URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

14. April 2016 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Landwirtschaft — Gemeinsame Marktorganisation — Verordnung (EG) Nr. 565/2002 — Art. 3 Abs. 3 — Zollkontingent — Knoblauch mit Ursprung in Argentinien — Einfuhrlizenzen — Keine Übertragbarkeit der Rechte aus Einfuhrlizenzen — Umgehung — Rechtsmissbrauch — Voraussetzungen — Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 — Art. 4 Abs. 3“

In der Rechtssache C‑131/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien) mit Entscheidung vom 13. Januar 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 21. März 2014, in dem Verfahren

Malvino Cervati,

Società Malvi Sas di Cervati Malvino (aufgelöst)

gegen

Agenzia delle Dogane,

Agenzia delle Dogane – Ufficio delle Dogane di Livorno,

Beteiligter:

Roberto Cervati,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richterin C. Toader, des Richters A. Rosas, der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von M. Cervati, der Società Malvi Sas di Cervati Malvino und von R. Cervati, vertreten durch C. Mazzoni, M. Moretto und G. Rondello, avvocati,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von A. Collabolletta, avvocato dello Stato,

der griechischen Regierung, vertreten durch I. Chalkias, I. Dresiou, O. Tsirkinidou und D. Ntourntoureka als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch B.‑R. Killmann und P. Rossi als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1047/2001 der Kommission vom 30. Mai 2001 zur Einführung einer Einfuhrlizenz- und Ursprungsbescheinigungsregelung sowie zur Festlegung der Verwaltung der Zollkontingente für aus Drittländern eingeführten Knoblauch (ABl. L 145, S. 35) und der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312, S. 1).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn M. Cervati in seiner Eigenschaft als Komplementär und gesetzlicher Vertreter der aufgelösten Società Malvi Sas di Cervati Malvino (im Folgenden: Malvi) und Malvi auf der einen und der Agenzia delle Dogane (Zollagentur) und der Agenzia delle Dogane – Ufficio delle Dogane di Livorno (Zollagentur – Zollamt Livorno, Italien) (im Folgenden zusammen: Zollagentur) auf der anderen Seite über einen Malvi zugestellten geänderten Festsetzungsbescheid wegen Einfuhren von Knoblauch mit Ursprung in Argentinien unter Anwendung des Präferenzzolls.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung Nr. 2988/95

3

Art. 4 in Titel II („Verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen“) der Verordnung Nr. 2988/95 sieht vor:

„(1)   Jede Unregelmäßigkeit bewirkt in der Regel den Entzug des rechtswidrig erlangten Vorteils

durch Verpflichtung zur Zahlung des geschuldeten oder Rückerstattung des rechtswidrig erhaltenen Geldbetrags;

(3)   Handlungen, die nachgewiesenermaßen die Erlangung eines Vorteils, der den Zielsetzungen der einschlägigen [Unionsvorschriften] zuwiderläuft, zum Ziel haben, indem künstlich die Voraussetzungen für die Erlangung dieses Vorteils geschaffen werden, haben zur Folge, dass der betreffende Vorteil nicht gewährt bzw. entzogen wird.

…“

Verordnung (EG) Nr. 1291/2000

4

Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1291/2000 der Kommission vom 9. Juni 2000 mit gemeinsamen Durchführungsvorschriften für Einfuhr- und Ausfuhrlizenzen sowie Vorausfestsetzungsbescheinigungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. L 152, S. 1) bestimmt:

„Die Einfuhr- oder Ausfuhrlizenz berechtigt und verpflichtet dazu, mit dieser Lizenz, ausgenommen im Falle höherer Gewalt, innerhalb ihrer Gültigkeitsdauer die angegebene Menge des bezeichneten Erzeugnisses und/oder der bezeichneten Ware einzuführen bzw. auszuführen.“

5

In Art. 9 Abs. 1 dieser Verordnung heißt es:

„Die Pflichten aus den Lizenzen sind nicht übertragbar. Die Rechte aus den Lizenzen können während der Gültigkeitsdauer der Lizenzen vom Lizenzinhaber übertragen werden. …“

6

Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1291/2000 bestimmt:

„Der Antrag auf Erteilung einer Lizenz wird abgelehnt, wenn am Tag der Antragstellung … keine ausreichende Sicherheit bei der zuständigen Stelle geleistet worden ist.“

7

Art. 35 Abs. 2 dieser Verordnung sieht vor:

„… die Sicherheit [verfällt] bei Nichterfüllung der Verpflichtung zur Ein‑ bzw. Ausfuhr für eine Menge, die dem Unterschied zwischen

a)

95 v. H. der in der Lizenz angegebenen Menge und

b)

der tatsächlich ein- bzw. ausgeführten Menge entspricht.

Beträgt die eingeführte oder ausgeführte Menge jedoch weniger als 5 v. H. der in der Lizenz angegebenen Menge, so verfällt die Sicherheit vollständig.

…“

Verordnung Nr. 1047/2001

8

Art. 5 („Erteilung der Lizenzen“) der Verordnung Nr. 1047/2001 sieht in seinem Abs. 1 vor, dass „[a]bweichend von Artikel 9 der Verordnung … Nr. 1291/2000 … die Rechte aus [den A‑]Lizenzen nicht übertragbar [sind]“.

9

Die Verordnung Nr. 1047/2001 wurde mit Wirkung vom 1. Juni 2002 durch die Verordnung (EG) Nr. 565/2002 der Kommission vom 2. April 2002 zur Festlegung der Verwaltung der Zollkontingente und zur Einführung einer Ursprungsbescheinigungsregelung für aus Drittländern eingeführten Knoblauch (ABl. L 86, S. 11) aufgehoben.

Verordnung Nr. 565/2002

10

In den Erwägungsgründen 1, 3 und 5 bis 7 der Verordnung Nr. 565/2002 heißt es:

„(1)

… Seit 1. Juni 2001 setzt sich der normale Zollsatz für die Einfuhr von Knoblauch des KN-Codes 0703 20 00 aus einem Wertzoll von 9,6 % und einem spezifischen Betrag von 1200 [Euro]/t netto zusammen. Im Rahmen des mit dem Beschluss 2001/404/EG [des Rates vom 28. Mai 2001 über den Abschluss eines Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Argentinischen Republik im Rahmen des Artikels XXVIII des Allgemeinen Zoll und Handelsabkommens (GATT) 1994 zur Änderung der in der Liste CXL im Anhang zum GATT vorgesehenen Zugeständnisse hinsichtlich von Knoblauch (ABl. L 142, S. 7)] genehmigten Abkommens mit Argentinien ist jedoch ein vom spezifischen Zoll befreites Kontingent von 38370 Tonnen, nachstehend ‚GATT‑Kontingent‘ genannt, eröffnet worden. Gemäß dem Abkommen wird dieses Kontingent folgendermaßen aufgeteilt: 19147 Tonnen auf Einfuhren mit Ursprung in Argentinien (laufende Nummer 09.4104) …

(3)

Die Modalitäten der Verwaltung des GATT‑Kontingents wurden mit der Verordnung … Nr. 1047/2001 … festgelegt. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen könnte diese Verwaltung jedoch verbessert und vereinfacht werden. So sollte insbesondere die Forderung nach einer Einfuhrlizenz für Einfuhren, die außerhalb des GATT‑Kontingents erfolgen, aufgehoben und die Bedingungen für den Zugang der Einführer zu diesem Kontingent angepasst werden, um den traditionellen Handelsströmen besser Rechnung zu tragen.

(5)

Da für die nicht unter das GATT‑Kontingent fallenden nicht präferenziellen Einfuhren ein spezifischer Zoll gilt, erfordert die Verwaltung dieser Einfuhren die Einführung einer Einfuhrlizenzregelung. Die Durchführungsbestimmungen zu dieser Regelung müssen von den Bestimmungen der Verordnung … Nr. 1291/2000 … abweichen oder diese ergänzen.

(6)

Es sind Maßnahmen erforderlich, um die spekulative Beantragung von Einfuhrlizenzen so weit wie möglich zu verhindern, die keiner tatsächlichen Handelstätigkeit auf dem Obst- und Gemüsemarkt entspricht. Zu diesem Zweck sind besondere Vorschriften für die Beantragung und Gültigkeit der Lizenzen vorzusehen.

(7)

Da in dem Abkommen mit Argentinien vorgesehen ist, für die Verwaltung des GATT‑Kontingents die Regelung der traditionellen/neuen Einführer anzuwenden, ist es angebracht, den Begriff der traditionellen Einführer zu definieren und die zugeteilten Mengen zwischen diesen beiden Kategorien von Einführern aufzuteilen, wobei die optimale Ausschöpfung des Kontingents gewährleistet sein muss.“

11

Diese Verordnung enthält in ihrem Art. 2 Abs. 1 folgende Definitionen:

„Im Sinne dieser Verordnung sind:

a)

‚Einfuhrjahr‘: der Jahreszeitraum vom 1. Juni eines Jahres bis zum 31. Mai des folgenden Jahres;

c)

‚traditionelle Einführer‘: Einführer, die in zumindest zwei der drei vorhergehenden vollständigen Einfuhrjahre Knoblauch in die Gemeinschaft eingeführt haben, ungeachtet des Ursprungs und des Zeitpunktes dieser Einfuhren;

d)

‚Referenzmenge‘: die Höchstmenge der jährlichen Knoblaucheinfuhren eines traditionellen Einführers im Laufe eines der Kalenderjahre 1998, 1999 und 2000. Hat der betreffende Einführer in zumindest zwei dieser drei Jahre keinen Knoblauch eingeführt, so entspricht seine Referenzmenge der Höchstmenge seiner jährlichen Knoblaucheinfuhren im Laufe eines der drei letzten vollständigen Einfuhrjahre, die dem Jahr vorausgehen, für das er die Lizenz beantragt;

e)

‚neue Einführer‘: nichttraditionelle Einführer.

…“

12

Art. 3 („Einfuhrlizenzregelung“) der Verordnung Nr. 565/2002 bestimmt:

„(1)   Vorbehaltlich der Bestimmungen dieser Verordnung ist für sämtliche Einfuhren im Rahmen der [mit dem Beschluss 2001/404 eröffneten Zollkontingente für Knoblauch des KN-Codes 0703 20 00] die Vorlage einer gemäß der Verordnung … Nr. 1291/2000 erteilten Einfuhrlizenz, nachstehend ‚Lizenz‘ genannt, erforderlich.

(3)   Abweichend von Artikel 9 der Verordnung … Nr. 1291/2000 sind die Rechte aus diesen Lizenzen nicht übertragbar.

(4)   Die Sicherheit gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung … Nr. 1291/2000 beläuft sich auf 15 [Euro]/t Eigengewicht.“

13

Art. 5 („Lizenzanträge“) der Verordnung Nr. 565/2002 bestimmt:

„(1)   Die Lizenzanträge können nur von Einführern gestellt werden.

Hat ein neuer Einführer bereits im vorangegangenen vollständigen Einfuhrjahr Lizenzen gemäß dieser Verordnung oder der Verordnung … Nr. 1047/2001 erhalten, so muss er den Nachweis erbringen, dass er mindestens 90 % der ihm zugeteilten Menge tatsächlich auf eigene Rechnung in den Verkehr gebracht hat.

(3)   Die Lizenzanträge eines traditionellen Einführers dürfen in keinem Einfuhrjahr seine Referenzmenge überschreiten.

(4)   Für jeden der drei Ursprünge und jedes Quartal gemäß Anhang I dürfen sich die Lizenzanträge eines neuen Einführers höchstens auf eine Menge beziehen, die 10 % der in Anhang I für den betreffenden Ursprung und das betreffende Quartal genannten Menge entspricht.

…“

14

In Art. 6 („Höchstmenge“) dieser Verordnung heißt es:

„(1)   Für jeden der drei Ursprünge und jedes Quartal gemäß Anhang I werden Lizenzen nur für eine Höchstmenge erteilt, die gleich der Summe ist aus

a)

der in Anhang I für den betreffenden Ursprung und das betreffende Quartal genannten Menge;

b)

der im vorangegangenen Quartal für diesen Ursprung nicht beantragten Menge;

c)

der nicht ausgeschöpften Menge, die nach Kenntnis der Kommission auf früher für diesen Ursprung erteilte Lizenzen entfällt.

(2)   Für jeden der drei Ursprünge und für jedes Quartal gemäß Anhang I wird die gemäß Absatz 1 berechnete Höchstmenge folgendermaßen aufgeteilt:

a)

70 % für die traditionellen Einführer,

b)

30 % für die neuen Einführer.

Ab dem ersten Montag des zweiten Monats jeden Quartals werden die verfügbaren Mengen jedoch unterschiedslos den beiden Kategorien von Einführern zugeteilt.“

15

Nach ihrem Art. 13 Abs. 2 gilt die Verordnung Nr. 565/2002 im Wesentlichen für die Lizenzen, die ab dem 8. April 2002 beantragt wurden, und für die Überführungen in den freien Verkehr, die ab dem 1. Juni 2002 erfolgen.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

16

Malvi war eine im Bereich der Einfuhr und Ausfuhr von Obst und Gemüse tätige Gesellschaft, die die Eigenschaft eines traditionellen Einführers im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 565/2002 hatte. Über eine andere Gesellschaft, die wiederum auf andere Unternehmer zurückgriff, kaufte Malvi Knoblauch mit Ursprung in Argentinien, der im Februar und im März 2003 im Rahmen des in dieser Verordnung vorgesehenen Zollkontingents eingeführt wurde und auf den daher ein Präferenzzoll anwendbar war (im Folgenden: streitige Einfuhren), obwohl sie nicht über eine hierfür erforderliche Einfuhrlizenz verfügte, da ihre eigenen Lizenzen erschöpft waren.

17

Die Zollagentur – Zollamt Livorno ging davon aus, dass Malvi die Zoll- und Mehrwertsteuervorschriften widerrechtlich durch ein Betrugssystem umgangen habe, in dem L’Olivo Maria Imp. Exp. (im Folgenden: L’Olivo), die ein neuer Einführer im Sinne der Verordnung Nr. 565/2002 gewesen sei und die streitigen Einfuhren vorgenommen habe, als Briefkastengesellschaft gehandelt habe. Sie hielt Malvi als für mit L’Olivo gesamtschuldnerisch haftbar und erließ gegen sie einen geänderten Festsetzungsbescheid.

18

Das von der Zollagentur angesprochene und als betrügerisch erachtete System lässt sich wie folgt beschreiben. In einem ersten Schritt kaufte L’Olivo, die über die für die Anwendung des Präferenzzolls erforderlichen Einfuhrlizenzen verfügte, von der von Herrn R. Tonini geführten Bananaservice Srl (im Folgenden: Bananaservice), die über keine Einfuhrlizenzen verfügte, Partien Knoblauch mit Ursprung in Argentinien, die sich in Zolllagern im Transit befanden. In einem zweiten Schritt führte L’Olivo diese Partien Knoblauch unter Anwendung des Präferenzzolls in die Europäische Union ein und verkaufte sie nach der Überführung in den freien Verkehr weiter an die Tonini Roberto & C. Sas (im Folgenden: Tonini). In einem dritten Schritt verkaufte sie Tonini weiter an Malvi.

19

Die Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) führt aus, dass zum einen nur L’Olivo über eigene Einfuhrlizenzen verfügt habe und zum anderen die Partien Knoblauch gegen ein angemessenes Entgelt, das jedoch geringer als der spezifische Zoll für Einfuhren außerhalb des GATT‑Kontingents gewesen sei, veräußert worden seien.

20

Malvi erhob gegen den geänderten Festsetzungsbescheid Klage bei der Commissione tributaria provinciale di Livorno (Finanzgericht der Provinz Livorno), die dieser Klage mit Entscheidung vom 15. November 2006 stattgab.

21

Gegen diese Entscheidung legte die Zollagentur bei der Commissione tributaria regionale della Toscana (Finanzgericht der Region Toskana, Italien) Berufung ein, die die Entscheidung mit Urteil vom 7. September 2010 abänderte. Das Berufungsgericht war der Auffassung, dass ein traditioneller Einführer, der über keine eigene Einfuhrlizenz im Rahmen des GATT‑Kontingents verfüge, einen Zollbetrug begehe, wenn er – anstatt die Ware direkt vom Ausführer zu erwerben und sie außerhalb des Kontingents unter Zahlung des spezifischen Zolls einzuführen – die bereits von einem anderen Unternehmer verzollte Ware erwerbe, der sie in seinem Auftrag gekauft habe, um sie ihm über ein Unternehmen, das Lizenzen für die Einfuhr im Rahmen des Kontingents besitze, gegen ein angemessenes Entgelt für den erbrachten Dienst weiterzuverkaufen.

22

Gegen dieses Urteil legte Herr M. Cervati in seiner Eigenschaft als Komplementär von Malvi bei der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) Kassationsbeschwerde ein.

23

Er stützt sein Rechtsmittel u. a. auf einen Verstoß gegen die Verordnungen Nrn. 1047/2001 und 565/2002, wobei er geltend macht, dass es einem traditionellen Einführer, der über keine Lizenz für die Einfuhr im Rahmen des GATT‑Kontingents verfüge, nicht verboten sei, sich an einen anderen traditionellen Einführer aus der Union zu wenden, der, nachdem er die Ware von einem Lieferanten außerhalb der Union erworben habe, sie als ausländische Ware einem dritten Unternehmer verkaufe, der sie, ohne seine Lizenz zu übertragen, in die Union verbringe und sie dann an den zweiten traditionellen Einführer gegen die Zahlung eines angemessenen Entgelts für den erbrachten Dienst weiterverkaufe, der sie wiederum an den ersten weiterverkaufe. Außerdem sei es der Hauptzweck des GATT‑Kontingents, die Deckung des Versorgungsbedarfs des Unionsmarkts zu gewährleisten, indem sein Gleichgewicht erhalten bleibe. Daher führten der Wegfall einigen Einführern bereits zugeteilter Quoten und damit die fehlende Ausschöpfung des Kontingents zu spekulativen Preissteigerungen. Somit sei unter den Umständen des Ausgangsverfahrens keine Umgehung des Gesetzes ersichtlich.

24

Die Zollagentur hält dem entgegen, dass ein Teil des einem anderen Unternehmen zugewiesenen Kontingents genutzt worden sei und folglich ein Zollbetrug vorliege, der darauf ausgerichtet sei, den Mechanismus zum Schutz des Binnenmarkts zu umgehen. Der Betrug sei im vorliegenden Fall u. a. deshalb offenkundig, weil Malvi die Partien Knoblauch mit Ursprung in Argentinien im Voraus bestellt habe, die anschließend von L’Olivo eingeführt worden seien, Malvi Tonini, die denselben Geschäftsführer wie Bananaservice habe, im Voraus Geldbeträge ausgehändigt habe und L’Olivo einen Gewinn in Höhe von 0,25 Euro pro Kilo erzielt habe. Herr M. Cervati erkläre nicht, welchen Vorteil außer dem steuerlichen in Form des Präferenzzolls er aus einem solchen System ziehe.

25

Da der Rechtsstreit, den sie zu entscheiden hat, in der Rechtsprechung des Gerichtshofs keine Lösung finde und die anwendbare unionsrechtliche Regelung in der nationalen Rechtsprechung unterschiedlich ausgelegt werde, hat die Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind die Verordnungen Nrn. 1047/2001 und 2988/95 dahin auszulegen, dass es verboten ist und einen Rechtsmissbrauch sowie eine Umgehungshandlung darstellt, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer in der Gemeinschaft, A (Malvi), bestimmte Warenpartien, da er nicht über eine Einfuhrlizenz verfügt oder seinen Kontingentanteil ausgeschöpft hat, von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer in der Gemeinschaft, B (Tonini), erwirbt, der die Waren seinerseits von einem außergemeinschaftlichen Lieferanten (Bananaservice) erworben und als Auslandsware an einen anderen Wirtschaftsteilnehmer in der Gemeinschaft, C (L’Olivo), veräußert hat, der wiederum – da er die Voraussetzungen hierfür erfüllt – eine Lizenz im Rahmen des Kontingents erhalten hat und – ohne seine Lizenz zu übertragen – die Partien in der Europäischen Gemeinschaft in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt hat, um sie nach der Verzollung gegen ein angemessenes Entgelt, das geringer als der spezifische Zoll für Einfuhren außerhalb des Kontingents ist, dem Wirtschaftsteilnehmer B (Tonini) zu veräußern, der sie letztlich dem Wirtschaftsteilnehmer A (Malvi) verkauft?

Zur Vorlagefrage

26

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof dessen Aufgabe ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Dementsprechend hat der Gerichtshof die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Dabei kann der Gerichtshof aus dem gesamten vom nationalen Gericht vorgelegten Material, insbesondere aus der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herausarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (Urteile Fuß, C‑243/09, EU:C:2010:609, Rn. 39 und 40, und Cimmino u. a., C‑607/13, EU:C:2015:448, Rn. 37 und 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27

Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung zunächst hervor, dass die streitigen Einfuhren in den Monaten Februar und März 2003 vorgenommen wurden. Die Verordnung Nr. 1047/2001, die das vorlegende Gericht in seiner Vorlagefrage anführt, wurde aber durch die Verordnung Nr. 565/2002 mit Wirkung vom 1. Juni 2002 aufgehoben. Zudem gilt die Verordnung Nr. 565/2002 nach ihrem Art. 13 Abs. 2 für die Lizenzen, die ab dem 8. April 2002 beantragt wurden, und für die Überführungen in den freien Verkehr, die ab dem 1. Juni 2002 erfolgen. Auf den Ausgangsrechtsstreit ist daher in zeitlicher Hinsicht die Verordnung Nr. 565/2002 anwendbar, und nicht die Verordnung Nr. 1047/2001.

28

Des Weiteren geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gesellschaft vorgeworfen wird, sich mit im Rahmen des GATT‑Kontingents eingeführtem Knoblauch versorgt zu haben, obwohl sie ihre eigenen zur Einfuhr im Rahmen dieses Kontingents berechtigenden Lizenzen bereits ausgeschöpft hatte. Die Zollbehörden beanstanden daher, dass diese Gesellschaft insofern missbräuchlich einen Teil des einem anderen Unternehmer vorbehaltenen Kontingents genutzt habe – um die zum Präferenzzoll eingeführte Ware zu erhalten –, als sie zur Umgehung des in Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 565/2002 normierten Verbots, Rechte aus diesen Lizenzen zu übertragen, beigetragen habe.

29

Schließlich betrifft die Verordnung Nr. 2988/95, die das vorlegende Gericht in seiner Vorlagefrage ebenfalls anführt, wie in ihrem Titel angegeben zwar allgemein den Schutz der finanziellen Interessen der Union, in Art. 4 Abs. 3 wird aber speziell die Frage des Rechtsmissbrauchs behandelt.

30

Unter diesen Voraussetzungen ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 565/2002 und Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 dahin auszulegen sind, dass sie einem System wie dem des Ausgangsverfahrens, durch das aufgrund der Bestellung durch einen Unternehmer, der ein traditioneller Einführer im Sinne der erstgenannten Verordnung ist und seine Lizenzen für die Einfuhr zum Präferenzzoll ausgeschöpft hat, bei einem zweiten Unternehmer, bei dem es sich ebenfalls um einen traditionellen Einführer handelt, der über keine Einfuhrlizenzen verfügt,

die Ware zunächst außerhalb der Union von einer mit dem zweiten Unternehmer verbundenen Gesellschaft an einen dritten Unternehmer, der ein neuer Einführer im Sinne der Verordnung Nr. 565/2002 ist und über Einfuhrlizenzen verfügt, verkauft wird,

diese Ware sodann vom dritten Unternehmer unter Anwendung des Präferenzzolls in der Union in den freien Verkehr übergeführt und anschließend von ihm an den zweiten Unternehmer weiterverkauft wird und

diese Ware schließlich vom zweiten Unternehmer an den ersten veräußert wird,

entgegenstehen, weil ein solches System insofern einen Rechtsmissbrauch des ersten Unternehmers begründet, als es diesem ermöglicht, die im Rahmen des von der Verordnung Nr. 565/2002 vorgesehenen Zollkontingents eingeführte Ware zu erwerben, obwohl er über keine hierfür erforderliche Lizenz verfügt.

31

Hierzu ist festzustellen, dass im Ausgangsverfahren nur die Ware veräußert wurde und diese zudem aufgrund von Lizenzen, deren Rechtmäßigkeit nicht bestritten wird, in die Union eingeführt wurde. Formal betrachtet gab es daher keinen Verstoß gegen das in Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 565/2002 normierte Verbot der Übertragung der Rechte aus den Lizenzen. Außerdem steht fest, dass die im Ausgangsverfahren fraglichen Erwerbs‑, Einfuhr‑ und Weiterveräußerungsvorgänge für sich genommen die Formvoraussetzungen für die Gewährung des Präferenzzolls erfüllten.

32

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht jedoch nicht erlaubt. Die Anwendung des Unionsrechts kann nämlich nicht so weit gehen, dass missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern gedeckt werden, d. h. Umsätze, die nicht im Rahmen normaler Handelsgeschäfte, sondern nur zu dem Zweck getätigt werden, missbräuchlich aus dem Unionsrecht Vorteile zu ziehen (vgl. insbesondere Urteile Halifax u. a., C‑255/02, EU:C:2006:121, Rn. 68 und 69 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und SICES u. a., C‑155/13, EU:C:2014:145, Rn. 29 und 30).

33

Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs setzt die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis zum einen insofern ein objektives Element voraus, als sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben muss, dass trotz formaler Einhaltung der unionsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung nicht erreicht wurde (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Emsland-Stärke, C‑110/99, EU:C:2000:695, Rn. 52, und SICES u. a., C‑155/13, EU:C:2014:145, Rn. 32).

34

Zum anderen setzt eine solche Feststellung ein subjektives Element in dem Sinne voraus, dass aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein muss, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen bezweckt wird, einen ungerechtfertigten Vorteil dadurch zu erlangen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden. Denn das Missbrauchsverbot ist nicht relevant, wenn die fraglichen Umsätze eine andere Erklärung haben können als nur die Erlangung eines Vorteils (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Emsland-Stärke, C‑110/99, EU:C:2000:695, Rn. 53, und SICES u. a., C‑155/13, EU:C:2014:145, Rn. 33). Dieses subjektive Element muss zudem in Bezug auf die betreffende Einrichtung vorliegen (vgl. in diesem Sinne Urteil Emsland-Stärke, C‑110/99, EU:C:2000:695, Rn. 55).

35

Obschon der Gerichtshof, wenn er auf Vorlage entscheidet, gegebenenfalls Klarstellungen vornehmen kann, um dem nationalen Gericht eine Richtschnur für seine Auslegung zu geben, obliegt es diesem Gericht, festzustellen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen eines missbräuchlichen Verhaltens im bei ihm anhängigen Rechtsstreit erfüllt sind. In diesem Zusammenhang verlangt die Prüfung des Vorliegens einer missbräuchlichen Praxis, dass das vorlegende Gericht alle relevanten Tatsachen und Umstände des Einzelfalls berücksichtigt, und zwar einschließlich der der betreffenden Einfuhr vorangehenden und nachfolgenden Handelstätigkeiten (Urteile SICES u. a., C‑155/13, EU:C:2014:145, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Cimmino u. a., C‑607/13, EU:C:2015:448, Rn. 60).

36

Hierzu geht, was als Erstes die Ziele der Verordnung Nr. 565/2002 anbelangt, aus deren Erwägungsgründen 6 und 7 hervor, dass sie darauf gerichtet ist, das vorgesehene Zollkontingent zu verwalten, indem die zugeteilten Mengen zwischen den traditionellen Einführern und den neuen Einführern aufgeteilt werden, wobei die optimale Ausschöpfung dieses Kontingents gewährleistet sein muss und die spekulative Beantragung von Einfuhrlizenzen, die keiner tatsächlichen Handelstätigkeit auf dem Obst- und Gemüsemarkt entspricht, verhindert wird.

37

Im Unterschied zu den Verordnungen, um die es in den den Urteilen SICES u. a. (C‑155/13, EU:C:2014:145) und Cimmino u. a. (C‑607/13, EU:C:2015:448) zugrunde liegenden Rechtssachen ging und nach denen im Wesentlichen eine bestimmte Menge der auf deren Grundlage verwalteten Kontingente den neuen Unternehmern vorbehalten war, wird den neuen Einführern durch die Verordnung Nr. 565/2002 jedoch keine absolute Menge des GATT‑Kontingents vorbehalten.

38

Zwar sieht Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 565/2002 vor, dass die Lizenzanträge eines traditionellen Einführers in keinem Einfuhrjahr seine Referenzmenge überschreiten dürfen, was dazu beiträgt, die Ausweitung der Einfuhrtätigkeit der traditionellen Einführer zu begrenzen. Im Einklang mit dem im sechsten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 565/2002 genannten Ziel, die spekulative Beantragung von Lizenzen zu verhindern, die keiner tatsächlichen Handelstätigkeit auf dem Obst- und Gemüsemarkt entspricht, muss zudem nach Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 3 dieser Verordnung ein neuer Einführer, der Lizenzen gemäß dieser Verordnung erhalten hat und einen neuen Antrag auf Erteilung von Lizenzen einreichen möchte, den Nachweis erbringen, dass er mindestens 90 % der ihm zugeteilten Menge tatsächlich auf eigene Rechnung in den Verkehr gebracht hat.

39

Allerdings bestimmt, auch wenn nach Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 565/2002 für jeden Ursprung und für jedes Quartal die Warenhöchstmenge, für die die Lizenzen erteilt werden, 70 % für die traditionellen Einführer und 30 % für die neuen Einführer beträgt, Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 2 dieser Verordnung ausdrücklich, dass „[a]b dem ersten Montag des zweiten Monats jeden Quartals … die verfügbaren Mengen … unterschiedslos den beiden Kategorien von Einführern zugeteilt [werden]“.

40

Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, dass ein System wie das des Ausgangsverfahrens die mit der Verordnung Nr. 565/2002 verfolgten Ziele vereitelt.

41

Erstens erwirbt der erste Käufer der Ware in der Union, der auch ein traditioneller Einführer ist, durch den Kauf dieser Ware bei einem neuen Einführer, der über Lizenzen verfügt, ebenso wenig das Recht, dass seine in Art. 2 Unterabs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 565/2002 definierte Referenzmenge auf einer Grundlage berechnet wird, die die Warenmengen umfasst, die er beim neuen Einführer gekauft hat, wie der zweite Käufer in der Union, ebenfalls ein traditioneller Einführer, nicht das Recht erwirbt, dass seine Referenzmenge auf einer Grundlage berechnet wird, die die Warenmengen umfasst, die er beim ersten Käufer in der Union gekauft hat.

42

Zweitens ermöglicht es ein solches System dem ersten und dem zweiten Käufer in der Union, die auch traditionelle Einführer sind, zwar, sich zum Präferenzzoll eingeführten Knoblauch zu beschaffen, obwohl sie nicht mehr über die hierfür erforderlichen Lizenzen verfügen, und so ihre Position auf dem Markt des Vertriebs von Knoblauch über den ihnen zugeteilten Kontingentanteil hinaus zu stärken. Wie in Rn. 37 des vorliegenden Urteils festgestellt, wird den neuen Einführern durch die Verordnung Nr. 565/2002 allerdings kein absoluter Teil des Kontingents vorbehalten. Auch sollen durch das in dieser Verordnung normierte Verbot, sich diese Ware bei einem anderen Unternehmer nur deswegen zu beschaffen, weil sie zuvor zum Präferenzzoll eingeführt worden ist, weder der Markt des Knoblauchvertriebs innerhalb der Union reglementiert werden noch die Positionen der verschiedenen Teilnehmer auf diesem Markt festgelegt werden, selbst wenn sie im Übrigen die Eigenschaft eines traditionellen Einführers im Sinne dieser Verordnung haben.

43

Damit ein solches System des Verkaufs und Wiederverkaufs der Ware zwischen Unternehmern weder einen ungehörigen Einfluss eines Unternehmers auf den Markt, insbesondere eine Umgehung von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 565/2002 durch die traditionellen Einführer, noch einen Verstoß gegen das Ziel, wonach die Beantragung von Lizenzen einer tatsächlichen Handelstätigkeit entsprechen muss, nach sich zieht, ist es jedoch erforderlich, dass jede Transaktion innerhalb dieses Systems zu einem Preis erfolgt, der dem Marktpreis entspricht, und die Einfuhr zum Präferenzzoll aufgrund von rechtmäßig erlangten Lizenzen und durch den Inhaber dieser Lizenzen erfolgt. Im Einzelnen hat das vorlegende Gericht zu überprüfen, ob jeder beteiligte Unternehmer für die Einfuhr, den Verkauf oder den Wiederverkauf der fraglichen Ware eine angemessene Gegenleistung erhält, die es ihm ermöglicht, die ihm im Rahmen der Verwaltung des Kontingents zugeteilte Position beizubehalten.

44

Da das vorlegende Gericht angibt, dass die fragliche Ware „gegen ein angemessenes Entgelt“ veräußert worden sei, und nicht bestritten wird, dass die streitigen Einfuhren durch L’Olivo und aufgrund von rechtmäßig erlangten Lizenzen erfolgten, ist diese Voraussetzung im vorliegenden Fall offenbar erfüllt, was das vorlegende Gericht jedoch zu überprüfen hat.

45

Da feststeht, dass der im Ausgangsverfahren fragliche neue Einführer die betreffende Ware auf eigene Rechnung in den freien Verkehr übergeführt hat, beeinträchtigt drittens ein System wie jenes des Ausgangsverfahrens auch nicht das Ziel, die spekulative Beantragung von Lizenzen zu verhindern, und auch nicht jenes des tatsächlichen Eintretens neuer Unternehmer in den Markt der Knoblaucheinfuhr.

46

Was als Zweites das in Rn. 34 des vorliegenden Urteils genannte subjektive Element anbelangt, ist zunächst anzumerken, dass dessen Erforschung im Ausgangsverfahren nur relevant ist, wenn das vorlegende Gericht feststellen sollte, dass das im Ausgangsverfahren fragliche System die mit der Verordnung Nr. 565/2002 verfolgten Ziele beeinträchtigt, da die Feststellung des Vorliegens einer missbräuchlichen Praxis voraussetzt, dass ein objektives und ein subjektives Element kumulativ erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil SICES u. a., C‑155/13, EU:C:2014:145, Rn. 31 bis 33).

47

Hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Vorliegens eines solchen subjektiven Elements ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass nur dann angenommen werden kann, dass mit einem System wie jenem des Ausgangsverfahrens im Wesentlichen die Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils für den zweiten Käufer in der Union bezweckt war, wenn die Einfuhr darauf gerichtet war, dem Käufer einen solchen Vorteil zu verschaffen, und wenn die Transaktionen jeder wirtschaftlichen und geschäftlichen Rechtfertigung für den Einführer und die anderen in diesem System mitwirkenden Unternehmer entbehrten, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat (vgl. entsprechend Urteile SICES u. a., C‑155/13, EU:C:2014:145, Rn. 37, und Cimmino u. a., C‑607/13, EU:C:2015:448, Rn. 65).

48

Die Feststellung des vorlegenden Gerichts, dass dieses System nicht der wirtschaftlichen oder kommerziellen Rechtfertigung entbehrte, könnte sich z. B. auf den Umstand stützen, dass der Verkaufspreis der Ware auf einem Niveau festgelegt wurde, das es dem Einführer und den anderen in diesem System mitwirkenden Unternehmern erlaubte, einen in dem betreffenden Sektor für die jeweilige Art von Ware und Transaktion als normal oder üblich angesehenen Gewinn zu erzielen (vgl. in diesem Sinne Urteil SICES u. a., C‑155/13, EU:C:2014:145, Rn. 37). Hierzu gibt das vorlegende Gericht an, dass die fragliche Ware „gegen ein angemessenes Entgelt“ veräußert worden sei. In diesem Zusammenhang hat die bloße Tatsache, dass dieses Entgelt geringer als der spezifische Zoll für Einfuhren außerhalb des Kontingents ist, dann keine Auswirkung, wenn dieses Entgelt im betreffenden Sektor für die in Rede stehende Art von Ware und Transaktion als ein normales oder übliches Entgelt angesehen werden kann, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

49

Für eine solche Feststellung könnte das vorlegende Gericht auch die Tatsache berücksichtigen, dass nach dem fünften Erwägungsgrund und Art. 3 Abs. 1 und 4 der Verordnung Nr. 565/2002 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 und Art. 35 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1291/2000 die Einführer unter Androhung von Sanktionen verpflichtet sind, die ihnen erteilten Lizenzen zu verwenden, und die Einführer, einschließlich eines neuen Einführers im Rahmen einer Transaktion wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, daher ein tatsächliches Interesse an der Durchführung von Einfuhren haben (vgl. entsprechend Urteil SICES u. a., C‑155/13, EU:C:2014:145, Rn. 37).

50

In diesem Kontext können derartige Transaktionen, auch wenn ein System wie jenes des Ausgangsverfahrens durch den Willen des ersten oder des zweiten Käufers in der Union motiviert sind, in den Genuss des Präferenzzolls zu kommen und sich somit Waren günstiger zu beschaffen, als dies bei Einfuhr außerhalb des Kontingents möglich wäre, und der Einführer und die anderen betroffenen Unternehmer sich dessen bewusst sind, nicht von vornherein dahin bewertet werden, dass sie jeder wirtschaftlichen oder kommerziellen Rechtfertigung für diese Einführer entbehren (vgl. in diesem Sinne Urteile SICES u. a., C‑155/13, EU:C:2014:145, Rn. 38, und Cimmino u. a., C‑607/13, EU:C:2015:448, Rn. 65).

51

Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass unter gewissen Umständen ein System wie jenes des Ausgangsverfahrens mit dem wesentlichen Ziel eingerichtet wurde, künstlich die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, um vom Präferenzzoll zu profitieren. Unter die Gesichtspunkte, durch die der künstliche Charakter eines solchen Systems festgestellt werden könnte, fällt u. a. der Umstand, dass der Einführer, der Inhaber von Lizenzen ist, kein Geschäftsrisiko trägt, oder auch der Umstand, dass die Gewinnspanne des Einführers geringfügig ist oder der Preis des Verkaufs des Knoblauchs durch den Einführer an den ersten Käufer in der Union, dann durch diesen an den zweiten Käufer in der Union, unter dem Marktpreis liegt (vgl. in diesem Sinne Urteile SICES u. a., C‑155/13, EU:C:2014:145, Rn. 39, und Cimmino u. a., C‑607/13, EU:C:2015:448, Rn. 67).

52

Soweit die Vorlagefrage Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 betrifft, genügt im Übrigen der Hinweis, dass diese Bestimmung im Wesentlichen die gleichen aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgehenden Kriterien wie die in den Rn. 32 bis 34 des vorliegenden Urteils genannten vorsieht, indem sie ausführt, dass die Handlungen, die diese Kriterien erfüllen – nämlich Handlungen, die nachgewiesenermaßen die Erlangung eines Vorteils, der den Zielsetzungen der einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften zuwiderläuft, zum Ziel haben, indem künstlich die Voraussetzungen für die Erlangung dieses Vorteils geschaffen werden –, zur Folge haben, dass der betreffende Vorteil nicht gewährt bzw. entzogen wird.

53

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 565/2002 und Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 dahin auszulegen sind, dass sie einem System wie dem des Ausgangsverfahrens grundsätzlich nicht entgegenstehen, durch das aufgrund der Bestellung durch einen Unternehmer, der ein traditioneller Einführer im Sinne der erstgenannten Verordnung ist und seine Lizenzen für die Einfuhr zum Präferenzzoll ausgeschöpft hat, bei einem zweiten Unternehmer, bei dem es sich ebenfalls um einen traditionellen Einführer handelt, der über keine Einfuhrlizenzen verfügt,

die Ware zunächst außerhalb der Union von einer mit dem zweiten Unternehmer verbundenen Gesellschaft an einen dritten Unternehmer, der ein neuer Einführer im Sinne der Verordnung Nr. 565/2002 ist und über Einfuhrlizenzen verfügt, verkauft wird,

diese Ware sodann vom dritten Unternehmer unter Anwendung des Präferenzzolls in der Union in den freien Verkehr übergeführt und anschließend von ihm an den zweiten Unternehmer weiterverkauft wird und

diese Ware schließlich vom zweiten Unternehmer an den ersten veräußert wird, der auf diese Weise die im Rahmen des von der Verordnung Nr. 565/2002 vorgesehenen Zollkontingents eingeführte Ware erwirbt, obwohl er über keine hierfür erforderliche Lizenz verfügt.

Kosten

54

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 565/2002 der Kommission vom 2. April 2002 zur Festlegung der Verwaltung der Zollkontingente und zur Einführung einer Ursprungsbescheinigungsregelung für aus Drittländern eingeführten Knoblauch und Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften sind dahin auszulegen, dass sie einem System wie dem des Ausgangsverfahrens grundsätzlich nicht entgegenstehen, durch das aufgrund der Bestellung durch einen Unternehmer, der ein traditioneller Einführer im Sinne der erstgenannten Verordnung ist und seine Lizenzen für die Einfuhr zum Präferenzzoll ausgeschöpft hat, bei einem zweiten Unternehmer, bei dem es sich ebenfalls um einen traditionellen Einführer handelt, der über keine Einfuhrlizenzen verfügt,

 

die Ware zunächst außerhalb der Union von einer mit dem zweiten Unternehmer verbundenen Gesellschaft an einen dritten Unternehmer, der ein neuer Einführer im Sinne der Verordnung Nr. 565/2002 ist und über Einfuhrlizenzen verfügt, verkauft wird,

 

diese Ware sodann vom dritten Unternehmer unter Anwendung des Präferenzzolls in der Europäischen Union in den freien Verkehr übergeführt und anschließend von ihm an den zweiten Unternehmer weiterverkauft wird und

 

diese Ware schließlich vom zweiten Unternehmer an den ersten veräußert wird, der auf diese Weise die im Rahmen des von der Verordnung Nr. 565/2002 vorgesehenen Zollkontingents eingeführte Ware erwirbt, obwohl er über keine hierfür erforderliche Lizenz verfügt.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.