3.7.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 213/5


Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 4. Mai 2017 (Vorabentscheidungsersuchen der Krajowa Izba Odwoławcza — Polen) — Esaprojekt sp. z o.o./Województwo Łódzkie

(Rechtssache C-387/14) (1)

((Vorlage zur Vorabentscheidung - Öffentliche Aufträge - Richtlinie 2004/18/EG - Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz - Technische und/oder berufliche Leistungsfähigkeit der Wirtschaftsteilnehmer - Art. 48 Abs. 3 - Möglichkeit, sich auf die Kapazitäten anderer Unternehmen zu stützen - Art. 51 - Möglichkeit, das Angebot zu ergänzen - Art. 45 Abs. 2 Buchst. g - Ausschluss von der Beteiligung an einem öffentlichen Auftrag wegen einer schweren Verfehlung))

(2017/C 213/03)

Verfahrenssprache: Polnisch

Vorlegendes Gericht

Krajowa Izba Odwoławcza

Parteien des Ausgangsverfahrens

Klägerin: Esaprojekt sp. z o.o.

Beklagter: Województwo Łódzkie

Tenor

1.

Art. 51 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist in Verbindung mit Art. 2 dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass er es einem Wirtschaftsteilnehmer verwehrt, dem öffentlichen Auftraggeber zum Nachweis dessen, dass er die Teilnahmebedingungen für ein öffentliches Vergabeverfahren erfüllt, nach Ablauf der Frist für die Abgabe von Bewerbungen für den öffentlichen Auftrag Unterlagen vorzulegen, die in seinem ursprünglichen Angebot nicht enthalten waren — etwa einen von einem Drittunternehmen durchgeführten Vertrag sowie die Zusage dieses Unternehmens, dem betreffenden Wirtschaftsteilnehmer die für die Ausführung des Auftrags erforderlichen Kapazitäten und Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

2.

Art. 44 der Richtlinie 2004/18 ist in Verbindung mit Art. 48 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie und dem in ihrem Art. 2 aufgestellten Grundsatz der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer dahin auszulegen, dass er es einem Wirtschaftsteilnehmer in dem Fall, dass der öffentliche Auftraggeber der Auffassung ist, dass ein bestimmter Auftrag unteilbar und somit von einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer durchzuführen ist, nicht ermöglicht, sich im Sinne von Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie auf die Kapazitäten eines anderen Unternehmens zu berufen, indem das Wissen und die Erfahrungen der beiden Unternehmen, die jeweils für sich nicht über die Kapazitäten für die Ausführung des betreffenden Auftrags verfügen, summiert werden, und dass ein solcher Ausschluss der Möglichkeit, sich auf die Erfahrungen mehrerer Wirtschaftsteilnehmer zu berufen, mit dem Gegenstand des betreffenden Auftrags, der somit von einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer durchzuführen ist, zusammenhängt und ihm angemessen ist.

3.

Art. 44 der Richtlinie 2004/18 ist in Verbindung mit Art. 48 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie und dem in ihrem Art. 2 aufgestellten Grundsatz der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer dahin auszulegen, dass er es einem Wirtschaftsteilnehmer, der als Einzelner an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags teilnimmt, nicht ermöglicht, die Erfahrung einer Gemeinschaft von Unternehmen geltend zu machen, an der er im Rahmen eines anderen öffentlichen Auftrags beteiligt war, wenn er sich nicht tatsächlich und konkret an dessen Ausführung beteiligt hat.

4.

Art. 45 Abs. 2 Buchst. g der Richtlinie 2004/18, der den Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers von der Teilnahme an einem öffentlichen Vergabeverfahren u. a. dann ermöglicht, wenn er sich bei der Erteilung von Auskünften, die von dem öffentlichen Auftraggeber gefordert wurden, „in erheblichem Maße“ falscher Erklärungen „schuldig“ gemacht hat, ist dahin auszulegen, dass er anwendbar ist, wenn dem betreffenden Wirtschaftsteilnehmer eine Fahrlässigkeit einer gewissen Schwere vorzuwerfen ist, d. h. eine Fahrlässigkeit, die geeignet ist, einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen über einen Ausschluss, die Auswahl oder die Vergabe eines öffentlichen Auftrags zu haben, und zwar unabhängig von der Feststellung eines vorsätzlichen Fehlverhaltens dieses Wirtschaftsteilnehmers.

5.

Art. 44 der Richtlinie 2004/18 ist in Verbindung mit Art. 48 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie sowie dem in ihrem Art. 2 aufgestellten Grundsatz der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer dahin auszulegen, dass er es einem Wirtschaftsteilnehmer ermöglicht, Erfahrung geltend zu machen, indem er sich auf zwei oder mehr Verträge zusammen als einen Auftrag beruft, es sei denn, der öffentliche Auftraggeber hat eine solche Möglichkeit aufgrund von Anforderungen ausgeschlossen, die mit dem Gegenstand und den Zielen des betreffenden öffentlichen Auftrags zusammenhängen und diesen angemessen sind.


(1)  ABl. C 431 vom 1.12.2014.