URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

12. November 2015 ( * )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Landwirtschaft — Verordnung (EG) Nr. 73/2009 — Art. 7 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1, Art. 121 und 132 Abs. 2 — Rechtsakte zur Durchführung dieser Verordnung — Gültigkeit im Hinblick auf den AEU-Vertrag, die Beitrittsakte von 2003, das Diskriminierungsverbot sowie die Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der ordnungsgemäßen Verwaltung — Modulation der Direktzahlungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe — Kürzung der Beträge — Höhe der anwendbaren Direktzahlungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft in ihrer Zusammensetzung am 30. April 2004 und den am 1. Mai 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten — Nichtveröffentlichung und fehlende Begründung“

In der Rechtssache C‑103/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionales Verwaltungsgericht Vilnius, Litauen) mit Entscheidung vom 10. Februar 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 4. März 2014, in dem Verfahren

Bronius Jakutis,

Kretingalės kooperatinė ŽŪB

gegen

Nacionalinė mokėjimo agentūra prie Žemės ūkio ministerijos,

Lietuvos valstybė,

Beteiligte:

Lietuvos Respublikos Vyriausybè,

Lietuvos Respublikos žemės ūkio ministerija,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richter J. Malenovský und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterinnen A. Prechal und K. Jürimäe,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von Herrn Jakutis und der Kretingalės kooperatinė ŽŪB, vertreten durch E. Pranauskas und J. Sviderskis sowie durch I. Vėgėlė, advokatas,

der litauischen Regierung, vertreten durch D. Kriaučiūnas, K. Anužis, R. Makelis, A. Karbauskas und K. Vainienė als Bevollmächtigte,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

des Rates der Europäischen Union, vertreten durch E. Karlsson und J. Vaičiukaitė als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Kranenborg und A. Steiblytė als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. Juni 2015

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 39 AEUV, von Kapitel 6 Abschnitt A Nr. 27 Buchst. b des Anhangs II der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 33, im Folgenden: Beitrittsakte von 2003) sowie der Art. 7 Abs. 1, 10 Abs. 1, 121 und 132 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1290/2005, (EG) Nr. 247/2006, (EG) Nr. 378/2007 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 (ABl. L 30, S. 16, Berichtigung in ABl. 2010, L 43, S. 7) sowie die Gültigkeit von Art. 10 Abs. 1 und Art. 132 Abs. 2 der Verordnung Nr. 73/2009, von deren im Amtsblatt der Europäischen Union vom 18. Februar 2010 veröffentlichter Berichtigung, des Durchführungsbeschlusses C(2012) 4391 endg. der Kommission vom 2. Juli 2012 zur Genehmigung ergänzender nationaler Direktzahlungen in Litauen für das Jahr 2012 und des Arbeitsdokuments DS/2011/14/REV 2 der Kommission vom 20. Oktober 2011.

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Jakutis und der Kretingalės kooperatinė ŽŪB (Landwirtschaftliche Genossenschaft Kretingalė), einerseits, und der Nacionalinė mokėjimo agentūra prie Žemės ūkio ministerijos (Nationale Zahlstelle im Ministerium für Landwirtschaft, im Folgenden: Zahlstelle) und dem Lietuvos valstybė (litauischer Staat), andererseits, über die Modulation der Direktzahlungen der Europäischen Union und die Kürzung der ergänzenden nationalen Direktzahlungen für das Jahr 2012 in Bezug auf die Kläger, die Ersatz ihres entgangenen Gewinns beanspruchen.

Rechtlicher Rahmen

Beitrittsakte von 2003

3

Art. 9 der Beitrittsakte von 2003 bestimmt:

„Die Bestimmungen dieser Akte, die eine nicht nur vorübergehende Aufhebung oder Änderung von Rechtsakten der Organe zum Gegenstand haben oder bewirken, haben denselben Rechtscharakter wie die durch sie aufgehobenen oder geänderten Bestimmungen und unterliegen denselben Regeln wie diese.“

4

Art. 23 der Beitrittsakte von 2003 lautet:

„Der Rat kann einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments die bei einer Änderung der Gemeinschaftsregelung gegebenenfalls erforderlichen Anpassungen der Bestimmungen dieser Akte über die Gemeinsame Agrarpolitik vornehmen. Diese Anpassungen können vor dem Tag des Beitritts vorgenommen werden.“

5

Art. 57 der Beitrittsakte von 2003 lautet:

„(1)   Erfordern vor dem Beitritt erlassene Rechtsakte der Organe aufgrund des Beitritts eine Anpassung und sind die erforderlichen Anpassungen in dieser Akte oder ihren Anhängen nicht vorgesehen, so werden diese Anpassungen nach dem in Absatz 2 vorgesehenen Verfahren vorgenommen. Diese Anpassungen treten mit dem Beitritt in Kraft.

(2)   Der Rat oder die Kommission, je nachdem, welches Organ die ursprünglichen Rechtsakte erlassen hat, legt zu diesem Zweck die erforderlichen Wortlaute fest; der Rat beschließt dabei mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission.“

Verordnung (EG) Nr. 1259/1999

6

Die Verordnung (EG) Nr. 1259/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 zur Festlegung von Gemeinschaftsregeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 160, S. 113) galt nach ihrem Art. 1 für die Direktzahlungen an Betriebsinhaber im Rahmen der Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik, die vollständig oder teilweise aus dem Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, finanziert werden, ausgenommen die Direktzahlungen, die unter die Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) und zur Änderung bzw. Aufhebung bestimmter Verordnungen (ABl. L 160, S. 80) fallen.

7

Durch Kapitel 6 Abschnitt A Nr. 27 Buchst. b des Anhangs II der Beitrittsakte von 2003 wurden in die Verordnung Nr. 1259/1999 die Art. 1a bis 1c über die Stützungsregelungen in den neuen Mitgliedstaaten eingefügt.

8

Art. 1a der Verordnung Nr. 1259/1999 legte für die Einführung der Direktzahlungen in den neuen Mitgliedstaaten eine Regelung der schrittweisen Erhöhung fest. Dieser Artikel bestimmte:

„Einführung von Stützungsregelungen in neuen Mitgliedstaaten

In der Tschechischen Republik, Estland, Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Polen, Slowenien und der Slowakei (nachstehend ‚neue[r] Mitgliedstaat[en]‘ genannt) werden die im Rahmen der Stützungsregelungen nach Artikel 1 gewährten Direktzahlungen nach folgendem Schema eingeführt, in dem die Steigerungsstufen als Prozentsatz der Höhe derartiger Zahlungen in der Gemeinschaft in ihrer Zusammensetzung am 30. April 2004 ausgedrückt werden:

2004: 25 %

2005: 30 %

2006: 35 %

2007: 40 %

2008: 50 %

2009: 60 %

2010: 70 %

2011: 80 %

2012: 90 %

ab 2013: 100 %.“

9

Art. 1b der Verordnung Nr. 1259/1999 legte eine Regelung für die einheitliche Flächenzahlung fest, die die neuen Mitgliedstaaten als Ersatz für die Direktzahlungen nach den in Art. 1 dieser Verordnung genannten Stützungsregelungen anwenden können.

10

Art. 1c der Verordnung Nr. 1259/1999 bot den neuen Mitgliedstaaten die Möglichkeit, ergänzende nationale Direktzahlungen zu leisten. Abs. 1 dieses Art. 1c bestimmte:

„Im Rahmen dieses Artikels gilt Folgendes: Eine ‚mit der GAP vergleichbare nationale Regelung‘ ist jede vor dem Beitritt des neuen Mitgliedstaats geltende Regelung für staatliche Direktzahlungen, in deren Rahmen den Betriebsinhabern Beihilfen für Erzeugnisse gewährt wurden, die unter eine der in Anhang I aufgeführten [Unionsregelungen] für Direktzahlungen fallen.“

11

Art. 1c Abs. 2 letzter Unterabsatz bestimmte:

12

Art. 1c Abs. 4, 5 und 8 der Verordnung Nr. 1259/1999 lautete:

„(4)   Ein neuer Mitgliedstaat, der sich für die Regelung für die einheitliche Flächenzahlung entscheidet, kann unter den in den [Absätzen] 5 und 8 genannten Bedingungen ergänzende staatliche Direktbeihilfen gewähren.

(5)   Der Gesamtbetrag der bei Anwendung der Regelung für die einheitliche Flächenzahlung in einem Jahr pro Sektor gewährten ergänzenden staatlichen Direktbeihilfen wird für jeden Sektor durch einen besonderen Finanzrahmen begrenzt. Dieser Rahmen entspricht der Differenz zwischen

dem aus der Anwendung des ersten bzw. des zweiten Gedankenstrichs von [Absatz] 2 für die einzelnen Sektoren resultierenden Gesamtbetrag und

dem Gesamtbetrag der Direktbeihilfe, die in dem betreffenden neuen Mitgliedstaat für denselben Sektor in dem jeweiligen Jahr im Rahmen der Regelung für die einheitliche Flächenzahlung zur Verfügung stehen würde.

(8)   Landwirtschaftliche Tätigkeiten, die unter eine gemeinsame Marktorganisation fallen, für die keine direkten Beihilfen nach einer Stützungsregelung im Sinne des Artikels 1 gewährt werden, kommen für ergänzende staatliche Zahlungen oder für eine Beihilfe nicht in Betracht.“

Verordnung (EG) Nr. 1782/2003

13

Die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2019/93, (EG) Nr. 1452/2001, (EG) Nr. 1453/2001, (EG) Nr. 1454/2001, (EG) Nr. 1868/94, (EG) Nr. 1251/1999, (EG) Nr. 1254/1999, (EG) Nr. 1673/2000, (EWG) Nr. 2358/71 und (EG) Nr. 2529/2001 (ABl. L 270, S. 1) bestimmte in ihrem Art. 10 („Modulation“):

„(1)   Alle in einem Mitgliedstaat einem Betriebsinhaber in einem Kalenderjahr zu gewährenden Direktzahlungen werden jedes Jahr bis 2012 um folgende Prozentsätze gekürzt:

2005: 3 %

2006: 4 %,

2007: 5 %,

2008: 5 %,

2009: 5 %,

2010: 5 %,

2011: 5 %,

2012: 5 %.

…“

14

Durch den Beschluss 2004/281/EG des Rates vom 22. März 2004 zur Anpassung der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge infolge der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 93, S. 1) wurden der Verordnung Nr. 1782/2003 u. a. die Art. 143a bis 143c hinzugefügt.

15

In Art. 143a der Verordnung Nr. 1782/2003 wurde das in Art. 1a der Verordnung Nr. 1259/1999 festgelegte Zeitschema für die schrittweise Einführung der Direktzahlungen übernommen, während Art. 143b der Verordnung Nr. 1782/2003 die Regelung für die einheitliche Flächenzahlung enthielt.

16

Wie Art. 1c der Verordnung Nr. 1259/1999 bot Art. 143c der Verordnung Nr. 1782/2003 den neuen Mitgliedstaaten die Möglichkeit, ergänzende nationale Direktzahlungen zu leisten, und sah außerdem in Abs. 2 Unterabs. 4 vor, dass der Gesamtbetrag der Direktbeihilfe, die einem Betriebsinhaber in dem neuen Mitgliedstaat nach dem Beitritt in dem neuen Mitgliedstaat im Rahmen der einschlägigen Direktzahlungen einschließlich aller ergänzenden staatlichen Direktzahlungen gewährt werden kann, nicht die Höhe der Direktbeihilfe überschreiten darf, auf die er im Rahmen der jeweiligen Direktzahlung Anspruch hätte, die zu diesem Zeitpunkt in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft in ihrer Zusammensetzung am 30. April 2004 gilt.

17

Durch die Verordnung (EG) Nr. 583/2004 des Rates vom 22. März 2004 zur Änderung der Verordnungen Nr. 1782/2003, (EG) Nr. 1786/2003 über die gemeinsame Marktorganisation für Trockenfutter und Nr. 1257/1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) infolge des Beitritts der Tschechischen Republik, Estlands, Zyperns, Lettlands, Litauens, Ungarns, Maltas, Polens, Sloweniens und der Slowakei zur Europäischen Union (ABl. L 91, S. 1) wurde u. a. in die Verordnung Nr. 1782/2003 Art. 12a eingefügt.

18

Art. 12a der Verordnung Nr. 1782/2003 bestimmte in Abs. 1:

„(1) Die Artikel 10 und 12 gelten für die neuen Mitgliedstaaten erst ab dem Beginn des Kalenderjahrs, in dem das Niveau der Direktzahlungen in den neuen Mitgliedstaaten mindestens dem Niveau dieser Zahlungen in der Gemeinschaft in ihrer Zusammensetzung am 30. April 2004 entspricht.“

Verordnung Nr. 73/2009

19

Im 17. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 73/2009 heißt es:

20

Gemäß Art. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 73/2009 bezeichnet der Begriff „Direktzahlung“„eine direkt an Betriebsinhaber geleistete Zuwendung im Rahmen einer Einkommensstützungsregelung nach Anhang I“.

21

Art. 7 („Modulation“) der Verordnung Nr. 73/2009 bestimmt:

„(1)   Alle einem Betriebsinhaber in einem bestimmten Kalenderjahr zu gewährenden Direktzahlungen, die 5000 [Euro] überschreiten, werden jedes Jahr bis 2012 um folgende Prozentsätze gekürzt:

a)

2009 um 7 %,

b)

2010 um 8 %,

c)

2011 um 9 %,

d)

2012 um 10 %.

(2)   Die Kürzungen gemäß Absatz 1 werden für Beträge von über 300000 [Euro] um 4 Prozentpunkte angehoben.

…“

22

Art. 10 („Sondervorschriften für die Modulation in den neuen Mitgliedstaaten“) der Verordnung Nr. 73/2009 lautet:

„(1)   Artikel 7 gilt für Betriebsinhaber in einem neuen Mitgliedstaat in einem bestimmten Kalenderjahr nur, wenn die Höhe der Direktzahlungen, die in diesem Mitgliedstaat und Kalenderjahr gemäß Artikel 121 gilt, unter Berücksichtigung jeglicher Kürzungen gemäß Artikel 7 Absatz 1 mindestens der zu dem Zeitpunkt anwendbaren Höhe in den anderen Mitgliedstaaten als den neuen Mitgliedstaaten entspricht.

(2)   Gilt Artikel 7 für Betriebsinhaber in einem neuen Mitgliedstaat, so wird der gemäß Artikel 7 Absatz 1 anwendbare Prozentsatz begrenzt auf die Differenz zwischen der Höhe der gemäß Artikel 121 geltenden Direktzahlungen und der Höhe in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung jeglicher Kürzungen gemäß Artikel 7 Absatz 1.

…“

23

Art. 121 der Verordnung Nr. 73/2009 sieht vor:

„In den neuen Mitgliedstaaten … werden die Direktzahlungen nach folgendem Schema eingeführt, in dem die Steigerungsstufen als Prozentsatz der Höhe dieser Zahlungen in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten ausgedrückt sind:

60 % im Jahr 2009,

70 % im Jahr 2010,

80 % im Jahr 2011,

90 % im Jahr 2012,

100 % ab dem Jahr 2013.

…“

24

Art. 132 Abs. 2 bestimmt:

„Vorbehaltlich der Genehmigung durch die Kommission haben die neuen Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Direktzahlungen

a)

für alle Direktzahlungen um bis zu 30 Prozentpunkte über das in Artikel 121 für das betreffende Jahr festgesetzte Niveau hinaus aufzustocken. … Für die Direktzahlungen nach Titel IV Kapitel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 können die neuen Mitgliedstaaten die Direktzahlungen jedoch auf bis zu 100 % aufstocken. …

b)

i) für andere Direktzahlungen als die Betriebsprämienregelung: bis zur Gesamthöhe der Direktbeihilfen, auf die der Betriebsinhaber in dem neuen Mitgliedstaat im Kalenderjahr 2003 für die einzelnen Erzeugnisse im Rahmen einer mit der [Gemeinsamen Agrarpolitik] vergleichbaren nationalen Regelung Anspruch gehabt hätte, erhöht um 10 Prozentpunkte. Jedoch ist für Litauen das Bezugsjahr das Kalenderjahr 2002. …

ii)

in Bezug auf die Betriebsprämienregelung wird der Gesamtbetrag der ergänzenden nationalen Direktbeihilfen, der von einem neuen Mitgliedstaat in einem Jahr gewährt werden darf, durch einen besonderen Finanzrahmen begrenzt. Dieser Rahmen entspricht der Differenz zwischen

dem Gesamtbetrag der Direktbeihilfen im Rahmen von der GAP vergleichbaren nationalen Regelungen, der in dem betreffenden neuen Mitgliedstaat für das Kalenderjahr 2003 – bzw. im Falle Litauens für das Kalenderjahr 2002 – zur Verfügung gestanden hätte, jeweils erhöht um 10 Prozentpunkte … und

der in Anhang VIII aufgeführten nationalen Obergrenze des betreffenden neuen Mitgliedstaats, gegebenenfalls gemäß Artikel 51 Absatz 2 angepasst.

Bei der Berechnung des im ersten Gedankenstrich dieser Ziffer genannten Gesamtbetrags werden die nationalen Direktzahlungen oder deren Komponenten mitgerechnet, die den gemeinschaftlichen Direktzahlungen oder deren Komponenten entsprechen, die bei der Berechnung der tatsächlichen Obergrenze des betreffenden neuen Mitgliedstaats gemäß Artikel 40 und Artikel 51 Absatz 2 berücksichtigt wurden.

Für jede betreffende Direktzahlung kann ein neuer Mitgliedstaat entscheiden, entweder Buchstabe a oder Buchstabe b von Unterabsatz 1 anzuwenden.

…“

25

Der letzte Unterabsatz von Art. 132 Abs. 2 der Verordnung Nr. 73/2009 lautete ursprünglich:

„Ab 2012 darf der Gesamtbetrag der Direktbeihilfe, die einem Betriebsinhaber in dem neuen Mitgliedstaat nach dem Beitritt im Rahmen der einschlägigen Direktzahlungen einschließlich aller ergänzenden nationalen Direktzahlungen gewährt werden kann, nicht die Höhe der Direktbeihilfe überschreiten, auf die er im Rahmen der jeweiligen Direktzahlung Anspruch hätte, die zu diesem Zeitpunkt in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten gilt; dabei wird der Anwendung des Artikels 7 in Verbindung mit Artikel 10 Rechnung getragen.“

26

In der im Amtsblatt der Europäischen Union vom 18. Februar 2010 in allen Amtssprachen veröffentlichten berichtigten Fassung lautet diese Bestimmung:

27

Art. 132 der Verordnung Nr. 73/2009 bestimmt in seinen Abs. 4 bis 8:

„(4)   Ein neuer Mitgliedstaat, der sich für die Regelung für die einheitliche Flächenzahlung entscheidet, kann unter den Bedingungen der Absätze 5 und 8 ergänzende nationale Direktbeihilfen gewähren.

(5)   Der Gesamtbetrag der bei Anwendung der Regelung für die einheitliche Flächenzahlung in diesem Jahr gewährten ergänzenden nationalen Direktbeihilfen wird für jeden (Teil)sektor durch einen besonderen Finanzrahmen begrenzt, wobei sich ein solcher (teil)sektorspezifischer Finanzrahmen jedoch nur beziehen darf auf

a)

die mit der Betriebsprämienregelung kombinierten Direktzahlungen und/oder

b)

eine oder mehrere der Direktzahlungen für 2009, die gemäß Artikel 70 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 aus der Betriebsprämienregelung ausgeschlossen werden bzw. ausgeschlossen werden können oder für die eine partielle Durchführung gemäß Artikel 64 Absatz 2 der genannten Verordnung möglich ist;

c)

eine oder mehrere der Direktzahlungen ab 2010, für die eine partielle Durchführung gemäß Artikel 51 Absatz 2 oder eine besondere Stützung gemäß Artikel 68 dieser Verordnung möglich ist.

Dieser Rahmen entspricht der Differenz zwischen

a)

dem aus der Anwendung von Absatz 2 Unterabsatz 1 Buchstabe a oder b für die einzelnen (Teil)sektoren resultierenden Gesamtbetrag und

b)

dem Gesamtbetrag der Direktstützung, der in dem betreffenden neuen Mitgliedstaat für denselben (Teil)sektor in dem jeweiligen Jahr im Rahmen der Regelung für die einheitliche Flächenzahlung zur Verfügung stehen würde.

(6)   Der neue Mitgliedstaat kann anhand objektiver Kriterien nach Genehmigung durch die Kommission die Beträge der ergänzenden nationalen Beihilfe festlegen.

(7)   Die Kommission

a)

nennt in ihren Genehmigungen in den Fällen, in denen Absatz 2 Unterabsatz 1 Buchstabe b Anwendung findet, die mit der GAP vergleichbaren nationalen Regelungen für Direktzahlungen;

b)

legt in ihren Genehmigungen fest, bis zu welcher Höhe die ergänzende staatliche Beihilfe gewährt werden kann, welchen Prozentsatz sie ausmacht sowie gegebenenfalls, unter welchen Bedingungen sie gewährt werden darf;

c)

diese Genehmigungen unter dem Vorbehalt erteilen, dass erforderlichenfalls Anpassungen an die Entwicklungen der GAP vorgenommen werden.

(8)   Landwirtschaftliche Tätigkeiten, für die in anderen als den neuen Mitgliedstaaten keine Direktzahlungen vorgesehen sind, kommen für ergänzende nationale Zahlungen oder Beihilfen nicht in Betracht.“

28

Durch die Verordnung (EU) Nr. 671/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2012 zur Änderung der Verordnung Nr. 73/2009 (ABl. L 204, S. 11) wurde in die letztgenannte Verordnung ein Art. 133a „Nationale Übergangsbeihilfe“ eingefügt, der bestimmt:

„(1)   … die neuen Mitgliedstaaten, die die Regelung für die einheitliche Flächenzahlung anwenden, [haben] die Möglichkeit, im Jahr 2013 eine nationale Übergangsbeihilfe zu gewähren.

Ausgenommen im Fall Zyperns muss die Gewährung dieser Beihilfe von der Kommission gemäß Absatz 5 genehmigt werden.

(2)   Die nationale Übergangsbeihilfe kann Betriebsinhabern in den Sektoren gewährt werden, für die im Jahr 2012 gemäß den Artikeln 132 und 133 ergänzende nationale Direktzahlungen sowie im Fall Zyperns staatliche Beihilfen gewährt worden sind.

(3)   Die Bedingungen für die Gewährung der Beihilfe müssen mit den Bedingungen übereinstimmen, die für die Gewährung von Zahlungen gemäß den Artikeln 132 und 133 für das Jahr 2012 genehmigt wurden.

…“

Verordnung (EU) Nr. 1307/2013

29

Art. 37 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 (ABl. L 347, S. 608) bestimmt:

„Die Bedingungen für die Gewährung der nationalen Übergangsbeihilfe müssen mit den Bedingungen übereinstimmen, die für die Gewährung von Zahlungen gemäß Artikel 132 Absatz 7 oder Artikel 133a der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 für das Jahr 2013 genehmigt wurden; dies gilt nicht für die Kürzung der Zahlungen, die sich aus der Anwendung des Artikels 132 Absatz 2 in Verbindung mit den Artikeln 7 und 10 der genannten Verordnung ergibt.“

Verordnung (EU) Nr. 1310/2013

30

Durch die Verordnung (EU) Nr. 1310/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit bestimmten Übergangsvorschriften betreffend die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die finanziellen Ressourcen und ihre Verteilung im Jahr 2014 sowie zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates und der Verordnungen (EU) Nr. 1307/2013, (EU) Nr. 1306/2013 und (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich ihrer Anwendung im Jahr 2014 (ABl. L 347, S. 865) wurde in die Verordnung Nr. 73/2009 ein Art. 133b „Nationale Übergangsbeihilfe im Jahr 2014“ eingefügt, der in Abs. 3 bestimmt:

„Die Beihilfe im Sinne dieses Artikels kann Betriebsinhabern in den Sektoren gewährt werden, für die im Jahr 2013 nationale Übergangsbeihilfe gemäß Artikel 133a … gewährt worden [ist].“

Durchführungsbeschluss C(2012) 4391 endg.

31

Im sechsten Erwägungsgrund des Durchführungsbeschlusses C(2012) 4391 endg. heißt es:

„(6)

Die Kommission legte eine Arbeitsunterlage für die Sitzung des Verwaltungsausschusses für Direktzahlungen vom 20. Oktober 2011 vor, in der eingehend erläutert wurde, wie die Kürzungen der ergänzenden nationalen Direktzahlungen durchzuführen sind, die einige neue Mitgliedstaaten für das Jahr 2012 gemäß Artikel 132 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 vornehmen müssen.“

32

Der Durchführungsbeschluss C(2012) 4391 endg. enthält zwei Artikel mit folgendem Wortlaut:

Artikel 1

(1)   Litauen wird ermächtigt, für das Jahr 2012 gemäß den Bedingungen seines Antrags vom 22. März 2012 ergänzende nationale Direktzahlungen zu gewähren.

(2)   Die Obergrenze, bis zu der die ergänzenden nationalen [Direktzahlungen] gewährt werden dürfen, und die Höchstsätze sind im Anhang dieses Beschlusses aufgeführt.

(3)   Für die Zahlungen ist der Wechselkurs anzuwenden, der für die im Rahmen der Regelung für die einheitliche Flächenzahlung gemäß Artikel 122 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 gewährten Zahlungen gilt.

(4)   Sofern der Gesamtbetrag aller Direktzahlungen, für die ein Betriebsinhaber gemäß der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 in Betracht kommt, einschließlich aller ergänzenden nationalen Direktzahlungen 5000 [Euro] überschreitet, wird die Höhe der ergänzenden einzelstaatlichen Direktzahlungen, für die der Betriebsinhaber gemäß dem Anhang dieses Beschlusses in Betracht kommt, für den 5000 [Euro] überschreitenden Betrag um 10 % gekürzt. Dieser Prozentsatz wird um 4 Prozentpunkte angehoben, sofern der Gesamtbetrag aller Direktzahlungen, einschließlich aller ergänzenden nationalen Direktzahlungen, 300000 [Euro] überschreitet, wobei die Kürzung nur auf den Teil des Gesamtbetrags angewendet wird, der 300000 [Euro] überschreitet und aus ergänzenden einzelstaatlichen Direktzahlungen besteht.

Artikel 2

Dieser Beschluss ist an die Republik Litauen gerichtet.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

33

Seit dem Beitritt der Republik Litauen zur Union werden die Einkommen der litauischen Betriebsinhaber durch Direktzahlungen gestützt, die aus dem Unionshaushalt finanzierte Zahlungen und aus dem Haushalt des betreffenden Mitgliedstaats finanzierte nationale Direktzahlungen umfassen. Die Republik Litauen optierte für die Regelung für die einheitliche Flächenzahlung. Danach wird die Zahlung berechnet, indem der jährliche Finanzrahmen des betreffenden Staates durch die beihilfefähige landwirtschaftliche Fläche dividiert wird.

34

Gemäß der Beitrittsakte von 2003 sind die Direktzahlungen der Union an Betriebsinhaber in Litauen und den anderen neuen Mitgliedstaaten zunehmend angestiegen. Sie sollten erst ab dem Jahr 2013 100 % der Höhe der in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten gewährten Direktzahlungen erreichen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die neuen Mitgliedstaaten nach Genehmigung durch die Kommission zu ergänzenden nationalen Direktzahlungen berechtigt.

35

Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts wurde das in der Beitrittsakte von 2003 festgelegte Ziel, dass die Direktzahlungen für das Jahr 2012 90 % der Höhe der in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten gewährten Direktzahlungen erreichen, in Litauen verfehlt. Dies liege daran, dass als Basis für die Direktzahlungen die in den Jahren 2000 bis 2002 festgestellten landwirtschaftlichen Referenzerträge herangezogen worden seien. Von dieser Basis sei auch für die Berechnung des Finanzrahmens für 100 % Direktzahlungen der Republik Litauen ausgegangen worden, der durch die Grundfläche zu dividieren sei, um die Direktzahlung je Hektar zu bestimmen. Bis 2012 seien die Referenzerträge jedoch stark angestiegen, und die Grundfläche habe konstant zugenommen. Folglich habe sich die Höhe der Direktzahlungen je Hektar verringert.

36

Am 20. Oktober 2011 nahm die Kommission das Arbeitsdokument DS/2011/14/REV 2 an, in dem für einige der neuen Mitgliedstaaten für das Jahr 2012 die Vorgehensweise hinsichtlich der Modulation der Direktzahlungen und der Kürzung der ergänzenden nationalen Direktzahlungen gemäß der Verordnung Nr. 73/2009 präzisiert wurde. So wurden zum einen Direktzahlungen, die 5000 Euro überstiegen, grundsätzlich der Modulation unterworfen. Zum anderen wurden gemäß dem Durchführungsbeschluss C(2012) 4391 endg. die ergänzenden nationalen Direktzahlungen an Betriebsinhaber in Litauen um 10 % gekürzt.

37

Herr Jakutis und die Landwirtschaftliche Genossenschaft Kretingalė beantragten bei der Zahlstelle für das Jahr 2012 Beihilfen für landwirtschaftliche und andere Flächen.

38

Im Fall von Herrn Jakutis erließ die Zahlstelle am 5. Juni 2013 einen Bescheid, nach dem die Kürzung der ergänzenden nationalen Direktzahlungen anzuwenden sei, weil der Gesamtbetrag der dem Betreffenden für das Jahr 2012 gewährten Direktzahlungen einschließlich der ergänzenden nationalen Direktzahlungen 5000 Euro (d. h. 17264 Litauische Litas [LTL]) übersteige.

39

Im Fall der Landwirtschaftlichen Genossenschaft Kretingalė wandte die Zahlstelle mit Bescheid vom 22. Mai 2013 die Modulation der vom EAGFL finanzierten Direktzahlungen und die Kürzung der ergänzenden nationalen Direktzahlungen an. Der Gesamtbetrag der dieser Genossenschaft gewährten Direktzahlungen und der ergänzenden nationalen Direktzahlungen übersteigt 300000 Euro.

40

Herr Jakutis und die Landwirtschaftliche Genossenschaft Kretingalė erhoben beim vorlegenden Gericht Klage auf Nichtigerklärung der genannten Bescheide.

41

Die Kläger des Ausgangsverfahrens machen geltend, für die Anwendung der Modulation der Direktzahlungen oder der Kürzung der ergänzenden nationalen Direktzahlungen in Litauen für das Jahr 2012 gebe es keine Rechtsgrundlage. Nach den Bestimmungen der Beitrittsakte von 2003 könne, solange nicht tatsächlich feststehe, dass die Beträge und die Höhen der Direktzahlungen an litauische Betriebe denjenigen der anderen als der neuen Mitgliedstaaten entsprächen, die Modulation nach den Art. 7 und 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 73/2009 nicht auf die Direktzahlungen an die litauischen Betriebe angewandt werden.

42

Für das Jahr 2012 habe die Höhe der Direktzahlungen in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten 90 % der Gesamthöhe der Direktzahlungen überstiegen, während ein Übersteigen von 90 % der Gesamthöhe in Litauen mathematisch ausgeschlossen gewesen sei. Zudem seien die aus dem Unionshaushalt finanzierten Direktzahlungen an die litauischen Betriebsinhaber für das Jahr 2012 selbst bei einer Modulation um 10 % weniger als halb so hoch gewesen wie die in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten. Solange nicht tatsächlich feststehe, dass die Beträge und die jeweiligen Höhen der Direktzahlungen an litauische Betriebe denjenigen der anderen als der neuen Mitgliedstaaten entsprächen, dürfe und könne die Modulation nicht auf die Direktzahlungen an die litauischen Betriebe angewandt und könnten die ergänzenden nationalen Direktzahlungen nicht gekürzt werden.

43

Die Zahlstelle weist darauf hin, dass sie für eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Dekrete der litauischen Regierung oder gar der Beschlüsse der Kommission nicht zuständig sei.

44

Die litauische Regierung bestätigt die von den Klägern des Ausgangsverfahrens angeführten Umstände und führt aus, die Kommission habe keine Untersuchung durchgeführt und nichts vorgetragen, was belege, dass für das Jahr 2012 die Direktzahlungen in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten und in den neuen Mitgliedstaaten gleich hoch gewesen seien. Die Argumente im Arbeitsdokument DS/2011/14/REV 2, dass die Zahlungen in den neuen Mitgliedstaaten eine Höhe erreicht hätten, die derjenigen der Zahlungen in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten entspreche, beruhten auf einer Auslegung der in der Verordnung Nr. 73/2009 angeführten Prozentsätze.

45

Viele landwirtschaftliche Betriebe in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten hätten für das Jahr 2012 weniger als 5000 Euro Direktzahlungen erhalten, unterlägen gemäß Art. 7 der Verordnung Nr. 73/2009 nicht der Modulation, und die Direktzahlungen würden an sie zum Satz von 100 % gewährt. Infolgedessen würde, wenn die Modulation nur bei den Betrieben angewandt würde, die mehr als 5000 Euro Direktzahlungen erhielten, die Gesamthöhe der Direktzahlungen in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten 90 % der Gesamthöhe der Direktzahlungen übersteigen. Dagegen erhielten in den neuen Mitgliedstaaten alle Betriebe Direktzahlungen zum Satz von 90 %, unabhängig davon, ob die Direktzahlungen an den Betrieb 5000 Euro überstiegen oder nicht.

46

Das vorlegende Gericht hat Zweifel, ob diese Situation mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar sei. Da der je Hektar gezahlte Betrag in den neuen Mitgliedstaaten und in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten objektiv unterschiedlich sei, befänden sich diese beiden Gruppen von Mitgliedstaaten in unterschiedlichen Situationen und dürften daher nicht durch identische Anwendung der Modulation gleich behandelt werden. Somit sei die Kommission durch den Sorgfaltsgrundsatz und den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung dazu verpflichtet, alle Tatsachen zu ermitteln, die sie für die Ausübung des ihr zustehenden Ermessens benötige.

47

Unter diesen Umständen hat das Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionales Verwaltungsgericht Vilnius) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Betreffend die Bestimmung der Höhe der Direktzahlungen in den neuen Mitgliedstaaten und den anderen als den neuen Mitgliedstaaten nach Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit den Art. 7 und 121 der Verordnung Nr. 73/2009:

a)

Ist Art. 7 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 und Art. 121 der Verordnung Nr. 73/2009 dahin auszulegen, dass im Jahr 2012 bei den anderen als den neuen Mitgliedstaaten die Höhe der Direktzahlungen, die 5000 Euro übersteigen, bei 90 % lag?

b)

Falls die Frage 1a bejaht wird, bedeutet dies, dass im Jahr 2012 die Höhe der Direktzahlungen in den neuen Mitgliedstaaten nicht ihre Höhe in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten auf der Grundlage des Inhalts und der Ziele des Art. 10 Abs. 1 und des Art. 121 der Verordnung Nr. 73/2009 erreicht hat?

c)

Verstoßen die Berücksichtigungsklausel in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 73/2009 („unter Berücksichtigung jeglicher Kürzungen gemäß Artikel 7 Absatz 1“) und das Arbeitsdokument DS/2011/14/REV 2, in denen für den Vergleich der Direktzahlungen unterschiedliche Grundlagen vorgesehen sind – in den neuen EU-Mitgliedstaaten wird die Höhe der Direktzahlungen ohne Anwendung der Modulation (90 % gemäß Art. 121 der genannten Verordnung) bestimmt, während ihre Höhe in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten mit Anwendung der Modulation (100 % abzüglich 10 % gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. d der genannten Verordnung) bestimmt wird –, gegen die Beitrittsakte von 2003 und unionsrechtliche Grundsätze, u. a. gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der ordnungsgemäßen Verwaltung, des fairen Wettbewerbs und das Diskriminierungsverbot, sowie gegen die Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik nach Art. 39 AEUV?

2.

Betreffend die Unvereinbarkeit von Art. 10 Abs. 1 und des letzten Halbsatzes von Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 73/2009 sowie der auf der Grundlage dieser Bestimmungen getroffenen unionsrechtlichen Maßnahmen mit der Beitrittsakte von 2003 und den Grundsätzen des Unionsrechts:

a)

Verstoßen die Berücksichtigungsklausel in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 73/2009 („unter Berücksichtigung jeglicher Kürzungen gemäß Artikel 7 Absatz 1“) und der letzte Halbsatz von Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz („dabei wird ab 2012 der Anwendung des Artikels 7 in Verbindung mit Artikel 10 Rechnung getragen“) sowie das Arbeitsdokument DS/2011/14/REV 2 und der Durchführungsbeschluss C(2012) 4391 endg., die auf der Grundlage dieser Bestimmungen erlassen wurden, gegen die Beitrittsakte von 2003, die keine Modulation von Direktzahlungen und keine Kürzung ergänzender nationaler Direktzahlungen in den neuen Mitgliedstaaten und auch kein Jahr vorsieht, von dem an davon ausgegangen wird, dass die Direktzahlungen in den neuen und den anderen als den neuen Mitgliedstaaten die gleiche Höhe erreicht haben?

b)

Verstoßen Art. 10 Abs. 1 und Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 73/2009 sowie das Arbeitsdokument DS/2011/14/REV 2 und der Durchführungsbeschluss C(2012) 4391 endg., soweit nach ihrem Inhalt und ihren Zielen in den neuen Mitgliedstaaten, die wesentlich weniger Direktunterstützung als die anderen Mitgliedstaaten erhalten, im Jahr 2012 die Modulation von Direktzahlungen und die Kürzung ergänzender nationaler Direktzahlungen zur Anwendung kommen, gegen unionsrechtliche Grundsätze, u. a. gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, des fairen Wettbewerbs und das Diskriminierungsverbot, sowie gegen die Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik nach Art. 39 AEUV, insbesondere gegen das Ziel einer Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft?

c)

Verstößt die Änderung von Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 73/2009 („dabei wird ab 2012 der Anwendung des Artikels 7 in Verbindung mit Artikel 10 Rechnung getragen“), die im Wege einer Berichtigung erfolgte (mit der nicht eine technische Korrektur vorgenommen wurde, sondern eine wesentliche Änderung des Inhalts der Bestimmung dahin, dass für das Jahr 2012 von einer Entsprechung der Direktzahlungen in den neuen Mitgliedstaaten und den anderen als den neuen Mitgliedstaaten ausgegangen wird) gegen unionsrechtliche Grundsätze, u. a. gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit, der ordnungsgemäßen Verwaltung, des fairen Wettbewerbs und das Diskriminierungsverbot?

d)

Ist das Wort „dydis“ [„Höhe“] in Art. 1c der Verordnung Nr. 1259/1999 gleichbedeutend mit dem Wort „lygis“ [„Höhe“] in Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 73/2009?

3.

Verstoßen der Durchführungsbeschluss C(2012) 4391 endg. und das Arbeitsdokument DS/2011/14/REV 2, die nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind und die keine Begründung enthalten (sie wurden einzig und allein in der Annahme erlassen, dass im Jahr 2012 die Höhe der Direktzahlungen in den neuen Mitgliedstaaten der in den anderen Mitgliedstaaten entspreche), gegen die Beitrittsakte von 2003 und gegen unionsrechtliche Grundsätze, u. a. gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der ordnungsgemäßen Verwaltung? Falls ja, ist Art. 1 Abs. 4 des Durchführungsbeschlusses C(2012) 4391 endg. wegen Verstoßes gegen die Verordnung Nr. 73/2009 und gegen die Beitrittsakte von 2003 für nichtig zu erklären?

Zu den Vorlagefragen

Zu den Fragen 1a und 1b

48

Mit seinen Fragen 1a und 1b möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 und Art. 121 der Verordnung Nr. 73/2009 dahin auszulegen sind, dass der Begriff „anwendbare Höhe der Direktzahlungen in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten“ in dem Sinne zu verstehen ist, dass diese Höhe im Jahr 2012 90 % der Gesamthöhe der Direktzahlungen entsprach, und dass der Begriff „Höhe der Direktzahlungen in den neuen Mitgliedstaaten“ in dem Sinne zu verstehen ist, dass diese Höhe im Jahr 2012 der in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten entsprach.

49

Eine Bejahung dieser Frage würde dazu führen, dass die Modulation gemäß den Art. 7, 10 und 121 der Verordnung Nr. 73/2009 auf die Direktzahlungen an die Betriebsinhaber in den neuen Mitgliedstaaten und gemäß Art. 132 dieser Verordnung auf die ergänzenden nationalen Direktzahlungen Anwendung fände.

50

Es ist unstreitig, dass nicht nur die Beträge der Zahlungen an die genannten Betriebsinhaber im Jahr 2012 niedriger waren als die der Zahlungen an die Betriebsinhaber in anderen als den neuen Mitgliedstaaten, sondern dass diese Beträge auch innerhalb dieser beiden Gruppen von Mitgliedstaaten unterschiedlich waren.

51

Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 73/2009 ist jedoch insofern, als zwischen der jeweiligen Höhe der Direktzahlungen in den beiden Gruppen von Mitgliedstaaten eine Verbindung hergestellt wird, ein Indiz dafür, dass trotz der beträchtlichen Differenzen zwischen den Beträgen der Direktzahlungen in jeder dieser beiden Gruppen von Mitgliedstaaten, die der Ermittlung einer gemeinsamen Höhe durch Berechnung des Durchschnitts der jeweiligen Beträge entgegenstehen, eine gemeinsame Höhe bestimmt wurde.

52

In Ermangelung einer unionsrechtlichen Definition der „anwendbaren Höhe der Direktzahlungen in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten“ im Sinne der Art. 10 und 121 der Verordnung Nr. 73/2009 ist dieser Ausdruck im Hinblick auf seinen Kontext und die vom Unionsgesetzgeber verfolgten Ziele auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil Szatmári Malom, C‑135/13, EU:C:2014:327, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Bezugnahme auf diese Höhe durch die Beitrittsakte von 2003 in das Unionsrecht eingeführt wurde, um die schrittweise Einführung der Direktzahlungen in den neuen Mitgliedstaaten zu regeln.

54

Diese schrittweise und nicht etwa sofortige Anwendung der genannten Zahlungen in den neuen Mitgliedstaaten zielte darauf ab, die Umstrukturierung des Agrarsektors nicht zu verlangsamen und keine signifikanten Einkommensunterschiede und sozialen Spannungen hervorzurufen, indem Beihilfen gewährt worden wären, die gemessen am Einkommensniveau der Landwirte und der allgemeinen Bevölkerung unverhältnismäßig gewesen wären (vgl. in diesem Sinne Urteile Bábolna, C‑115/10, EU:C:2011:376, Rn. 34, und Polen/Rat, C‑273/04, EU:C:2007:622, Rn. 69).

55

Nach dem in Kapitel 6 des Anhangs II der Beitrittsakte von 2003 enthaltenen Zeitschema für die Einführung entsprechen die Direktzahlungen an die Betriebsinhaber in den neuen Mitgliedstaaten zwar stets einem bestimmten Prozentsatz der „anwendbaren Höhe“ in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten, doch erfolgte ihre Berechnung völlig unabhängig.

56

So wurde die Grundfläche in dem genannten Kapitel 6 bestimmt, während sowohl die jährlichen Obergrenzen als auch die Vorschriften über die Bemessung der Zahlungen im Rahmen der Regelung für die einheitliche Flächenzahlung in der Verordnung Nr. 1782/2003 enthalten waren, in die sie durch den Beschluss 2004/281 und die Verordnung Nr. 583/2004 eingefügt worden waren.

57

Es ist festzustellen, dass die für das Jahr 2013 angestrebte Höhe der in den neuen Mitgliedstaaten gewährten Direktzahlungen, nämlich 100 % der Beträge, die auf der Grundlage der oben genannten Referenzdaten für das Jahr 2003 geplant waren, nicht von der tatsächlichen Höhe der Direktzahlungen abhängt. Dem Unionsgesetzgeber ging es somit nicht um eine Angleichung der Nominalhöhen, sondern darum, eine abstrakte Höhe von 100 % zu erreichen, wobei hingenommen wurde, dass es in den einzelnen Mitgliedstaaten zu unterschiedlichen Beträgen kommen würde.

58

Zwar hat sich, wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, die Grundfläche in Litauen seit dem Jahr 2003 mehr als verdoppelt, womit sich der Betrag der Direktzahlungen je Hektar verringerte. Dieser Umstand, der lediglich die an den einzelnen Betriebsinhaber gewährten Direktzahlungen betrifft, wirkt sich allerdings nicht auf die Funktionsweise des eingeführten Mechanismus aus, durch den die Obergrenze der Direktzahlungen schrittweise auf 100 % angehoben wird.

59

Da sich die somit postulierte Verbindung zwischen der jeweiligen Höhe der Direktzahlungen aus der Beitrittsakte von 2003 und damit aus primärrechtlichen Bestimmungen ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil Parlament/Rat, C‑413/04, EU:C:2006:741, Rn. 43), ist sie bei der Auslegung der Verordnung Nr. 73/2009, soweit in dieser die Bestimmungen des Anhangs II der Beitrittsakte von 2003 zum Ausdruck kommen, als gegeben anzusehen.

60

Unter diesen Umständen greift die vom vorlegenden Gericht angeführte Argumentation der Kläger und der litauischen Regierung nicht durch, mit der bestritten wird, dass die in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten anwendbaren Höhen der Direktzahlungen denen in den neuen Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 73/2009 entsprächen, weil die Unanwendbarkeit der Modulation bei den Direktzahlungen unter 5000 Euro zur Folge gehabt habe, dass der Betrag der für das Jahr 2012 in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten gewährten Direktzahlungen trotz der Modulation um 10 % tatsächlich 90 % des Gesamtbetrags der Direktzahlungen – die in den neuen Mitgliedstaaten formal erreichte Höhe – übersteige.

61

Da die Höhe der anwendbaren Direktzahlungen unabhängig von den in den verschiedenen Mitgliedstaaten jeweils tatsächlich gezahlten Beträgen vor der Modulation 100 % entspricht, ist nämlich die in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 73/2009 vorgesehene allgemeine Modulation um 10 % als Kürzung im Sinne von Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung anzusehen, die für die Feststellung, dass sich die Höhen der anwendbaren Direktzahlungen entsprechen, zu berücksichtigen ist.

62

Dagegen würde eine Berücksichtigung der nominalen Auswirkungen dieser Berechnungen neben der Frage, wie viele Betriebsinhaber in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten und in den neuen Mitgliedstaaten weniger als 5000 Euro erhalten, auch die Frage der beträchtlichen Differenz zwischen den jeweils je Hektar gewährten Beträgen der Direktzahlungen aufwerfen und damit einen absoluten Vergleich zwischen der Höhe der in diesen beiden Gruppen von Mitgliedstaaten jeweils gewährten Direktzahlungen unmöglich machen. Durch den Rückgriff auf das abstrakte Kriterium der Höhe der anwendbaren Direktzahlungen lassen sich somit solche Erwägungen vermeiden.

63

Nach alledem ist auf die Fragen 1a und 1b zu antworten, dass Art. 7 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 und Art. 121 der Verordnung Nr. 73/2009 dahin auszulegen sind, dass der Begriff „anwendbare Höhe der Direktzahlungen in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten“ in dem Sinne zu verstehen ist, dass diese Höhe im Jahr 2012 90 % der Gesamthöhe der Direktzahlungen entsprach, und dass der Begriff „Höhe der Direktzahlungen in den neuen Mitgliedstaaten“ in dem Sinne zu verstehen ist, dass diese Höhe im Jahr 2012 der in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten entsprach.

Zu den Fragen 1c, 2a und 2b

64

Mit seinen Fragen 1c, 2a und 2b möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 10 Abs. 1 und Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 73/2009, der Durchführungsbeschluss C(2012) 4391 endg. und das Arbeitsdokument DS/2011/14/REV 2 ungültig sind.

65

Zum Arbeitsdokument DS/2011/14/REV 2 ist sogleich darauf hinzuweisen, dass beim Erlass des Durchführungsbeschlusses C(2012) 4391 endg., wie aus dessen sechstem Erwägungsgrund hervorgeht, u. a. der Inhalt dieser Arbeitsunterlage berücksichtigt wurde. Daher genügt es im vorliegenden Fall, die Gültigkeit dieses Beschlusses zu prüfen; eine gesonderte Prüfung der Gültigkeit des genannten Arbeitsdokuments ist nicht erforderlich.

Vereinbarkeit mit der Beitrittsakte von 2003

66

Was als Erstes den behaupteten Verstoß gegen die Beitrittsakte von 2003 angeht, ergibt sich dieser nach Auffassung des vorlegenden Gerichts daraus, dass die Beitrittsakte von 2003 keine Modulation der Direktzahlungen der Union und auch keine Kürzung der ergänzenden nationalen Direktzahlungen in den neuen Mitgliedstaaten vorsehe, so dass die auf diese Bestimmungen gestützte Anwendung der Modulation in den neuen Mitgliedstaaten für das Jahr 2012, d. h. vor Erreichen von 100 % der Direktzahlungen, gegen die im Jahr 2003 getroffene Vereinbarung verstoße, dass die Direktzahlungen die genannte Höhe im Jahr 2013 erreichen sollten.

– Die Direktzahlungen der Union

67

Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die schrittweise Einführung der Direktzahlungen der Union in den neuen Mitgliedstaaten nicht dazu führen sollte, dass sich die in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten gezahlten Beträge und die in den neuen Mitgliedstaaten gezahlten Beträge entsprechen. Das Ziel war, wie aus den Rn. 53 und 54 des vorliegenden Urteils hervorgeht, die Entwicklung des Agrarsektors in den neuen Mitgliedstaaten nicht durch die übergangslose Einführung von Beihilfen in einer für jeden dieser Mitgliedstaaten vorgegebenen Höhe zu behindern.

68

Angesichts dieses spezifischen Ziels steht die durch die Beitrittsakte von 2003 eingeführte Regelung grundsätzlich nicht der Anwendung einer Reform von allgemeiner Tragweite wie der Modulation entgegen, die die Funktionsweise der gemeinsamen Agrarpolitik in allen Mitgliedstaaten dadurch verbessern soll, dass zwischen den verschiedenen Maßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft und der ländlichen Entwicklung ein besseres Gleichgewicht hergestellt wird.

69

Dass die Frage der Anwendung der Modulation in den neuen Mitgliedstaaten nicht in der Beitrittsakte von 2003 geregelt ist, liegt daran, dass die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik, mit der die Modulation eingeführt wurde, parallel zu den Verhandlungen über den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten stattfand. Wie der Generalanwalt in Nr. 91 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, wurde die Modulation nämlich nach Abschluss der Beitrittsakte von 2003 mit der Verordnung Nr. 1782/2003 eingeführt, und Art. 12a der Verordnung Nr. 1782/2003, der die Modulation in den neuen Mitgliedstaaten regelt, wurde durch die Verordnung Nr. 583/2004 eingefügt. Die Möglichkeit, solche Änderungen des gemeinschaftlichen Besitzstands für diese Mitgliedstaaten einzuführen, wurde in den Art. 23 und 57 der Beitrittsakte von 2003 ausdrücklich vorgesehen.

70

Die etwaige Anwendung der Modulation als solche auf die in den neuen Mitgliedstaaten gewährten Direktzahlungen wird zwar im Ausgangsverfahren nicht bestritten, doch hat das vorlegende Gericht Zweifel hinsichtlich der Voraussetzungen dieser Anwendung.

71

Insoweit steht fest, dass der Inhalt von Art. 12a der Verordnung Nr. 1782/2003 in Art. 10 der Verordnung Nr. 73/2009 in zweierlei Hinsicht übernommen und präzisiert worden ist. Danach müssen zum einen für die Feststellung, dass die Höhe der Direktzahlungen in den neuen Mitgliedstaaten mindestens bereits der in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten entspricht, die Wirkungen der Modulation in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten berücksichtigt werden. Zum anderen geht daraus hervor, dass der für die Modulation in den neuen Mitgliedstaaten zu berücksichtigende Prozentsatz auf die Differenz der jeweiligen Höhen der Direktzahlungen begrenzt ist.

72

Durch diese letztgenannte Regel soll sichergestellt werden, dass mit der Modulation, wie im 17. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 73/2009 ausgeführt, der einem Betriebsinhaber in einem neuen Mitgliedstaat gezahlte Nettobetrag nicht unter den Nettobetrag verringert wird, der einem entsprechenden Betriebsinhaber in Mitgliedstaaten zu zahlen ist, die keine neuen Mitgliedstaaten sind.

73

Wie die polnische Regierung und die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen zu Recht hervorgehoben haben, hat nach dieser Regel die Anwendbarkeit der Modulation für das Jahr 2012 nicht zu einer Verringerung der unter 300000 Euro liegenden Direktzahlungen in den neuen Mitgliedstaaten geführt, weil die Differenz der jeweiligen Beträge gleich null war.

74

Dagegen hat die Anwendung der Modulation auf Direktzahlungen in den neuen Mitgliedstaaten für das Jahr 2012 zu einer Kürzung der über 300000 Euro liegenden Beträge um 4 % geführt. Diese Kürzung kann zwar die beträchtliche Differenz zwischen den jeweils in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten und in den neuen Mitgliedstaaten je Hektar gezahlten Beträgen der Direktzahlungen vergrößern. Doch bleiben die genannten Beträge nach der genannten Kürzung in den neuen Mitgliedstaaten deutlich höher als die anwendbare Höhe in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten, in denen die Modulation bei 14 % liegt.

75

Somit ist davon auszugehen, dass Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 2 und dem 17. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 73/2009 in seiner Wirkung zu dem Ziel, in allen Mitgliedstaaten ein besseres Gleichgewicht zwischen der Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft und der ländlichen Entwicklung herzustellen, beiträgt, das im normativen Rahmen der Beitrittsakte von 2003 niedergelegt ist.

76

Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 73/2009, soweit danach im Wege einer Berücksichtigung der Wirkungen der Modulation in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten die Anwendung des Systems der Modulation der Direktzahlungen der Union für das Jahr 2012 in allen Mitgliedstaaten gestattet wird, mit der Beitrittsakte von 2003 vereinbar ist.

– Die ergänzenden nationalen Direktzahlungen

77

Art. 132 Abs. 2 der Verordnung Nr. 73/2009 sieht vor, dass der Gesamtbetrag der Direktbeihilfe, die einem Betriebsinhaber in dem neuen Mitgliedstaat einschließlich aller ergänzenden nationalen Direktzahlungen gewährt werden kann, nicht die Höhe der Direktbeihilfe überschreiten darf, auf die er im Rahmen der jeweiligen Direktzahlung Anspruch hätte, die zu diesem Zeitpunkt in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten gilt, und dass dabei der Anwendung des Art. 7 in Verbindung mit Art. 10 Rechnung getragen wird.

78

Während dieses Überschreitungsverbot bereits durch Kapitel 6 Abschnitt A Nr. 27 Buchst. b des Anhangs II der Beitrittsakte von 2003 in Art. 1c der Verordnung Nr. 1259/1999 eingefügt worden war, wurde das Erfordernis, dabei die Wirkungen der Modulation in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen, erst durch den genannten Art. 132 Abs. 2 aufgestellt.

79

Aufgrund dieses Erfordernisses nahm die Kommission an, dass die Modulation für die in Litauen für das Jahr 2012 gewährten ergänzenden nationalen Direktzahlungen anzuwenden sei.

80

Zwar ist davon auszugehen, dass die vorgezogene Anwendung der Modulation auf sämtliche Direktzahlungen an Betriebsinhaber in den neuen Mitgliedstaaten aus den gleichen Gründen wie jenen, mit denen bereits die Modulation allein der Direktzahlungen der Union gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 73/2009 gerechtfertigt wurde, grundsätzlich mit der Beitrittsakte von 2003 vereinbar ist, doch ist für die Würdigung der Rechtmäßigkeit der im Durchführungsbeschluss C(2012) 4391 endg. geregelten konkreten Modalitäten dieser Anwendung eine Auslegung von Art. 132 der Verordnung Nr. 73/2009 im Einklang mit der Beitrittsakte von 2003 erforderlich.

81

Hierzu ist festzustellen, dass die Genehmigung der Kommission, die gemäß Abs. 6 des genannten Artikels für die Gewährung von ergänzenden nationalen Direktzahlungen erforderlich ist, eine konkrete und eingehende Prüfung der fraglichen Zahlungen voraussetzt, deren Schritte bereits in dem Art. 1c vorgesehen waren, der durch das Kapitel 6 Abschnitt A Nr. 27 Buchst. b des Anhangs II der Beitrittsakte von 2003 in die Verordnung Nr. 1259/1999 eingefügt worden war. Nach dieser Bestimmung hingen die Voraussetzungen für die Anwendung der Modulation davon ab, für welche Zahlungsregelung – Betriebsprämienregelung oder Regelung für die einheitliche Flächenzahlung – sich ein neuer Mitgliedstaat entschieden hatte.

82

Denn obzwar sowohl der genannte Art. 1c als auch Art. 132 Abs. 2 der Verordnung Nr. 73/2009 grundsätzlich für alle neuen Mitgliedstaaten gelten, geht aus dem jeweiligen Abs. 4 beider Artikel hervor, dass ein neuer Mitgliedstaat, der sich für die Regelung für die einheitliche Flächenzahlung entscheidet, unter den in den jeweiligen Abs. 5 bis 8 dieser Artikel genannten Bedingungen ergänzende staatliche Direktbeihilfen gewähren kann.

83

Entsprechend dem legitimen Grund, das System der Modulation ab dem Jahr 2012 in den neuen Mitgliedstaaten anzuwenden, und zwar auch, wie sich aus dem 17. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 73/2009 ergibt, im Hinblick auf die ergänzenden nationalen Direktzahlungen, ist der Mechanismus der Kürzung des kumulierten Betrags der Direktzahlungen der Union und der ergänzenden nationalen Direktzahlungen mit dem Mechanismus der Modulation allein der Direktzahlungen der Union abzustimmen.

84

Somit dürfen, was den genannten kumulierten Betrag angeht, die Kürzungen nur dann berücksichtigt werden, wenn die Modulation für die Direktzahlungen der Union anwendbar ist. Soweit gemäß Art. 10 Abs. 2 der Verordnung Nr. 73/2009 die Modulation nicht bei Zahlungen unter 300000 Euro anwendbar ist, dürfen die Kürzungen auch nicht auf die ergänzenden nationalen Direktzahlungen angewandt werden.

85

Da Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 73/2009, wie in Rn. 73 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nicht in den neuen Mitgliedstaaten zur Anwendung kommt, findet nur Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung Anwendung, womit nur eine Kürzung der 300000 Euro übersteigenden Beträge um 4 % anwendbar ist.

86

Mit dem Durchführungsbeschluss C(2012) 4391 endg. wurde jedoch dadurch, dass darin für das Jahr 2012 die Anwendung der Modulation gegenüber Betriebsinhabern vorgeschrieben wurde, bei denen der Gesamtbetrag der nationalen und der von der Union gewährten Direktzahlungen zwischen 5000 Euro und 300000 Euro liegt, die Parallelität zwischen der Modulation der Direktzahlungen und der ergänzenden nationalen Direktzahlungen nicht beachtet.

87

Folglich ist der Durchführungsbeschluss C(2012) 4391 endg. für ungültig zu erklären.

Vereinbarkeit mit den angeführten allgemeinen Grundsätzen

88

Da feststeht, dass der Durchführungsbeschluss C(2012) 4391 endg. gegen die Beitrittsakte von 2003 verstößt, braucht die Vereinbarkeit dieses Beschlusses mit den vom vorlegenden Gericht angeführten allgemeinen Grundsätzen nicht mehr geprüft zu werden.

89

In Bezug auf die Art. 10 und 132 der Verordnung Nr. 73/2009 geht aus der Vorlageentscheidung nicht hervor, inwiefern diese Bestimmungen gegen die genannten Grundsätze des Unionsrechts verstoßen könnten, mit Ausnahme des Diskriminierungsverbots.

90

Zum Diskriminierungsverbot ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die spezifischen Bestimmungen der Art. 10 und 132 der Verordnung Nr. 73/2009, die dem legitimen Anliegen entsprechen, das System der Modulation ab dem Jahr 2012 in den neuen Mitgliedstaaten anzuwenden, aufgrund des Umstands, dass die Situation der Landwirtschaft in den neuen Mitgliedstaaten völlig anders war als in den anderen Mitgliedstaaten, was einen wirksamen Vergleich ausschließt (Urteil Polen/Rat, C‑273/04, EU:C:2007:622, Rn. 87 und 88), nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen.

91

Demnach ist auf die Fragen 1c, 2a und 2b zu antworten, dass der Durchführungsbeschluss C(2012) 4391 endg. ungültig ist, wogegen die Prüfung der genannten Fragen nichts ergeben hat, was die Gültigkeit von Art. 10 Abs. 1 und Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 73/2009 berühren könnte.

Zur Frage 2c

92

Mit seiner Frage 2c möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 73/2009 in seiner im Amtsblatt der Europäischen Union vom 18. Februar 2010 veröffentlichten berichtigten Fassung ungültig ist, soweit mit dieser Änderung im Wege der Berichtigung nicht nur eine technische Korrektur, sondern eine inhaltliche Änderung vorgenommen wurde.

93

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen ist, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil Rosselle, C‑65/14, EU:C:2015:339, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

94

Die Berichtigung von Art. 132 Abs. 2 der Verordnung Nr. 73/2009 wurde in allen Amtssprachen der Union vorgenommen. Die Angabe des Jahres 2012 war zwar in der ursprünglichen Fassung des genannten Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz in allen Amtssprachen der Union enthalten, stand jedoch in einigen Sprachfassungen am Anfang des Unterabsatzes, in anderen an dessen Ende.

95

Die litauische Sprachfassung gehört zur ersten Kategorie dieser Sprachfassungen, in der das Jahr am Anfang des letzten Unterabsatzes von Art. 132 Abs. 2 der Verordnung Nr. 73/2009, vor der Berichtigung, stand. Die vorgenommene Berichtigung besteht darin, dass die Angabe „ab 2012“ vom Anfang des Unterabsatzes weggenommen und zwischen den Ausdrücken „dabei wird“ und „der Anwendung des Artikels 7 in Verbindung mit Artikel 10 Rechnung getragen“ am Ende des Unterabsatzes eingefügt wurde.

96

Wie die Kommission zutreffend ausgeführt hat, konnte die Angabe am Anfang des letzten Unterabsatzes von Art. 132 Abs. 2 der Verordnung Nr. 73/2009 so gedeutet werden, dass diese Bestimmung dahin zu verstehen sei, dass das Überschreitungsverbot nur das Jahr 2012 betreffe, eine Auslegung, die mit dem Ziel dieser Bestimmung unvereinbar wäre.

97

Somit ist davon auszugehen, dass die im Amtsblatt der Europäischen Union vom 18. Februar 2010 veröffentlichte Berichtigung eine bloß klarstellende Korrektur darstellt, die keine Auswirkung auf die Tragweite der betroffenen Bestimmung hat.

98

Daher ist auf die Frage 2c zu antworten, dass die Prüfung dieser Frage nichts ergeben hat, was die Gültigkeit von Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 73/2009 in seiner im Amtsblatt der Europäischen Union vom 18. Februar 2010 veröffentlichten berichtigten Fassung berühren könnte.

Zur Frage 2d

99

Mit seiner Frage 2d möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff „dydis“ in der litauischen Sprachfassung („Höhe“ in der deutschen Sprachfassung) des Art. 1c Abs. 2 letzter Absatz der Verordnung Nr. 1259/1999, der durch die Beitrittsakte von 2003 eingefügt wurde, gleichbedeutend ist mit dem Begriff „lygis“ („Höhe“ in der deutschen Sprachfassung) in Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 73/2009.

100

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der genannte Art. 132 im Wesentlichen dieselben Regeln festlegt wie Art. 143c der Verordnung Nr. 1782/2003, der seinerseits die in Art. 1c der Verordnung Nr. 1259/1999 aufgeführten Maßnahmen übernommen hat.

101

Der einschlägige litauische Begriff, der in Art. 143c Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 1782/2003 ebenso wie in Art. 1c Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 1259/1999 verwendet wird, ist „dydis“. Dieser Begriff wurde erst mit Erlass der Verordnung Nr. 73/2009 geändert, die in Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz den Begriff „lygis“ verwendet.

102

Dagegen sind in mehreren anderen Sprachfassungen des Art. 1c Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 1259/1999 und des Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 73/2009 die verwendeten Begriffe im Wesentlichen dieselben geblieben. Dies gilt u. a. für die spanische, die deutsche, die englische, die französische, die italienische und die portugiesische Sprachfassung.

103

Nach ständiger Rechtsprechung kann die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder insoweit Vorrang vor den anderen sprachlichen Fassungen beanspruchen. Die Bestimmungen des Unionsrechts müssen nämlich im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Europäischen Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen einer Bestimmung des Unionsrechts voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift nach dem Zusammenhang und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (Urteil Ivansson u. a., C‑307/13, EU:C:2014:2058, Rn. 40).

104

Hierzu ist festzustellen, dass weder die Systematik der Verordnung Nr. 73/2009 noch ihr Zweck für eine von den Vorgängervorschriften abweichende Auslegung sprechen, die in der Ersetzung des Begriffs „lygis“ mit dem Begriff „dydis“ zum Ausdruck käme. Im Gegenteil heißt es im 48. Erwägungsgrund dieser Verordnung, dass „[d]ie Bedingungen für die Gewährung“ der ergänzenden nationalen Direktzahlungen aufrechterhalten werden sollten.

105

Folglich ist davon auszugehen, dass die Änderung der in der litauischen Sprachfassung von Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 73/2009 verwendeten Terminologie den Sinn dieses Unterabsatzes gegenüber der in den Artikeln der früheren Verordnungen verwendeten Terminologie nicht verändert. Wie der Generalanwalt in Nr. 142 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, wird diese Feststellung dadurch bestätigt, dass Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 73/2009 die in Kapitel 6 Abschnitt A Nr. 27 Buchst. b des Anhangs II der Beitrittsakte von 2003 genannten Maßnahmen übernommen hat.

106

Daher ist auf die Frage 2d zu antworten, dass der Begriff „dydis“ in der litauischen Sprachfassung des Art. 1c Abs. 2 letzter Absatz der Verordnung Nr. 1259/1999, der durch die Beitrittsakte von 2003 eingefügt wurde, gleichbedeutend ist mit dem Begriff „lygis“ in Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 73/2009.

Zur dritten Frage

107

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Durchführungsbeschluss C(2012) 4391 endg. aus mit seiner Begründung oder der Nichtveröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union zusammenhängenden Gründen ungültig ist.

108

Diese Frage ist in Anbetracht der Feststellung in Rn. 87 des vorliegenden Urteils, dass der genannte Durchführungsbeschluss ungültig ist, nicht zu beantworten.

Kosten

109

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 7 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 und Art. 121 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1290/2005, (EG) Nr. 247/2006, (EG) Nr. 378/2007 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 sind dahin auszulegen, dass der Begriff „anwendbare Höhe der Direktzahlungen in den anderen als den neuen Mitgliedstaaten“ in dem Sinne zu verstehen ist, dass diese Höhe im Jahr 2012 90 % der Gesamthöhe der Direktzahlungen entsprach, und dass der Begriff „Höhe der Direktzahlungen in den neuen Mitgliedstaaten“ in dem Sinne zu verstehen ist, dass diese Höhe im Jahr 2012 der in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft in ihrer Zusammensetzung am 30. April 2004 entsprach.

 

2.

Der Durchführungsbeschluss C(2012) 4391 endg. der Kommission vom 2. Juli 2012 zur Genehmigung ergänzender nationaler Direktzahlungen in Litauen für das Jahr 2012 ist ungültig, wogegen die Prüfung der Vorlagefragen nichts ergeben hat, was die Gültigkeit von Art. 10 Abs. 1 und Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 73/2009 berühren könnte.

 

3.

Die Prüfung der genannten Fragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 73/2009 in seiner im Amtsblatt der Europäischen Union vom 18. Februar 2010 veröffentlichten berichtigten Fassung berühren könnte.

 

4.

Der Begriff „dydis“ in der litauischen Sprachfassung des Art. 1c Abs. 2 letzter Absatz der Verordnung (EG) Nr. 1259/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 zur Festlegung von Gemeinschaftsregeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik, der durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge eingefügt wurde, ist gleichbedeutend mit dem Begriff „lygis“ in der litauischen Sprachfassung des Art. 132 Abs. 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 73/2009.

 

Unterschriften


( * )   Verfahrenssprache: Litauisch.