Rechtssache C‑66/14

Finanzamt Linz

gegen

Bundesfinanzgericht, Außenstelle Linz

(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs)

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Art. 49 AEUV, 54 AEUV, 107 AEUV und 108 Abs. 3 AEUV — Niederlassungsfreiheit — Staatliche Beihilfen — Gruppenbesteuerung — Erwerb einer Beteiligung am Kapital einer Tochtergesellschaft — Firmenwertabschreibung — Begrenzung auf Beteiligungen an inländischen Gesellschaften“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 6. Oktober 2015

  1. Zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen — Zulässigkeit — Grenzen — Offensichtlich unerhebliche Fragen und hypothetische Fragen, die in einem eine zweckdienliche Antwort ausschließenden Zusammenhang gestellt werden — Erfordernis, dem Gerichtshof gegenüber hinreichende Angaben zum tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang zu machen

    (Art. 107 AEUV, 108 Abs. 3 AEUV und 267 AEUV)

  2. Staatliche Beihilfen — Bestimmungen des Vertrags — Geltungsbereich — Abgaben — Ausschluss außer für die eine Beihilfe finanzierenden Abgaben — Unmöglichkeit für den Schuldner einer Abgabe, sich auf die Rechtswidrigkeit einer steuerlichen Maßnahme zu berufen, um sich der Zahlung der fraglichen Abgabe zu entziehen oder um deren Erstattung zu verlangen

    (Art. 107 AEUV und 108 Abs. 3 AEUV)

  3. Niederlassungsfreiheit — Steuerrecht — Körperschaftsteuer — Nationale Rechtsvorschrift, die es einer Muttergesellschaft erlaubt, beim Erwerb einer Beteiligung an einem Unternehmen eine Firmenwertabschreibung vorzunehmen — Begrenzung auf Beteiligungen an inländischen Gesellschaften — Unzulässigkeit — Rechtfertigung — Fehlen

    (Art. 49 AEUV)

  1.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 19-22)

  2.  Der Schuldner einer Abgabe kann sich nicht darauf berufen, dass die Befreiung anderer Unternehmen eine staatliche Beihilfe darstelle, um sich der Zahlung dieser Abgabe zu entziehen.

    (vgl. Rn. 21)

  3.  Art. 49 AEUV steht einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die es im Rahmen der Gruppenbesteuerung einer Muttergesellschaft erlaubt, beim Erwerb einer Beteiligung an einer inländischen Gesellschaft, die Mitglied einer solchen Gruppe wird, eine Firmenwertabschreibung von bis zu 50 % der Anschaffungskosten der Beteiligung vorzunehmen, ihr dies beim Erwerb einer Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft aber versagt.

    Wenn eine nationale Rechtsvorschrift einen Steuervorteil für eine Muttergesellschaft schafft, die eine Beteiligung an einer inländischen Gesellschaft erwirbt, so begründet die Tatsache, dass einer Muttergesellschaft, die eine Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft erwirbt, unter denselben Umständen dieser Steuervorteil nicht gewährt wird, eine steuerliche Ungleichbehandlung von Muttergesellschaften zum Nachteil derer, die eine Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft erwerben. Diese Ungleichbehandlung ist geeignet, die Muttergesellschaft, die eine Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft erwirbt, in der Ausübung ihrer Niederlassungsfreiheit im Sinne des Art. 49 AEUV zu behindern, da sie dadurch vom Erwerb oder von der Gründung von Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten abgehalten wird. Eine solche Ungleichbehandlung ist nur statthaft, wenn sie Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

    Da insoweit nach dieser nationalen Rechtsvorschrift eine Gruppe sowohl aus inländischen als auch aus ausländischen Gesellschaften bestehen kann, sind die Situation einer Muttergesellschaft, die eine solche Gruppe mit einer inländischen Tochtergesellschaft bilden möchte, und die Situation einer Muttergesellschaft, die eine Gruppe mit einer ausländischen Tochtergesellschaft bilden möchte, im Hinblick auf das Ziel der fraglichen Steuerregelung objektiv vergleichbar, da sowohl die eine als auch die andere Muttergesellschaft danach streben, die Vorteile dieser Regelung in Anspruch zu nehmen. Ebenso gilt in Bezug auf die Möglichkeit, die sich aus einer solchen Regelung ergebende Ungleichbehandlung mit der Notwendigkeit der Wahrung der Kohärenz des Steuersystems zu rechtfertigen, dass, da die nationale Rechtsvorschrift als solche keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem steuerlichen Vorteil in Form der Firmenwertabschreibung und der Belastung in Form der Besteuerung des Gewinns bei der Muttergesellschaft im Fall der Veräußerung der Beteiligung an ihrer Tochtergesellschaft begründet, eine Ungleichbehandlung nicht durch die Notwendigkeit, die Kohärenz des Steuersystems des betreffenden Mitgliedstaats zu wahren, gerechtfertigt ist.

    (vgl. Rn. 27-30, 33, 43, 50, 54 und Tenor)