URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

14. April 2016 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste — Richtlinie 2002/22/EG — Art. 28 — Geografisch nicht gebundene Nummern — Zugang der Endnutzer mit Wohnsitz im Mitgliedstaat des Betreibers zu Diensten, die geografisch nicht gebundene Nummern verwenden — Richtlinie 2002/19/EG — Art. 5, 8 und 13 — Befugnisse und Zuständigkeiten der nationalen Regulierungsbehörden in Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung — Auferlegung, Änderung oder Aufhebung von Verpflichtungen — Auferlegung von Verpflichtungen gegenüber Unternehmen, die den Zugang zu den Endnutzern kontrollieren — Preiskontrolle — Unternehmen, die keine beträchtliche Marktmacht haben — Richtlinie 2002/21/EG — Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen — Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde, mit der die Bedingungen für die Zusammenarbeit und die Grundsätze für die Abrechnung der Dienste zwischen Unternehmen bestimmt werden“

In der Rechtssache C‑397/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) mit Entscheidung vom 15. Mai 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 20. August 2014, in dem Verfahren

Polkomtel sp. z o.o.

gegen

Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej,

Beteiligte:

Orange Polska S.A., vormals Telekomunikacja Polska S.A.,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer M. Ilešič, der Richterin C. Toader, des Richters A. Rosas, der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Polkomtel sp. z o.o., vertreten durch M. Bieniek und E. Barembruch, radcowie prawni,

des Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej, vertreten durch S. Szabliński, radca prawny,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Hottiaux und L. Nicolae als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 28 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (Universaldienstrichtlinie) (ABl. L 108, S. 51) sowie von Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) (ABl. L 108, S. 7).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Polkomtel sp. z o.o. (im Folgenden: Polkomtel) und dem Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej (Präsident des Amts für elektronische Kommunikation, im Folgenden: Präsident des UKE) unter Beteiligung der Orange Polska S.A., vormals Telekomunikacja Polska S.A. (im Folgenden: Orange Polska), wegen einer Entscheidung des Präsidenten des UKE im Rahmen einer Streitigkeit zwischen diesen Unternehmen über die Bedingungen für die Zusammenarbeit und die Grundsätze für die Abrechnung der Dienste betreffend den Zugang zu geografisch nicht gebundenen Nummern.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Neuer Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsdienste

3

Der neue Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsdienste setzt sich zusammen aus der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 108, S. 33) (im Folgenden: Rahmenrichtlinie) und aus sie begleitenden Einzelrichtlinien, nämlich der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (Genehmigungsrichtlinie) (ABl. L 108, S. 21), der Zugangsrichtlinie, der Universaldienstrichtlinie sowie der Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation (ABl. 1998, L 24, S. 1).

– Rahmenrichtlinie

4

Art. 8 der Rahmenrichtlinie definiert die politischen Ziele und die regulatorischen Grundsätze, deren Einhaltung die nationalen Regulierungsbehörden (im Folgenden: NRB) zu garantieren haben. Die Abs. 3 und 4 dieses Artikels bestimmen:

„(3)   Die [NRB] tragen zur Entwicklung des Binnenmarktes bei, indem sie unter anderem

b)

den Aufbau und die Entwicklung transeuropäischer Netze und die Interoperabilität europaweiter Dienste sowie die durchgehende Konnektivität fördern;

(4)   Die [NRB] fördern die Interessen der Bürger der Europäischen Union, indem sie unter anderem

b)

einen weit gehenden Verbraucherschutz in den Beziehungen zwischen Kunden und Anbietern gewährleisten …

…“

5

Art. 20 („Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen“) der Rahmenrichtlinie bestimmt in seinem Abs. 3:

„Bei der Beilegung einer Streitigkeit trifft die [NRB] Entscheidungen, die auf die Verwirklichung der in Artikel 8 genannten Ziele ausgerichtet sind. Die Verpflichtungen, die die [NRB] einem Unternehmen im Rahmen der Streitbeilegung auferlegen kann, stehen im Einklang mit dieser Richtlinie oder den Einzelrichtlinien.“

– Zugangsrichtlinie

6

In Art. 1 („Geltungsbereich und Zielsetzung“) der Zugangsrichtlinie heißt es:

„(1)   Auf der von der [Rahmenrichtlinie] geschaffenen Grundlage wird mit der vorliegenden Richtlinie die Regulierung des Zugangs zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung durch die Mitgliedstaaten harmonisiert. Ziel ist es, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Binnenmarkts einen Rechtsrahmen für die Beziehungen zwischen Netzbetreibern und Diensteanbietern zu schaffen, der einen nachhaltigen Wettbewerb und die Interoperabilität der elektronischen Kommunikationsdienste gewährleistet und die Interessen der Verbraucher fördert.

(2)   Mit dieser Richtlinie werden für Betreiber und für Unternehmen, die eine Zusammenschaltung ihrer Netze und zugehörigen Einrichtungen und/oder den Zugang hierzu wünschen, Rechte und Pflichten festgelegt. Ferner werden Ziele für [NRB] in Bezug auf den Zugang und die Zusammenschaltung vorgegeben …“

7

Art. 5 („Befugnisse und Zuständigkeiten der [NRB] in Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung“) der Zugangsrichtlinie bestimmt:

„(1)   Die [NRB] fördern und garantieren gegebenenfalls entsprechend dieser Richtlinie bei ihren Maßnahmen zur Verwirklichung der in Artikel 8 der [Rahmenrichtlinie] festgelegten Ziele einen angemessenen Zugang und eine geeignete Zusammenschaltung sowie die Interoperabilität der Dienste und nehmen ihre Zuständigkeit in einer Weise wahr, die Effizienz fördert, den Wettbewerb stimuliert und den Endnutzern größtmöglichen Nutzen bringt.

Unbeschadet etwaiger Maßnahmen gemäß Artikel 8 in Bezug auf Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht können die [NRB] insbesondere folgende Maßnahmen treffen:

a)

In dem zur Gewährleistung des End-zu-End-Verbunds von Diensten erforderlichen Umfang können sie den Unternehmen, die den Zugang zu den Endnutzern kontrollieren, Verpflichtungen auferlegen, wozu in begründeten Fällen auch die Verpflichtung gehören kann, ihre Netze zusammenzuschalten, sofern dies noch nicht geschehen ist.

(3)   Die gemäß den Absätzen 1 und 2 auferlegten Verpflichtungen und Bedingungen müssen objektiv, transparent, verhältnismäßig und nichtdiskriminierend sein; für ihre Anwendung gelten die Verfahren der Artikel 6 und 7 der [Rahmenrichtlinie].

(4)   In Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die [NRB] befugt ist, in begründeten Fällen aus eigener Initiative oder, falls keine Übereinkunft zwischen Unternehmen besteht, auf Ersuchen einer der beteiligten Parteien tätig zu werden, um entsprechend der vorliegenden Richtlinie und den Verfahren der Artikel 6 und 7 sowie der Artikel 20 und 21 der [Rahmenrichtlinie] die Beachtung der in Artikel 8 derselben Richtlinie aufgeführten politischen Ziele zu gewährleisten.“

8

Art. 8 („Auferlegung, Änderung oder Aufhebung von Verpflichtungen“) der Zugangsrichtlinie sieht vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die [NRB] befugt sind, die in den Artikeln 9 bis 13 genannten Verpflichtungen aufzuerlegen.

(2)   Wird ein Betreiber aufgrund einer Marktanalyse nach Artikel 16 der [Rahmenrichtlinie] als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuft, so erlegt die [NRB] diesem im erforderlichen Umfang die in den Artikeln 9 bis 13 der vorliegenden Richtlinie genannten Verpflichtungen auf.

(3)   Unbeschadet

der Artikel 12 und 13 der [Rahmenrichtlinie], der Bedingung 7 in Teil B des Anhangs der [Genehmigungsrichtlinie], die gemäß Artikel 6 Absatz 1 jener Richtlinie angewandt wird, sowie der Artikel 27, 28 und 30 der [Universaldienstrichtlinie] …, die Verpflichtungen für Unternehmen enthalten, mit Ausnahme jener, die als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurden, …

erlegen die [NRB] Betreibern, die nicht gemäß Absatz 2 eingestuft wurden, die in den Artikeln 9 bis 13 genannten Verpflichtungen nicht auf.

(4)   Die nach diesem Artikel auferlegten Verpflichtungen müssen der Art des aufgetretenen Problems entsprechen und müssen im Hinblick auf die Ziele des Artikels 8 der [Rahmenrichtlinie] angemessen und gerechtfertigt sein. Die Verpflichtungen dürfen nur nach der Anhörung gemäß den Artikeln 6 und 7 jener Richtlinie auferlegt werden.

…“

9

In Art. 13 („Verpflichtung zur Preiskontrolle und Kostenrechnung“) Abs. 1 der Zugangsrichtlinie heißt es:

„Weist eine Marktanalyse darauf hin, dass ein Betreiber aufgrund eines Mangels an wirksamem Wettbewerb seine Preise zum Nachteil der Endnutzer auf einem übermäßig hohen Niveau halten oder Preisdiskrepanzen praktizieren könnte, so kann die [NRB] dem betreffenden Betreiber gemäß Artikel 8 hinsichtlich bestimmter Arten von Zusammenschaltung und/oder Zugang Verpflichtungen betreffend die Kostendeckung und die Preiskontrolle einschließlich kostenorientierter Preise auferlegen und ihm bestimmte Auflagen in Bezug auf Kostenrechnungsmethoden erteilen. …“

– Universaldienstrichtlinie

10

Im 38. Erwägungsgrund der Universaldienstrichtlinie heißt es:

„Der Zugang der Endnutzer zu allen Nummerierungsressourcen in der [Union] stellt eine entscheidende Vorbedingung des Binnenmarktes dar. Er sollte gebührenfreie Dienste, Sonderdienste mit erhöhter Gebühr und andere geografisch nicht gebundene Nummern umfassen, sofern der angerufene Teilnehmer nicht Anrufe aus bestimmten geografischen Gebieten aus kommerziellen Gründen eingeschränkt hat. …“

11

Art. 1 („Anwendungsbereich und Ziele“) der Universaldienstrichtlinie sieht u. a. vor, dass sie „auf die Gewährleistung der Verfügbarkeit [unions]weiter hochwertiger, öffentlich zugänglicher Dienste durch wirksamen Wettbewerb und Angebotsvielfalt [abzielt] und … gleichzeitig die Fälle [regelt], in denen die Bedürfnisse der Endnutzer durch den Markt nicht ausreichend befriedigt werden können“.

12

Art. 2 Abs. 2 Buchst. f der Universaldienstrichtlinie enthält folgende Begriffsbestimmung:

„‚geografisch nicht gebundene Nummer‘: eine Nummer des nationalen Nummernplans, bei der es sich nicht um eine geografisch gebundene Nummer handelt; dieser Begriff erfasst unter anderem die Nummern für Mobiltelefone, gebührenfreie Dienste und Sonderdienste mit erhöhtem Tarif.“

13

Art. 28 („Geografisch nicht gebundene Nummern“) der Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Endnutzer aus anderen Mitgliedstaaten im Rahmen der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten Zugang zu geografisch nicht gebundenen Nummern in ihrem Hoheitsgebiet erhalten, sofern der [an]gerufene Teilnehmer nicht Anrufe aus bestimmten geografischen Gebieten aus wirtschaftlichen Gründen eingeschränkt hat.“

Richtlinie 2009/136/EG

14

Art. 1 („Änderungen der [Universaldienstrichtlinie]“) der Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/22, der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation und der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (ABl. L 337, S. 11) sieht in Nr. 19 vor:

„Art. 28 erhält folgende Fassung:

‚Artikel 28

Zugang zu Rufnummern und Diensten

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten, sofern der angerufene Teilnehmer nicht Anrufe aus bestimmten geografischen Gebieten aus wirtschaftlichen Gründen eingeschränkt hat, alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass:

a)

die Endnutzer in der Lage sind, Dienste unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern in der [Union] zu erreichen und zu nutzen …

…‘“

15

Nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2009/136 mussten die Mitgliedstaaten bis zum 25. Mai 2011 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen und veröffentlichen, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen.

Polnisches Recht

16

Art. 27 Abs. 2 des Telekommunikationsgesetzes (Ustawa Prawo telekomunikacyjne) vom 16. Juli 2004 (Dz. U. Nr. 171, Position 1800) in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Präsidenten des UKE vom 6. Mai 2009 geltenden Fassung (im Folgenden: TKG) bestimmt:

„Werden die Verhandlungen nicht aufgenommen oder wird der Zugang durch die Einrichtung, die verpflichtet ist, ihn zu gewähren, verweigert oder wird nicht innerhalb der Frist nach Abs. 1 eine Vereinbarung geschlossen, kann jeder Beteiligte beim Präsidenten des UKE den Erlass einer Entscheidung über die streitigen Fragen oder die Bedingungen für die Zusammenarbeit beantragen.“

17

Art. 28 Abs. 1 TKG bestimmt:

„Der Präsident des UKE erlässt seine Entscheidung über den Zugang binnen 90 Tagen ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Antrags nach Art. 27 Abs. 2 unter Berücksichtigung der folgenden Kriterien:

1)

des Interesses der Nutzer der Telekommunikationsnetze;

2)

der den Telekommunikationsunternehmen auferlegten Verpflichtungen;

3)

der Förderung moderner Telekommunikationsdienstleistungen;

4)

der Natur der bestehenden streitigen Fragen und der praktischen Möglichkeit, Lösungen betreffend die technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte des Zugangs zur Telekommunikation – solche, die von den Telekommunikationsunternehmen, die an den Verhandlungen beteiligt sind, vorgeschlagen wurden, wie auch solche, die Alternativlösungen darstellen können – umzusetzen;

5)

der Gewährleistung:

a)

der Vollständigkeit des Netzes und der Interoperabilität der Dienste,

b)

nichtdiskriminierender Bedingungen für den Zugang zur Telekommunikation,

c)

der Entwicklung eines wettbewerbsorientierten Markts der Telekommunikationsdienstleistungen;

6)

der Marktmacht der Telekommunikationsunternehmen, deren Netze zusammengeschaltet werden;

…“

18

Art. 79 Abs. 1 TKG sieht vor:

„Der Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes stellt sicher, dass die Endnutzer seines Netzes sowie die Endnutzer aus anderen Mitgliedstaaten, soweit dies technisch und wirtschaftlich durchführbar ist, in der Lage sind, eine geografisch nicht gebundene Nummer in der Republik Polen zu erreichen, es sei denn, der angerufene Teilnehmer hat Anrufe von Endnutzern aus bestimmten geografischen Gebieten eingeschränkt.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

19

Polkomtel und Orange Polska stellen elektronische Kommunikationsnetze bereit, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, und bieten ihren Abonnenten elektronische Telekommunikationsdienste an. Da sich Polkomtel und Orange Polska nicht über die Festlegung der Bedingungen für die Zusammenarbeit und die Grundsätze für die Abrechnung für den Zugang der Nutzer des Netzes von Polkomtel zu den Diensten eines intelligenten Netzes, die über das Netz von Orange Polska unter Verwendung von geografisch nicht gebundenen Nummern erbracht werden, einigen konnten, wurde beim Präsidenten des UKE ein Antrag auf Streitbeilegung gestellt.

20

Mit Entscheidung vom 6. Mai 2009 legte der Präsident des UKE diese Streitigkeit bei, indem er u. a Polkomtel die Verpflichtung auferlegte, ihren Abonnenten – gegen Zahlung einer Vergütung durch Orange Polska – den Zugang zu den Diensten zu gewährleisten, die unter Verwendung von geografisch nicht gebundenen Nummern über das Netz von Orange Polska erbracht werden.

21

In dieser Entscheidung legte der Präsident des UKE auch die Grundsätze für die Abrechnung zwischen diesen Unternehmen für diesen Zugang fest. Da er der Ansicht war, dass ein vom Netz von Polkomtel ausgehender Verbindungsaufbau Netzressourcen erfordere, die den für eine Anrufzustellung in diesem Netz erforderlichen entsprächen, legte er u. a. die Gebühr für einen Verbindungsaufbau zum Netz von Orange Polska auf ein Niveau fest, das unter Bezugnahme auf den für eine Anrufzustellung im Netz von Polkomtel anwendbaren Tarif bestimmt wurde.

22

Polkomtel klagte gegen die Entscheidung des Präsidenten des UKE vom 6. Mai 2009 beim Sąd Okręgowy (Bezirksgericht). Mit Urteil vom 15. März 2012 wies dieses Gericht die Klage auf Aufhebung dieser Entscheidung ab. Polkomtel legte gegen das Urteil des Sąd Okręgowy (Bezirksgericht) Berufung beim Sąd Apelacyjny w Warszawie (Berufungsgericht Warschau) ein, der sie mit Entscheidung vom 25. Januar 2013 zurückwies. Polkomtel legte daraufhin gegen dieses Urteil beim Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) Kassationsbeschwerde ein.

23

Der Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) möchte als Erstes den zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts in der Ausgangsrechtssache klären. Er weist zum einen darauf hin, dass die Entscheidung des Präsidenten des UKE vom 6. Mai 2009 vor der Änderung des Art. 28 der Universaldienstrichtlinie durch die Richtlinie 2009/136 und somit vor Ablauf der Frist für die Umsetzung dieser letztgenannten Richtlinie in nationales Recht ergangen sei. Zum anderen habe Art. 28 der Universaldienstrichtlinie in seiner ursprünglichen Fassung die Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Endnutzer aus anderen Mitgliedstaaten Zugang zu geografisch nicht gebundenen Nummern in ihrem Hoheitsgebiet erhielten. Die auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbare nationale Regelung habe ihrerseits die Verpflichtung vorgesehen, dafür zu sorgen, dass alle Endnutzer Zugang zu den geografisch nicht gebundenen Nummern im polnischen Hoheitsgebiet hätten. Das vorlegende Gericht fragt sich daher, ob diese Regelung eine Verpflichtung auferlegen konnte, die weiter reicht als die in diesem Artikel vorgesehene.

24

Als Zweites möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine NRB ermächtigt ist, den Betreibern gemäß Art. 5 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie Verpflichtungen aufzuerlegen, um Art. 28 der Universaldienstrichtlinie umzusetzen. Es hat insoweit Zweifel u. a. aufgrund der Verpflichtung, die in Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankerte unternehmerische Freiheit zu berücksichtigen, und aufgrund des im vorliegenden Fall zwischen dieser Freiheit und dem in Art. 38 der Charta genannten Grundsatz des Verbraucherschutzes möglicherweise bestehenden Konflikts.

25

Als Drittes möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine NRB ermächtigt ist, unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Grundsätze für die Abrechnung zwischen Betreibern auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie und Art. 28 der Universaldienstrichtlinie festzulegen. Es stelle sich nämlich die Frage nach den Grenzen für das Eingreifen der NRB in Bezug auf die Preisfestsetzung im Rahmen der Beilegung einer Streitigkeit zwischen Unternehmen, die auf dem betreffenden Markt keine beträchtliche Marktmacht hätten. Auch möchte es die Vereinbarkeit eines solchen Eingreifens mit der in Art. 16 der Charta verankerten unternehmerischen Freiheit klären und wissen, ob dieses Eingreifen durch das Ziel, den in Art. 38 der Charta garantierten Verbraucherschutz sicherzustellen, gerechtfertigt werden kann.

26

Unter diesen Umständen hat der Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 28 der Universaldienstrichtlinie in der ursprünglichen Fassung in der Weise auszulegen, dass der Zugang zu geografisch nicht gebundenen Nummern nicht nur für die Endnutzer aus anderen Mitgliedstaaten sicherzustellen ist, sondern auch für die Endnutzer aus dem Mitgliedstaat des jeweiligen Betreibers eines öffentlichen Kommunikationsnetzes, mit der Folge, dass die Überprüfung der Erfüllung dieser Verpflichtung durch die NRB den Anforderungen unterliegt, die sich aus den Grundsätzen der Effektivität des Unionsrechts und der unionsrechtskonformen Auslegung des innerstaatlichen Rechts ergeben?

2.

Wenn Frage 1 bejaht wird: Ist Art. 28 der Universaldienstrichtlinie in Verbindung mit Art. 16 der Charta in der Weise auszulegen, dass zur Erfüllung der in der ersteren Vorschrift genannten Verpflichtung das Verfahren angewandt werden kann, das in Art. 5 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie für die nationalen Regulierungsbehörden vorgesehen ist?

3.

Ist Art. 8 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie in Verbindung mit Art. 28 der Universaldienstrichtlinie und Art. 16 der Charta oder Art. 8 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie und Art. 16 der Charta in der Weise auszulegen, dass die NRB, um für die Endnutzer eines inländischen Betreibers eines öffentlichen Kommunikationsnetzes den Zugang zu den Diensten sicherzustellen, die unter geografisch nicht gebundenen Nummern im Netz eines anderen inländischen Betreibers erbracht werden, die Grundsätze für die Abrechnung zwischen den Betreibern für den Verbindungsaufbau festlegen kann, indem sie auf die Gebührensätze für die Anrufzustellung zurückgreift, die für einen der Betreiber auf der Grundlage von Art. 13 der Zugangsrichtlinie kostenorientiert festgelegt wurden, wenn der Betreiber die Anwendung eines solchen Satzes im Laufe der in Erfüllung der Verpflichtung aus Art. 4 der Zugangsrichtlinie geführten und gescheiterten Verhandlungen vorgeschlagen hat?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

27

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 28 der Universaldienstrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat vorsehen kann, dass ein Betreiber eines öffentlichen elektronischen Kommunikationsnetzes dafür sorgen muss, dass der Zugang zu geografisch nicht gebundenen Nummern für alle Endnutzer seines Netzes in diesem Staat und nicht nur für diejenigen aus anderen Mitgliedstaaten sichergestellt ist.

28

Diese Frage geht auf den Umstand zurück, dass Art. 28 der Universaldienstrichtlinie im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung des Präsidenten des UKE für die Mitgliedstaaten nur die Verpflichtung vorsah, dafür zu sorgen, dass Endnutzer aus anderen Mitgliedstaaten im Rahmen der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten Zugang zu geografisch nicht gebundenen Nummern in ihrem Hoheitsgebiet erhalten, sofern der angerufene Teilnehmer nicht Anrufe aus bestimmten geografischen Gebieten aus wirtschaftlichen Gründen eingeschränkt hat, während Art. 28 dieser Richtlinie in der durch die Richtlinie 2009/136 geänderten Fassung in seinem Abs. 1 Buchst. a nunmehr vorsieht, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … sicher[stellen], dass die zuständigen nationalen Behörden … alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass … die Endnutzer in der Lage sind, Dienste unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern in der [Union] zu erreichen und zu nutzen“.

29

Insoweit ist zu untersuchen, ob eine nationale Bestimmung wie Art. 79 Abs. 1 TKG, die in der Sache eine Verpflichtung enthält, die weiter reicht als die in Art. 28 der Universaldienstrichtlinie vorgesehene, nicht die mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele beeinträchtigt.

30

Es ist darauf hinzuweisen, dass es im 38. Erwägungsgrund der Richtlinie allgemein heißt, dass der Zugang der Endnutzer zu allen Nummerierungsressourcen in der Union, einschließlich der geografisch nicht gebundenen Nummern, eine entscheidende Vorbedingung des Binnenmarkts darstellt.

31

Darüber hinaus ergibt sich aus Art. 1 der Universaldienstrichtlinie, dass diese Richtlinie im Rahmen der Rahmenrichtlinie die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste für Endnutzer betrifft. Sie zielt auf die Gewährleistung der Verfügbarkeit unionsweiter hochwertiger, öffentlich zugänglicher Dienste durch wirksamen Wettbewerb und Angebotsvielfalt ab.

32

Zu den Zielen des Rechtsrahmens, zu dem die Universaldienstrichtlinie gehört, hat der Gerichtshof in Rn. 29 des Urteils Telekomunikacja Polska (C‑522/08, EU:C:2010:135) festgestellt, dass die NRB bei der Ausübung ihrer Aufgaben zwar nach Art. 8 Abs. 4 Buchst. b der Rahmenrichtlinie verpflichtet sind, die Interessen der Bürger der Union zu fördern, indem sie einen weitgehenden Verbraucherschutz gewährleisten, dass die Rahmenrichtlinie und die Universaldienstrichtlinie aber keine vollständige Harmonisierung der Aspekte des Verbraucherschutzes vorsehen.

33

Außerdem ist der Umstand, dass den Nutzern aus einem Mitgliedstaat der Zugang zu geografisch nicht gebundenen Nummern sogar im Rahmen einer rein nationalen Situation gewährleistet wird, geeignet, zur Verwirklichung des Binnenmarkts beizutragen, da die Endnutzer, die Abonnenten eines Betreibers aus einem anderen Mitgliedstaat sind, auf die Dienste des Verbindungsaufbaus im Netz eines Betreibers des erstgenannten Mitgliedstaats während ihres Aufenthalts in diesem Staat aufgrund eines zwischen den betreffenden Betreibern geschlossenen Roamingvertrags zurückgreifen.

34

Daraus folgt, dass Art. 28 der Universaldienstrichtlinie bei einer Auslegung im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die die Verpflichtung vorsieht, für alle Endnutzer den Zugang zu den geografisch nicht gebundenen Nummern im Inland sicherzustellen, nicht entgegensteht.

35

Nach alledem ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 28 der Universaldienstrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat vorsehen kann, dass ein Betreiber eines öffentlichen elektronischen Kommunikationsnetzes dafür sorgen muss, dass der Zugang zu geografisch nicht gebundenen Nummern für alle Endnutzer seines Netzes in diesem Staat und nicht nur für diejenigen aus anderen Mitgliedstaaten sichergestellt ist.

Zur zweiten und zur dritten Frage

Zur Zulässigkeit

36

Polkomtel trägt vor, die dritte Frage sei unzulässig, da sie Orange Polska während ihrer Verhandlungen nicht die von dem vorlegenden Gericht erwähnten Vorschläge über die Grundsätze für die Abrechnung der in Rede stehenden Dienste des Verbindungsaufbaus unterbreitet habe. Die dritte Frage beziehe sich demnach auf andere Umstände als die, die in der Ausgangsrechtssache vorlägen.

37

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof darf die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil Maatschap T. van Oosterom en A. van Oosterom-Boelhouwer, C‑485/12, EU:C:2014:250, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38

Die Vermutung der Entscheidungserheblichkeit kann nicht allein dadurch widerlegt werden, dass eine der Parteien des Ausgangsverfahrens bestimmte Tatsachen bestreitet, deren Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu überprüfen hat und die den Streitgegenstand bestimmen (Urteil Maatschap T. van Oosterom en A. van Oosterom-Boelhouwer, C‑485/12, EU:C:2014:250, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39

Im vorliegenden Fall ist die Frage, ob Polkomtel Vorschläge in Bezug auf die Grundsätze für die Abrechnung zwischen ihr und Orange Polska für die Dienste des Verbindungsaufbaus unterbreitet hat, dem tatsächlichen Rahmen zuzuordnen, den der Gerichtshof nicht zu prüfen hat.

40

Daher ist die dritte Frage als zulässig anzusehen.

Zur Beantwortung der Fragen

41

Mit seiner zweiten und seiner dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie in Verbindung mit Art. 28 der Universaldienstrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie es einer NRB erlauben, im Rahmen der Beilegung einer Streitigkeit zwischen zwei Betreibern einem von ihnen die Verpflichtung aufzuerlegen, für die Endnutzer den Zugang zu den Diensten sicherzustellen, die unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern im Netz des anderen erbracht werden, und auf der Grundlage von Art. 13 der Zugangsrichtlinie Grundsätze wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden für die Abrechnung zwischen diesen Betreibern für diesen Zugang festzulegen.

42

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass mit der Zugangsrichtlinie nach ihrem Art. 1 Abs. 1 und 2 auf der von der Rahmenrichtlinie geschaffenen Grundlage die Regulierung des Zugangs zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung durch die Mitgliedstaaten harmonisiert wird. Ziel der Zugangsrichtlinie ist es, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Binnenmarkts einen Rechtsrahmen für die Beziehungen zwischen Netzbetreibern und Diensteanbietern zu schaffen, der einen nachhaltigen Wettbewerb und die Interoperabilität der elektronischen Kommunikationsdienste gewährleistet und die Interessen der Verbraucher fördert. Diese Richtlinie definiert u. a. die den NRB zugewiesenen Ziele in Bezug auf den Zugang und die Zusammenschaltung.

43

Art. 5 der Zugangsrichtlinie betrifft die Befugnisse und Zuständigkeiten der NRB in Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung. Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor, dass die NRB gegebenenfalls entsprechend dieser Richtlinie bei ihren Maßnahmen zur Verwirklichung der in Art. 8 der Rahmenrichtlinie festgelegten Ziele einen angemessenen Zugang und eine geeignete Zusammenschaltung sowie die Interoperabilität der Dienste fördern und garantieren und dabei die Effizienz fördern, den Wettbewerb stimulieren und den Endnutzern größtmöglichen Nutzen bringen.

44

Der Gerichtshof hat insoweit bereits entschieden, dass die NRB nach dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zugangsrichtlinie die Aufgabe haben, einen angemessenen Zugang und eine geeignete Zusammenschaltung sowie die Interoperabilität der Dienste durch Maßnahmen zu garantieren, die nicht abschließend aufgezählt sind (vgl. zu dieser Richtlinie in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 [ABl. L 337, S. 37] geänderten Fassung Urteil KPN, C‑85/14, EU:C:2015:610, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45

In diesem Rahmen müssen die NRB nach Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Zugangsrichtlinie unbeschadet etwaiger Maßnahmen gemäß deren Art. 8 in Bezug auf Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht in der Lage sein, „Unternehmen, die den Zugang zu den Endnutzern kontrollieren“, allein zum Zweck der Gewährleistung des End-zu-End-Verbunds „Verpflichtungen auf[zu]erlegen, wozu in begründeten Fällen auch die Verpflichtung gehören kann, ihre Netze zusammenzuschalten“ (vgl. zu dieser Richtlinie in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung Urteil KPN, C‑85/14, EU:C:2015:610, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46

In Art. 5 Abs. 4 der Zugangsrichtlinie heißt es sodann, dass sich die NRB, wenn sie auf Ersuchen der beteiligten Parteien tätig werden, um die Beachtung der in Art. 8 der Rahmenrichtlinie aufgezählten Ziele zu gewährleisten, an die Bestimmungen der Zugangsrichtlinie und an die u. a. in den Art. 6, 7 und 20 der Rahmenrichtlinie genannten Verfahren halten müssen.

47

Darüber hinaus streben die NRB gemäß Art. 20 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie bei der Durchführung des in diesem Artikel vorgesehenen Verfahrens zur Beilegung einer Streitigkeit zwischen Unternehmen die Verwirklichung der in Art. 8 der Rahmenrichtlinie genannten Ziele an, wobei dieser Artikel in seinem Abs. 3 Buchst. b vorsieht, dass die NRB zur Entwicklung des Binnenmarkts beitragen, indem sie u. a. die Interoperabilität europaweiter Dienste sowie die durchgehende Konnektivität fördern.

48

Somit erlauben es diese Bestimmungen der Rahmenrichtlinie und der Zugangsrichtlinie den NRB, im Rahmen einer Streitigkeit zwischen Betreibern Maßnahmen zu treffen, um einen angemessenen Zugang und eine geeignete Zusammenschaltung sowie die Interoperabilität der Dienste zu garantieren, beispielsweise eine Entscheidung, die einem Betreiber die Pflicht auferlegt, für die Endnutzer den Zugang zu den Diensten sicherzustellen, die unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern im Netz eines anderen Betreibers erbracht werden.

49

Was die Frage betrifft, ob solche Maßnahmen, wenn sie gemäß Art. 28 der Universaldienstrichtlinie erlassen werden, Tarifverpflichtungen enthalten können, ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie sicherstellen müssen, dass die NRB befugt sind, die in Art. 9 bis 13 dieser Richtlinie genannten Verpflichtungen – u. a. die mit der Preiskontrolle zusammenhängenden Verpflichtungen gemäß Art. 13 der Zugangsrichtlinie – aufzuerlegen. Nach Art. 8 Abs. 2 der Zugangsrichtlinie erlegen die NRB einem Betreiber, wenn er aufgrund einer Marktanalyse nach Art. 16 der Rahmenrichtlinie als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuft wird, die genannten Verpflichtungen auf (vgl. zur Universaldienstrichtlinie in der durch die Richtlinie 2009/136 geänderten Fassung sowie zur Rahmenrichtlinie und zur Zugangsrichtlinie in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung Urteil KPN, C‑85/14, EU:C:2015:610, Rn. 40).

50

Gemäß Art. 8 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie dürfen die NRB – unbeschadet bestimmter Vorschriften, darunter auch Art. 28 der Universaldienstrichtlinie, die Verpflichtungen für Unternehmen enthalten, mit Ausnahme jener, die als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft sind – die Verpflichtungen in Bezug auf die Preiskontrolle, die u. a. in Art. 13 der Zugangsrichtlinie vorgesehen sind, nur Betreibern auferlegen, die gemäß Art. 8 Abs. 2 dieser Richtlinie als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurden (vgl. zur Zugangsrichtlinie in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung und zur Universaldienstrichtlinie in der durch die Richtlinie 2009/136 geänderten Fassung Urteil KPN, C‑85/14, EU:C:2015:610, Rn. 41).

51

Folglich ist Art. 8 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie dahin auszulegen, dass die NRB Betreibern, die über keine beträchtliche Marktmacht auf einem bestimmten Markt verfügen, keine mit der Preiskontrolle zusammenhängenden Verpflichtungen wie die, um die es in Art. 13 der Zugangsrichtlinie geht, auferlegen können, außer im Rahmen bestimmter Vorschriften und insbesondere des Art. 28 der Universaldienstrichtlinie. Somit verbietet es Art. 8 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie nicht, dass einem Betreiber, der über keine beträchtliche Marktmacht auf einem bestimmten Markt verfügt, im Rahmen der Anwendung von Art. 28 der Universaldienstrichtlinie mit der Preiskontrolle zusammenhängende Verpflichtungen wie die, um die es in Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie geht, auferlegt werden, sofern die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 28 der Universaldienstrichtlinie erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne zur Zugangsrichtlinie in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung und zur Universaldienstrichtlinie in der durch die Richtlinie 2009/136 geänderten Fassung Urteil KPN, C‑85/14, EU:C:2015:610, Rn. 42).

52

Demzufolge dürfen die NRB einem Betreiber, der über keine beträchtliche Marktmacht verfügt, aber den Zugang zu den Endnutzern kontrolliert, aufgrund von Art. 28 der Universaldienstrichtlinie Tarifverpflichtungen wie die, um die es in Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie geht, auferlegen, wenn solche Verpflichtungen erforderliche und verhältnismäßige Maßnahmen darstellen, um sicherzustellen, dass die Endnutzer in der Lage sind, Dienste unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern in der Union zu erreichen (vgl. zur Zugangsrichtlinie in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung und zur Universaldienstrichtlinie in der durch die Richtlinie 2009/136 geänderten Fassung Urteil KPN, C‑85/14, EU:C:2015:610, Rn. 43).

53

Somit können die NRB im Rahmen einer Streitigkeit zwischen Betreibern u. a. Tarifverpflichtungen auferlegen, etwa Grundsätze für die Abrechnung zwischen diesen Betreibern für den Zugang der Endnutzer zu Diensten, die unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern im Netz eines von ihnen erbracht werden, wenn solche Verpflichtungen erforderlich und verhältnismäßig sind, was das nationale Gericht zu prüfen hat.

54

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass Art. 5 Abs. 1 und 3 und Art. 8 Abs. 4 der Zugangsrichtlinie die Voraussetzungen vorsehen, die die von den NRB den Betreibern elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste gemäß Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 dieser Richtlinie auferlegten Verpflichtungen erfüllen müssen (vgl. zu dieser Richtlinie in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung Urteil KPN, C‑85/14, EU:C:2015:610, Rn. 45).

55

Insbesondere sieht Art. 5 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie vor, dass die u. a. gemäß Abs. 1 dieser Vorschrift auferlegten Verpflichtungen und Bedingungen objektiv, transparent und verhältnismäßig sein müssen und nicht diskriminierend sein dürfen und dass für ihre Anwendung die Verfahren der Art. 6 und 7 der Rahmenrichtlinie gelten (vgl. zur Zugangsrichtlinie und zur Rahmenrichtlinie in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung Urteil KPN, C‑85/14, EU:C:2015:610, Rn. 46).

56

Nach Art. 8 Abs. 4 der Zugangsrichtlinie müssen die nach diesem Artikel auferlegten Verpflichtungen der Art des aufgetretenen Problems entsprechen und im Hinblick auf die Ziele des Art. 8 der Rahmenrichtlinie angemessen und gerechtfertigt sein und dürfen nur nach der Anhörung gemäß den Art. 6 und 7 der Rahmenrichtlinie auferlegt werden (vgl. zur Zugangsrichtlinie und zur Rahmenrichtlinie in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung Urteil KPN, C‑85/14, EU:C:2015:610, Rn. 47).

57

Aus dem Vorstehenden folgt, dass eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die gemäß Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie in Verbindung mit Art. 28 der Universaldienstrichtlinie erlassen wurde, um für die Endnutzer eines Betreibers den Zugang zu Diensten sicherzustellen, die unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern im Netz eines anderen Betreibers erbracht werden, auch die in den Rn. 52, 55 und 56 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen erfüllen muss.

58

Soweit sich das vorlegende Gerichts die Frage stellt, ob eine mit einer Streitigkeit zwischen Betreibern befasste NRB Abrechnungsgrundsätze unter Zugrundelegung der für einen der Betreiber auf der Grundlage der Kosten festgelegten Tarife für die Anrufzustellung bestimmen kann, ist festzustellen, dass Art. 13 der Zugangsrichtlinie solche Grundsätze nicht regelt. Daher obliegt es den NRB, solche Grundsätze festzulegen, wobei sie dafür sorgen müssen, dass diese die in Art. 8 Abs. 4 dieser Richtlinie genannten Voraussetzungen erfüllen.

59

Soweit sich das vorlegende Gericht auch im Hinblick auf die in Art. 16 der Charta garantierte unternehmerische Freiheit fragt, ob eine NRB eine Entscheidung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende erlassen kann, die einen Vertrag zwischen den betreffenden Betreibern ersetzen würde, ist festzustellen, dass die Charta, die am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten ist, in zeitlicher Hinsicht nicht auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Situation Anwendung findet, da die Entscheidung des Präsidenten des UKE am 6. Mai 2009 erlassen wurde.

60

Nach ständiger Rechtsprechung gehört die freie Berufsausübung jedoch – ebenso wie im Übrigen das Eigentumsrecht – zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts. Diese Grundsätze sind jedoch keine absoluten Vorrechte, sondern müssen im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Funktion gesehen werden. Folglich kann das Recht auf freie Berufsausübung ebenso wie die Ausübung des Eigentumsrechts Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Union entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antasten würde (vgl. in diesem Sinne Urteil Di Lenardo und Dilexport, C‑37/02 und C‑38/02, EU:C:2004:443, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61

Es steht indessen fest, dass die Entscheidung des Präsidenten des UKE vom 6. Mai 2009 auf der Grundlage eines nationalen Gesetzes erlassen wurde, mit dem u. a. die Universaldienstrichtlinie und die Zugangsrichtlinie umgesetzt wurden, und einem somit von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Ziel, nämlich dem Zugang der Endnutzer der Union zu Diensten, die geografisch nicht gebundene Nummern verwenden, entspricht. Daher wird mit dieser Entscheidung die unternehmerische Freiheit nicht verkannt, soweit, wie bereits in den Rn. 55 und 56 des vorliegenden Urteils dargelegt, die im Rahmen der Beilegung der Streitigkeit zwischen den betreffenden Betreibern auferlegten Verpflichtungen erforderlich und verhältnismäßig waren, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

62

Nach alledem ist auf die zweite und auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie in Verbindung mit Art. 28 der Universaldienstrichtlinie dahin auszulegen ist, dass sie es einer NRB erlauben, im Rahmen der Beilegung einer Streitigkeit zwischen zwei Betreibern einem von ihnen die Verpflichtung aufzuerlegen, für die Endnutzer den Zugang zu den Diensten sicherzustellen, die unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern im Netz des anderen erbracht werden, und auf der Grundlage von Art. 13 der Zugangsrichtlinie Grundsätze wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden für die Abrechnung zwischen diesen Betreibern für diesen Zugang festzulegen, soweit diese Verpflichtungen objektiv, transparent, verhältnismäßig und nicht diskriminierend sind und der Art des aufgetretenen Problems entsprechen und im Hinblick auf die Ziele des Art. 8 der Rahmenrichtlinie gerechtfertigt sind und gegebenenfalls die Verfahren gemäß den Art. 6 und 7 der Rahmenrichtlinie eingehalten worden sind, was das nationale Gericht zu prüfen hat.

Kosten

63

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 28 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (Universaldienstrichtlinie) ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat vorsehen kann, dass ein Betreiber eines öffentlichen elektronischen Kommunikationsnetzes dafür sorgen muss, dass der Zugang zu geografisch nicht gebundenen Nummern für alle Endnutzer seines Netzes in diesem Staat und nicht nur für diejenigen aus anderen Mitgliedstaaten sichergestellt ist.

 

2.

Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) in Verbindung mit Art. 28 der Richtlinie 2002/22 sind dahin auszulegen, dass sie es einer nationalen Regulierungsbehörde erlauben, im Rahmen der Beilegung einer Streitigkeit zwischen zwei Betreibern einem von ihnen die Verpflichtung aufzuerlegen, für die Endnutzer den Zugang zu den Diensten sicherzustellen, die unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern im Netz des anderen erbracht werden, und auf der Grundlage von Art. 13 der Richtlinie 2002/19 Grundsätze wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden für die Abrechnung zwischen diesen Betreibern für diesen Zugang festzulegen, soweit diese Verpflichtungen objektiv, transparent, verhältnismäßig und nicht diskriminierend sind und der Art des aufgetretenen Problems entsprechen und im Hinblick auf die Ziele des Art. 8 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) gerechtfertigt sind und gegebenenfalls die Verfahren gemäß den Art. 6 und 7 dieser Richtlinie eingehalten worden sind, was das nationale Gericht zu prüfen hat.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Polnisch.