Rechtssache C‑204/13

Finanzamt Saarlouis

gegen

Heinz Malburg

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs)

„Steuern — Mehrwertsteuer — Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug — Auflösung einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter — Erwerb eines Teils des Mandantenstamms dieser Gesellschaft — Sacheinlage in eine andere Gesellschaft — Zahlung der Vorsteuer — Möglicher Abzug“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Sechste Kammer) vom 13. März 2014

Harmonisierung des Steuerrechts – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Vorsteuerabzug – Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug – Erwerb eines Teils des Mandantenstamms einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter zu dem Zweck, ihn einer neuen Gesellschaft unentgeltlich zur Nutzung zu überlassen – Recht auf Vorsteuerabzug – Fehlen – Grundsatz der Steuerneutralität – Unanwendbarkeit

(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 17 Abs. 2 Buchst. a)

Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der durch die Richtlinie 95/7 geänderten Fassung sind unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer dahin auszulegen, dass ein Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft bürgerlichen Rechts, der von dieser einen Teil des Mandantenstamms nur zu dem Zweck erwirbt, diesen unmittelbar anschließend einer unter seiner maßgeblichen Beteiligung neu gegründeten Steuerberatungsgesellschaft bürgerlichen Rechts unentgeltlich zur unternehmerischen Nutzung zu überlassen, ohne dass dieser Mandantenstamm jedoch dem Vermögen der neu gegründeten Gesellschaft zuwächst, nicht zum Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Mandantenstamms berechtigt ist.

Diese Überlassung des Mandantenstamms an die neue Gesellschaft ist nämlich unentgeltlich und fällt daher weder in den Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie, der nur entgeltliche Lieferungen und Dienstleistungen erfasst, noch in den von Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie, der die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfasst.

Im Übrigen spiegelt sich der Grundsatz der steuerlichen Neutralität in der Regelung über den Vorsteuerabzug wider, die den Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlasten soll. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet daher eine völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese selbst der Mehrwertsteuer unterliegen. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität findet somit keine Anwendung auf eine unentgeltliche Überlassung des Mandantenstamms an eine Gesellschaft, da diese Überlassung kein vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasster Umsatz ist.

(vgl. Rn. 36, 41, 42, 47 und Tenor)