URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

16. April 2015 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Humanarzneimittel — Richtlinie 89/105/EWG — Art. 6 Nrn. 3 und 5 — Streichung von Arzneimitteln aus einer Liste der Arzneispezialitäten, die zusätzlich zu den Krankenhauspauschalen übernommen werden — Begründungspflicht“

In den verbundenen Rechtssachen C‑271/14 und C‑273/14

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d’État (Frankreich) mit Entscheidungen vom 14. Mai 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 4. und 5. Juni 2014, in den Verfahren

LFB Biomédicaments SA,

Association des déficitaires en Alpha 1 Antitrypsine (Association ADAAT Alpha 1-France) (C‑271/14),

Pierre Fabre Médicament SA (C‑273/14)

gegen

Ministre des Finances et des Comptes publics,

Ministre des Affaires sociales et de la Santé

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader und des Richters C. G. Fernlund (Berichterstatter),

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der LFB Biomédicaments SA, vertreten durch J. Robert, A. Regniault, E. Nigri und F. Thiriez, avocats,

der Pierre Fabre Médicament SA, vertreten durch C. Smits, avocat,

der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und R. Coesme als Bevollmächtigte,

der spanischen Regierung, vertreten durch L. Banciella Rodríguez-Miñón als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch O. Beynet und P. Mihaylova als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssachen zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 6 Nrn. 3 und 5 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme (ABl. 1989, L 40, S. 8).

2

Die Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der LFB Biomédicaments SA (im Folgenden: LFB) und der Association des déficitaires en Alpha 1 Antitrypsine (Association ADAAT Alpha 1‑France) bzw. der Pierre Fabre Médicament SA (im Folgenden: PFM) auf der einen und dem Ministre des Finances et des Comptes publics (Minister für Finanzen und Haushalt) sowie dem Ministre des Affaires sociales et de la Santé (Minister für soziale Angelegenheiten und Gesundheit) auf der anderen Seite wegen der Streichung von Arzneimitteln aus der Liste der Arzneispezialitäten, die von den gesetzlichen Krankenversicherungssystemen zusätzlich zu den im Rahmen von Aufenthalts- und Pflegepauschalen übernommenen Leistungen bei stationärer Behandlung übernommen werden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 89/105

3

Der fünfte Erwägungsgrund der Richtlinie 89/105 lautet:

„Ziel dieser Richtlinie ist es, einen Überblick über die einzelstaatlichen Vereinbarungen zur Preisfestsetzung zu erhalten, einschließlich ihres Funktionierens in bestimmten Fällen und aller ihnen zugrunde liegenden Kriterien, und sie allen Teilnehmern am Arzneimittelmarkt in den Mitgliedstaaten allgemein zugänglich zu machen. Diese Angaben sollten veröffentlicht werden.“

4

Nach dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 89/105 „[erweist sich a]ls erster Schritt … die Festlegung einer Reihe von Anforderungen als dringend notwendig, die darauf abzielen, sicherzustellen, dass alle Betroffenen überprüfen können, dass die einzelstaatlichen Maßnahmen keine mengenmäßigen Beschränkungen für die Ein- oder Ausfuhr oder Maßnahmen gleicher Wirkung darstellen.“

5

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle einzelstaatlichen Maßnahmen in Form von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zur Kontrolle der Preise von Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch oder zur Einschränkung der unter ihre staatlichen Krankenversicherungssysteme fallenden Arzneimittel die Anforderungen dieser Richtlinie erfüllen.“

6

Art. 6 der Richtlinie sieht vor:

„Ist ein Arzneimittel durch das staatliche Krankenversicherungssystem nur gedeckt, wenn die zuständigen Behörden beschlossen haben, das betreffende Arzneimittel in eine Positivliste der unter das staatliche Krankenversicherungssystem fallenden Arzneimittel aufzunehmen, so gilt Folgendes:

...

3.

Vor dem in Artikel 11 Absatz 1 genannten Zeitpunkt veröffentlichen die Mitgliedstaaten in einer geeigneten amtlichen Bekanntmachung die Kriterien, die die zuständigen Behörden bei ihrer Entscheidung, ein Arzneimittel in die Liste aufzunehmen oder nicht, zu beachten haben, und teilen sie der Kommission mit.

...

5.

Eine Entscheidung, ein Erzeugnis aus der Liste der unter das Krankenversicherungssystem fallenden Erzeugnisse zu streichen, muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Sie ist der zuständigen Person gegebenenfalls mit Angabe zugrunde liegender Stellungnahmen oder Empfehlungen von Sachverständigen sowie unter Belehrung über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen mitzuteilen.

...“

7

Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 89/105 lautet:

„Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie spätestens am 31. Dezember 1989 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.“

Französisches Recht

8

Art. L. 162-22-7 des Code de la sécurité sociale (Gesetz über die soziale Sicherheit) lautet in seiner auf die Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung:

„Der Staat legt die Liste der über eine Genehmigung für das Inverkehrbringen verfügenden Arzneispezialitäten, die an stationär aufgenommene Patienten in den in Art. L. 162‑22‑6 genannten Gesundheitseinrichtungen abgegeben werden und gegen Vorlage von Rechnungen von den gesetzlichen Krankenversicherungssystemen zusätzlich zu den in Ziff. 1 desselben Artikels genannten Leistungen bei stationärer Behandlung übernommen werden können, sowie die Bedingungen fest, unter denen bestimmte der in Art. L. 165‑1 genannten Erzeugnisse und Leistungen zusätzlich zu den genannten Leistungen bei stationärer Behandlung übernommen werden können.

Eine vollständige Erstattung des von den gesetzlichen Krankenversicherungssystemen übernommenen Teils erhalten die Einrichtungen, die dem vom Generaldirektor der regionalen Gesundheitsagentur und der Krankenversicherung gemeinsam geschlossenen Vertrag über den ordnungsgemäßen Einsatz der Arzneimittel, Erzeugnisse und Leistungen beigetreten sind, unter durch Dekret festgelegten Bedingungen.

Hält die beigetretene Einrichtung die Bestimmungen des Vertrags nicht ein, kann die Erstattung, nachdem der Einrichtung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde, unter Berücksichtigung der festgestellten Zuwiderhandlungen um bis zu 30 % des von der Krankenversicherung übernommenen Teils gekürzt werden.

Die Einrichtungen, die dem Vertrag über den ordnungsgemäßen Einsatz der Arzneimittel, Erzeugnisse und Leistungen nicht beigetreten sind, erhalten eine Erstattung in Höhe von 70 % des von den gesetzlichen Krankenversicherungssystemen übernommenen Teils.

Die Differenz zwischen dem erstattungsfähigen und dem erstatteten Betrag kann in keinem Fall den Patienten in Rechnung gestellt werden.

...“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

9

LFB und PFM vermarkten die Arzneimittel „Alfalastin“ bzw. „Javlor“.

10

Mit der Verordnung vom 21. Februar 2012 zur Änderung der Liste der Arzneispezialitäten, die zusätzlich zu den in Art. L. 162-22-7 des Code de la sécurité sociale genannten Leistungen bei stationärer Behandlung übernommen werden (JORF vom 28. Februar 2012, S. 3486, im Folgenden: Verordnung vom 21. Februar 2012), wurden diese Arzneimittel aus der betreffenden Liste gestrichen.

11

Mit Klageschriften, die am 13. bzw. 24. April 2012 beim Conseil d’État eingegangen sind, erhoben LFB und die Association des déficitaires en Alpha 1 Antitrypsine (Association ADAAT Alpha 1-France) jeweils Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung vom 21. Februar 2012, soweit mit ihr das Arzneimittel Alfalastin aus der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Liste gestrichen wurde. Mit Klageschrift, die am 1. Oktober 2012 beim Conseil d’État eingegangen ist, erhob PFM Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung, soweit mit ihr das Arzneimittel Javlor aus der Liste gestrichen wurde.

12

Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die Verordnung vom 21. Februar 2012 mit Art. 6 Nrn. 3 und 5 der Richtlinie 89/105 vereinbar ist. Es weist darauf hin, dass die Verordnung nicht zur Folge habe, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Arzneimittel aus der Liste der von der Krankenversicherung übernommenen Spezialitäten gestrichen würden. Diese Übernahme erfolge nunmehr im Rahmen von Aufenthalts- und Pflegepauschalen, die anhand einer Klassifikation homogener Patientengruppen erstellt würden, und nicht mehr gegen Vorlage von Rechnungen zusätzlich zu den Leistungen bei stationärer Behandlung.

13

Unter diesen Umständen hat der Conseil d’Etat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

In der Rechtssache C‑271/14:

Schreibt Art. 6 Nr. 5 der Richtlinie 89/105 die Begründung einer Entscheidung vor, mit der eine Spezialität aus der Liste der an in Gesundheitseinrichtungen stationär aufgenommene Patienten abgegebenen Arzneimittel gestrichen wird, die von den gesetzlichen Krankenversicherungssystemen zusätzlich zu den im Rahmen von Aufenthalts- und Pflegepauschalen, die je nach homogener Patientengruppe erstellt werden, übernommenen Leistungen bei stationärer Behandlung übernommen werden können?

In der Rechtssache C‑273/14:

Finden die Bestimmungen von Art. 6 Nrn. 3 und 5 der Richtlinie 89/105 Anwendung auf Entscheidungen über die Streichung einer Spezialität aus der Liste der an in Gesundheitseinrichtungen stationär aufgenommene Patienten abgegebenen Arzneimittel, die von den gesetzlichen Krankenversicherungssystemen zusätzlich zu den im Rahmen von Aufenthalts- und Pflegepauschalen, die je nach homogener Patientengruppe erstellt werden, übernommenen Leistungen bei stationärer Behandlung übernommen werden können?

14

Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 2. Juli 2014 sind die Rechtssachen C‑271/14 und C‑273/14 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

Zu den Vorlagefragen

15

Mit seinen Fragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 der Richtlinie 89/105 dahin auszulegen ist, dass die in den Nrn. 3 und 5 dieses Artikels vorgesehene Begründungspflicht auf eine Entscheidung anwendbar ist, mit der ein Arzneimittel aus einer Liste der Arzneimittel gestrichen wird, die zusätzlich zu den Krankenhauspauschalen übernommen werden.

16

LFB und PFM machen geltend, die in Art. 6 Nr. 5 der Richtlinie 89/105 vorgesehene Begründungspflicht betreffe sämtliche Regelungen zur Kostenübernahme für Arzneimittel durch das Krankenversicherungssystem. Der Gerichtshof habe in seiner Rechtsprechung den Grundsatz einer weiten Auslegung von Art. 6 dieser Richtlinie bereits anerkannt (Urteile Kommission/Österreich, C‑424/99, EU:C:2001:642, und Kommission/Finnland, C‑229/00, EU:C:2003:334). LFB und PFM betonen, dass die Verordnung vom 21. Februar 2012 zu einer Senkung der Höhe der Kostenübernahme und dementsprechend zu einer Verringerung der Nachfrage nach den aus der fraglichen Liste gestrichenen Arzneimitteln führe.

17

PFM argumentiert in Bezug auf die Auslegung von Art. 6 Nr. 3 der Richtlinie 89/105 ähnlich.

18

Die französische Regierung ist der Ansicht, dass der Anwendungsbereich von Art. 6 Nrn. 3 und 5 der Richtlinie 89/105 auf die Entscheidungen beschränkt sei, die zu einem Ausschluss der Kostenübernahme für ein Arzneimittel durch die Krankenversicherung führten. Die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Arzneimittel fielen jedoch weiterhin unter die Krankenversicherung, auch wenn sie aus der in Art. L. 162‑22‑7 Abs. 1 des Code de la sécurité sociale genannten Liste gestrichen seien. Daher falle eine Entscheidung wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6 Nrn. 3 und 5 der Richtlinie.

19

Die französische Regierung betont, dass die Streichung eines Arzneimittels aus der fraglichen Liste keine ungünstigen Folgen für Krankenhäuser habe. Die Wiederaufnahme eines Arzneimittels in die Krankenhauspauschale erfolge nämlich auf der Grundlage der durchschnittlichen Kosten der im Rahmen einer stationären Behandlung erbrachten Leistungen, wobei diese Kosten jährlich angepasst würden. Nach der Streichung eines Arzneimittels aus der Liste werde die Finanzmasse, die der Kostenübernahme gemäß der Liste durch die Krankenversicherung entsprochen habe, zu der Finanzmasse transferiert, die dem Tarif der „Gruppe mit homogenen Aufenthaltsmerkmalen“ entspreche, zu der dieses Arzneimittel gehöre. Infolgedessen wirke sich eine solche Streichung nicht auf die Behandlung der Patienten aus, und die sich daraus gegebenenfalls ergebende Kostenerhöhung für die Krankenhäuser führe nicht zu Mehrkosten für die Patienten.

20

Die französische Regierung macht außerdem geltend, dass die in Art. 6 Nr. 3 der Richtlinie 89/105 vorgesehene Veröffentlichung vor dem 31. Dezember 1989 hätte erfolgen sollen, zu diesem Zeitpunkt die in Art. L. 162‑22‑7 Abs. 1 des Code de la sécurité sociale genannte Liste aber noch nicht angenommen gewesen sei. Zudem lasse sich weder aus dem Wortlaut noch aus den Zielen der Richtlinie ableiten, dass sie von den französischen Behörden eine solche Mitteilung oder Veröffentlichung verlange.

21

Nach Ansicht der spanischen Regierung müsste, wenn davon auszugehen sei, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Arzneimittel durch die Verordnung vom 21. Februar 2012 aus der Liste der unter die Krankenversicherung fallenden Erzeugnisse gestrichen worden seien, daraus geschlossen werden, dass die Verordnung gemäß Art. 6 Nr. 5 der Richtlinie 89/105 habe begründet werden müssen. Die französische Regierung sei hinsichtlich dieser Arzneimittel dem Begründungserfordernis jedoch nachgekommen, auch wenn die genannte Verordnung bezüglich Javlor nicht angebe, ob sie auf der Grundlage von Empfehlungen oder Stellungnahmen von Sachverständigen erlassen worden sei, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts sei.

22

Für den Fall, dass sich dagegen erweisen sollte, dass die Verordnung vom 21. Februar 2012 nicht zur Folge gehabt habe, die Kostenübernahme der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Arzneimittel vom Krankenversicherungssystem auszuschließen, vertritt die spanische Regierung die Ansicht, dass die Verordnung nur eine Änderung des Eintrags vorgenommen habe, die nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6 Nrn. 3 und 5 der Richtlinie 89/105 falle.

23

Die Kommission vertritt auf der Grundlage einer teleologischen Auslegung der Richtlinie 89/105 eine weite Auslegung der in ihrem Art. 6 vorgesehenen Begründungspflicht (vgl. Urteile Kommission/Österreich, C‑424/99, EU:C:2001:642, Rn. 24 bis 32, Kommission/Finnland, C‑229/00, EU:C:2003:334, Rn. 37 bis 40, Pohl-Boskamp, C‑317/05, EU:C:2006:684, und Kommission/Österreich, C‑311/07, EU:C:2008:431, Rn. 29). Ihrer Ansicht nach ist Art. 6 Nrn. 3 und 5 der Richtlinie daher auf eine Entscheidung wie die Verordnung vom 21. Februar 2012 anwendbar.

24

Es ist daran zu erinnern, dass nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 89/105 „[v]or dem in Artikel 11 Absatz 1 genannten Zeitpunkt … die Mitgliedstaaten in einer geeigneten amtlichen Bekanntmachung die Kriterien [veröffentlichen], die die zuständigen Behörden bei ihrer Entscheidung, ein Arzneimittel in die Liste aufzunehmen oder nicht, zu beachten haben, und sie … der Kommission mitteilen“. Ferner verlangt Art. 6 Nr. 5 der Richtlinie, dass „[e]ine Entscheidung, ein Erzeugnis aus der Liste der unter das Krankenversicherungssystem fallenden Erzeugnisse zu streichen, … eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten [muss]“.

25

Vorliegend hat die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Entscheidung nicht zur Folge, dass die fraglichen Arzneimittel von der Kostenübernahme durch die Krankenversicherung ausgeschlossen würden. Die Entscheidung soll jedoch die Voraussetzungen oder die Höhe der Erstattung für diese Arzneimittel ändern und kann somit zu einer Einschränkung der Voraussetzungen der Erstattung oder zu einer Senkung der Höhe der Kostenübernahme für diese Arzneimittel durch die Krankenversicherung führen.

26

Es ist jedoch daran zu erinnern, dass die Richtlinie 89/105 nach ihrem Art. 1 sicherstellen soll, dass alle einzelstaatlichen Maßnahmen zur Kontrolle der Preise von Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch oder zur Einschränkung der unter die staatlichen Krankenversicherungssysteme fallenden Arzneimittel den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen (Urteil Kommission/Finnland, C‑229/00, EU:C:2003:334, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27

Um die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 89/105 zu gewährleisten, muss den Betroffenen nach dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie auch die Möglichkeit geboten werden, sich zu vergewissern, dass die Aufnahme von Arzneimitteln durch die Behörden nach objektiven Kriterien erfolgt und inländische Arzneimittel und solche aus anderen Mitgliedstaaten nicht unterschiedlich behandelt werden (Urteil Kommission/Finnland, C‑229/00, EU:C:2003:334, Rn. 39).

28

Die Richtlinie 89/105 soll nämlich nach ihrem fünften Erwägungsgrund für Transparenz bei der Preisfestsetzung einschließlich des Funktionierens der Preise in bestimmten Fällen und der ihnen zugrunde liegenden Kriterien sorgen und die Vereinbarungen zur Preisfestsetzung allen Teilnehmern am Arzneimittelmarkt in den Mitgliedstaaten allgemein zugänglich machen (vgl. in diesem Sinne Urteil Pohl-Boskamp, C‑317/05, EU:C:2006:684, Rn. 29).

29

Der Gerichtshof hat ferner festgestellt, dass die Entscheidungen, nach denen für einige Arzneimittel ein erhöhter Erstattungssatz gilt, ein Mittel sind, um zu bestimmen, in welchem Umfang die angebotenen Arzneimittel durch ein Krankenversicherungssystem gedeckt sein sollen und bei der Behandlung der einen oder anderen Krankheit eingesetzt werden können (Urteil Kommission/Finnland, C‑229/00, EU:C:2003:334, Rn. 38).

30

Vor diesem Hintergrund widerspräche es dem Zweck der Transparenz, anzunehmen, dass eine Entscheidung wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende der in Art. 6 Nrn. 3 und 5 der Richtlinie 89/105 vorgesehenen Begründungspflicht entgehen kann, die darauf abzielt, den Betroffenen die Prüfung zu ermöglichen, dass die Entscheidungen über die Preisfestsetzung bei Arzneimitteln und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme aufgrund objektiver und überprüfbarer Kriterien erfolgen und inländische Arzneimittel und solche aus anderen Mitgliedstaaten nicht unterschiedlich behandelt werden.

31

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 6 der Richtlinie 89/105 dahin auszulegen ist, dass die in den Nrn. 3 und 5 dieses Artikels vorgesehene Begründungspflicht auf eine Entscheidung anwendbar ist, die für ein Arzneimittel die Voraussetzungen der Erstattung einschränkt oder die Höhe der Kostenübernahme senkt, indem sie es aus der Liste der Arzneispezialitäten streicht, die von den gesetzlichen Krankenversicherungssystemen zusätzlich zu den im Rahmen von Aufenthalts- und Pflegepauschalen übernommenen Leistungen bei stationärer Behandlung übernommen werden.

Kosten

32

Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 6 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme ist dahin auszulegen, dass die in den Nrn. 3 und 5 dieses Artikels vorgesehene Begründungspflicht auf eine Entscheidung anwendbar ist, die für ein Arzneimittel die Voraussetzungen der Erstattung einschränkt oder die Höhe der Kostenübernahme senkt, indem sie es aus der Liste der Arzneispezialitäten streicht, die von den gesetzlichen Krankenversicherungssystemen zusätzlich zu den im Rahmen von Aufenthalts- und Pflegepauschalen übernommenen Leistungen bei stationärer Behandlung übernommen werden.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.