URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

11. Dezember 2014 ( *1 )

„Vorabentscheidungsersuchen — Öffentliche Dienstleistungsaufträge — Richtlinie 2004/18/EG — Richtlinie 89/665/EWG — Persönliche Lage des Bewerbers bzw. Bieters — Vorläufige Erteilung des Auftrags — Gegen den gesetzlichen Vertreter des Zuschlagsempfängers eingeleitete Ermittlungsverfahren — Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, den Auftrag nicht endgültig zu vergeben und die Ausschreibung zu widerrufen — Gerichtliche Nachprüfung“

In der Rechtssache C‑440/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Italien) mit Entscheidung vom 10. Juli 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 2. August 2013, in dem Verfahren

Croce Amica One Italia Srl

gegen

Azienda Regionale Emergenza Urgenza (AREU),

Beteiligte:

Consorzio Lombardia Sanità,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter C. Vajda, A. Rosas, E. Juhász (Berichterstatter) und D. Šváby,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Croce Amica One Italia Srl, vertreten durch M. Sica und M. Protto, avvocati,

der l’Azienda Regionale Emergenza Urgenza (AREU), vertreten durch V. Avolio und V. Luciano, avvocati,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von C. Colelli und L. D’Ascia, avvocati dello Stato,

der norwegischen Regierung, vertreten durch M. Emberland, H. Røstum und I. Jansen als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Conte und A. Tokár als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 41 Abs. 1, 43 und 45 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Croce Amica One Italia Srl (im Folgenden: Croce Amica One) und der Azienda Regionale Emergenza Urgenza (AREU) (Regionaler medizinischer Notdienst) betreffend die Ordnungsmäßigkeit der Entscheidung der AREU als öffentlicher Auftraggeberin, den fraglichen Auftrag nicht endgültig an die Croce Amica One, die zur vorläufigen Zuschlagsempfängerin erklärt worden war, zu vergeben und die Ausschreibung zu widerrufen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Art. 41 („Unterrichtung der Bewerber und Bieter“) der Richtlinie 2004/18 sieht in Abs. 1 vor:

„Der öffentliche Auftraggeber teilt den Bewerbern und Bietern schnellstmöglich, auf Antrag auch schriftlich, seine Entscheidungen über … die Zuschlagserteilung … mit, einschließlich der Gründe, aus denen beschlossen wurde, auf … die Vergabe eines Auftrags, für den eine Ausschreibung stattgefunden hat, zu verzichten …“

4

In Art. 43 („Inhalt der Vergabevermerke“) dieser Richtlinie heißt es:

„Die öffentlichen Auftraggeber fertigen über jeden vergebenen Auftrag … einen Vergabevermerk an, der mindestens Folgendes umfasst:

h)

gegebenenfalls die Gründe, aus denen der öffentliche Auftraggeber auf die Vergabe eines Auftrags … verzichtet hat.

…“

5

Art. 45 („Persönliche Lage des Bewerbers bzw. Bieters“) dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)   Ein Bewerber oder Bieter ist von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren auszuschließen, wenn der öffentliche Auftraggeber Kenntnis davon hat, dass dieser Bewerber oder Bieter aus einem der nachfolgenden Gründe rechtskräftig verurteilt worden ist:

a)

Beteiligung an einer kriminellen Organisation im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der gemeinsamen Maßnahme 98/773/JI des Rates [(ABl. 1998, L 351, S. 1)],

b)

Bestechung im Sinne von Artikel 3 des Rechtsakts des Rates vom 26. Mai 1997 [(ABl. C 195, S. 1)] und von Artikel 3 Absatz 1 der gemeinsamen Maßnahme 98/742/JI des Rates [(ABl. 1998, L 358, S. 2)],

c)

Betrug im Sinne von Artikel 1 des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften [(ABl. 1995, C 316, S. 48)],

d)

Geldwäsche im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie 91/308/EWG des Rates vom 10. Juni 1991 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche [(ABl. L 166, S. 77) in der durch die Richtlinie 2001/97/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Dezember 2001 (ABl. L 344, S. 76) geänderten Fassung].

Die Mitgliedstaaten legen im Einklang mit ihren nationalen Rechtsvorschriften und unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts die Bedingungen für die Anwendung dieses Absatzes fest.

(2)   Von der Teilnahme am Vergabeverfahren kann jeder Wirtschaftsteilnehmer ausgeschlossen werden,

c)

[der] aufgrund eines nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Landes rechtskräftigen Urteils wegen eines Deliktes bestraft worden [ist], das [seine] berufliche Zuverlässigkeit in Frage stellt;

d)

[der] im Rahmen [seiner] beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung begangen [hat], die vom öffentlichen Auftraggeber nachweislich festgestellt wurde;

g)

[der] sich bei der Erteilung von Auskünften, die gemäß diesem Abschnitt eingeholt werden können, in erheblichem Maße falscher Erklärungen schuldig gemacht oder diese Auskünfte nicht erteilt [hat].

Die Mitgliedstaaten legen nach Maßgabe ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften und unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts die Bedingungen für die Anwendung dieses Absatzes fest.

…“

6

Art. 1 („Anwendungsbereich und Zugang zu Nachprüfungsverfahren“) der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 (ABl. L 335, S. 31) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/665) sieht in Abs. 1 Unterabs. 3 vor:

„Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18/EG fallenden Aufträge die Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der Artikel 2 bis 2f der vorliegenden Richtlinie auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können.“

Italienisches Recht

7

Die Richtlinie 2004/18 wurde durch das Decreto Legislativo Nr. 163/2006 vom 12. April 2006 (Supplemento Ordinario zur GURI Nr. 100 vom 2. Mai 2006), das die für öffentliche Aufträge geltenden Vorschriften kodifiziert, in die italienische Rechtsordnung umgesetzt.

8

Art. 38 dieses Decreto Legislativo bestimmt:

„1.   Von der Teilnahme an Ausschreibungsverfahren zur Vergabe von … Aufträgen für die Erbringung von Bauarbeiten, Lieferungen und Dienstleistungen sind die Personen ausgeschlossen und können … [nicht] die damit zusammenhängenden Verträge abschließen,

c)

die wegen schwerer Straftaten zum Schaden des Staates oder der Gemeinschaft, die die berufliche Zuverlässigkeit in Frage stellen, rechtskräftig verurteilt wurden oder gegen die wegen solcher Straftaten ein rechtskräftig gewordener Strafbefehl erlassen wurde; …

f)

die sich nach der begründeten Beurteilung des öffentlichen Auftraggebers bei der Erbringung der Leistungen, die der öffentliche Auftraggeber, der die Ausschreibung vorgenommen hat, an sie vergeben hat, grobe Fahrlässigkeit oder Bösgläubigkeit haben zuschulden kommen lassen; oder die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung begangen haben, die vom öffentlichen Auftraggeber nachweislich festgestellt wurde.

…“

9

Art. 78 Abs. 1 dieses Decreto Legislativo sieht vor:

„Die öffentlichen Auftraggeber fertigen über jeden vergebenen Auftrag … einen Vergabevermerk an, der mindestens Folgendes umfasst:

h)

gegebenenfalls die Gründe, aus denen der öffentliche Auftraggeber auf die Vergabe eines Auftrags … verzichtet hat.“

10

Art. 79 Abs. 1 dieses Decreto Legislativo bestimmt:

„Die öffentlichen Auftraggeber teilen den Bewerbern und Bietern unverzüglich … ihre Entscheidungen über … die Zuschlagserteilung … mit, einschließlich der Gründe, aus denen beschlossen wurde, auf … die Vergabe eines Auftrags, für den eine Ausschreibung stattgefunden hat, … zu verzichten.“

11

In Art. 11 Abs. 9 des Decreto Legislativo Nr. 163/2006 wird speziell auf die Befugnis der Verwaltung hingewiesen, ihre eigenen Handlungen zu widerrufen, auszusetzen oder zu ändern; es heißt dort:

„Ist der endgültige Zuschlag wirksam geworden, wird – vorbehaltlich der Ausübung der Befugnis der Verwaltung, in den gesetzlich vorgesehenen Fällen ihre eigenen Handlungen zu widerrufen, auszusetzen oder zu ändern – innerhalb einer Frist von 60 Tagen der öffentliche Auftrag vergeben …“

12

Die Befugnis der Verwaltung, ihre eigenen Handlungen zu widerrufen, ist als für alle Verwaltungsverfahren geltender allgemeiner Grundsatz in Art. 21quinquies des Gesetzes Nr. 241 über neue Vorschriften für das Verwaltungsverfahren und das Recht auf Zugang zu Verwaltungsunterlagen (Legge Nr. 241 – Nuove norme in materia di procedimento amministrativo e di diritto di accesso ai documenti amministrativi) vom 7. August 1990 (GURI Nr. 192 vom 18. August 1990, S. 7) vorgesehen. In dieser Bestimmung heißt es:

„Eine Verwaltungsmaßnahme mit dauerhafter Wirkung kann von dem erlassenden oder einem anderen durch Gesetz bestimmten Organ bei Eintreten neuer Gründe des öffentlichen Interesses oder einer Veränderung der Sachlage oder einer Neubewertung des ursprünglichen öffentlichen Interesses widerrufen werden. Durch den Widerruf wird die widerrufene Maßnahme unwirksam.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

13

Mit Entscheidung vom 28. Dezember 2010 leitete die AREU ein offenes Verfahren zur Vergabe eines Auftrags zur Erbringung der „Dienstleistung des Kraftfahrzeugtransports von Organen, Gewebe und biologischen Proben sowie Chirurgenteams und Patienten zum Zweck einer Transplantation“ ein. Dieser Auftrag sollte für einen Zeitraum von zwei Jahren mit einer eventuellen Verlängerung von zwölf Monaten nach dem Kriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebots vergeben werden.

14

Von den vier Unternehmen, die an diesem Vergabeverfahren teilgenommen hatten, schied der Auswahlausschuss bei der Beurteilung der technischen Angebote drei aus. Das einzige verbliebene Unternehmen, die Croce Amica One, wurde mit in einem Vergabevermerk vom 10. Mai 2011 festgehaltener Entscheidung zur vorläufigen Zuschlagsempfängerin erklärt. Da jedoch im vorliegenden Fall die im nationalen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für eine „sogenannte ‚obligatorische‘ Überprüfung der Ungewöhnlichkeit des Angebots“ erfüllt waren, weil die Bewertung für den Preis und für die anderen zu beurteilenden Gesichtspunkte vier Fünftel der in der Ausschreibung vorgesehenen entsprechenden Höchstwerte betrug oder überstieg, forderte der öffentliche Aufgeber die Croce Amica One zur Vorlage von Belegen hinsichtlich ihres technischen Angebots auf. Nach dieser Überprüfung stellte der Auswahlausschuss mit in einem Vergabevermerk vom 23. Juni 2011 festgehaltener Entscheidung die Ungewöhnlichkeit des Angebots fest.

15

Gleichzeitig stellten die zuständigen Stellen im Rahmen von u. a. gegen den gesetzlichen Vertreter der Croce Amica One wegen Betrugs und mittelbarer Falschbeurkundung eingeleiteten Ermittlungsverfahren die dieses Unternehmen betreffenden Unterlagen sicher.

16

Mit Schreiben vom 21. Juli 2011 teilte die AREU der Croce Amica One sowie einem anderen Unternehmen, das an dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vergabeverfahren teilgenommen hatte, mit, dass auf der Grundlage der Befugnis der Verwaltung, ihre eigenen Handlungen zu widerrufen, auszusetzen oder zu ändern, ein Verfahren zur Nichtigerklärung der Ausschreibung eingeleitet worden sei.

17

Mit Beschluss vom 8. September 2011 entschied der Generaldirektor der AREU, den Auftrag nicht endgültig an die Croce Amica One zu vergeben und das gesamte Ausschreibungsverfahren für nichtig zu erklären. In diesem Beschluss vertrat die öffentliche Auftraggeberin die Ansicht, dass „die AREU vor dem beschriebenen Hintergrund, abgesehen von der Ungewöhnlichkeit des Angebots, aus offensichtlichen Zweckmäßigkeitserwägungen und mit dem Grundsatz der guten Verwaltung zusammenhängenden Gründen die Dienstleistung jedenfalls nicht an die Bieterin Croce Amica One … vergeben [konnte], aber mit der Vergabe wegen der Unerlässlichkeit der Dienstleistung auch nicht bis zum Ausgang des Strafverfahrens oder auch nur der laufenden Ermittlungen abwarten [konnte]“.

18

Die öffentliche Auftraggeberin leitete kein neues Verfahren zur Vergabe des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden öffentlichen Auftrags ein und betraute im Wege der Vertragsverlängerung zwei Organisationen mit der Dienstleistung, auf die sich dieser Auftrag bezog.

19

Mit am 2. November 2011 eingereichter Klage focht die Croce Amica One vor dem vorlegenden Gericht die in Rn. 17 des vorliegenden Urteils genannte Entscheidung der öffentlichen Auftraggeberin vom 8. September 2011 an und beantragte die Nichtigerklärung und die vorläufige Aussetzung dieser Entscheidung. Außerdem erhob sie eine Klage auf Ersatz des Schadens, der ihren Ausführungen nach durch diese Entscheidung entstanden ist.

20

Mit Entscheidung vom 14. Mai 2013 eröffnete das Tribunale di Milano gegen den gesetzlichen Vertreter der Croce Amica One sowie eine weitere als Mittäter angeklagte Person ein Strafverfahren, u. a. wegen der Straftat der Behinderung von öffentlichen Ausschreibungsverfahren, da der Betroffene, um den Zuschlag zu erhalten, 15 gefälschte Bescheinigungen über die Teilnahme an Kursen für sicheres Fahren von Ambulanzen vorgelegt habe.

21

Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die betroffene öffentliche Auftraggeberin – unbeschadet der Ausübung der Befugnis der Verwaltung, im Rahmen von öffentlichen Vergabeverfahren ihre eigenen Handlungen zu widerrufen, auszusetzen oder zu ändern – anscheinend in Verfolgung von Gründen der administrativen Zweckmäßigkeit im Zusammenhang mit der Anhängigkeit eines Ermittlungsverfahrens gegen den gesetzlichen Vertreter des Unternehmens, das zum vorläufigen Zuschlagsempfänger erklärt worden war, allgemein gegen Art. 45 der Richtlinie 2004/18 verstoßen habe, insbesondere im Hinblick auf die in dieser Bestimmung genannte „persönliche Lage des Bewerbers bzw. Bieters“.

22

Nach dieser Bestimmung dürfe ein Bieter nur dann von einem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, wenn er durch ein rechtskräftiges Urteil verurteilt worden sei.

23

Das vorlegende Gericht wirft ferner unter dem Blickwinkel des Unionsrechts die Frage nach dem Umfang seiner eigenen Zuständigkeit in diesem Bereich auf. Es ist der Ansicht, dass diese Zuständigkeit nicht auf die Überprüfung von formalen Rechtsfehlern bei der Ausübung der Befugnisse der Verwaltung beschränkt werden dürfe. Dem Verwaltungsgericht keine weite Nachprüfungsbefugnis hinsichtlich der Tatsachen oder Rechtsbegriffe – wie im vorliegenden Fall des Fehlens der endgültigen Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des gesetzlichen Vertreters des Unternehmens, das zum vorläufigen Zuschlagsempfänger erklärt worden war – zuzuerkennen, würde seiner Ansicht nach dem Wortlaut und der ratio legis von Art. 45 der Richtlinie 2004/18 diametral zuwiderlaufen.

24

Angesichts des Vorstehenden hat das Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist es mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, dass die Vergabestelle in Ausübung ihrer vergaberechtlichen Widerrufsbefugnis nach Art. 21quinquies des Gesetzes Nr. 241/1990 vom 7. August 1990 entscheiden kann, die endgültige Vergabe eines Auftrags allein deshalb auszusetzen, weil gegen den gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft, die den vorläufigen Zuschlag erhalten hatte, ein Ermittlungsverfahren anhängig ist?

2.

Ist eine Ausnahme vom Grundsatz der rechtskräftigen Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, wie er in Art. 45 der Richtlinie 2004/18 zum Ausdruck kommt, aus Zweckmäßigkeitserwägungen, die auf ein dem Verwaltungsermessen unterliegendes Gebiet zurückzuführen sind, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar?

3.

Ist eine Ausnahme vom Grundsatz der rechtskräftigen Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, wie er in Art. 45 der Richtlinie 2004/18 zum Ausdruck kommt, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, wenn das anhängige Ermittlungsverfahren die Begehung von Straftaten betrifft, die mit dem Ausschreibungsverfahren, das Gegenstand der zum Schutz eigener Interessen getroffenen Maßnahme ist, in Zusammenhang stehen?

4.

Ist es mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, dass die von einer Vergabestelle erlassenen vergaberechtlichen Maßnahmen vom nationalen Verwaltungsgericht in Ausübung der den Gerichten auf dem Gebiet des Vergaberechts zugewiesenen Nachprüfungsbefugnis umfassend überprüft werden können, d. h. über die begrenzten Fälle der offensichtlichen Unlogik, der Irrationalität, unzureichender Begründung und sachlicher Fehler hinaus auch unter dem Gesichtspunkt der Glaubhaftigkeit und Angemessenheit des Angebots?

Zu den Vorlagefragen

Zu den Fragen 1 bis 3

25

Mit diesen Fragen, die gemeinsam zu prüfen sind, wird im Wesentlichen gefragt, ob Art. 45 der Richtlinie 2004/18, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausschlussgründe nicht erfüllt sind, dem Erlass einer Entscheidung durch einen öffentlichen Auftraggeber entgegensteht, mit der auf die Vergabe eines öffentlichen Auftrags, für den ein Ausschreibungsverfahren stattgefunden hat, verzichtet und verfügt wird, dass dieser Auftrag nicht endgültig an den einzigen verbliebenen Bieter vergeben wird, der zum vorläufigen Zuschlagsempfänger erklärt worden war.

26

Der Vorlage dieser Fragen und dem Verweis auf Art. 45 der Richtlinie 2004/18 liegt der Umstand zugrunde, dass der Generaldirektor der AREU am 8. September 2011 entschieden hat, zum einen den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrag nicht endgültig an die Croce Amica One zu vergeben und zum anderen das entsprechende Ausschreibungsverfahren zu annullieren.

27

Zunächst ist festzustellen, dass im Vorabentscheidungsersuchen zwar auf Art. 45 der Richtlinie 2004/18 verwiesen wird, aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte jedoch hervorgeht, dass der im Ausgangsverfahren streitige Rechtsakt eine Entscheidung der öffentlichen Auftraggeberin ist, mit der die Ausschreibung widerrufen und das Vergabeverfahren für nichtig erklärt wird. Bei dieser Entscheidung handelt es sich nicht um eine Entscheidung über den Ausschluss eines Bieters gemäß Art. 45 dieser Richtlinie.

28

Vor diesem Hintergrund ist darauf hinzuweisen, dass die genauen Gründe für den im Ausgangsverfahren streitigen Widerruf der Ausschreibung dem Gerichtshof zwar nicht mitgeteilt wurden, das vorlegende Gericht jedoch offenbar das Verhalten des gesetzlichen Vertreters der Croce Amica One lediglich mit den Ausschlussgründen in Verbindung bringt, die sich auf das Strafrecht beziehen und eine Verurteilung durch ein rechtskräftiges Urteil voraussetzen, nämlich die in Art. 45 Abs. 1 und 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/18 vorgesehenen Gründe. Insoweit ist klarzustellen, dass die in Art. 45 Abs. 2 Buchst. d und g dieser Richtlinie vorgesehenen Ausschlussgründe die öffentlichen Auftraggeber ebenfalls ermächtigen, jeden Wirtschaftsteilnehmer auszuschließen, der im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung begangen hat, die vom öffentlichen Auftraggeber nachweislich festgestellt wurde, oder der sich in erheblichem Maß falscher Erklärungen schuldig gemacht hat oder die Auskünfte, die für die qualitative Auswahl der Angebote eingeholt werden können, nicht erteilt hat, ohne dass es erforderlich wäre, dass der Wirtschaftsteilnehmer durch ein rechtskräftiges Urteil verurteilt wurde.

29

Eine Entscheidung über den Widerruf einer Ausschreibung eines öffentlichen Auftrags muss Art. 41 Abs. 1 und Art. 43 der Richtlinie 2004/18 genügen.

30

Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18 sieht die Verpflichtung vor, eine solche Entscheidung den Bewerbern und Bietern schnellstmöglich mitzuteilen und die Gründe dafür anzugeben; Art. 43 dieser Richtlinie enthält die Verpflichtung, diese Gründe in den Vergabevermerk aufzunehmen, der für jeden öffentlichen Auftrag anzufertigen ist. Die Richtlinie 2004/18 enthält jedoch keine Bestimmung über die materiellen oder formellen Voraussetzungen einer solchen Entscheidung.

31

Insoweit ist auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs hinzuweisen, nach der Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 199, S. 54), der Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18 entspricht, nicht vorsieht, dass der Verzicht eines öffentlichen Auftraggebers auf die Vergabe eines öffentlichen Auftrags nur in Ausnahmefällen oder bei Vorliegen schwerwiegender Gründe erfolgen dürfte (Urteil Fracasso und Leitschutz, C‑27/98, EU:C:1999:420, Rn. 23 und 25).

32

Der Gerichtshof hat ferner festgestellt, dass der Auftraggeber nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1), der ebenfalls Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18 entspricht, wenn er beschließt, die Ausschreibung eines öffentlichen Auftrags zu widerrufen, den Bewerbern und Bietern zwar die Gründe für seine Entscheidung mitteilen muss, danach aber nicht verpflichtet ist, das Vergabeverfahren zu Ende zu führen (vgl. Urteil HI, C‑92/00, EU:C:2002:379, Rn. 41).

33

Der Gerichtshof hat jedoch darauf hingewiesen, dass der Verpflichtung zur Mitteilung der Gründe für die Entscheidung über den Widerruf einer Ausschreibung das Bemühen zugrunde liegt, ein Mindestmaß an Transparenz bei den Verfahren zur Vergabe der öffentlichen Aufträge, für die die unionsrechtlichen Regelungen gelten, und somit die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sicherzustellen, der diesen Regelungen zugrunde liegt (vgl. in diesem Sinne Urteil HI, EU:C:2002:379, Rn. 45 und 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34

Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 verlangt, dass die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, die Ausschreibung eines öffentlichen Auftrags zu widerrufen, in einem Nachprüfungsverfahren auf Verstöße gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, überprüft und gegebenenfalls aufgehoben werden kann. Außerdem hat er festgestellt, dass die nationalen Gerichte selbst in den Fällen, in denen die Vergabebehörden nach der anwendbaren nationalen Regelung über einen weiten Ermessensspielraum in Bezug auf den Widerruf der Ausschreibung verfügen, gemäß der Richtlinie 89/665 die Vereinbarkeit einer Widerrufsentscheidung mit dem einschlägigen Unionsrecht überprüfen können müssen (vgl. Urteil HI, EU:C:2002:379, Rn. 55 und 62).

35

Das Unionsrecht hindert die Mitgliedstaaten daher nicht daran, in ihren Rechtsvorschriften die Möglichkeit vorzusehen, eine Entscheidung über den Widerruf einer Ausschreibung zu erlassen. Der Begründung einer solchen Widerrufsentscheidung können somit u. a. Erwägungen zugrunde liegen, die mit der Beurteilung zusammenhängen, ob der Abschluss eines Vergabeverfahrens im Hinblick auf das öffentliche Interesse, unter Berücksichtigung u. a. einer eventuellen Veränderung des wirtschaftlichen Hintergrundes oder der tatsächlichen Umstände oder auch der Bedürfnisse des betroffenen öffentlichen Auftraggebers, zweckmäßig ist. Eine solche Entscheidung kann auch damit begründet werden, dass aufgrund der Tatsache, dass am Ende des Verfahrens zur Vergabe des fraglichen Auftrags nur ein einziger Bieter verblieben war, der zur Durchführung dieses Auftrags in der Lage war, kein hinreichender Wettbewerb bestand.

36

Vorbehaltlich der Beachtung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung kann ein öffentlicher Auftraggeber folglich nicht verpflichtet sein, ein eingeleitetes Vergabeverfahren abzuschließen und den fraglichen Auftrag zu vergeben, auch nicht an den einzigen verbliebenen Bieter.

37

Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die Fragen 1 bis 3 zu antworten, dass die Art. 41 Abs. 1, 43 und 45 der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen sind, dass Art. 45 dieser Richtlinie, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung der darin vorgesehenen Ausschlussgründe nicht erfüllt sind, dem Erlass einer Entscheidung durch einen öffentlichen Auftraggeber nicht entgegensteht, mit der auf die Vergabe eines öffentlichen Auftrags, für den ein Ausschreibungsverfahren stattgefunden hat, verzichtet und verfügt wird, dass dieser Auftrag nicht endgültig an den einzigen verbliebenen Bieter vergeben wird, der zum vorläufigen Zuschlagsempfänger erklärt worden war.

Zur vierten Frage

38

Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das zuständige nationale Gericht nach dem Unionsrecht die Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers umfassend überprüfen, d. h., bei der Überprüfung die Glaubhaftigkeit und die Angemessenheit der Angebote der Bieter berücksichtigen kann, und in Bezug auf die Frage, ob der Widerruf der Ausschreibung zweckmäßig ist, die Bewertung des öffentlichen Auftraggebers durch seine eigene Beurteilung ersetzen kann.

39

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gehört die Entscheidung über den Widerruf der Ausschreibung eines öffentlichen Auftrags zu den „Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber“, für die die Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 89/665 im nationalen Recht Nachprüfungsverfahren einführen müssen, um die Beachtung der einschlägigen materiellen Regelungen des Unionsrechts im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder der einzelstaatlichen Vorschriften, die diese Regelungen umsetzen, sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteile HI, EU:C:2002:379, Rn. 53 bis 55, und Koppensteiner, C‑15/04, EU:C:2005:345, Rn. 29).

40

Die Richtlinie 89/665 beschränkt sich jedoch darauf, die in den Mitgliedstaaten vorhandenen Mechanismen zu koordinieren, um die vollständige und tatsächliche Anwendung der Vergaberichtlinien sicherzustellen, und definiert nicht ausdrücklich den Umfang der Nachprüfung, die die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck ermöglichen müssen. Folglich ist zur Beantwortung der Frage nach dem Umfang der gerichtlichen Kontrolle im Rahmen der von der Richtlinie 89/665 vorgesehenen Nachprüfungsverfahren auf den Zweck der Richtlinie abzustellen und darauf zu achten, dass deren Wirksamkeit nicht beeinträchtigt wird (Urteil HI, EU:C:2002:379, Rn. 58 und 59).

41

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Funktion des Nachprüfungssystems in Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 89/665 geregelt ist, nach dem die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18 fallenden Aufträge die Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksam und vor allem möglichst rasch auf Verstöße gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können.

42

Die in dieser Bestimmung vorgesehenen Nachprüfungsverfahren dienen folglich dazu, die Beachtung der einschlägigen Regelungen des Unionsrechts, insbesondere derjenigen der Richtlinie 2004/18, oder der einzelstaatlichen Vorschriften, die diese Regelungen umsetzen, sicherzustellen.

43

Diese Rechtmäßigkeitskontrolle kann nicht auf die Prüfung beschränkt werden, ob die Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers willkürlich erfolgt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil HI, EU:C:2002:379, Rn. 63).

44

Bei diesen Nachprüfungsverfahren geht es somit um die Ausübung einer Rechtmäßigkeitskontrolle und keiner Zweckmäßigkeitskontrolle.

45

Da es keine spezifische Unionsregelung für diesen Bereich gibt, sind die Einzelheiten der gerichtlichen Überprüfung durch nationale Verfahrensvorschriften festzulegen, vorbehaltlich der Beachtung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität (vgl. in diesem Sinne Urteil HI, EU:C:2002:379, Rn. 68). Der nationale Gesetzgeber kann den zuständigen nationalen Gerichten somit umfangreichere Befugnisse erteilen, damit diese eine Zweckmäßigkeitskontrolle ausüben können.

46

Auf die vierte Frage ist daher zu antworten, dass das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens und insbesondere Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 89/665 dahin auszulegen sind, dass es sich bei der in dieser Bestimmung vorgesehenen Kontrolle um eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber handelt, mit der die Beachtung der einschlägigen Regelungen des Unionsrechts oder der einzelstaatlichen Vorschriften, die diese Regelungen umsetzen, sichergestellt werden soll, ohne dass diese Kontrolle allein auf die Prüfung beschränkt werden könnte, ob die Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers willkürlich sind. Dies schließt jedoch nicht aus, dass der nationale Gesetzgeber die zuständigen nationalen Gerichte zur Durchführung einer Zweckmäßigkeitskontrolle ermächtigen kann.

Kosten

47

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Die Art. 41 Abs. 1, 43 und 45 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge sind dahin auszulegen, dass Art. 45 dieser Richtlinie, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung der darin vorgesehenen Ausschlussgründe nicht erfüllt sind, dem Erlass einer Entscheidung durch einen öffentlichen Auftraggeber nicht entgegensteht, mit der auf die Vergabe eines öffentlichen Auftrags, für den ein Ausschreibungsverfahren stattgefunden hat, verzichtet und verfügt wird, dass dieser Auftrag nicht endgültig an den einzigen verbliebenen Bieter vergeben wird, der zum vorläufigen Zuschlagsempfänger erklärt worden war.

 

2.

Das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens und insbesondere Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass es sich bei der in dieser Bestimmung vorgesehenen Kontrolle um eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber handelt, mit der die Beachtung der einschlägigen Regelungen des Unionsrechts oder der einzelstaatlichen Vorschriften, die diese Regelungen umsetzen, sichergestellt werden soll, ohne dass diese Kontrolle allein auf die Prüfung beschränkt werden könnte, ob die Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers willkürlich sind. Dies schließt jedoch nicht aus, dass der nationale Gesetzgeber die zuständigen nationalen Gerichte zur Durchführung einer Zweckmäßigkeitskontrolle ermächtigen kann.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.