URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

14. Juni 2016 ( *1 )

„Nichtigkeitsklage — Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) — Beschluss 2014/198/GASP — Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Vereinigten Republik Tansania über die Bedingungen für die Überstellung mutmaßlicher Seeräuber sowie die Übergabe von damit in Verbindung stehenden beschlagnahmten Gütern durch die EU-geführte Seestreitkraft an die Vereinigte Republik Tansania — Wahl der Rechtsgrundlage — Pflicht, das Europäische Parlament in allen Phasen des Verfahrens für die Aushandlung und den Abschluss internationaler Übereinkünfte unverzüglich und umfassend zu unterrichten — Aufrechterhaltung der Wirkungen des Beschlusses im Fall seiner Nichtigerklärung“

In der Rechtssache C‑263/14

betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 28. Mai 2014,

Europäisches Parlament, vertreten durch R. Passos, A. Caiola und M. Allik als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Kläger,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch M. Konstantinidis, R. Troosters und D. Gauci als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelferin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch F. Naert, G. Étienne, M. Bishop und M.‑M. Joséphidès als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Tschechische Republik, vertreten durch M. Smolek, E. Ruffer, J. Vláčil, J. Škeřik und M. Hedvábná als Bevollmächtigte,

Königreich Schweden, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, U. Persson, M. Rhodin, E. Karlsson und L. Swedenborg als Bevollmächtigte,

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch J. Kraehling und V. Kaye als Bevollmächtigte im Beistand von G. Facenna, Barrister,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, T. von Danwitz und A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin C. Toader, der Kammerpräsidenten D. Šváby und C. Lycourgos sowie der Richter A. Rosas (Berichterstatter), E. Juhász und M. Safjan, der Richterin M. Berger, der Richter E. Jarašiūnas und C. G. Fernlund sowie der Richterin K. Jürimäe,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2015,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 28. Oktober 2015

folgendes

Urteil

1

Mit seiner Klage beantragt das Europäische Parlament die Nichtigerklärung des Beschlusses 2014/198/GASP des Rates vom 10. März 2014 über die Unterzeichnung und den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Vereinigten Republik Tansania über die Bedingungen für die Überstellung mutmaßlicher Seeräuber sowie die Übergabe von damit in Verbindung stehenden beschlagnahmten Gütern durch die EU-geführte Seestreitkraft an die Vereinigte Republik Tansania (ABl. 2014, L 108, S. 1, im Folgenden: angefochtener Beschluss) und die Aufrechterhaltung der Wirkungen dieses Beschlusses.

Rechtlicher Rahmen

Internationales Recht

Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen

2

Das am 10. Dezember 1982 in Montego Bay unterzeichnete Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen trat am 16. November 1994 in Kraft. Es wurde durch den Beschluss 98/392/EG des Rates vom 23. März 1998 über den Abschluss des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 und des Übereinkommens vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens durch die Europäische Gemeinschaft (ABl. 1998, L 179, S. 1) genehmigt.

3

In den Art. 100 bis 107 von Teil VII („Hohe See“) Abschnitt 1 („Allgemeine Bestimmungen“) dieses Übereinkommens ist der rechtliche Rahmen für die Bekämpfung der Seeräuberei festgelegt. Nach Art. 100 des Übereinkommens sind alle Staaten verpflichtet, bei der Bekämpfung der Seeräuberei zusammenzuarbeiten. In seinen Art. 101 und 103 sind die Begriffe „Seeräuberei“ und „Seeräuberschiff oder ‑luftfahrzeug“ definiert.

4

Art. 105 („Aufbringen eines Seeräuberschiffs oder ‑luftfahrzeugs“) des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen lautet:

„Jeder Staat kann auf Hoher See oder an jedem anderen Ort, der keiner staatlichen Hoheitsgewalt untersteht, ein Seeräuberschiff oder ‑luftfahrzeug oder ein durch Seeräuberei erbeutetes und in der Gewalt von Seeräubern stehendes Schiff oder Luftfahrzeug aufbringen, die Personen an Bord des Schiffes oder Luftfahrzeugs festnehmen und die dort befindlichen Vermögenswerte beschlagnahmen. Die Gerichte des Staates, der das Schiff oder Luftfahrzeug aufgebracht hat, können über die zu verhängenden Strafen entscheiden sowie die Maßnahmen festlegen, die hinsichtlich des Schiffes, des Luftfahrzeugs oder der Vermögenswerte zu ergreifen sind, vorbehaltlich der Rechte gutgläubiger Dritter.“

Unionsrecht

Die Gemeinsame Aktion 2008/851

5

Die Gemeinsame Aktion 2008/851/GASP des Rates vom 10. November 2008 über die Militäroperation der Europäischen Union als Beitrag zur Abschreckung, Verhütung und Bekämpfung von seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfällen vor der Küste Somalias (ABl. 2008, L 301, S. 33) in ihrer durch den Beschluss 2012/174/GASP des Rates vom 23. März 2012 (ABl. 2012, L 89, S. 69) geänderten Fassung (im Folgenden: Gemeinsame Aktion 2008/851) ist auf die Art. 14, 25 Abs. 3 und 28 Abs. 3 EUV gestützt. Diese Operation trägt den Namen „Operation Atalanta“.

6

Art. 1 („Mission“) Abs. 1 dieser Gemeinsamen Aktion bestimmt:

„Die Europäische Union … führt eine Militäroperation zur Unterstützung der Resolutionen 1814 (2008), 1816 (2008), 1838 (2008), 1846 (2008) und 1851 (2008) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen … im Einklang mit der genehmigten Aktion im Fall von seeräuberischen Handlungen in Anwendung der Artikel 100 ff. des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen … und im Rahmen insbesondere von mit Drittstaaten eingegangenen Verpflichtungen (im Folgenden ‚Atalanta‘) durch, um einen Beitrag zu leisten

zum Schutz von Schiffen des WEP [Welternährungsprogramm], die Lebensmittelhilfe für die vertriebene Bevölkerung Somalias befördern, im Einklang mit dem Mandat der Resolution 1814 (2008) des [Sicherheitsrates der Vereinten Nationen] und

zum Schutz von Schiffen, die vor der Küste Somalias fahren, sowie zur Abschreckung, Verhütung und Bekämpfung von seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfällen vor der Küste Somalias im Einklang mit dem in den Resolutionen 1846 (2008) und 1851 (2008) des [Sicherheitsrates der Vereinten Nationen] festgelegten Mandat.“

7

In Art. 2 („Auftrag“) der Gemeinsamen Aktion heißt es:

„Atalanta führt unter den durch das einschlägige Völkerrecht, insbesondere durch [das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen] sowie die Resolutionen 1814 (2008), 1816 (2008) und 1838 (2008) des [Sicherheitsrats der Vereinten Nationen] festgelegten Bedingungen und im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten folgende Aufgaben aus:

e)

Aufgriff, Ingewahrsamnahme und Überstellung von Personen, die im Sinne der Artikel 101 und 103 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen im Verdacht stehen, seeräuberische Handlungen oder bewaffnete Raubüberfälle begehen zu wollen, diese zu begehen oder begangen zu haben, in den Gebieten, in denen sie präsent ist, und Beschlagnahme der Schiffe der Seeräuber oder bewaffneten Räuber oder der nach einem seeräuberischen Akt oder einem bewaffneten Raubüberfall gekaperten Schiffe, sofern diese sich in den Händen der Seeräuber oder bewaffneter Räuber befinden, sowie der an Bord befindlichen Güter, im Hinblick auf die eventuelle Strafverfolgung durch die zuständigen Staaten unter den Voraussetzungen des Artikels 12;

…“

8

Art. 10 („Beteiligung von Drittstaaten“) der Gemeinsamen Aktion sieht vor:

„(1)   Unbeschadet der Beschlussfassungsautonomie der [Union] und des einheitlichen institutionellen Rahmens und im Einklang mit den vom Europäischen Rat festgelegten einschlägigen Leitlinien können Drittstaaten eingeladen werden, sich an der Operation zu beteiligen.

(3)   Die Einzelheiten der Beteiligung von Drittstaaten werden in Übereinkünften geregelt, die im Einklang mit dem Verfahren nach Artikel [37 EUV] zu schließen sind. Haben die [Union] und ein Drittstaat ein Rahmenabkommen über die Beteiligung dieses Drittstaates an Krisenbewältigungsoperationen der [Union] geschlossen, so gelten die Bestimmungen dieses Abkommens für diese Operation.

(6)   Die Bedingungen der Überstellung von aufgegriffenen und im Hinblick auf die Strafverfolgung durch die zuständigen Staaten festgenommenen Personen an einen Drittstaat werden anlässlich des Abschlusses oder der Umsetzung der Beteiligungsübereinkünfte nach Absatz 3 festgelegt.“

9

Art. 12 („Überstellung der aufgegriffenen und festgehaltenen Personen zwecks Wahrnehmung der gerichtlichen Zuständigkeiten“) der Gemeinsamen Aktion lautet:

„(1)   Personen, die im Sinne der Artikel 101 und 103 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen im Verdacht stehen, seeräuberische Handlungen oder bewaffnete Raubüberfälle in den Hoheitsgewässern und den [Binneng]ewässern Somalias oder auf Hoher See begehen zu wollen, diese zu begehen oder begangen zu haben und die aufgegriffen und im Hinblick auf ihre Strafverfolgung festgehalten werden, sowie die Güter, die zur Ausführung dieser Taten dienten, werden auf Grundlage der Zustimmung von Somalia zur Ausübung von gerichtlicher Zuständigkeit durch Mitgliedstaaten oder durch Drittstaaten einerseits und auf der Grundlage von Artikel 105 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen andererseits

an die zuständigen Behörden des an der Operation teilnehmenden Mitgliedstaats oder Drittstaats übergeben, unter dessen Flagge das Schiff fährt, durch das die Ingewahrsamnahme erfolgte, oder

sofern dieser Staat seine gerichtliche Zuständigkeit nicht wahrnehmen kann oder will, an einen Mitgliedstaat oder an jeden Drittstaat, der seine gerichtliche Zuständigkeit in Bezug auf diese Personen und Güter wahrnehmen möchte, übergeben.

(2)   Personen, die im Sinne der Artikel 101 und 103 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen im Verdacht stehen, seeräuberische Handlungen oder bewaffnete Raubüberfälle begehen zu wollen, diese zu begehen oder begangen zu haben und die von den Kräften von Atalanta in den Hoheitsgewässern, den [Binneng]ewässern oder den Archipelgewässern anderer Staaten in der Region im Einvernehmen mit diesen Staaten aufgegriffen und im Hinblick auf ihre Strafverfolgung festgehalten werden, sowie die Güter, die zur Ausführung dieser Taten dienten, können an die zuständigen Behörden des betreffenden Staats oder mit Zustimmung des betreffenden Staats an die zuständigen Behörden eines anderen Staats übergeben werden.

(3)   Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen können nur dann an einen Drittstaat übergeben werden, wenn mit dem betreffenden Drittstaat die Bedingungen für diese Übergabe im Einklang mit dem einschlägigen Völkerrecht, insbesondere den internationalen Menschenrechtsnormen, festgelegt wurden, um insbesondere sicherzustellen, dass für niemanden das Risiko der Todesstrafe, Folter oder jeglicher anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht.“

Das EU-Tansania-Abkommen

10

Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) des Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Vereinigten Republik Tansania über die Bedingungen für die Überstellung mutmaßlicher Seeräuber sowie die Übergabe von damit in Verbindung stehenden beschlagnahmten Gütern durch die EU-geführte Seestreitkraft an die Vereinigte Republik Tansania (ABl. 2014, L 108, S. 3, im Folgenden: EU-Tansania-Abkommen) lautet:

„Im Sinne dieses Abkommens bezeichnet der Ausdruck

a)

‚EU-geführte Seestreitkraft (EUNAVFOR)‘ die militärischen Hauptquartiere der EU und die zu der EU-Operation ‚Atalanta‘ beitragenden nationalen Kontingente, ihre Schiffe, ihr[e] Flugzeug[e] und ihre Mittel;

f)

‚überstellte Person‘ jede Person, die im Verdacht steht, seeräuberische Handlungen begehen zu wollen, zu begehen oder begangen zu haben und die von der EUNAVFOR gemäß diesem Abkommen an Tansania überstellt wird.“

11

Art. 1 („Ziel“) des Abkommens bestimmt:

„Mit diesem Abkommen werden die Bedingungen und Modalitäten festgelegt für die Überstellung durch die EUNAVFOR an Tansania von Personen, die im Verdacht stehen, seeräuberische Handlungen begehen zu wollen, diese zu begehen oder begangen zu haben, und von der EUNAVFOR festgehalten wurden, sowie für die Übergabe von damit in Verbindung stehenden, von der EUNAVFOR beschlagnahmten Gütern und für die Behandlung der betreffenden Personen nach ihrer Überstellung.“

12

In Art. 3 dieses Abkommens sind die allgemeinen Grundsätze festgelegt, die u. a. für die Modalitäten und die Voraussetzungen für die Überstellung von Personen, bei denen der Verdacht seeräuberischer Handlungen besteht und die von der EUNAVFOR festgehalten werden, an die tansanischen Behörden gelten, einschließlich des Grundsatzes, dass sie im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte zu behandeln sind. Darüber hinaus sind in Art. 4 dieses Abkommens die Bedingungen für eine Behandlung, Strafverfolgung und Aburteilung von überstellten Personen geregelt, wobei in Art. 5 dieses Abkommens festgelegt ist, dass derartige Personen nicht für eine Straftat vor Gericht gestellt werden können, die mit einer schärferen Höchststrafe als lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist.

13

Art. 6 des EU-Tansania-Abkommens betrifft den Austausch von Dokumenten und Informationen, der im Rahmen der Überstellung der genannten Personen erfolgen muss. Art. 7 Abs. 1 dieses Abkommens lautet: „Die EU und die EUNAVFOR gewähren Tansania im Rahmen ihrer Mittel und Fähigkeiten jede Unterstützung im Hinblick auf die Ermittlungen gegen überstellte Personen und ihre strafrechtliche Verfolgung.“

14

Die Bestimmungen des EU-Tansania-Abkommens bezwecken gemäß seinem Art. 8 in keiner Weise eine Abweichung von sonstigen aus dem geltenden innerstaatlichen Recht oder dem geltenden Völkerrecht herrührenden Rechten einer überstellten Person. Art. 9 dieses Abkommens bezieht sich auf die Verbindung zwischen den Behörden Tansanias und der EU sowie auf die Regelung von Streitigkeiten. In den Art. 10 und 11 desselben Abkommens sind schließlich die Modalitäten für die Durchführung und das Inkrafttreten des Abkommens festgelegt.

Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtener Beschluss

15

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (im Folgenden: Sicherheitsrat) brachte im Jahr 2008, insbesondere in den Resolutionen 1814 (2008), 1816 (2008) und 1838 (2008), seine tiefe Besorgnis hinsichtlich der Bedrohung zum Ausdruck, die seeräuberische Handlungen und bewaffnete Raubüberfälle auf Schiffe für die Leistung humanitärer Hilfe an Somalia, die internationale Schifffahrt und die Sicherheit der der gewerblichen Seeschifffahrt dienenden Schifffahrtswege sowie andere gefährdete Schiffe darstellen, darunter auch Fangschiffe, mit denen im Einklang mit dem Völkerrecht Fischereitätigkeiten durchgeführt werden. Außerdem wies der Sicherheitsrat in der Präambel seiner Resolution 1846 (2008) darauf hin, dass Vorfälle von Seeräuberei und bewaffneten Raubüberfällen auf Schiffe in den Hoheitsgewässern Somalias und auf Hoher See vor dessen Küste die Situation in Somalia, die nach wie vor eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit in der Region darstellt, verschärfen.

16

In diesem Zusammenhang forderte der Sicherheitsrat in Nr. 14 der letztgenannten Resolution alle Staaten und insbesondere die Flaggen‑, Hafen‑ und Küstenstaaten, die Staaten der Staatsangehörigkeit der Opfer und der Urheber von Seeräuberei und bewaffneten Raubüberfällen sowie die sonstigen Staaten, die nach dem Völkerrecht oder innerstaatlichem Recht Zuständigkeit besitzen, auf, bei der Festlegung der Zuständigkeit sowie bei den Ermittlungen gegen Personen, die für seeräuberische Handlungen und bewaffnete Raubüberfälle vor der Küste Somalias verantwortlich sind, und bei ihrer strafrechtlichen Verfolgung im Einklang mit dem anwendbaren Völkerrecht, einschließlich der internationalen Menschenrechtsnormen, zusammenzuarbeiten und Hilfe zu gewähren, indem sie unter anderem Hilfe bei der Verfahrensweise und Logistik in Bezug auf die ihrer Hoheitsgewalt und Kontrolle unterstehenden Personen leisten, wie Opfer, Zeugen und Personen, die infolge von nach dieser Resolution durchgeführten Maßnahmen festgenommen wurden.

17

Im neunten Erwägungsgrund der Resolution 1851 (2008) stellte der Sicherheitsrat mit Besorgnis fest, dass der Mangel an Kapazitäten, innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Klarheit in Bezug auf die Verfahrensweise mit Seeräubern nach ihrer Gefangennahme einem robusteren internationalen Vorgehen gegen die Seeräuber vor der Küste Somalias hinderlich war und in einigen Fällen dazu geführt hat, dass Seeräuber freigelassen wurden, ohne vor Gericht gestellt zu werden. Darüber hinaus forderte er in Nr. 3 dieser Resolution alle Staaten und Regionalorganisationen, die die Seeräuberei vor der Küste Somalias bekämpfen, auf, mit Ländern, die willens sind, Seeräuber in Gewahrsam zu nehmen, besondere Abkommen oder Vereinbarungen über die Einschiffung von Strafverfolgungsbeamten („shipriders“) aus diesen Ländern, insbesondere den Ländern in der Region, zu schließen, mit dem Ziel, die Ermittlungen gegen Personen, die im Zuge dieser Einsätze festgenommen wurden, und ihre Strafverfolgung zu erleichtern.

18

Die Europäische Union nahm auf diese verschiedenen Resolutionen hin die Gemeinsame Aktion 2008/851 an, gemäß der sie seit November 2008 die Operation Atalanta durchführt, mit der sie sich insbesondere an der Bekämpfung der Seeräuberei vor der Küste Somalias beteiligt.

19

Im Rahmen dieser Militäroperation sandte der Rat der Europäischen Union am 22. März 2010 ein Schreiben an das Parlament, in dem er auf die Notwendigkeit hinwies, mit bestimmten Drittstaaten völkerrechtliche Verträge zu verhandeln und abzuschließen. In diesem Schreiben erinnerte der Rat daran, dass gemäß Art. 12 der Gemeinsamen Aktion 2008/851 Personen, die seeräuberische Handlungen oder bewaffnete Raubüberfälle begangen haben oder im Verdacht stehen, diese Taten begangen zu haben, und die in den Hoheitsgewässern der Bundesrepublik Somalia oder auf Hoher See aufgegriffen und im Hinblick auf die Strafverfolgung durch die zuständigen Staaten festgenommen wurden, sowie die Güter, die zur Ausführung dieser Taten dienten, an jeden Drittstaat, der seine gerichtliche Zuständigkeit in Bezug auf diese Personen und Güter wahrnehmen möchte, übergeben werden können, wenn mit dem betreffenden Drittstaat die Bedingungen für diese Übergabe im Einklang mit dem einschlägigen Völkerrecht festgelegt wurden. Außerdem teilte der Rat dem Parlament in dem genannten Schreiben mit, dass der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (im Folgenden: Hoher Vertreter) am selben Tag gemäß Art. 37 EUV ermächtigt worden sei, Verhandlungen aufzunehmen, um mit der Republik Mauritius, der Republik Mosambik, der Republik Südafrika, der Vereinigten Republik Tansania und der Republik Uganda Überstellungsabkommen zu schließen.

20

Am 19. März 2014 teilte der Rat dem Parlament mit, dass er nach Abschluss der Verhandlungen mit der Vereinigten Republik Tansania am 10. März 2014 den angefochtenen Beschluss erlassen habe.

21

Das EU-Tansania-Abkommen wurde am 1. April 2014 in Brüssel unterzeichnet. Es wurde zusammen mit dem angefochtenen Beschluss am 11. April 2014 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Anträge der Parteien und Verfahren vor dem Gerichtshof

22

Das Parlament beantragt, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, die Wirkungen des Beschlusses bis zu dessen Ersetzung aufrechtzuerhalten und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

23

Der Rat beantragt, die Klage als unbegründet abzuweisen und dem Parlament die Kosten aufzuerlegen, hilfsweise, falls dem Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses stattgegeben werden sollte, die Wirkungen dieses Beschlusses entweder bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens eines diesen Beschluss ersetzenden Rechtsaktes aufrechtzuerhalten, soweit diese Nichtigerklärung auf den ersten vom Kläger geltend gemachten Klagegrund gestützt sein sollte, oder den Beschluss unbegrenzt aufrechtzuerhalten, falls die Nichtigerklärung ausschließlich auf den zweiten Klagegrund gestützt sein sollte.

24

Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 3. Oktober 2014 sind die Tschechische Republik, das Königreich Schweden und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen worden. Ferner ist die Europäische Kommission als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Parlaments zugelassen worden.

Zur Klage

25

Das Parlament stützt seine Klage auf zwei Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund rügt es, der angefochtene Beschluss sei zu Unrecht allein auf Art. 37 EUV gestützt worden und hätte deshalb nicht nach dem mit Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 erster Satzteil AEUV eingeführten besonderen Verfahren angenommen werden dürfen, das für Übereinkünfte vorgesehen sei, die ausschließlich die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) beträfen, und jegliche Mitwirkung des Parlaments ausschließe. Ein solcher Beschluss, dessen zutreffende Rechtsgrundlage in Art. 37 EUV sowie den Art. 82 und 87 AEUV zu sehen sei, könne ausschließlich nach dem Verfahren des Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 Buchst. a Ziff. v AEUV erlassen werden, das eine Zustimmung des Europäischen Parlaments voraussetze. Mit seinem zweiten Klagegrund macht das Parlament einen Verstoß gegen Art. 218 Abs. 10 AEUV geltend und rügt, dass der Rat es nicht unverzüglich und umfassend in allen Phasen der Aushandlung und des Abschlusses des EU-Tansania-Abkommens unterrichtet habe.

Erster Klagegrund: falsche Wahl der Rechtsgrundlage

Vorbringen der Parteien

26

Das Parlament trägt mit seinen ersten Klagegrund vor, der Rat sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich der angefochtene Beschluss auf eine internationale Übereinkunft beziehe, die „ausschließlich die [GASP]“ im Sinne von Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 erster Satzteil AEUV betreffe. Da das Parlament diesem Beschluss nicht zugestimmt habe, sei er unter Verstoß gegen die Vorschriften der Verträge erlassen worden. Das EU-Tansania-Abkommen habe eine zweifache Zielsetzung, denn es beziehe sich sowohl auf die GASP als auch auf die Bereiche der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen und der polizeilichen Zusammenarbeit, für die das ordentliche Gesetzgebungsverfahren gelte. Demzufolge hätte der angefochtene Beschluss auf Art. 37 EUV sowie die Art. 82 und 87 AEUV gestützt und deshalb nach dem Verfahren des Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 Buchst. a Ziff. v AEUV angenommen werden müssen.

27

Die Wahl der Rechtsgrundlage müsse sich auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen, zu denen insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehörten. Der Zweck des EU-Tansania-Abkommens sei, zu vermeiden, dass die betroffenen Mitgliedstaaten selbst Strafverfahren durchführen müssten, und die Zusammenarbeit zwischen ihren Behörden und denen der Vereinigten Republik Tansania durch die Festlegung eines rechtlichen Rahmens für die Überstellung verdächtiger Personen an diesen Drittstaat zu fördern, damit dieser die Ermittlungs- und Strafverfolgungsmaßnahmen durchführe. Im Übrigen enthalte dieses Abkommen Vorschriften, die sich unmittelbar auf die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen und die polizeiliche Zusammenarbeit bezögen, insbesondere auf die Behandlung, Strafverfolgung und Aburteilung von überstellten Personen.

28

Das EU-Tansania-Abkommen beziehe sich nämlich nicht ausschließlich auf die GASP und sei nicht bloß als ein Aspekt der internationalen Aufgabe der Union anzusehen, den Frieden zu wahren, Konflikte zu verhindern und die internationale Sicherheit zu stärken. Es habe vielmehr auch zum Ziel, der Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten unterstehende und sich im Hoheitsgebiet der Union aufhaltende Personen, die im Verdacht stünden, strafbare Handlungen begangen zu haben, den Justiz- und Strafverfolgungsbehörden eines Drittstaats zu übergeben, damit diese im Hinblick auf diese Verdächtigen ihre Ermittlungs- und Strafverfolgungsbefugnisse ausüben könnten.

29

Das Parlament hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass die Polizei- und Justizbehörden der Mitgliedstaaten diese Befugnisse selbst ausüben könnten. Wenn nämlich die festgehaltenen Personen nicht den tansanischen Behörden, sondern den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten überstellt würden, würde EUNAVFOR keine militärische Operation durchführen, sondern eher als Verwaltungsbehörde handeln. Der bloße Umstand, dass Seestreitkräfte mit derartigen Überstellungen beauftragt würden, lasse nicht darauf schließen, dass es sich bei diesen Überstellungen um militärische oder sicherheitsrelevante Tätigkeiten handele und dass diese Überstellungen demzufolge ausschließlich in den Bereich der GASP fielen.

30

Im Übrigen sei weder nach dem internationalen Recht noch nach den Resolutionen des Sicherheitsrats oder dem Mandat, das durch die Gemeinsame Aktion 2008/851 für die Operation Atalanta erteilt worden sei, vorgeschrieben, dass von der EUNAVFOR festgehaltene Seeräuber Drittstaaten überstellt werden müssten. Der erste Teil der in Art. 12 Abs. 1 dieser Gemeinsamen Aktion vorgesehenen Alternative sei die Überstellung mutmaßlicher Seeräuber an die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten; ihre Überstellung an einen Drittstaat sei lediglich der zweite Teil dieser Alternative.

31

Für das Bestehen eines unmittelbaren und engen Zusammenhangs zwischen diesem Abkommen und dem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Sinne von Titel V AEUV spreche, dass die aufgegriffenen und festgenommenen mutmaßlichen Seeräuber sowie die beschlagnahmten Güter unter die Gerichtsbarkeit der an der EUNAVFOR beteiligten Mitgliedstaaten fielen. Die Überstellung derartiger Personen und die Übergabe derartiger Güter der Union an einen Drittstaat, im vorliegenden Fall an die Vereinigte Republik Tansania, hätte nämlich zur Folge, dass die zuständigen Behörden dieser Mitgliedstaaten ihre Befugnisse zur Ermittlung, Strafverfolgung und Aburteilung nicht ihrem Recht gemäß ausüben könnten. Die Seeräuberei falle unter die Bekämpfung der internationalen Kriminalität, die im Zusammenhang stehe mit dem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und insbesondere mit den mit diesem Raum zusammenhängenden Vorschriften über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen und die polizeiliche Zusammenarbeit. Unter diesen Umständen dürften in eine internationale Übereinkunft wie das EU-Tansania-Abkommen keine mit dem genannten Raum in Zusammenhang stehenden Instrumente der Zusammenarbeit aufgenommen werden, ohne sich auf eine Rechtsgrundlage zu stützen, die sich auf diesen Raum beziehe.

32

Das Parlament erkenne an, dass die Operation Atalanta und das EU-Tansania-Abkommen zur Verwirklichung bestimmter in Art. 21 Abs. 1 und 2 EUV festgelegter Ziele des außenpolitischen Handelns der EU beitrügen. Die bloße Tatsache jedoch, dass eine Maßnahme diese Ziele verfolge, bedeute nicht notwendigerweise, dass diese Ziele ausschließlich unter die GASP fielen. Zudem sei die Stärkung der internationalen Sicherheit zwar auch ein besonderes Ziel der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, doch beziehe sich der Inhalt des EU-Tansania-Abkommens auf keine der besonderen Aufgaben dieser Politik, die in Art. 42 Abs. 1 und Art. 43 Abs. 1 EUV vorgesehen seien. Der Grund für die Beteiligung der Mitgliedstaaten an der Bekämpfung der Seeräuberei sei nämlich die Bedrohung, die dieses Phänomen für die innere Sicherheit der EU darstelle.

33

In seiner Klagebeantwortung führt der Rat aus, der angefochtene Beschluss sei zu Recht auf Art. 37 EUV und Art. 218 Abs. 5 und 6 Unterabs. 2 erster Satzteil AEUV gestützt, und die Annahme des EU-Tansania-Abkommens, das sich ausschließlich auf die GASP beziehe, bedürfe nicht der Zustimmung des Parlaments.

34

Erstens habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025), das nach Erhebung der vorliegenden Nichtigkeitsklage ergangen sei, festgestellt, dass der Beschluss 2011/640/GASP des Rates vom 12. Juli 2011 über die Unterzeichnung und den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Republik Mauritius über die Bedingungen für die Überstellung mutmaßlicher Seeräuber sowie die Übergabe von damit in Verbindung stehenden beschlagnahmten Gütern durch die EU-geführte Seestreitkraft an die Republik Mauritius und über die Behandlung mutmaßlicher Seeräuber nach der Überstellung (ABl. 2011, L 254, S. 1), dessen Inhalt nahezu identisch mit dem des angefochtenen Beschlusses sei und der sich auf die Unterzeichnung eines Abkommens beziehe, dessen Wortlaut dem des EU-Tansania-Abkommens sehr ähnlich sei, zu Recht allein auf Art. 37 EUV habe gestützt werden können.

35

Zweitens sei der Klagegrund, mit dem ein Fehler bei der Wahl der materiellen Rechtsgrundlage des angefochtenen Beschlusses gerügt werde, als unbegründet zurückzuweisen. Soweit das Parlament nämlich geltend mache, dass das EU-Tansania-Abkommen zwei Ziele verfolge, von denen sich das erste auf die GASP und das zweite auf die Bereiche der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen und der polizeilichen Zusammenarbeit beziehe, und dass demzufolge die Art. 82 und 87 AEUV in Verbindung mit Art. 37 EUV als Rechtsgrundlage hätten herangezogen werden müssen, habe es nicht klargestellt, ob dieses zweite Ziel nebensächlich sei. Da das Parlament im Rahmen des Verfahrens, das zu dem Urteil vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025), geführt habe, anerkannt habe, dass bei dem Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Republik Mauritius vom 14. Juli 2011 die mit diesem Abkommen angestrebten Ziele, soweit sie nicht die GASP beträfen, nur nebensächlich seien, müsse das auch für die mit dem EU-Tansania-Abkommen angestrebten identischen Ziele gelten. Daher sei Art. 37 EUV die Rechtsgrundlage des angefochtenen Beschlusses.

36

Drittens fielen der angefochtene Beschluss und das EU-Tansania-Abkommen ausschließlich unter die GASP und verfolgten kein zusätzliches Ziel betreffend die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen oder die polizeiliche Zusammenarbeit. Da das EU-Tansania-Abkommen im Rahmen einer militärischen Krisenbewältigungsoperation der GASP zur Bekämpfung der Seeräuberei gemäß den einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrates geschlossen worden sei, beziehe es sich nicht auf den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts der Union. Die Festnahme und die Überstellung mutmaßlicher Seeräuber sei lediglich eine Folge der Sicherheitsmission der Operation Atalanta. Da dieses Abkommen im Übrigen von seinem Inhalt her gesehen die Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte fördere, falle es in vollem Umfang unter die GASP.

37

Darüber hinaus falle die Bekämpfung der internationalen Kriminalität unter die GASP. Das EU-Tansania-Abkommen sei nicht auf die Sicherung des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts gerichtet, weder innerhalb noch außerhalb der Union. Insbesondere entziehe es den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nicht ihre Ermittlungs‑, Anklage‑ und Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf Personen, die von den im Rahmen der Operation Atalanta eingesetzten Kräften aufgegriffen und festgenommen worden seien. Das Abkommen solle vielmehr verhindern, dass Straftaten nicht geahndet würden, indem die genannten Personen an einen Staat in der Region, in der diese Operation ablaufe, überstellt werden könnten, falls keine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats sie strafrechtlich verfolgen wolle.

38

Das Parlament macht in seiner Erwiderung geltend, der Gerichtshof sei in seinem Urteil vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025), nicht auf die Frage eingegangen, ob der Beschluss 2011/640 allein auf Art. 37 EUV als Rechtsgrundlage hätte gestützt werden müssen oder auch auf andere Vorschriften der Verträge. Zwar erkenne das Parlament an, dass gemäß der Gemeinsamen Aktion 2008/851 die Bekämpfung der Seeräuberei zum Schutz der Schifffahrt zweifellos das Hauptziel der Operation Atalanta sei, doch fielen nicht alle im Rahmen dieser Operation ergriffenen Maßnahmen systematisch unter die GASP. Sofern nicht davon auszugehen sei, dass sämtliche internationalen Abkommen der EU über die Überstellung von mutmaßlichen, von den bewaffneten Kräften der Mitgliedstaaten aufgebrachten Seeräubern ausschließlich unter die GASP fielen, sei daher die Überstellung von mutmaßlichen Seeräubern und deren Verfolgung gemäß dem EU-Tansania-Abkommen keinen militärischen Tätigkeiten gleichzusetzen. Unter diesen Umständen habe das EU-Tansania-Abkommen eine zweifache Zielsetzung und hätte deshalb auf eine zweifache Rechtsgrundlage gestützt werden müssen.

39

Der Rat trägt in seiner Gegenerwiderung vor, dass die Operation Atalanta darauf gerichtet sei, die internationale Sicherheit zu stärken, dass sie im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik durchgeführt werde und dass das EU-Tansania-Abkommen gemäß Art. 12 der Gemeinsamen Aktion 2008/851 geschlossen worden sei. Die Festnahme und die Überstellung von mutmaßlichen Seeräubern ergäben sich daher aus der Durchführung dieser Mission und seien nichts anderes als eine Maßnahme der polizeilichen oder justiziellen Zusammenarbeit. Gemäß Art. 2 der Gemeinsamen Aktion 2008/851 bestünden die Hauptaufgaben der Operation Atalanta nämlich aus der Gewährung von Schutz für die vom Welternährungsprogramm gecharterten und andere gefährdete Schiffe sowie aus der Überwachung bestimmter Gebiete, der Abschreckung, Verhütung und Beendigung – auch unter Gewaltanwendung – von seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfällen auf See. Operationen zur Festnahme und zur Überstellung mutmaßlicher Seeräuber, zur Erhebung ihrer personenbezogenen Daten und zur Übermittlung dieser Daten an Interpol sowie das Zurverfügungstellen von gesammelten Daten über Fischfangtätigkeiten seien demgegenüber nebensächlich.

40

Die einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts betreffenden Maßnahmen müssten – sei es innerhalb der Union oder auch, wenn sie über diese hinausreichten – ergriffen werden, um Freiheit, Sicherheit und Recht in der Union weiterzuentwickeln. Das EU-Tansania-Abkommen stehe mit den Zielen dieses Raumes in keinem Zusammenhang. Wenn nämlich eine Person, der Seeräuberei vorgeworfen werde, an die Vereinigte Republik Tansania überstellt werde, übe kein Mitgliedstaat seine Gerichtsbarkeit aus. Außerdem sei ein Kriegsschiff, das der ausschließlichen Hoheitsgewalt seines Flaggenstaats unterliege, nicht einem Teil des Hoheitsgebiets dieses Staates gleichzusetzen. Im Übrigen habe das Parlament nicht dargelegt, inwiefern die Seeräuberei eine Bedrohung für die innere Sicherheit der EU darstelle.

41

Das Parlament hat vor dem Gerichtshof in der mündlichen Verhandlung in Beantwortung einer von diesem gestellten Frage geantwortet, dass in dem Fall, dass die Rechtsgrundlagen der GASP und des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts wegen der Inkompatibilität der diesbezüglichen Verfahren nicht miteinander kombiniert werden könnten, allein die Art. 82 und 87 AEUV als Rechtsgrundlage des angefochtenen Beschlusses dienen müssten.

Würdigung durch den Gerichtshof

42

Bei Rechtsakten, die gestützt auf eine Vorschrift im Zusammenhang mit der GASP angenommen werden, ist es Sache des Gerichtshofs, gemäß Art. 275 Abs. 2 erster Satzteil AEUV und Art. 40 EUV insbesondere zu kontrollieren, dass die Durchführung dieser Politik die Anwendung der Verfahren und den jeweiligen Umfang der Befugnisse der Organe, die in den Verträgen für die Ausübung der im AEU-Vertrag aufgeführten Zuständigkeiten der Union vorgesehen sind, unberührt lässt. Die Wahl der geeigneten Rechtsgrundlage für einen Rechtsakt der Union hat verfassungsrechtliche Bedeutung, und der Rückgriff auf eine falsche Rechtsgrundlage könnte einen solchen Rechtsakt nichtig machen, insbesondere, wenn die zutreffende Rechtsgrundlage ein anderes Annahmeverfahren als das tatsächlich gewählte vorsieht (vgl. in diesem Sinne Gutachten 2/00 vom 6. Dezember 2001, EU:C:2001:664, Rn. 5).

43

Nach ständiger Rechtsprechung muss sich die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts der Union – einschließlich eines Rechtsakts, der, wie im vorliegenden Fall, im Hinblick auf den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags erlassen wird – auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen, wozu das Ziel und der Inhalt dieses Rechtsakts gehören (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. März 1987, Kommission/Rat, 45/86, EU:C:1987:163, Rn. 11, und vom 11. Juni 1991, Kommission/Rat, „Titandioxid“, C‑300/89, EU:C:1991:244, Rn. 10, Gutachten 2/00 vom 6. Dezember 2001, EU:C:2001:664, Rn. 22, und Urteil vom 19. Juli 2012, Parlament/Rat, C‑130/10, EU:C:2012:472, Rn. 42).

44

Ergibt die Prüfung eines Unionsrechtsakts, dass er zwei Zielsetzungen hat oder zwei Komponenten umfasst, und lässt sich eine von ihnen als die hauptsächliche oder überwiegende ausmachen, während die andere nur nebensächliche Bedeutung hat, so ist der Rechtsakt nur auf eine Rechtsgrundlage zu stützen, und zwar auf die, die die hauptsächliche oder überwiegende Zielsetzung oder Komponente erfordert. Verfolgt eine Maßnahme dagegen mehrere Zielsetzungen zugleich oder umfasst sie mehrere Komponenten, die untrennbar miteinander verbunden sind, ohne dass die eine gegenüber der anderen nebensächlich ist, so dass verschiedene Vertragsbestimmungen anwendbar sind, muss eine solche Maßnahme ausnahmsweise auf die entsprechenden verschiedenen Rechtsgrundlagen gestützt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Januar 2006, Kommission/Parlament und Rat, C‑178/03, EU:C:2006:4, Rn. 42 und 43, und vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat, C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 43).

45

Erstens ist in Bezug auf den Inhalt des EU-Tansania-Abkommens festzustellen, dass mit ihm gemäß seinem Art. 1 die Bedingungen und Modalitäten für die Überstellung an die Vereinigte Republik Tansania von Personen, die im Verdacht stehen, seeräuberische Handlungen begehen zu wollen, diese zu begehen oder begangen zu haben, und von der EUNAVFOR festgehalten wurden, sowie für die Übergabe von damit in Verbindung stehenden, von der EUNAVFOR beschlagnahmten Gütern und für die Behandlung der betreffenden Personen nach ihrer Überstellung festgelegt werden.

46

Zu diesen Bedingungen und Modalitäten gehört gemäß den Art. 3 und 4 des genannten Abkommens die Beachtung der allgemeinen Grundsätze, insbesondere des Grundsatzes der Einhaltung der internationalen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte. Außerdem enthält dieses Abkommen die Regeln für die Behandlung, Strafverfolgung und Aburteilung von überstellten Personen, wobei sein Art. 5 vorsieht, dass derartige Personen nicht für eine Straftat vor Gericht gestellt werden können, die mit einer schärferen Höchststrafe als lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist. Art. 6 dieses Abkommens sieht das Führen von Aufzeichnungen und die Übermittlung von Unterlagen über diese Personen vor, und Art. 7 Abs. 1 bestimmt, dass die EU und die EUNAVFOR der Vereinigten Republik Tansania im Rahmen ihrer Mittel und Fähigkeiten jede Unterstützung im Hinblick auf die Ermittlungen gegen überstellte Personen und ihre strafrechtliche Verfolgung gewähren.

47

Einige der im EU-Tansania-Abkommen vorgesehenen Verpflichtungen scheinen sich, wie die Generalanwältin in Nr. 60 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, auf den ersten Blick gesehen und isoliert betrachtet auf Bereiche der grenzüberschreitenden justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen und der grenzüberschreitenden polizeilichen Zusammenarbeit zu beziehen. Der Umstand jedoch, dass einige Vorschriften eines solchen Abkommens, isoliert betrachtet, wie Regeln aussehen, die in einem Politikbereich der Union erlassen werden können, reicht als solcher, wie auch die Generalanwältin festgestellt hat, für die Bestimmung der zutreffenden Rechtsgrundlage des angefochtenen Beschlusses nicht aus. Insbesondere ist im Hinblick auf die Vorschriften des EU-Tansania-Abkommens zur Gewährleistung des Rechtsstaatsprinzips sowie zur Achtung der Menschenrechte und der Menschenwürde darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 Buchst. b und Abs. 3 EUV sowie Art. 23 EUV ergibt, jede Maßnahme der Union diese Grundsätze beachten muss, auch im Bereich der GASP. Unter diesen Umständen ist dieses Abkommen auch unter Berücksichtigung seines Zwecks zu beurteilen.

48

Was zweitens diesen Zweck angeht, ergibt sich insbesondere aus dem dritten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass dieses Abkommen gemäß Art. 12 der Gemeinsamen Aktion 2008/851 geschlossen wurde, die unter die GASP fällt, um im Rahmen der Operation Atalanta die Überstellung von Personen, die von der EUNAVFOR aufgegriffen und festgenommen wurden sowie die Übergabe von beschlagnahmten Gütern an einen Drittstaat, im vorliegenden Fall an die Vereinigte Republik Tansania, zu ermöglichen, der seine gerichtliche Zuständigkeit in Bezug auf diese Personen und Güter wahrnehmen möchte. Die Gemeinsame Aktion soll, wie sich aus ihrem Titel selbst ergibt, insbesondere zur Bekämpfung von seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfällen vor der Küste Somalias beitragen.

49

Das EU-Tansania-Abkommen soll demnach einen wesentlichen Mechanismus schaffen, um die Ziele der Operation Atalanta tatsächlich zu erreichen, insbesondere dadurch, dass es die internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung seeräuberischer Handlungen nachhaltig unterstützt, indem es für die Überstellung aufgegriffener und festgenommener Personen einen rechtlichen Rahmen festlegt, so dass im Einklang mit dem in den einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats festgelegten Mandat verhindert werden kann, dass diese Personen straffrei bleiben.

50

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Sicherheitsrat insbesondere in Nr. 14 seiner Resolution 1846 (2008) alle Staaten aufgefordert hat, bei der Festlegung der Zuständigkeit sowie bei den Ermittlungen und der strafrechtlichen Verfolgung im Hinblick auf Personen, die für seeräuberische Handlungen und bewaffnete Raubüberfälle vor der Küste Somalias verantwortlich sind, zusammenzuarbeiten. Als Ausdruck der in Art. 100 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen – der die Vertragsstaaten verpflichtet, zur Bekämpfung der Seeräuberei auf Hoher See zusammenzuarbeiten – wurde der angefochtene Beschluss als Teil dieser internationalen Aktion, mit der Seeräuberei bekämpft und insbesondere verhindert werden soll, dass die Täter derartiger Handlungen straffrei bleiben, im Hinblick auf die Unterzeichnung und den Abschluss des EU-Tansania-Abkommens erlassen.

51

Dieses in Anwendung von Art. 12 der Gemeinsamen Aktion 2008/851 geschlossene Abkommen steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Operation Atalanta, und zwar derart, dass es ohne diese Operation gegenstandslos wäre. Da das EU-Tansania-Abkommen im Verhältnis zu der Aktion der EUNAVFOR nur nebensächlich ist, verliert es seine Bedeutung, sobald diese Streitkraft ihre Tätigkeiten einstellt.

52

Das Argument des Parlaments, wonach die Mitgliedstaaten ohne das EU-Tansania-Abkommen in der Lage wären, die Strafverfolgung von festgenommenen Personen selbst in die Hand zu nehmen, ist nicht stichhaltig, da dieses Abkommen insbesondere darauf gerichtet ist, derartige Strafverfolgungen wirksamer zu gestalten, indem die Überstellung der betreffenden Personen an die Vereinigte Republik Tansania gerade dann gewährleistet wird, wenn der zuständige Mitgliedstaat seine gerichtliche Zuständigkeit nicht ausüben kann oder nicht auszuüben wünscht. Ohne den vorherigen Abschluss derartiger Überstellungsabkommen, wie sie in Art. 12 Abs. 3 der Gemeinsamen Aktion 2008/851 ausdrücklich vorgesehen sind, um zu gewährleisten, dass die überstellten Personen im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsnormen behandelt werden, könnte keine von der EUNAVFOR aufgegriffene Person an Drittstaaten in der Region, in der die Operation Atalanta abläuft, überstellt werden. Das könnte die wirksame Durchführung dieser Operation und die Verwirklichung der mit ihr angestrebten Ziele erschweren oder gar verhindern.

53

Im Übrigen kann die EUNAVFOR lediglich solche mutmaßlichen Seeräuber überstellen, die sie selbst im Rahmen der Operation Atalanta aufgegriffen und festgenommen hat. Insofern kann das Argument des Parlaments, wonach die von dieser Seestreitkraft durchgeführten Aktionen den von Justiz- oder Polizeibehörden der Mitgliedstaaten durchgeführten Aktionen gleichgestellt werden könnten, nicht durchgreifen. Die genannten Aktionen laufen nämlich ausschließlich im Rahmen einer spezifischen Operation der GASP, mit deren Durchführung sie untrennbar verbunden sind.

54

Die Prüfung des Zwecks des EU-Tansania-Abkommens bestätigt daher, dass es sich bei dem in ihm festgelegten Verfahren zur Überstellung von durch die EUNAVFOR aufgegriffenen und festgenommenen Personen um ein Instrument handelt, mit dem die EU die mit der Operation Atalanta angestrebten Ziele verfolgt, d. h. die Erhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, und mit dem insbesondere verhindert werden kann, dass Seeräuber straflos ausgehen.

55

Da dieses Abkommen überwiegend unter die GASP und nicht unter die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen oder die polizeiliche Zusammenarbeit fällt, konnte der angefochtene Beschluss rechtswirksam allein auf Art. 37 EUV gestützt werden. Demzufolge wurde er zu Recht nach dem Verfahren des Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 erster Satzteil AEUV angenommen.

56

Nach alledem ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 218 Abs. 10 AEUV

Vorbringen der Parteien

57

Nach Ansicht des Parlaments stellt die in Art. 218 Abs. 10 AEUV genannte Verpflichtung, wonach es „in allen Phasen des Verfahrens unverzüglich und umfassend unterrichtet“ werden muss, eine wesentliche Verfahrensregel dar. Diese gelte für alle internationalen Übereinkünfte der Union, einschließlich der, die unter die GASP fielen. Der Rat habe insofern gegen diese Regel verstoßen, als er das Parlament lediglich über die Aufnahme der Verhandlungen betreffend das EU-Tansania-Abkommen (am 22. März 2010) und über die Annahme des angefochtenen Beschlusses (am 19. März 2014, d. h. neun Tage nach dieser Annahme) unterrichtet habe. Außerdem hätten weder der Hohe Vertreter noch der Rat das Parlament über die der genannten Annahme vorausgegangenen Vertragsverhandlungen unterrichtet. Im Übrigen habe ihm der Rat weder die Verhandlungsrichtlinien noch den Wortlaut dieses Beschlusses oder den des EU-Tansania-Abkommens übermittelt.

58

Das Parlament macht geltend, dass es aufgrund dieser fehlenden Informationen nicht in der Lage gewesen sei, einen politischen Kurs im Hinblick auf den Inhalt des EU-Tansania-Abkommens festzulegen und ganz allgemein die Tätigkeiten des Rates der parlamentarischen Kontrolle zu unterziehen. Sofern man der durch die genannte Vorschrift eingeführten Verpflichtung nicht jegliche Verbindlichkeit absprechen wolle, sei sie in Zusammenhang mit der separaten Verpflichtung nach Art. 36 EUV zur Anhörung des Parlaments zur GASP zu sehen. Außerdem würde die praktische Wirksamkeit von Art. 218 Abs. 10 AEUV beeinträchtigt, wenn das Parlament über die Aushandlung und den Abschluss internationaler Übereinkünfte erst durch deren Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union informiert würde.

59

Der Rat bestreitet nicht, dass die letztgenannte Vorschrift auch für internationale Übereinkünfte gilt, die ausschließlich die GASP betreffen, meint jedoch, dass diese Vorschrift im vorliegenden Fall nicht verletzt worden sei. Das Parlament werde über sämtliche von ihm gemäß Art. 218 AEUV erlassenen einschlägigen Beschlüsse informiert, insbesondere im Hinblick auf die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen, die Verhandlungsrichtlinien, die Unterzeichnung und den Abschluss einer internationalen Übereinkunft sowie gegebenenfalls über die vorläufige Anwendung einer derartigen Übereinkunft.

60

Was das EU-Tansania-Abkommen angeht, weist der Rat zunächst darauf hin, dass er dem Parlament die Verhandlungsrichtlinien ordnungsgemäß übermittelt habe. Er habe am 22. März 2010, als er den Beschluss zur Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen angenommen habe, dem Parlament ein Schreiben übermittelt, in dem er erläutert habe, dass gemäß Art. 12 der Gemeinsamen Aktion 2008/851 mit bestimmten Drittstaaten Überstellungsabkommen geschlossen werden müssten und dass der Hohe Vertreter ermächtigt worden sei, mit einer Reihe von Staaten, darunter die Vereinigte Republik Tansania, gemäß Art. 37 EUV Verhandlungen aufzunehmen. Was den Inhalt des Entwurfs des EU-Tansania-Abkommens angehe, hätte das Parlament anhand der Kenntnis, die es von den Überstellungsabkommen gehabt habe, die zuvor im Rahmen der Operation Atalanta mit anderen Staaten geschlossen worden seien, seine Befugnisse ausüben können. Diese seien bei internationalen Übereinkünften, die sich ausschließlich auf die GASP bezögen, ohnehin begrenzt.

61

Was sodann die Übermittlung des Wortlauts des angefochtenen Beschlusses und des EU-Tansania-Abkommens an das Parlament angehe, hätten die begrenzten Befugnisse des Parlaments im Rahmen des Verfahrens der Aushandlung und des Abschlusses internationaler Übereinkünfte auf dem Gebiet der GASP in erster Linie zum Ziel, es dem Parlament zu ermöglichen, die Rechtsgrundlage dieser Übereinkünfte zu überprüfen. Im vorliegenden Fall sei dieses Ziel insofern erreicht worden, als das Parlament nach Erhalt des Schreibens des Rates vom 22. März 2010, in dem es über die Aufnahme der Verhandlungen in Kenntnis gesetzt worden sei, eine solche Überprüfung habe vornehmen können. Im Übrigen sei das Parlament über den Wortlaut des angefochtenen Beschlusses und des EU-Tansania-Abkommens zwangsläufig durch die Veröffentlichung dieser Texte im Amtsblatt der Europäischen Union vom 11. April 2014 unterrichtet worden. Dies sei der Zeitpunkt, der die Frist ausgelöst habe, innerhalb der das Parlament eine Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV habe erheben können.

62

Soweit schließlich über den Ablauf der Verhandlungen Informationen gegeben werden müssten, obliege diese Aufgabe dem Hohen Vertreter, und demzufolge sei der auf Art. 218 Abs. 10 AEUV gestützte Klagegrund unbegründet. Überdies sei es dem Rat praktisch unmöglich, das Parlament während des Ablaufs der Verhandlungen auf dem Gebiet der GASP über sämtliche Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten, die manchmal rasch und unerwartet einträten. Jedenfalls seien dem Parlament im – weiteren – Rahmen der Operation Atalanta, in dem der angefochtene Beschluss ergangen sei, Informationen zugeleitet worden.

63

Das Parlament räumt in seiner Erwiderung ein, dass der Rat es über seinen Beschluss, die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen zu erteilen, „unverzüglich“ im Sinne von Art. 218 Abs. 10 AEUV, und zwar am Tag der Annahme dieses Beschlusses, unterrichtet habe. Das gelte jedoch nicht für den angefochtenen Beschluss, denn dieser sei ihm erst neun Tage nach seiner Annahme übermittelt worden. Außerdem habe der Rat ihm niemals den Text des genannten Beschlusses und des EU-Tansania-Abkommens übermittelt. Das Erfordernis, das Parlament „umfassend“ im Sinne von Art. 218 Abs. 10 AEUV zu unterrichten, könne nicht allein dadurch erfüllt sein, dass der Rat früher ähnliche Abkommen geschlossen habe. Da jedenfalls dem Parlament kein Text übermittelt worden sei, der ihm die Möglichkeit gegeben hätte, die in dieser Hinsicht einschlägigen Gesichtspunkte, wie z. B. Ziel und Inhalt des geplanten Abkommens, zu erkennen, habe es die Rechtsgrundlage des angefochtenen Beschlusses nicht überprüfen können. Nach Ansicht des Parlaments hätte ihm der Rat den Wortlaut seines Beschlussentwurfs und den Entwurf des Abkommens spätestens am 4. April 2012 übermitteln müssen, als die Referenten für Außenbeziehungen des Rates diese Texte nach Abschluss der Verhandlungen festgelegt hätten. Nach diesem Zeitpunkt habe der Rat lediglich darauf gewartet, dass die Vereinigte Republik Tansania diesem Entwurf eines Abkommens ihre Zustimmung erteile. Diese sei ihm im Februar 2014 gegeben worden.

64

Schließlich wendet sich das Parlament gegen die vom Rat getroffene Unterscheidung zwischen den Befugnissen, die dem Rat zustünden, und denen des Hohen Vertreters, denn Letzterer führe den Vorsitz der Tagungen des Rates (Auswärtige Angelegenheiten), der im Rat für die Beschlussfassung über die GASP zuständigen Ratsformation. Das Parlament macht unter Hinweis auf das Urteil vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025), geltend, dass die Einhaltung von Art. 218 Abs. 10 AEUV eine Wirksamkeitsvoraussetzung für Beschlüsse über die Annahme internationaler Übereinkünfte sei und dass sich der Rat vor deren Annahme vergewissern müsse, dass das Parlament ordnungsgemäß unterrichtet worden sei.

65

Der Rat führt in seiner Gegenerwiderung aus, dass eine Frist von mehreren Monaten oder mehreren Wochen zwar nicht dem Erfordernis genüge, das Parlament „unverzüglich“ im Sinne von Art. 218 Abs. 10 AEUV zu unterrichten, doch sei eine Frist von einigen Tagen, hier neun Tage, was sieben Werktagen entspreche, nicht als unangemessen anzusehen.

66

Hinsichtlich des Ablaufs der Verhandlungen vor Abschluss des EU-Tansania-Abkommens habe er dem Parlament mit Schreiben vom 22. März 2010 hinreichende Informationen gegeben, die es diesem ermöglicht hätten, sich zur Richtigkeit der vom Rat genannten Rechtsgrundlage zumindest eine erste Meinung zu bilden und etwaige Zweifel hieran vorzubringen. Selbst wenn der Umstand, dass der Rat früher ähnliche Abkommen geschlossen habe, für die Annahme, dass die Anforderungen des Art. 218 Abs. 10 AEUV erfüllt seien, allein nicht ausreichen sollte, würden diese Anforderungen durch diesen Umstand zusammen mit den in dem Schreiben des Rates vom 22. März 2010 enthaltenen Angaben erfüllt. Im Übrigen sei das in diesem Schreiben erläuterte Verhandlungsmandat unverändert geblieben.

67

Hinsichtlich der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Rat und Hoher Vertreter räumt der Rat zwar ein, dass Letzterer bei den Tagungen des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) den Vorsitz führe, doch handele der Hohe Vertreter nicht in dieser Eigenschaft, wenn er die Union im Rahmen von Verhandlungen über Abkommen auf dem Gebiet der GASP vertrete. Folglich könne die Verpflichtung, das Parlament zu unterrichten, nur dem Hohen Vertreter obliegen, da die Verhandlungsführung in dessen Zuständigkeit und nicht in die des Rates falle. Darüber hinaus könne sich die Verpflichtung, während der Verhandlungen Informationen zu übermitteln, nicht auf jedes erarbeitete Dokument, jede Verhandlungsrunde oder auf die vorbereitenden Arbeiten beim Rat beziehen. Schließlich vertritt der Rat die Auffassung, dass es ihm nicht obliege, vor Annahme eines Beschlusses über den Abschluss einer internationalen Übereinkunft zu überprüfen, ob Art. 218 Abs. 10 AEUV tatsächlich beachtet und das Parlament daher ordnungsgemäß über die der Annahme einer solchen Übereinkunft vorausgegangene Verhandlungsführung unterrichtet worden sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

68

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gilt die nach Art. 218 Abs. 10 AEUV vorgesehene Verpflichtung, wonach das Parlament bei der Verhandlung und dem Abschluss internationaler Übereinkünfte „in allen Phasen des Verfahrens unverzüglich und umfassend [zu unterrichten]“ ist, für jedes Verfahren zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft, einschließlich der Übereinkünfte, die ausschließlich die GASP betreffen (Urteil vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat, C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 85). Um den Erfordernissen der Klarheit, der Kohärenz und der Rationalisierung zu genügen, sieht Art. 218 AEUV für die Aushandlung und den Abschluss internationaler Übereinkünfte durch die Union in allen ihren Tätigkeitsbereichen, einschließlich der GASP, die im Gegensatz zu anderen Bereichen keinem besonderen Verfahren unterliegt, ein einheitliches Verfahren von allgemeiner Geltung vor (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat, C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 52 und 72).

69

Die dem Parlament im Bereich der GASP übertragene Rolle bleibt zwar begrenzt, da es von dem Verfahren der Aushandlung und des Abschlusses einer Übereinkunft, die ausschließlich die GASP betrifft, ausgeschlossen ist, doch kann daraus nicht abgeleitet werden, dass ihm jedes Informationsrecht in Bezug auf diese Politik der Union verwehrt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat, C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 83 und 84).

70

Die Beteiligung des Parlaments am Gesetzgebungsverfahren spiegelt ein grundlegendes demokratisches Prinzip, wonach die Völker durch eine Versammlung ihrer Vertreter an der Ausübung hoheitlicher Gewalt beteiligt sind, auf Unionsebene wider (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Oktober 1980, Roquette Frères/Rat, 138/79, EU:C:1980:249, Rn. 33, vom 11. Juni 1991, Titandioxid, C‑300/89, EU:C:1991:244, Rn. 20, und vom 19. Juli 2012, Parlament/Rat, C‑130/10, EU:C:2012:472, Rn. 81). Das nach Art. 218 Abs. 10 AEUV vorgesehene Informationserfordernis ist bei dem Verfahren zur Aushandlung und zum Abschluss internationaler Übereinkünfte Ausdruck dieses demokratischen Grundsatzes, auf dem die Union beruht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat, C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 81).

71

Dieses Erfordernis der Unterrichtung soll insbesondere sicherstellen, dass das Parlament eine demokratische Kontrolle über das Außenhandeln der Union ausüben und – spezifischer – überprüfen kann, dass seine Befugnisse bei der Wahl der Rechtsgrundlage eines Beschlusses über den Abschluss einer Übereinkunft gewahrt worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat, C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 79). Das Erfordernis, das Parlament umfassend und unverzüglich zu unterrichten, soll es diesem zwar nicht ermöglichen, an der Aushandlung und dem Abschluss internationaler Übereinkünfte auf dem Gebiet der GASP teilzunehmen, doch kann das Parlament aufgrund dieses Erfordernisses nicht nur prüfen, ob die im Rahmen dieser Politik angenommenen Maßnahmen auf einer geeigneten Rechtsgrundlage beruhen, sondern auch seine eigenen Befugnisse in voller Kenntnis des gesamten jeweiligen auswärtigen Handelns der Union ausüben.

72

Da die Union nämlich gemäß Art. 21 Abs. 3 EUV auf die Kohärenz zwischen den einzelnen Bereichen ihres auswärtigen Handelns achten muss, trägt die Informationspflicht, die den anderen Organen gegenüber dem Parlament gemäß Art. 218 Abs. 10 AEUV obliegt, dazu bei, dass die Einheitlichkeit und die Kohärenz dieses Handelns gewährleistet sind (vgl. entsprechend in Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen den Unionsorganen und den Mitgliedstaaten Urteil vom 2. Juni 2005, Kommission/Luxemburg, C‑266/03, EU:C:2005:341, Rn. 60; Gutachten 1/08 vom 30. November 2009, EU:C:2009:739, Rn. 136, und Urteil vom 20. April 2010, Kommission/Schweden, C‑246/07, EU:C:2010:203, Rn. 75).

73

Das Vorbringen des Rates, wonach die Pflicht zur Unterrichtung des Parlaments über die Verhandlungsführung dem Hohen Vertreter und nicht dem Rat selbst obliege, ist ohne Weiteres zurückzuweisen. Art. 218 Abs. 2 AEUV bestimmt nämlich, dass es Sache des Rates ist, Verhandlungen aufzunehmen, Verhandlungsrichtlinien festzulegen, die Unterzeichnung zu genehmigen und Übereinkünfte zu schließen, und demzufolge obliegt es dem Rat auch, insbesondere im Rahmen von Übereinkünften, die sich ausschließlich auf die GASP beziehen, auf die Einhaltung der nach Art. 218 Abs. 10 AEUV vorgesehenen Verpflichtung zu achten.

74

Im vorliegenden Fall wirft das Parlament dem Rat erstens vor, es nicht über den Ablauf der Verhandlungen unterrichtet zu haben, zweitens, ihm weder den endgültigen Wortlaut des EU-Tansania-Abkommens noch den des angefochtenen Beschlusses übermittelt zu haben, und drittens, das Parlament von dem letztgenannten Beschluss erst neun Tage nach dessen Annahme unterrichtet zu haben.

75

Was zunächst die Rüge angeht, der Rat habe das Parlament nicht über den Ablauf der Verhandlungen unterrichtet, ist festzustellen, dass der Rat im vorliegenden Fall das Parlament erst bei der Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen und bei deren Abschluss unterrichtet hat. Der Gerichtshof hat jedoch in Rn. 86 seines Urteils vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025), festgestellt, dass die Verpflichtung nach Art. 218 Abs. 10 AEUV, das Parlament in allen Phasen des Verfahrens zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft unverzüglich und umfassend zu unterrichten, auch für die Phasen gilt, die dem Abschluss einer solchen Übereinkunft vorausgehen, und deshalb insbesondere die Verhandlungsphase einschließt.

76

Hinsichtlich des Umfangs der nach dieser Vorschrift vorgesehenen Informationen ist darauf hinzuweisen, dass das Verfahren des Art. 218 AEUV zur Aushandlung und zum Abschluss internationaler Übereinkünfte insbesondere Folgendes umfasst: die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen, die Festlegung der Verhandlungsrichtlinien, die Benennung des Verhandlungsführers der Union und gegebenenfalls eines speziellen Ausschusses, den Abschluss der Verhandlungen, die Genehmigung der Unterzeichnung der Übereinkunft, gegebenenfalls den Beschluss, die Übereinkunft vor ihrem Inkrafttreten vorläufig anzuwenden, und den Abschluss der Übereinkunft.

77

Zwar muss das Parlament gemäß Art. 218 Abs. 10 AEUV in allen Phasen des Verfahrens unterrichtet werden, doch bedeutet der Umstand, dass seine Beteiligung an der Aushandlung und dem Abschluss von Übereinkünften, die sich ausschließlich auf die GASP beziehen, ausdrücklich ausgeschlossen ist, dass dieses Informationserfordernis nicht diejenigen Phasen umfasst, die zu einem Vorbereitungsprozess innerhalb des Rates gehören. Gleichwohl darf sich das Erfordernis, das Parlament zu informieren, wie die Generalanwältin in Nr. 86 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, nicht allein auf die in der vorstehenden Randnummer dieses Urteils genannten Etappen des Verfahrens beschränken, sondern muss auch Zwischenergebnisse der Verhandlungen einschließen. Aufgrund dieses Informationserfordernisses musste der Rat dem Parlament, wie von diesem geltend gemacht wird, den von den für die Verhandlungen zuständigen Referenten für Außenbeziehungen des Rates erstellten Entwurf des Abkommens und des Beschlusses jeweils im Wortlaut übermitteln, soweit diese Entwurfstexte den tansanischen Behörden im Hinblick auf den Abschluss des Abkommens übermittelt worden waren.

78

Im Übrigen hat der Rat das Parlament im vorliegenden Fall keineswegs über den Ablauf des dem Abschluss des EU-Tansania-Abkommens vorausgegangenen Verhandlungsverfahrens unterrichtet, abgesehen von dem Schreiben vom 22. März 2010, mit dem die Aufnahme dieser Verhandlungen angekündigt wurde. Da eine Ausübung des Kontrollrechts des Parlaments nur im Hinblick auf den Inhalt des geplanten Abkommens selbst und nicht des Inhalts anderer Abkommen in Betracht kommt, die gegebenenfalls ähnliche Merkmale aufweisen (vgl. in diesem Zusammenhang Urteil vom 6. November 2008, Parlament/Rat, C‑155/07, EU:C:2008:605, Rn. 74), ist das Bestehen von mit anderen Staaten geschlossenen Abkommen, von denen das Parlament Kenntnis haben könnte, in diesem Zusammenhang unerheblich. Unter diesen Umständen ist das Vorbringen des Rates, wonach das Parlament über den Verhandlungsablauf, der zum EU-Tansania-Abkommen geführt habe, durch das Bestehen ähnlicher früherer Abkommen derselben Art hinreichend unterrichtet gewesen sei, zurückzuweisen.

79

Des Weiteren ist in Bezug auf die Rüge, dass der Rat dem Parlament nicht den Wortlaut des EU-Tansania-Abkommens und den des angefochtenen Beschlusses übermittelt habe, das Argument des Rates zurückzuweisen, das Parlament hätte seine Befugnisse ausüben können, als es von den Texten durch deren Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union Kenntnis erlangt habe.

80

Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ist die Veröffentlichung eines Beschlusses über die Unterzeichnung und den Abschluss einer Übereinkunft im Amtsblatt der Europäischen Union nicht geeignet, einem Verstoß gegen Art. 218 Abs. 10 AEUV abzuhelfen. Diese Veröffentlichung ist nämlich in Art. 297 AEUV vorgesehen und entspricht den Publizitätsanforderungen, denen ein unionsrechtlicher Akt für sein Inkrafttreten unterliegt, während das Erfordernis der Unterrichtung gemäß Art. 218 Abs. 10 AEUV vorgesehen ist, um sicherzustellen, dass das Parlament gerade infolge der Wahl der Rechtsgrundlage für einen Beschluss über den Abschluss einer Übereinkunft in die Lage versetzt wird, eine demokratische Kontrolle über das Außenhandeln der Union auszuüben und – spezifischer – zu überprüfen, dass seine Befugnisse gewahrt worden sind (Urteil vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat, C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 79).

81

Was schließlich die Rüge angeht, mit der geltend gemacht wird, dass der Rat gegen Art. 218 Abs. 10 AEUV verstoßen habe, indem er das Parlament verspätet, d. h. neun Tage nach Annahme des angefochtenen Beschlusses, unterrichtet habe, ist festzustellen, dass diese Frist grundsätzlich nicht dem Erfordernis genügt, das Parlament „unverzüglich“ im Sinne dieser Vorschrift zu unterrichten.

82

Zwar ist nicht auszuschließen, dass eine Information, die dem Parlament nach Ablauf einer Frist von einigen Tagen übermittelt wird, unter bestimmten Umständen als „unverzüglich“ im Sinne der genannten Vorschrift angesehen werden kann, doch da der Rat dem Parlament in diesem Fall weder den Wortlaut des angefochtenen Beschlusses noch den des EU-Tansania-Abkommens übermittelt hat, ist festzustellen, dass er es jedenfalls nicht unverzüglich und umfassend während des Verfahrens der Aushandlung und des Abschlusses dieses Abkommens unterrichtet hat.

83

Nach alledem hat der Rat gegen Art. 218 Abs. 10 AEUV verstoßen.

84

Da das Parlament nicht gemäß Art. 218 Abs. 10 AEUV in allen Phasen des Verfahrens unverzüglich und umfassend unterrichtet worden ist, war es nicht in der Lage, das ihm durch die Verträge im Bereich der GASP eingeräumte Informationsrecht auszuüben und gegebenenfalls seinen Standpunkt in Bezug insbesondere auf die richtige Rechtsgrundlage geltend zu machen, auf die der in Rede stehende Rechtsakt zu stützen ist. Der Verstoß gegen dieses Erfordernis der Unterrichtung beeinträchtigt daher die Bedingungen, unter denen das Parlament seine Funktionen auf dem Gebiet der GASP ausübt, und stellt folglich einen Verstoß gegen eine wesentliche Formvorschrift dar (Urteil vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat, C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 86).

85

Unter diesen Umständen greift der zweite Klagegrund in der Sache durch, und der angefochtene Beschluss ist demnach für nichtig zu erklären.

Zur Aufrechterhaltung der Wirkungen des angefochtenen Beschlusses

86

Das Parlament und der Rat, die von der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission unterstützt werden, beantragen, für den Fall der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses dessen Wirkungen aufrechtzuerhalten, bis er ersetzt worden ist.

87

Nach Art. 264 Abs. 2 AEUV kann der Gerichtshof, falls er dies für notwendig hält, diejenigen Wirkungen einer für nichtig erklärten Handlung bezeichnen, die als fortgeltend zu betrachten sind.

88

Es ist anzuerkennen, dass die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses ohne Aufrechterhaltung seiner Wirkungen den Ablauf der auf der Grundlage des EU-Tansania-Abkommens durchgeführten Operationen behindern und insbesondere die volle Wirksamkeit der strafrechtlichen Verfolgung und Aburteilung mutmaßlicher Seeräuber, die von EUNAVFOR aufgegriffen wurden, gefährden könnte.

89

Folglich sind die Wirkungen des angefochtenen Beschlusses, der mit dem vorliegenden Urteil für nichtig erklärt wird, aufrechtzuerhalten.

Kosten

90

Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung trägt jedoch jede Partei ihre eigenen Kosten, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

91

Da der Rat und das Parlament mit ihrem Vorbringen jeweils teilweise unterlegen sind, haben sie ihre eigenen Kosten zu tragen.

92

Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Tschechische Republik, das Königreich Schweden, das Vereinigte Königreich und die Kommission als Streithelfer ihre eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Der Beschluss 2014/198/GASP des Rates vom 10. März 2014 über die Unterzeichnung und den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Vereinigten Republik Tansania über die Bedingungen für die Überstellung mutmaßlicher Seeräuber sowie die Übergabe von damit in Verbindung stehenden beschlagnahmten Gütern durch die EU-geführte Seestreitkraft an die Vereinigte Republik Tansania wird für nichtig erklärt.

 

2.

Die Wirkungen des Beschlusses 2014/198 werden aufrechterhalten.

 

3.

Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

 

4.

Die Tschechische Republik, das Königreich Schweden, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sowie die Europäische Kommission tragen ihre eigenen Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.