Rechtssache C-388/14

Timac Agro Deutschland GmbH

gegen

Finanzamt Sankt Augustin

(Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Köln)

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Steuerrecht — Körperschaftsteuer — Niederlassungsfreiheit — Gebietsfremde Betriebsstätte — Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Steuerbefreiung der Einkünfte der gebietsfremden Betriebsstätte — Berücksichtigung der Verluste einer solchen Betriebsstätte — Hinzurechnung der zuvor abgezogenen Verluste im Fall der Veräußerung der gebietsfremden Betriebsstätte — Endgültige Verluste“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 17. Dezember 2015

  1. Niederlassungsfreiheit — Steuerrecht — Körperschaftsteuer — Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, das die Einkünfte einer Betriebsstätte, die in einem anderen Mitgliedstaat belegen ist als die des Sitzes der Gesellschaft, zu der diese Betriebsstätte gehört, von der Besteuerung freistellt — Nationale Regelung, die dieser gebietsansässigen Gesellschaft die Berücksichtigung der Verluste der Betriebsstätte ermöglicht — Hinzurechnung der zuvor abgezogenen Verluste im Fall der Veräußerung der Betriebsstätte an eine zum gleichen Konzern gehörende gebietsfremde Gesellschaft — Zulässigkeit — Grenzen — Abzug endgültiger Verluste

    (Art. 49 AEUV)

  2. Niederlassungsfreiheit — Steuerrecht — Körperschaftsteuer — Berücksichtigung der Verluste einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen gebietsfremden Betriebsstätte durch eine gebietsansässige Gesellschaft — Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, das dem anderen Mitgliedstaat die ausschließliche Befugnis zur Besteuerung der Ergebnisse dieser Betriebsstätte zuweist — Nationale Regelung, die eine solche Berücksichtigung in dem Fall ausschließt, dass die betreffende Betriebsstätte in dem Staat, dem die ausschließliche Besteuerungsbefugnis zusteht, veräußert wird — Situation, die nicht mit der einer Betriebsstätte vergleichbar ist, die in dem Staat des Sitzes der gebietsansässigen Gesellschaft belegen ist

    (Art. 49 AEUV)

  1.  Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, wonach, wenn eine gebietsansässige Gesellschaft eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte an eine gebietsfremde, zum gleichen Konzern wie die veräußernde Gesellschaft gehörende Gesellschaft veräußert, die zuvor abgezogenen Verluste der veräußerten Betriebsstätte dem steuerlichen Ergebnis der veräußernden Gesellschaft wieder hinzugerechnet werden, sofern die Einkünfte einer solchen Betriebsstätte aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Mitgliedstaat des Sitzes der Gesellschaft, zu der diese Betriebsstätte gehörte, von der Steuer befreit sind.

    Sofern jedoch die veräußernde gebietsansässige Gesellschaft nachweist, dass die hinzugerechneten Verluste endgültige Verluste im Sinne des Urteils Marks & Spencer (C‑446/03) sind, verstößt es gegen Art. 49 AEUV, wenn es dieser Gesellschaft verwehrt wird, im Mitgliedstaat ihres Sitzes von ihrem steuerpflichtigen Gewinn die Verluste einer gebietsfremden Betriebsstätte abzuziehen.

    (vgl. Rn. 53, 58, Tenor 1)

  2.  Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die einer gebietsansässigen Gesellschaft im Fall der Veräußerung einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte an eine gebietsfremde, zum gleichen Konzern wie die veräußernde Gesellschaft gehörende Gesellschaft die Möglichkeit verwehrt, die Verluste der veräußerten Betriebsstätte in die Bemessungsgrundlage der Steuer einzubeziehen, sofern aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die ausschließliche Befugnis zur Besteuerung der Ergebnisse dieser Betriebsstätte dem Mitgliedstaat zusteht, in dem sie belegen ist.

    Wenn nämlich der Mitgliedstaat, in dem die betreffende Gesellschaft ansässig ist, über die Ergebnisse einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte keine Steuerhoheit ausübt, ist die Situation einer solchen Betriebsstätte in Bezug auf Maßnahmen des erstgenannten Mitgliedstaats zur Vermeidung oder Abschwächung einer Doppelbesteuerung der Gewinne einer gebietsansässigen Gesellschaft nicht mit der Situation einer im erstgenannten Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte vergleichbar.

    (vgl. Rn. 65, 66, Tenor 2)