Rechtssache C‑44/14

Königreich Spanien

gegen

Europäisches Parlament

und

Rat der Europäischen Union

„Nichtigkeitsklage — Verordnung (EU) Nr. 1052/2013 — Überschreitung der Außengrenzen — Eurosur-System — Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands — Beteiligung — Zusammenarbeit mit Irland und dem Vereinigten Königreich — Gültigkeit“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 8. September 2015

  1. Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen — Protokoll zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands — Anwendbarkeit auf Irland und das Vereinigte Königreich — Grenzen — Nichtteilnahme an den Bestimmungen des Besitzstands, die sich auf das Überschreiten der Außengrenzen beziehen, oder an der Annahme von Vorschlägen und Initiativen auf der Grundlage des diesbezüglichen Besitzstands — Möglichkeit, eine Form der begrenzten Zusammenarbeit mit Irland und dem Vereinigten Königreich zu begründen, die den Austausch von Informationen über die Überschreitung der Außengrenzen erlaubt

    (Protokoll Nr. 19 zum EU- und zum AEU-Vertrag, Art. 4 und 5; Erklärung Nr. 45 zur Schlussakte des Vertrags über die Europäische Union; Verordnung Nr. 1052/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 19; Beschlüsse 2000/365 und 2002/192 des Rates)

  2. Recht der Europäischen Union — Auslegung — Methoden — Grammatische, systematische und teleologische Auslegung

  3. Europäische Union — Verstärkte Zusammenarbeit — Durchführung — Verpflichtungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten — Verstärkte Zusammenarbeit in den Bereichen des Schengen-Besitzstands — Möglichkeit für Irland und das Vereinigte Königreich, an diesem Besitzstand teilzunehmen — Folgen

    (Art. 327 AEUV und 331 AEUV; Protokoll Nr. 19 zum EU- und zum AEU-Vertrag, Art. 1, 4 und 5)

  1.  Da sich Irland und das Vereinigte Königreich nicht an allen Bestimmungen des Schengen-Besitzstands beteiligen, befinden sie sich in einer besonderen Situation, der das Protokoll (Nr. 19) über den in den Rahmen der Europäischen Union einbezogenen Schengen-Besitzstand (Schengen-Protokoll) in doppelter Hinsicht Rechnung getragen hat. Zum einen können die beiden Mitgliedstaaten nach Art. 4 des Protokolls jederzeit beantragen, dass alle oder ein Teil der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands in der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Fassung auch auf sie Anwendung finden sollen. Zum anderen dürfen sie nach Art. 5 des Protokolls, der die Annahme von Vorschlägen und Initiativen auf der Grundlage des Besitzstands regelt, wählen, ob sie sich an der Annahme einer Maßnahme dieser Art beteiligen möchten, wobei diese Wahl ihnen nur eingeräumt wird, wenn die Maßnahme zu einem Bereich des Schengen-Besitzstands gehört, durch den der betreffende Mitgliedstaat nach Art. 4 des Protokolls gebunden ist, oder wenn die Maßnahme eine Weiterentwicklung eines solchen Bereichs darstellt.

    Wenn sich in diesem Zusammenhang Irland und das Vereinigte Königreich nach Art. 4 des Schengen-Protokolls und den Beschlüssen 2000/365 zum Antrag des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, einzelne Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf es anzuwenden, und 2002/192 zum Antrag Irlands auf Anwendung einzelner Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf Irland an einzelnen Bestimmungen dieses Besitzstands beteiligen, erfasst diese Beteiligung nicht diejenigen Bestimmungen des Besitzstands, die sich auf die Überschreitung der Außengrenzen beziehen. Irland oder das Vereinigte Königreich können sich daher an den geltenden Bestimmungen des Schengen-Besitzstands in diesem Bereich oder an der Annahme von Vorschlägen und Initiativen auf der Grundlage des Besitzstands in diesem Bereich erst beteiligen, wenn sie einen entsprechenden Antrag gestellt haben und dieser sodann vom Rat nach dem Verfahren des Art. 4 des Schengen-Protokolls durch Beschluss angenommen worden ist. Um die Beteiligung Irlands oder des Vereinigten Königreichs an solchen Bestimmungen oder an der Annahme solcher Vorschläge und Initiativen zuzulassen, kann der Unionsgesetzgeber daher weder im Sinne einer Verschärfung noch im Sinne einer Erleichterung ein anderes Verfahren als das nach Art. 4 dieses Protokolls einführen. Der Unionsgesetzgeber kann auch nicht vorsehen, dass die Mitgliedstaaten die Freiheit haben, untereinander Vereinbarungen zu treffen, die eine solche Wirkung haben.

    Was Art. 19 der Verordnung Nr. 1052/2013 zur Errichtung eines Europäischen Grenzüberwachungssystems (EUROSUR) betrifft, der vorsieht, dass auf der Grundlage bilateraler oder multilateraler Übereinkünfte zwischen Irland oder dem Vereinigten Königreich und einem oder mehreren benachbarten Mitgliedstaaten eine Zusammenarbeit beim Informationsaustausch über das Überschreiten der Außengrenzen begründet werden kann, kann diese Vorschrift nicht dahin verstanden werden, dass sie es den Mitgliedstaaten ermöglicht, Übereinkünfte zu schließen, die Irland oder dem Vereinigten Königreich ermöglichen, sich an geltenden Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Bereich der Überschreitung der Außengrenzen zu beteiligen. Die in dieser Vorschrift genannten Übereinkünfte lassen nämlich eine begrenzte Form der Zusammenarbeit zwischen Irland oder dem Vereinigten Königreich und einem oder mehreren benachbarten Mitgliedstaaten zu, können aber nicht dazu führen, Irland oder das Vereinigte Königreich in die gleiche Lage zu versetzen wie die anderen Mitgliedstaaten, da sie für diese beiden Mitgliedstaaten nicht rechtsgültig Rechte oder Pflichten begründen können, die denen der anderen Mitgliedstaaten im Rahmen des Eurosur-Systems oder eines Kernbereichs dieses Systems vergleichbar sind.

    Darüber hinaus ergibt sich aus der Systematik des Schengen-Protokolls, der Erklärung Nr. 45 zu Artikel 4 des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Union und dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, dass der durch die Art. 4 und 5 des Schengen-Protokolls geschaffene Mechanismus nicht dahin verstanden werden kann, dass er Irland und dem Vereinigten Königreich eine Beteiligung an dem vollständigen Schengen-Besitzstand vorschreiben soll, unter Ausschluss jeder Form der begrenzten Zusammenarbeit mit diesen Mitgliedstaaten. Ferner wird die praktische Wirksamkeit dieses Art. 4 durch eine Auslegung in dem Sinn, dass er auf begrenzte Formen der Zusammenarbeit nicht anwendbar ist, nicht in Frage gestellt, da diese Auslegung es weder zulässt, dass Irland und das Vereinigte Königreich Rechte erlangen können, die denen der anderen Mitgliedstaaten in Bezug auf die geltenden Bestimmungen des Schengen-Besitzstands vergleichbar sind, noch, dass sie sich an der Annahme von Vorschlägen und Initiativen auf der Grundlage der Bestimmungen dieses Besitzstands beteiligen, ohne zuvor durch einstimmigen Beschluss des Rates nach dieser Vorschrift zur Beteiligung an den fraglichen Bestimmungen ermächtigt worden zu sein.

    Der Umstand, dass die am Schengen-Besitzstand beteiligten Mitgliedstaaten, wenn sie die verstärkte Zusammenarbeit, zu deren Einführung sie nach Art. 1 des Schengen-Protokolls ermächtigt wurden, entwickeln und vertiefen, nicht verpflichtet sind, spezielle Anpassungsmaßnahmen für die anderen Mitgliedstaaten vorzusehen, bedeutet ebenso wenig, dass es dem Unionsgesetzgeber untersagt wäre, solche Maßnahmen anzuordnen, insbesondere indem er bestimmte begrenzte Formen der Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedstaaten zulässt, wenn er dies für angebracht hält. Auch dass die Einführung begrenzter Formen der Zusammenarbeit zu einer Fragmentierung der in diesem Bereich geltenden Vorschriften führen könnte, ist – unterstellt, dies wäre erwiesen – nicht geeignet, dieses Ergebnis in Frage zu stellen, da die Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit unvermeidlich zu einer gewissen Fragmentierung der für die Mitgliedstaaten geltenden Vorschriften in dem betreffenden Bereich führt. Aus alledem ergibt sich, dass begrenzte Formen der Zusammenarbeit keine Form der Beteiligung im Sinne von Art. 4 des Schengen-Protokolls darstellen.

    (vgl. Rn. 27-33, 42, 51-53, 55, 58, 59)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 44)

  3.  Sowohl aus der Präambel des Protokolls über den in den Rahmen der Europäischen Union einbezogenen Schengen-Besitzstand als auch aus dessen Art. 1 ergibt sich, dass die Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union auf den Vertragsbestimmungen über eine verstärkte Zusammenarbeit beruht. Aus Titel III des Sechsten Teils des AEU-Vertrags und insbesondere aus Art. 327 AEUV folgt jedoch, dass bei der Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den daran beteiligten Staaten, für die die in diesem Rahmen erlassenen Maßnahmen bindend sind, und den nicht daran beteiligten Staaten, für die sie nicht bindend sind, unterschieden wird. Der Übergang vom Status eines nicht beteiligten Mitgliedstaats zu dem eines beteiligten Mitgliedstaats bestimmt sich allgemein nach Art. 331 AEUV und ist, wie sich aus diesem ergibt, damit verbunden, dass der betreffende Mitgliedstaat verpflichtet ist, die im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit bereits erlassenen Rechtsakte anzuwenden.

    Im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit in den Bereichen des Schengen-Besitzstands ist Art. 4 des Schengen-Protokolls daher so zu verstehen, dass er Irland und dem Vereinigten Königreich ermöglichen soll, bezüglich einzelner in Kraft befindlicher Bestimmungen des Schengen-Besitzstands in die gleiche Lage versetzt zu werden wie die am Besitzstand beteiligten Mitgliedstaaten, nicht aber die Rechte und Pflichten dieser beiden Mitgliedstaaten regeln soll, wenn diese sich dafür entscheiden, der verstärkten Zusammenarbeit in bestimmten Bereichen fernzubleiben.

    (vgl. Rn. 47-49)


Rechtssache C‑44/14

Königreich Spanien

gegen

Europäisches Parlament

und

Rat der Europäischen Union

„Nichtigkeitsklage — Verordnung (EU) Nr. 1052/2013 — Überschreitung der Außengrenzen — Eurosur-System — Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands — Beteiligung — Zusammenarbeit mit Irland und dem Vereinigten Königreich — Gültigkeit“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 8. September 2015

  1. Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Protokoll zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands – Anwendbarkeit auf Irland und das Vereinigte Königreich – Grenzen – Nichtteilnahme an den Bestimmungen des Besitzstands, die sich auf das Überschreiten der Außengrenzen beziehen, oder an der Annahme von Vorschlägen und Initiativen auf der Grundlage des diesbezüglichen Besitzstands – Möglichkeit, eine Form der begrenzten Zusammenarbeit mit Irland und dem Vereinigten Königreich zu begründen, die den Austausch von Informationen über die Überschreitung der Außengrenzen erlaubt

    (Protokoll Nr. 19 zum EU- und zum AEU-Vertrag, Art. 4 und 5; Erklärung Nr. 45 zur Schlussakte des Vertrags über die Europäische Union; Verordnung Nr. 1052/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 19; Beschlüsse 2000/365 und 2002/192 des Rates)

  2. Recht der Europäischen Union – Auslegung – Methoden – Grammatische, systematische und teleologische Auslegung

  3. Europäische Union – Verstärkte Zusammenarbeit – Durchführung – Verpflichtungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten – Verstärkte Zusammenarbeit in den Bereichen des Schengen-Besitzstands – Möglichkeit für Irland und das Vereinigte Königreich, an diesem Besitzstand teilzunehmen – Folgen

    (Art. 327 AEUV und 331 AEUV; Protokoll Nr. 19 zum EU- und zum AEU-Vertrag, Art. 1, 4 und 5)

  1.  Da sich Irland und das Vereinigte Königreich nicht an allen Bestimmungen des Schengen-Besitzstands beteiligen, befinden sie sich in einer besonderen Situation, der das Protokoll (Nr. 19) über den in den Rahmen der Europäischen Union einbezogenen Schengen-Besitzstand (Schengen-Protokoll) in doppelter Hinsicht Rechnung getragen hat. Zum einen können die beiden Mitgliedstaaten nach Art. 4 des Protokolls jederzeit beantragen, dass alle oder ein Teil der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands in der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Fassung auch auf sie Anwendung finden sollen. Zum anderen dürfen sie nach Art. 5 des Protokolls, der die Annahme von Vorschlägen und Initiativen auf der Grundlage des Besitzstands regelt, wählen, ob sie sich an der Annahme einer Maßnahme dieser Art beteiligen möchten, wobei diese Wahl ihnen nur eingeräumt wird, wenn die Maßnahme zu einem Bereich des Schengen-Besitzstands gehört, durch den der betreffende Mitgliedstaat nach Art. 4 des Protokolls gebunden ist, oder wenn die Maßnahme eine Weiterentwicklung eines solchen Bereichs darstellt.

    Wenn sich in diesem Zusammenhang Irland und das Vereinigte Königreich nach Art. 4 des Schengen-Protokolls und den Beschlüssen 2000/365 zum Antrag des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, einzelne Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf es anzuwenden, und 2002/192 zum Antrag Irlands auf Anwendung einzelner Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf Irland an einzelnen Bestimmungen dieses Besitzstands beteiligen, erfasst diese Beteiligung nicht diejenigen Bestimmungen des Besitzstands, die sich auf die Überschreitung der Außengrenzen beziehen. Irland oder das Vereinigte Königreich können sich daher an den geltenden Bestimmungen des Schengen-Besitzstands in diesem Bereich oder an der Annahme von Vorschlägen und Initiativen auf der Grundlage des Besitzstands in diesem Bereich erst beteiligen, wenn sie einen entsprechenden Antrag gestellt haben und dieser sodann vom Rat nach dem Verfahren des Art. 4 des Schengen-Protokolls durch Beschluss angenommen worden ist. Um die Beteiligung Irlands oder des Vereinigten Königreichs an solchen Bestimmungen oder an der Annahme solcher Vorschläge und Initiativen zuzulassen, kann der Unionsgesetzgeber daher weder im Sinne einer Verschärfung noch im Sinne einer Erleichterung ein anderes Verfahren als das nach Art. 4 dieses Protokolls einführen. Der Unionsgesetzgeber kann auch nicht vorsehen, dass die Mitgliedstaaten die Freiheit haben, untereinander Vereinbarungen zu treffen, die eine solche Wirkung haben.

    Was Art. 19 der Verordnung Nr. 1052/2013 zur Errichtung eines Europäischen Grenzüberwachungssystems (EUROSUR) betrifft, der vorsieht, dass auf der Grundlage bilateraler oder multilateraler Übereinkünfte zwischen Irland oder dem Vereinigten Königreich und einem oder mehreren benachbarten Mitgliedstaaten eine Zusammenarbeit beim Informationsaustausch über das Überschreiten der Außengrenzen begründet werden kann, kann diese Vorschrift nicht dahin verstanden werden, dass sie es den Mitgliedstaaten ermöglicht, Übereinkünfte zu schließen, die Irland oder dem Vereinigten Königreich ermöglichen, sich an geltenden Bestimmungen des Schengen-Besitzstands im Bereich der Überschreitung der Außengrenzen zu beteiligen. Die in dieser Vorschrift genannten Übereinkünfte lassen nämlich eine begrenzte Form der Zusammenarbeit zwischen Irland oder dem Vereinigten Königreich und einem oder mehreren benachbarten Mitgliedstaaten zu, können aber nicht dazu führen, Irland oder das Vereinigte Königreich in die gleiche Lage zu versetzen wie die anderen Mitgliedstaaten, da sie für diese beiden Mitgliedstaaten nicht rechtsgültig Rechte oder Pflichten begründen können, die denen der anderen Mitgliedstaaten im Rahmen des Eurosur-Systems oder eines Kernbereichs dieses Systems vergleichbar sind.

    Darüber hinaus ergibt sich aus der Systematik des Schengen-Protokolls, der Erklärung Nr. 45 zu Artikel 4 des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Union und dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, dass der durch die Art. 4 und 5 des Schengen-Protokolls geschaffene Mechanismus nicht dahin verstanden werden kann, dass er Irland und dem Vereinigten Königreich eine Beteiligung an dem vollständigen Schengen-Besitzstand vorschreiben soll, unter Ausschluss jeder Form der begrenzten Zusammenarbeit mit diesen Mitgliedstaaten. Ferner wird die praktische Wirksamkeit dieses Art. 4 durch eine Auslegung in dem Sinn, dass er auf begrenzte Formen der Zusammenarbeit nicht anwendbar ist, nicht in Frage gestellt, da diese Auslegung es weder zulässt, dass Irland und das Vereinigte Königreich Rechte erlangen können, die denen der anderen Mitgliedstaaten in Bezug auf die geltenden Bestimmungen des Schengen-Besitzstands vergleichbar sind, noch, dass sie sich an der Annahme von Vorschlägen und Initiativen auf der Grundlage der Bestimmungen dieses Besitzstands beteiligen, ohne zuvor durch einstimmigen Beschluss des Rates nach dieser Vorschrift zur Beteiligung an den fraglichen Bestimmungen ermächtigt worden zu sein.

    Der Umstand, dass die am Schengen-Besitzstand beteiligten Mitgliedstaaten, wenn sie die verstärkte Zusammenarbeit, zu deren Einführung sie nach Art. 1 des Schengen-Protokolls ermächtigt wurden, entwickeln und vertiefen, nicht verpflichtet sind, spezielle Anpassungsmaßnahmen für die anderen Mitgliedstaaten vorzusehen, bedeutet ebenso wenig, dass es dem Unionsgesetzgeber untersagt wäre, solche Maßnahmen anzuordnen, insbesondere indem er bestimmte begrenzte Formen der Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedstaaten zulässt, wenn er dies für angebracht hält. Auch dass die Einführung begrenzter Formen der Zusammenarbeit zu einer Fragmentierung der in diesem Bereich geltenden Vorschriften führen könnte, ist – unterstellt, dies wäre erwiesen – nicht geeignet, dieses Ergebnis in Frage zu stellen, da die Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit unvermeidlich zu einer gewissen Fragmentierung der für die Mitgliedstaaten geltenden Vorschriften in dem betreffenden Bereich führt. Aus alledem ergibt sich, dass begrenzte Formen der Zusammenarbeit keine Form der Beteiligung im Sinne von Art. 4 des Schengen-Protokolls darstellen.

    (vgl. Rn. 27-33, 42, 51-53, 55, 58, 59)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 44)

  3.  Sowohl aus der Präambel des Protokolls über den in den Rahmen der Europäischen Union einbezogenen Schengen-Besitzstand als auch aus dessen Art. 1 ergibt sich, dass die Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union auf den Vertragsbestimmungen über eine verstärkte Zusammenarbeit beruht. Aus Titel III des Sechsten Teils des AEU-Vertrags und insbesondere aus Art. 327 AEUV folgt jedoch, dass bei der Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den daran beteiligten Staaten, für die die in diesem Rahmen erlassenen Maßnahmen bindend sind, und den nicht daran beteiligten Staaten, für die sie nicht bindend sind, unterschieden wird. Der Übergang vom Status eines nicht beteiligten Mitgliedstaats zu dem eines beteiligten Mitgliedstaats bestimmt sich allgemein nach Art. 331 AEUV und ist, wie sich aus diesem ergibt, damit verbunden, dass der betreffende Mitgliedstaat verpflichtet ist, die im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit bereits erlassenen Rechtsakte anzuwenden.

    Im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit in den Bereichen des Schengen-Besitzstands ist Art. 4 des Schengen-Protokolls daher so zu verstehen, dass er Irland und dem Vereinigten Königreich ermöglichen soll, bezüglich einzelner in Kraft befindlicher Bestimmungen des Schengen-Besitzstands in die gleiche Lage versetzt zu werden wie die am Besitzstand beteiligten Mitgliedstaaten, nicht aber die Rechte und Pflichten dieser beiden Mitgliedstaaten regeln soll, wenn diese sich dafür entscheiden, der verstärkten Zusammenarbeit in bestimmten Bereichen fernzubleiben.

    (vgl. Rn. 47-49)