die Art. 7 bis 9 der Richtlinie umgesetzt, die die Modalitäten für die Festlegung der Mindeststeuerbeträge für Heizstoffe auf der einen und für Erzeugnisse, die zu industriellen oder gewerblichen Zwecken als Kraftstoff verwendet werden, auf der anderen Seite betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. April 2014, Kronos Titan und Rhein-Ruhr Beschichtungs-Service, C‑43/13 und C‑44/13, EU:C:2014:216, Rn. 28).

32

Weiterhin erfordert den Erwägungsgründen 3 und 4 dieser Richtlinie zufolge das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts die Festsetzung von Mindeststeuerbeträgen der Union für die meisten Energieerzeugnisse, und erhebliche Abweichungen zwischen den von den einzelnen Mitgliedstaaten vorgeschriebenen nationalen Energiesteuerbeträgen könnten sich als abträglich für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erweisen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Festlegung von Mindeststeuerbeträgen für Erzeugnisse nach ihrer Verwendung als Kraftstoff oder als Heizstoff zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beiträgt, indem sie es ermöglicht, etwaige Verzerrungen des Wettbewerbs zwischen Erzeugnissen mit demselben Verwendungszweck zu vermeiden.

33

Daraus folgt, dass sowohl die Systematik als auch der Zweck der Richtlinie 2003/96 auf dem Grundsatz beruhen, wonach die Energieerzeugnisse nach ihrer tatsächlichen Verwendung besteuert werden.

34

Folglich läuft eine nationale Rechtsvorschrift wie Art. 89 Abs. 16 des Verbrauchsteuergesetzes, der zufolge bei nicht fristgerechter Vorlegung einer Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber auf Heizstoffe automatisch der Verbrauchsteuersatz für Kraftstoffe angewandt wird, selbst wenn, wie im Ausgangsverfahren festgestellt wurde, die Heizstoffe als solche verwendet werden, der Systematik und dem Zweck der Richtlinie 2003/96 zuwider.

35

Zweitens verstößt eine solche automatische Anwendung des Verbrauchsteuersatzes für Kraftstoffe im Fall der Nichteinhaltung der Verpflichtung zur Vorlegung dieser Zusammenstellung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

36

Aus der Vorlageentscheidung geht nämlich hervor, dass im Ausgangsverfahren festgestellt wurde, dass die von ROZ‑ŚWIT durchgeführten Verkäufe von Heizstoff überprüft wurden und außer Zweifel steht, dass die Erwerber den Erwerb und den Verbrauch dieses Heizstoffs für Heizzwecke bestätigt hatten. Zudem enthalten die Akten keinen Anhaltspunkt dafür, dass diese Verkäufe mit dem Ziel durchgeführt wurden, den ermäßigten Verbrauchsteuersatz für zu Heizzwecken bestimmte Heizstoffe in betrügerischer Absicht in Anspruch zu nehmen.

37

Trotz dieser Feststellung haben die zuständigen Behörden jedoch den Verbrauchsteuersatz für Kraftstoffe gemäß Art. 89 Abs. 16 des Verbrauchsteuergesetzes auf die verkauften Heizstoffe angewandt.

38

Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich insoweit, dass der auf Kraftstoffe anwendbare Verbrauchsteuersatz in Polen mehr als das Achtfache des Verbrauchsteuersatzes für Heizstoffe betragen kann.

39

Unter diesen Umständen geht die Anwendung des Verbrauchsteuersatzes für Kraftstoffe auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Heizstoffe aufgrund einer Verletzung der im nationalen Recht vorgeschriebenen Verpflichtung, fristgerecht eine Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber vorzulegen, wenn festgestellt wurde, dass im Hinblick auf die Bestimmung dieser Erzeugnisse zu Heizzwecken keine Zweifel bestehen, über das hinaus, was erforderlich ist, um Steuerhinterziehung und ‑vermeidung zu verhindern (vgl. entsprechend Urteil vom 27. September 2007, Collée, C‑146/05, EU:C:2007:549, Rn. 29).

40

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass einen Mitgliedstaat nichts daran hindert, für die Verletzung einer Verpflichtung wie der, den zuständigen Behörden eine Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber des verkauften Heizstoffs vorzulegen, die Verhängung einer Geldbuße vorzusehen. Die Befugnis eines Mitgliedstaats zur Verhängung einer solchen Sanktion muss unter Beachtung des Unionsrechts und seiner allgemeinen Grundsätze, einschließlich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, ausgeübt werden. Bei der Beurteilung, ob diese Sanktion mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist, ist es Sache der nationalen Gerichte, u. a. die Art und die Schwere des Verstoßes, der mit dieser Sanktion bestraft werden soll, sowie die Methoden für die Bestimmung der Höhe dieser Sanktion zu berücksichtigen (vgl. entsprechend Urteil vom 19. Juli 2012, Rēdlihs, C‑263/11, EU:C:2012:497, Rn. 44 bis 47).

41

Folglich sind die Richtlinie 2003/96 und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen, dass sie einer innerstaatlichen Regelung entgegenstehen, wonach bei nicht fristgerechter Vorlegung einer monatlichen Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber der Verbrauchsteuersatz für Kraftstoffe auf den verkauften Heizstoff angewandt wird, obwohl festgestellt wurde, dass an der Bestimmung dieses Erzeugnisses für Heizzwecke keine Zweifel bestehen.

42

Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass die Richtlinie 2003/96 und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen sind, dass

sie einer innerstaatlichen Regelung nicht entgegenstehen, wonach die Verkäufer von Heizstoffen verpflichtet sind, fristgerecht eine monatliche Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber vorzulegen, denen zufolge die erworbenen Erzeugnisse für Heizzwecke bestimmt sind, und

sie einer innerstaatlichen Regelung entgegenstehen, wonach bei nicht fristgerechter Vorlegung einer solchen Zusammenstellung der Verbrauchsteuersatz für Kraftstoffe auf den verkauften Heizstoff angewandt wird, obwohl festgestellt wurde, dass an der Bestimmung dieses Erzeugnisses für Heizzwecke keine Zweifel bestehen.

Kosten

43

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom in der durch die Richtlinie 2004/75/EG des Rates vom 29. April 2004 geänderten Fassung und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind dahin auszulegen, dass

 

sie einer innerstaatlichen Regelung nicht entgegenstehen, wonach die Verkäufer von Heizstoffen verpflichtet sind, fristgerecht eine monatliche Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber vorzulegen, denen zufolge die erworbenen Erzeugnisse für Heizzwecke bestimmt sind, und

 

sie einer innerstaatlichen Regelung entgegenstehen, wonach bei nicht fristgerechter Vorlegung einer solchen Zusammenstellung der Verbrauchsteuersatz für Kraftstoffe auf den verkauften Heizstoff angewandt wird, obwohl festgestellt wurde, dass an der Bestimmung dieses Erzeugnisses für Heizzwecke keine Zweifel bestehen.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Polnisch.