URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)
6. Oktober 2015 ( * )
„Vorlage zur Vorabentscheidung — Freier Warenverkehr — Maßnahmen gleicher Wirkung — Waren, die sich in Deutschland im freien Verkehr befinden — Waren, die in Rumänien Genehmigungskontrollen unterliegen — Übereinstimmungsbescheinigung, die von einem Vertreiber aus einem anderen Mitgliedstaat zur Verfügung gestellt wird — Bescheinigung, die als unzureichend angesehen wird, um die freie Vermarktung dieser Waren zu ermöglichen — Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung — Teilweise Unzulässigkeit“
In der Rechtssache C‑354/14
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Cluj (Landgericht Cluj, Rumänien) mit Entscheidung vom 18. Juni 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Juli 2014, in dem Verfahren
SC Capoda Import-Export SRL
gegen
Registrul Auto Român,
Benone-Nicolae Bejan
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter) sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça und C. Lycourgos,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
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der SC Capoda Import-Export SRL, vertreten durch C. Costaş, avocat, |
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von Herrn Bejan, der sich selbst vertritt, |
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der rumänischen Regierung, vertreten durch R.‑H. Radu und A. Buzoianu als Bevollmächtigte, |
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der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Nicolae, K. Talabér-Ritz und G. Wilms als Bevollmächtigte, |
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 |
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 34 AEUV, Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 263, S. 1) und Art. 1 Abs. 1 Buchst. t und u der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 der Kommission vom 31. Juli 2002 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor (ABl. L 203, S. 30). |
2 |
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SC Capoda Import-Export SRL (im Folgenden: Capoda) einerseits und dem Registru Auto Român (Rumänisches Autoregister, im Folgenden: RAR) und Herrn Bejan andererseits wegen der Vermarktung fabrikneuer Ersatzteile für Kraftfahrzeuge durch Capoda. |
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2007/46
3 |
In den Erwägungsgründen 14 und 15 der Richtlinie 2007/46 heißt es:
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4 |
Art. 1 dieser Richtlinie sieht vor: „Diese Richtlinie schafft einen harmonisierten Rahmen mit den Verwaltungsvorschriften und allgemeinen technischen Anforderungen für die Genehmigung aller in ihren Geltungsbereich fallenden Neufahrzeuge und der zur Verwendung in diesen Fahrzeugen bestimmten Systeme, Bauteile und selbstständigen technischen Einheiten; damit sollen ihre Zulassung, ihr Verkauf und ihre Inbetriebnahme in der Gemeinschaft erleichtert werden. Diese Richtlinie enthält außerdem die Vorschriften für den Verkauf und die Inbetriebnahme von Teilen und Ausrüstungen für Fahrzeuge, die nach dieser Richtlinie genehmigt wurden. …“ |
5 |
Nach Art. 3 Nr. 26 dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Originalteil oder ‑ausrüstung“„ein Teil oder eine Ausrüstung, das/die nach den Spezifikationen und Produktionsnormen gefertigt wird, die der Fahrzeughersteller für die Fertigung von Teilen oder Ausrüstungen für den Bau des betreffenden Fahrzeugs vorschreibt. Hierzu gehören Teile oder Ausrüstungen, die auf derselben Fertigungsstraße gefertigt wurden wie die Teile oder Ausrüstungen für den Bau des Fahrzeugs. Bis zum Nachweis des Gegenteils ist davon auszugehen, dass Teile Originalteile sind, wenn der Hersteller bescheinigt, dass die Teile die gleiche Qualität aufweisen wie die für den Bau des betreffenden Fahrzeugs verwendeten Bauteile und nach den Spezifikationen und Produktionsnormen des Fahrzeugherstellers gefertigt wurden“. |
6 |
In Art. 31 („Verkauf und Inbetriebnahme von Teilen oder Ausrüstungen, von denen ein erhebliches Risiko für das einwandfreie Funktionieren wesentlicher Systeme ausgehen kann“) der Richtlinie 2007/46 heißt es: „(1) Die Mitgliedstaaten erlauben den Verkauf, das Anbieten zum Verkauf oder die Inbetriebnahme von Teilen oder Ausrüstungen, von denen ein erhebliches Risiko für das einwandfreie Funktionieren von Systemen ausgehen kann, die für die Sicherheit des Fahrzeugs oder für seine Umweltwerte von wesentlicher Bedeutung sind, nur dann, wenn für diese Teile oder Ausrüstungen von einer Genehmigungsbehörde eine Autorisierung gemäß den Absätzen 5 bis 10 erteilt wurde. (2) Teile oder Ausrüstungen, die einer Autorisierung gemäß Absatz 1 unterliegen, werden in die in Anhang XIII zu erstellende Liste aufgenommen … … (11) Dieser Artikel findet auf ein Teil oder eine Ausrüstung erst Anwendung, wenn das betreffende Teil oder die betreffende Ausrüstung in Anhang XIII aufgelistet ist … (12) Solange keine Entscheidung darüber getroffen wurde, ob ein Teil oder eine Ausrüstung in die in Absatz 1 genannte Liste aufzunehmen ist, können die Mitgliedstaaten nationale Vorschriften über Teile oder Ausrüstungen beibehalten, von denen ein erhebliches Risiko für das einwandfreie Funktionieren von Systemen, die für die Sicherheit des Fahrzeugs oder seine Umweltwerte von wesentlicher Bedeutung sind, ausgehen kann. Sobald eine entsprechende Entscheidung getroffen wurde, verlieren die nationalen Vorschriften über die betreffenden Teile oder Ausrüstungen ihre Gültigkeit. …“ |
Verordnung Nr. 1400/2002
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Art. 1 der Verordnung Nr. 1400/2002 sieht vor: „(1) Für die Anwendung dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen: …
…“ |
8 |
Art. 12 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1400/2002 lautet: „Diese Verordnung gilt bis zum 31. Mai 2010.“ |
Rumänisches Recht
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Art. 1 der Regierungsverordnung Nr. 80/2000 über die Genehmigung und Zertifizierung der in Straßenfahrzeugen verwendeten Produkte und Verbrauchsmaterialien und über die Bedingungen für deren Inverkehrbringen und Vermarktung in geänderter Fassung (im Folgenden: Regierungsverordnung Nr. 80/2000) bestimmt in seinen Abs. 1, 2, 4, 5 und 8: „(1) Neue Produkte und Verbrauchsmaterialien, die zur Verwendung in Straßenfahrzeugen bestimmt sind, dürfen nur in den Verkehr gebracht und/oder vermarktet werden, wenn sie die in der vorliegenden Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen. (2) Neue Produkte und Verbrauchsmaterialien der Kategorie, die die Straßenverkehrssicherheit, den Umweltschutz, die Energieeffizienz … betrifft, dürfen nur in den Verkehr gebracht und/oder vermarktet werden, wenn sie genehmigt oder gegebenenfalls zertifiziert sind. … (4) Die Genehmigung der in Abs. 2 genannten Produkte erfolgt durch den Autonomen Regiebetrieb [RAR], einer spezialisierten technischen Einrichtung, die dem Ministerium für Verkehr und Infrastruktur untersteht, … auf der Grundlage der Ergebnisse der Prüfungen, die vom RAR oder von den durch den RAR zugelassenen technischen Diensten durchgeführt werden. (5) Die Zertifizierung der in Abs. 2 genannten Produkte und Verbrauchsmaterialien erfolgt durch den RAR auf der Grundlage der Ergebnisse der Prüfungen, die vom RAR oder von den durch den RAR zugelassenen technischen Dienste durchgeführt werden. … (8) Die Bestimmungen der Abs. 4 und 5 gelten nicht
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10 |
In Art. 12 der Regierungsverordnung Nr. 80/2000 heißt es: „Für die Anwendung der vorliegenden Verordnung sind die folgenden Begriffe und Ausdrücke wie folgt zu verstehen: 1. Produkt – ein System, eine Ausrüstung, ein Teil, ein Bauteil oder eine technische Einheit, das/die bei der Herstellung eines Fahrzeugs, als Ersatz derjenigen, die an einem Fahrzeug vorhanden sind, oder für den Zusammenbau/die spätere Verwendung eines genehmigten Fahrzeugs verwendet wird. Dies kann Folgendes sein:
…“ |
11 |
Art. 4 Abs. 1 der Regierungsverordnung Nr. 80/2000 sieht vor: „Für das Inverkehrbringen und/oder die Vermarktung müssen den Produkten und Verbrauchsmaterialien die nach den geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Unterlagen beiliegen.“ |
12 |
Art. 6 der Regierungsverordnung Nr. 80/2000 bestimmt: „Folgendes stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und wird wie folgt geahndet:
…“ |
13 |
Der Anhang des Erlasses Nr. 2135 vom 8. Dezember 2005 des Ministeriums für Verkehr, Bauwesen und Tourismus zur Genehmigung der Rechtsvorschriften über die Genehmigung und Zertifizierung der in Straßenfahrzeugen verwendeten Produkte und Verbrauchsmaterialien sowie über die Bedingungen für ihr Inverkehrbringen enthält ein Kapitel II mit der Überschrift „Methode und Voraussetzungen für die Zertifizierung oder Genehmigung von in Straßenfahrzeugen verwendeten Produkten“. In diesem Kapitel ist Nr. 2.1 enthalten, die Folgendes vorsieht: „Im Inland gefertigte oder eingeführte Produkte, die in der Liste in Kapitel V aufgeführt sind, dürfen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie vom RAR zertifiziert oder genehmigt worden sind. Die Zertifizierung oder Genehmigung wird von den Herstellern, ihren Vertretern, den Einführern oder den Vertreibern beantragt …“ |
14 |
Kapitel V dieses Anhangs enthält eine Liste der Produkte und Verbrauchsmaterialien, die nur in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie vom RAR zertifiziert oder genehmigt worden sind. In dieser Liste sind die in Straßenfahrzeugen verwendeten Teile aufgeführt, die die Verkehrssicherheit, den Umweltschutz, die Energieeffizienz und den Schutz vor Diebstählen betreffen. In Kapitel V sind die Nrn. 5.1.3 und 5.3.2 enthalten, die hierzu Kraftstofffilter bzw. Wasserpumpen zählen. |
Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen
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Die Gesellschaft Capoda mit Sitz in Rumänien vermarktet in diesem Mitgliedstaat Produkte und Ersatzteile, durch die die Reparatur, die Unterhaltung und das Funktionieren von Fahrzeugen ermöglicht werden und die sie von Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten erwirbt. |
16 |
Nach der Vorlageentscheidung stellte der RAR infolge einer am 21. Juni 2011 durchgeführten Kontrolle fest, dass Capoda in Rumänien Wasserpumpen und Kraftstofffilter für Straßenfahrzeuge vermarktete, die in die Kategorie der Teile fielen, die die Verkehrssicherheit und den Umweltschutz betreffen, ohne dass diese Produkte gemäß den nationalen Rechtsvorschriften zertifiziert oder genehmigt worden wären. Daher verhängte der RAR mit einem Bescheid über die Feststellung und Ahndung dieser Ordnungswidrigkeit vom 28. Juni 2011 (im Folgenden: Bußgeldbescheid) gegen Capoda eine Geldbuße in Höhe von 2000 RON (ca. 454 Euro). |
17 |
Capoda machte geltend, dass sie diese Produkte von Gesellschaften mit Sitz in Deutschland erworben habe und diese mit Bescheinigungen versehen gewesen seien, wonach es sich um Originalersatzteile oder qualitativ gleichwertige Ersatzteile im Sinne von Art. 1 der Verordnung Nr. 1400/2002 handele, die in anderen Mitgliedstaaten in den freien Verkehr gebracht worden seien. Diese Dokumente würden zudem bescheinigen, dass die fraglichen Produkte in denselben Produktionsanlagen wie die Originalausstattung hergestellt worden seien und von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, in denen sie hergestellt worden seien, genehmigt worden seien. Unter diesen Umständen ging Capoda aufgrund des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung davon aus, dass diese Produkte von der im rumänischen Recht vorgesehenen Pflicht zur Zertifizierung oder Genehmigung ausgenommen sein müssten. |
18 |
Capoda erhob bei der Judecătorie Cluj-Napoca (Amtsgericht Cluj-Napoca, Rumänien) Klage auf Nichtigerklärung des Bußgeldbescheids vom 28. Juni 2011. Mit Urteil aus dem Jahr 2012 gab dieses Gericht der Klage statt, wobei es die Ansicht vertrat, dass die streitigen Produkte, obwohl sie sich in die Kategorie der Teile einreihten, für die das rumänische Recht ein Genehmigungs‑ oder Zertifizierungsverfahren vorschreibe, nach der in Art. 1 Abs. 1 Buchst. t und u der Verordnung Nr. 1400/2002 enthaltenen Definition der „Originalersatzteile“ und der „[q]ualitativ gleichwertige[n] Ersatzteile“ Originalprodukten im Sinne von Art. 12 Ziff. 1.1 der Regierungsverordnung Nr. 80/2000 gleichgestellt werden könnten. Folglich entschied dieses Gericht, dass diese Teile gemäß Art. 1 Abs. 8 dieser Verordnung vom Genehmigungs‑ oder Zertifizierungsverfahren ausgenommen sein müssten. |
19 |
Auf das Rechtsmittel, das der RAR und der Beliehene, der den Bußgeldbescheid vom 28. Juni 2011 ausgestellt hatte, Herr Bejan, gegen dieses Urteil einlegten, änderte das Tribunal Cluj (Landgericht Cluj) das Urteil ab und hielt die Gültigkeit des Bußgeldbescheids aufrecht, wobei es davon ausging, dass mit den von Capoda vorgelegten Dokumenten weder die Genehmigung der streitigen Teile durch den RAR noch ihre Originalqualität nachgewiesen worden sei, da es sich um Dokumente handele, die von Vertreibern und nicht von den Herstellern ausgestellt worden seien. |
20 |
Am 26. Oktober 2013 hat Capoda beim Tribunal Cluj (Landgericht Cluj) einen Wiederaufnahmeantrag gestellt. Darin macht sie insbesondere geltend, dass die Anwendung eines Genehmigungs‑ oder Zertifizierungsverfahrens auf die streitigen Teile gegen den freien Warenverkehr verstoße. |
21 |
Unter diesen Voraussetzungen hat das Tribunal Cluj (Landgericht Cluj) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
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Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen
22 |
Die rumänische Regierung hat eingewandt, die Vorlagefragen betreffend die Auslegung von Art. 34 AEUV und Art. 1 Abs. 1 Buchst. t und u der Verordnung Nr. 1400/2002 seien unzulässig. Zum einen werde mit der Richtlinie 2007/46 der von ihr geregelte Bereich vollständig harmonisiert, weshalb der Rückgriff auf das Primärrecht nicht mehr möglich sei. Zum anderen sei die Verordnung Nr. 1400/2002 zum Zeitpunkt der Prüfung durch den RAR nicht mehr in Kraft gewesen und enthielten die neuen unionsrechtlichen Bestimmungen nicht mehr die Definitionen, um deren Auslegung das vorlegende Gericht ersuche. |
23 |
In dieser Hinsicht ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung das mit Art. 267 AEUV eingerichtete Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits benötigen (vgl. u. a. Urteil Klarenberg, C‑466/07, EU:C:2009:85, Rn. 25). |
24 |
Im Rahmen dieser Zusammenarbeit ist es allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Betreffen daher die vorgelegten Fragen die Auslegung des Unionsrechts, so ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (vgl. u. a. Urteil Klarenberg, C‑466/07, EU:C:2009:85, Rn. 26). |
25 |
Hieraus folgt, dass eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen eines nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Die Zurückweisung des Ersuchens eines nationalen Gerichts ist dem Gerichtshof nur möglich, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. u. a. Urteil Klarenberg, C‑466/07, EU:C:2009:85, Rn. 27). |
26 |
Im vorliegenden Fall kann nicht angenommen werden, dass offensichtlich kein Zusammenhang zwischen Art. 34 AEUV und den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens besteht. Außerdem stellt die Frage, ob sich eine Auslegung dieses Artikels verbiete, weil mit der Richtlinie 2007/46 eine vollständige Harmonisierung vorgenommen worden sei, keinen Unzulässigkeitsgrund dar und ist im Rahmen der Beantwortung der Vorlagefragen zu beurteilen. Folglich kann der von der rumänischen Regierung im Hinblick auf Art. 34 AEUV erhobenen Unzulässigkeitseinrede nicht stattgegeben werden. |
27 |
Demgegenüber galt die Verordnung Nr. 1400/2002 nach ihrem Art. 12 bis zum 31. Mai 2010. Da der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Bußgeldbescheid am 28. Juni 2011 erlassen wurde, ist diese Verordnung auf den Ausgangsrechtsstreit nicht anwendbar. Zudem waren die Definitionen der Originalersatzteile und der qualitativ gleichwertigen Ersatzteile in Art. 1 Abs. 1 Buchst. t und u der Verordnung, jedenfalls nur im Rahmen dieser Verordnung anwendbar, die lediglich die Anwendung des früheren Art. 81 Abs. 3 des Vertrags auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor betraf. |
28 |
Folglich sind die Vorlagefragen unzulässig, soweit sie diese Verordnung betreffen. |
29 |
Die rumänische Regierung vertritt zudem die Auffassung, dass Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46 klar sei und vernünftigerweise keinen Raum für Zweifel lasse, die einen Antrag auf Auslegung rechtfertigten. Da ein solches Argument keinen Grund für die Unzulässigkeit einer Vorlagefrage darstellt, ist es zurückzuweisen. |
30 |
Nach alledem ist festzustellen, dass die Vorlagefragen unzulässig sind, soweit sie die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 Buchst. t und u der Verordnung Nr. 1400/2002 betreffen. |
Zu den Vorlagefragen
31 |
Mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 34 AEUV und Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der des Ausgangsverfahrens entgegenstehen, die die Vermarktung fabrikneuer Ersatzteile für Straßenfahrzeuge – im vorliegenden Fall Wasserpumpen und Kraftstofffilter – in einem Mitgliedstaat von der Durchführung eines Genehmigungs‑ oder Zertifizierungsverfahrens in diesem Mitgliedstaat abhängig macht, sofern nicht mittels einer Bescheinigung über die Genehmigung oder Zertifizierung nachgewiesen wird, dass diese Produkte bereits in einem anderen Mitgliedstaat einem solchen Verfahren unterzogen worden sind oder es sich um Originalersatzteile oder qualitativ gleichwertige Ersatzteile im Sinne dieser Regelung handelt, wobei ein hierfür vom Vertreiber ausgestelltes Dokument jedoch nicht als ausreichend angesehen wird. |
32 |
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2007/46 ihrem Art. 1 zufolge nicht nur einen harmonisierten Rahmen mit den Verwaltungsvorschriften und allgemeinen technischen Anforderungen für die Genehmigung aller in ihren Geltungsbereich fallenden Neufahrzeuge und der zur Verwendung in diesen Fahrzeugen bestimmten Systeme, Bauteile und selbständigen technischen Einheiten schafft, womit ihre Zulassung, ihr Verkauf und ihre Inbetriebnahme in der Union erleichtert werden sollen, sondern auch die Vorschriften für den Verkauf und die Inbetriebnahme von Teilen und Ausrüstungen für Fahrzeuge enthält, die nach dieser Richtlinie genehmigt wurden. |
33 |
Aus der dem Gerichtshof übermittelten Akte scheint hervorzugehen, dass das Ausgangsverfahren in die zweite Gruppe von Bestimmungen fällt, was jedoch das vorlegende Gericht zu überprüfen hat. |
34 |
In diesem Zusammenhang bestimmt Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46, dass die Mitgliedstaaten den Verkauf, das Anbieten zum Verkauf oder die Inbetriebnahme von Teilen oder Ausrüstungen, von denen ein erhebliches Risiko für das einwandfreie Funktionieren von Systemen ausgehen kann, die für die Sicherheit des Fahrzeugs oder für seine Umweltwerte von wesentlicher Bedeutung sind, nur dann erlauben, wenn für diese Teile oder Ausrüstungen von einer Genehmigungsbehörde eine Autorisierung gemäß den Abs. 5 bis 10 dieses Artikels erteilt wurde. |
35 |
Die Teile oder Ausrüstungen, die einer Autorisierung gemäß Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46 unterliegen, müssen allerdings – wie aus ihrem Art. 31 Abs. 2 und 11 hervorgeht – in die in ihrem Anhang XIII zu erstellende Liste aufgenommen werden. Wie die Kommission anmerkt, hat sie aber im Rahmen dieses Anhangs keine Liste erlassen. |
36 |
In diesem Fall ist entsprechend dem Vorbringen der rumänischen Regierung und der Kommission auf Art. 31 Abs. 12 der Richtlinie Bezug zu nehmen, wonach die Mitgliedstaaten, solange die Kommission keine Entscheidung darüber getroffen hat, ob ein Teil oder eine Ausrüstung in die in Anhang XIII der Richtlinie zu erstellende Liste aufzunehmen ist, nationale Vorschriften über Teile oder Ausrüstungen, von denen ein erhebliches Risiko für das einwandfreie Funktionieren von Systemen, die für die Sicherheit des Fahrzeugs oder seine Umweltwerte von wesentlicher Bedeutung sind, ausgehen kann, beibehalten können, wobei diese nationalen Vorschriften jedoch ihre Gültigkeit verlieren, sobald eine entsprechende Entscheidung getroffen wurde. |
37 |
Diese Bestimmung betrifft also den Verkauf und die Inbetriebnahme von Teilen oder Ausrüstungen, die nicht auf der in Anhang XIII der Richtlinie 2007/46 vorgesehenen Liste stehen und von denen darüber hinaus ein erhebliches Risiko für das einwandfreie Funktionieren von Systemen, die für die Sicherheit des Fahrzeugs, in dem sie eingebaut sind, oder für seine Umweltwerte von wesentlicher Bedeutung sind, ausgehen kann, was das vorlegende Gericht bezüglich der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Teile zu überprüfen hat. |
38 |
Sodann ist zu prüfen, ob das Recht des Mitgliedstaats in Bezug auf den Verkauf und die Inbetriebnahme dieser Teile, auf das Art. 31 Abs. 12 der Richtlinie verweist, mit dem Unionsrecht, insbesondere mit Art. 34 AEUV, im Einklang steht. |
39 |
Insoweit ist nach ständiger Rechtsprechung jede Maßnahme eines Mitgliedstaats, die geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne des Art. 34 AEUV anzusehen (vgl. u. a. Urteile Dassonville, 8/74, EU:C:1974:82, Rn. 5, und Juvelta, C‑481/12, EU:C:2014:11, Rn. 16). |
40 |
Daraus ergibt sich im Einzelnen, dass es möglich sein muss, in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellte und in den Verkehr gebrachte Waren selbst dann, wenn keine unionsrechtlichen Harmonisierungsmaßnahmen bestehen, in einem anderen Mitgliedstaat in den Verkehr zu bringen, ohne dass sie zusätzlichen Kontrollen unterworfen werden. Um gerechtfertigt zu sein, muss eine nationale Regelung, die solche Kontrollen vorschreibt, unter eine der in Art. 36 AEUV vorgesehenen Ausnahmen fallen oder einem in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannten zwingenden Erfordernis entsprechen; in beiden Fällen muss sie geeignet sein, die Verwirklichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. Urteile ATRAL, C‑14/02, EU:C:2003:265, Rn. 65, und Kommission/Portugal, C‑432/03, EU:C:2005:669, Rn. 42). |
41 |
Aus der dem Gerichtshof übermittelten Akte geht hervor, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung die Durchführung eines Verfahrens zur Genehmigung oder Zertifizierung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Produkte vorschreibt, was eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV darstellen kann, sofern diese Regelung nicht auch Ausnahmen vorsieht, durch die gewährleistet werden kann, dass die in den anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellten und vermarkteten Produkte von diesen Verfahren ausgenommen sind. |
42 |
Allerdings scheint aus der Akte auch hervorzugehen, dass Art. 1 Abs. 8 der Regierungsverordnung Nr. 80/2000 solche Ausnahmen vorsieht, was das vorlegende Gericht zu überprüfen hat. |
43 |
Sollte sich herausstellen, dass dem nicht so ist, dann obläge es den zuständigen nationalen Behörden, nachzuweisen, dass diese Behinderung unter Berücksichtigung der möglicherweise betroffenen Produkte durch die Ziele des Schutzes der Straßenverkehrssicherheit und des Umweltschutzes, die nach der Rechtsprechung zwingende Gründe des Allgemeininteresses, die eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung rechtfertigen können, darstellen, gerechtfertigt werden kann und im Hinblick auf diese Ziele nicht nur erforderlich, sondern auch verhältnismäßig ist (vgl. u. a. Urteil Kommission/Belgien, C‑150/11, EU:C:2012:539, Rn. 54 und 55). |
44 |
Zur Frage, ob das Unionsrecht dem entgegensteht, dass Dokumente wie die von Capoda vorgelegten nicht als ausreichender Nachweis dafür angesehen werden, dass Teile wie die des Ausgangsverfahrens bereits genehmigt oder zertifiziert sind oder es sich um Originalersatzteile bzw. qualitativ gleichwertige Ersatzteile im Sinne des nationalen Rechts handelt, die als solche vom Verfahren zur Genehmigung oder Zertifizierung durch den RAR ausgenommen sind, ist auszuführen, dass dann, wenn keine unionsrechtliche Regelung besteht, es vorbehaltlich der Grundsätze der Äquivalenz und Effektivität den Mitgliedstaaten obliegt, die in diesem Zusammenhang zulässigen Beweise zu bestimmen. |
45 |
Unter diesem Vorbehalt steht das Unionsrecht daher dem nicht entgegen, dass grundsätzlich nur Bescheinigungen des Herstellers, nicht dagegen des Vertreibers, als Nachweis dafür zugelassen werden, dass es sich um bereits genehmigte oder zertifizierte Teile oder um Originalersatzteile bzw. qualitativ gleichwertige Ersatzteile im Sinne des nationalen Rechts handelt. Im Übrigen ist nach Art. 3 Nr. 26 der Richtlinie 2007/46, in dem der Begriff „Originalteil oder ‑ausrüstung“ für die Zwecke dieser Richtlinie definiert ist, bis zum Nachweis des Gegenteils davon auszugehen, dass Teile Originalteile sind, wenn der Hersteller dies bescheinigt. |
46 |
Demnach ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 34 AEUV und Art. 31 Abs. 1 und 12 der Richtlinie 2007/46 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der des Ausgangsverfahrens, die die Vermarktung fabrikneuer Ersatzteile für Straßenfahrzeuge – im vorliegenden Fall Wasserpumpen und Kraftstofffilter – in einem Mitgliedstaat von der Durchführung eines Genehmigungs‑ oder Zertifizierungsverfahrens in diesem Mitgliedstaat abhängig macht, nicht entgegenstehen, soweit diese Regelung auch Ausnahmen vorsieht, durch die gewährleistet werden kann, dass die in den anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellten und vermarkteten Teile von diesem Verfahren ausgenommen sind, oder – mangels solcher Ausnahmen – von den fraglichen Teilen ein erhebliches Risiko für das einwandfreie Funktionieren von Systemen, die für die Sicherheit des Fahrzeugs oder für seine Umweltwerte von wesentlicher Bedeutung sind, ausgehen kann und dieses Genehmigungs‑ oder Zertifizierungsverfahren unbedingt erforderlich und verhältnismäßig ist, um die Ziele des Schutzes der Straßenverkehrssicherheit und des Umweltschutzes zu erreichen. Mangels einer unionsrechtlichen Regelung richten sich die Voraussetzungen für den Nachweis, dass solche Teile bereits genehmigt oder zertifiziert worden sind oder es sich um Originalteile bzw. qualitativ gleichwertige Teile handelt, vorbehaltlich der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität nach dem Recht der Mitgliedstaaten. |
Kosten
47 |
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt: |
Art. 34 AEUV und Art. 31 Abs. 1 und 12 der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der des Ausgangsverfahrens, die die Vermarktung fabrikneuer Ersatzteile für Straßenfahrzeuge – im vorliegenden Fall Wasserpumpen und Kraftstofffilter – in einem Mitgliedstaat von der Durchführung eines Genehmigungs‑ oder Zertifizierungsverfahrens in diesem Mitgliedstaat abhängig macht, nicht entgegenstehen, soweit diese Regelung auch Ausnahmen vorsieht, durch die gewährleistet werden kann, dass die in den anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellten und vermarkteten Teile von diesem Verfahren ausgenommen sind, oder – mangels solcher Ausnahmen – von den fraglichen Teilen ein erhebliches Risiko für das einwandfreie Funktionieren von Systemen, die für die Sicherheit des Fahrzeugs oder für seine Umweltwerte von wesentlicher Bedeutung sind, ausgehen kann und dieses Genehmigungs‑ oder Zertifizierungsverfahren unbedingt erforderlich und verhältnismäßig ist, um die Ziele des Schutzes der Straßenverkehrssicherheit und des Umweltschutzes zu erreichen. |
Mangels einer unionsrechtlichen Regelung richten sich die Voraussetzungen für den Nachweis, dass solche Teile bereits genehmigt oder zertifiziert worden sind oder es sich um Originalteile bzw. qualitativ gleichwertige Teile handelt, vorbehaltlich der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität nach dem Recht der Mitgliedstaaten. |
Unterschriften |
( * ) Verfahrenssprache: Rumänisch.