SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 11. Juni 2015 ( 1 )

Rechtssache C‑552/13

Grupo Hospitalario Quirón SA

gegen

Departamento de Sanidad del Gobierno Vasco

und

Instituto de Religiosas Siervas de Jesús de la Caridad

(Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de lo Contencioso‑Administrativo no 6 de Bilbao [Spanien])

„Vorabentscheidungsersuchen — Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge — Richtlinie 2004/18/EG — Art. 2 und Art. 23 Abs. 2 — Grundsatz der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer — Gesundheitsdienstleistungen — Erfordernis der Erbringung der Dienstleistung ausschließlich in Einrichtungen in der betreffenden Gemeinde“

I – Einleitung

1.

Dürfen die technischen Spezifikationen einer öffentlichen Ausschreibung für Gesundheitsdienstleistungen das Erfordernis vorsehen, dass diese Dienstleistungen ausschließlich in Einrichtungen in der betreffenden Gemeinde erbracht werden dürfen? Kann dieses Erfordernis mit der Zugänglichkeit und der Qualität der Gesundheitsfürsorge gerechtfertigt werden?

2.

Diese Fragen spiegeln die Zweifel betreffend zweier Ausschreibungsverfahren baskischer Behörden für Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit chirurgischen Eingriffen wider, mit denen sich das Juzgado de lo Contencioso-Administrativo no 6 de Bilbao (erstinstanzliches Verwaltungsgericht in Bilbao, Spanien) an den Gerichtshof gewandt hat. Gegenstand dieser Aufträge war die Nutzung von Operationsblöcken in privaten Krankenhäusern durch Ärzte, die in Einrichtungen der öffentlichen Gesundheitsfürsorge beschäftigt sind, wodurch die Wartezeit auf den Eingriff verkürzt werden sollte.

II – Rechtlicher Rahmen

A – Unionsrecht

3.

Art. 2 („Grundsätze für die Vergabe von Aufträgen“) der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ( 2 ) bestimmt:

„Die öffentlichen Auftraggeber behandeln alle Wirtschaftsteilnehmer gleich und nichtdiskriminierend und gehen in transparenter Weise vor.“

4.

Art. 21 dieser Richtlinie bestimmt:

„Aufträge über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B unterliegen nur Art. 23 und Art. 35 Abs. 4.“

5.

Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie bestimmt:

„Die technischen Spezifikationen müssen allen Bietern gleichermaßen zugänglich sein und dürfen die Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte für den Wettbewerb nicht in ungerechtfertigter Weise behindern.“

6.

Im Anhang II Teil B der Richtlinie werden Dienstleistungen des „Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen[s]“ (Nr. 25) genannt.

B – Spanisches Recht

7.

Art. 2 und Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18 wurden im spanischen Recht durch Art. 101 Abs. 2 und Art. 123 Ley 30/2007, de 30 de octubre, de Contratos del Sector Público (Gesetz 30/2007 vom 30. Oktober 2007 über öffentliche Aufträge) ( 3 ) umgesetzt.

III – Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

8.

Das Ausgangsverfahren betrifft die Vergabe zweier öffentlicher Aufträge für Dienstleistungen, die durch ein Krankenhaus im Zusammenhang mit der Durchführung von Eingriffen auf den Gebieten der allgemeinen Chirurgie, der Gastroenterologie, der Urologie, der Gynäkologie, der Orthopädie, der Traumatologie, kleinerer chirurgischer Operationen sowie der Augenheilkunde erbracht werden. Diese Aufträge betreffen nicht die Dienstleistungen des Chirurgen an sich, der im öffentlichen Gesundheitsdienst beschäftigt ist und sich zu dem privaten Krankenhaus, an das der Auftrag vergeben worden ist, begibt, um dort den Eingriff vorzunehmen.

9.

Am 15. Dezember 2010 genehmigte das Departamento de Sanidad del Gobierno Vasco (baskisches Gesundheitsministerium, im Folgenden: Departamento de Sanidad) die Ausschreibungsbedingungen des öffentlichen Dienstleistungsauftrags Nr. 21/2011, bei dem es um die Vergabe von Dienstleistungen im Zusammenhang mit chirurgischen Eingriffen im Gesundheitsbezirk Vizcaya (Bezirk der öffentlichen Krankenhäuser in Basurto und Galdakao) geht. Der geschätzte Auftragswert beträgt 5841041,84 Euro.

10.

Am 10. Mai 2011 genehmigte das Departamento de Sanidad die Ausschreibungsbedingungen des öffentlichen Dienstleistungsauftrags Nr. 50/2011, bei dem es um die Vergabe von Dienstleistungen im Zusammenhang mit augenchirurgischen Eingriffen geht. Dieser Auftrag betrifft den Bezirk des öffentlichen Krankenhauses in Galdakao. Der geschätzte Auftragswert beträgt 6273219,53 Euro.

11.

Die beiden Ausschreibungen wurden im Boletín Oficial del País Vasco (Amtsblatt des Baskenlands) am 31. Januar 2011 bzw. 14. Juni 2011 veröffentlicht. Unter Abs. 2. Buchst. d jeder der Bekanntmachungen wurde als Ort der Erbringung der Dienstleistung Bilbao vorgeschrieben.

12.

Die technischen Spezifikationen der beiden Aufträge bestimmen in Abschnitt A („Struktur, Einrichtung und Verzeichnis der Dienstleistungen des Krankenhauses“) in dem Absatz über die Mindestanforderungen in Punkt Nr. 2 („Standort“):

„Mit Rücksicht auf die Notwendigkeit, diese Dienstleistungen in angemessener Entfernung zu den Patienten und ihren Familienangehörigen zu erbringen, die Erreichbarkeit und die Fahrtzeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sowie die Notwendigkeit der Minimierung von Fahrten des medizinischen Personals der [öffentlichen] Krankenhäuser, müssen sich die angebotenen Gesundheitszentren in der Gemeinde Bilbao befinden.“

13.

Die Grupo Hospitalario Quirón SA (im Folgenden: Grupo Hospitalario Quirón) betreibt ein Allgemeinkrankenhaus in der Gemeinde Erandio. Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass dieses Krankenhaus die Anforderungen in den technischen Spezifikationen erfüllt, mit der Ausnahme, dass es sich nicht in der Gemeinde Bilbao, sondern in einer angrenzenden Gemeinde befindet.

14.

Am 13. September 2011 klagte Grupo Hospitalario Quirón vor dem Juzgado de lo Contencioso-Administrativo no 6 de Bilbao gegen die Entscheidungen des Departamento de Sanidad über die Durchführung der beiden oben genannten öffentlichen Ausschreibungen. Die Klägerin begehrte u. a. die Feststellung der Nichtigkeit der oben genannten Entscheidungen und die Verpflichtung zur Durchführung einer neuen Ausschreibung, die das Erfordernis, dass die ausgeschriebene Dienstleistung in Bilbao erbracht werden muss, nicht mehr vorsieht.

15.

Den beiden Verfahren, die das Vorlagegericht verbunden hat, ist auf Beklagtenseite das Instituto de Religiosas Siervas de Jesús de la Caridad beigetreten, das ein Gesundheitszentrum in Bilbao betreibt.

16.

In der Klage bringt Grupo Hospitalario Quirón vor, das Erfordernis, dass die Leistung ausschließlich in Krankenhäusern in Bilbao erbracht werden müsse, verstoße gegen die Grundsätze der Gleichheit, des freien Zugangs zu Ausschreibungsverfahren, der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer sowie des freien Wettbewerbs. Wegen dieses Erfordernisses sei es für die Ausführung des Auftrags unverzichtbar, dass in Bilbao selbst eine sehr komplexe materielle Infrastruktur vorhanden sei, deren Errichtung erhebliche Investitionen und Zeit erfordere. Derartige Investitionen hätten aber keinen Sinn, wenn dort nur die ausgeschriebenen Leistungen erbracht würden. Daher könnten einzig Dienstleister, die über Krankenhäuser in Bilbao verfügten, an der Ausschreibung teilnehmen.

17.

Grupo Hospitalario Quirón vertritt die Ansicht, dass dieses Erfordernis selbst unter Berücksichtigung der mit der Anreise der Patienten und der Chirurgen, die in den öffentlichen Krankenhäusern in Basurto und Galdakao beschäftigt seien, verbundenen Schwierigkeiten nicht gerechtfertigt sei, insbesondere nicht im Fall der Klägerin, die ein Krankenhaus in einer an Bilbao angrenzenden Gemeinde betreibe.

18.

In der Klageerwiderung bringt das Departamento de Sanidad vor, dass die fragliche Verpflichtung das Recht der Dienstleister, an der Ausschreibung teilzunehmen, nicht beeinträchtige, denn es werde von ihnen nicht verlangt, dass sie über Einrichtungen in Bilbao verfügen müssten; sie müssten lediglich in der Lage sein, ihre Dienstleistungen in Krankenhäusern in Bilbao zu erbringen, falls es zum Vertragsschluss komme. Zudem sei die Verpflichtung zur Erbringung der Dienstleistung in Bilbao wegen der möglichen Strapazen, denen anreisende Patienten ausgesetzt wären, gerechtfertigt. Dank des radialen Charakters des öffentlichen Verkehrsnetzes im Großraum Bilbao sei eine einfache Anfahrt gewährleistet.

19.

Nach Ansicht des Vorlagegerichts kann nicht ausgeschlossen werden, dass die fragliche Verpflichtung den freien Wettbewerb im Bereich der Ausschreibungen in unzulässiger Weise einschränkt. Das Gericht betont, dass dieses Erfordernis unter praktischen Gesichtspunkten nicht zwingend erscheine. Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens in Spanien schlössen in der Praxis regelmäßig Verträge über die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen mit Krankenhäusern, die sich in anderen Gemeinden als der Wohnsitz der Patienten befänden. Zudem gebe es mehrere Anfahrtmöglichkeiten von Bilbao zu dem zu Grupo Hospitalario Quirón gehörenden Krankenhaus mit U-Bahn und Bus, und die Fahrtzeit mit privaten Verkehrsmitteln betrage durchschnittlich 14 Minuten.

20.

Nach Ansicht des Vorlagegerichts ist erstens zu prüfen, ob im vorliegenden Fall das Erfordernis, die Dienstleistung ausschließlich in Bilbao zu erbringen, im Hinblick auf den Vertragsgegenstand gerechtfertigt sein kann, und zweitens, ob diese Verpflichtung den Wettbewerb nicht in unzulässiger Weise einschränkt, weil sie nicht geboten erscheine, um den Zugang der Patienten zur Dienstleistung zu gewährleisten. Insbesondere fehle es an einem objektiven Grund, um einen Wirtschaftsteilnehmer vom Vergabeverfahren auszuschließen, der ein Krankenhaus in einer Nachbargemeinde betreibe, wenn die Fahrtzeit vom Wohnort der Patienten bis zum Krankenhaus in einem vernünftigen Rahmen bleibe. Zudem weist das Vorlagegericht darauf hin, dass die Dienstleistungen nicht nur für Patienten bestimmt seien, die in der Gemeinde Bilbao wohnten. Nach Auffassung des Vorlagegerichts kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die fragliche Verpflichtung in den technischen Spezifikationen der Ausschreibungen gegen Art. 2 und Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18 verstößt.

21.

Vor diesem Hintergrund hat der Juzgado Contencioso-Administrativo no 6 de Bilbao beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist das Erfordernis in öffentlichen Aufträgen für die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen, wonach die Gesundheitsleistung, die Gegenstand solcher Aufträge ist, ausschließlich in einer konkreten Gemeinde erbracht werden kann, in der die Patienten nicht unbedingt ihren Wohnsitz haben müssen, mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar?

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

22.

Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 25. Oktober 2013 beim Gerichtshof eingegangen. Der Gerichtshof hat das vorlegende Gericht um Klarstellungen ersucht, die das Vorlagegericht am 11. April 2014 eingereicht hat.

23.

Die Beklagten des Ausgangsverfahrens, die spanische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Das Departamento de Sanidad und die spanische Regierung haben die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt. An der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2015 haben die Grupo Hospitalario Quirón, das Departamento de Sanidad, die spanische Regierung sowie die Kommission teilgenommen.

V – Würdigung

A – Vorbemerkungen

24.

Das Ausgangsverfahren betrifft zwei öffentliche Vergabeverfahren für öffentliche Gesundheitsdienstleistungen. Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass den Gegenstand der Ausschreibungen Dienstleistungen bilden, die durch ein Krankenhaus im Zusammenhang mit chirurgischen Eingriffen im Rahmen einer besonderen Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen Gesundheitsdienst und privaten Krankenhäusern, mit der die Wartezeiten der Patienten der öffentlichen Gesundheitsfürsorge verkürzt werden sollen, erbracht werden. Die Ausschreibungen betreffen nicht die Dienstleistungen des Chirurgen an sich, da die Eingriffe von Ärzten vorgenommen werden müssen, die in öffentlichen Krankenhäusern beschäftigt sind und zu dem privaten Krankenhaus anreisen, an das der Auftrag vergeben worden ist.

25.

Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht nicht ausdrücklich hervor, ob diese Ausschreibungen öffentliche Aufträge für Dienstleistungen oder die Vergabe einer – vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18 ausgenommenen – Dienstleistungskonzession ( 4 ) betreffen.

26.

Aus den ergänzenden Erklärungen, die das Vorlagegericht auf das Ersuchen des Gerichtshofs hin vorgelegt und die Parteien in der mündlichen Verhandlung abgegeben haben, geht indes hervor, dass das Ausgangsverfahren öffentliche Ausschreibungen betrifft, die dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie unterfallen.

27.

Diesen Erklärungen ist zu entnehmen, dass der Dienstleister, an den die Aufträge vergeben worden sind, die Vergütung für seine Dienstleistungen unmittelbar vom Auftraggeber empfängt und von einem wesentlichen Teil des wirtschaftlichen Risikos der Dienstleistungserbringung befreit ist ( 5 ). Wie das Departamendo de Sanidad in der Verhandlung hervorgehoben hat, bleibt der öffentliche Gesundheitsdienst insbesondere für eventuelle Schäden verantwortlich, die der Patient im Zusammenhang mit dem Eingriff erleidet. In ähnlicher Weise betont die spanische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen, dass die Einstufung dieser Aufträge als Ausschreibungen für Dienstleistungen sich auch aus den in der Bekanntmachung genannten Bestimmungen des nationalen Rechts ergibt.

28.

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der geschätzte Wert jedes der beiden Aufträge den in Art. 7 der Richtlinie 2004/18 genannten Schwellenwert erheblich übersteigt.

29.

Diese Umstände, deren Feststellung selbstverständlich dem vorlegenden Gericht obliegt, sprechen eindeutig dafür, dass die Richtlinie 2004/18 zur Anwendung kommt.

30.

Ich möchte jedoch anmerken, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung der Dienstleistungserbringer, auf den im weiteren Verlauf dieser Schlussanträge noch näher einzugehen sein wird, auch dann zur Anwendung käme, wenn die Aufträge im Wege einer Dienstleistungskonzession erteilt würden.

31.

Obwohl beim derzeitigen Stand des Unionsrechts Verträge über die Vergabe einer Dienstleistungskonzession nicht dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18 unterfallen, sind die öffentlichen Stellen dazu verpflichtet – unter der Bedingung, dass die Ausschreibung offensichtlich grenzüberschreitende Interessen berührt – die grundlegenden Bestimmungen des AEU-Vertrags, insbesondere Art. 49 AEUV und 56 AEUV, zu beachten ( 6 ). Zudem erscheint in der vorliegenden Rechtssache, worauf die spanische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen selbst hinweist, ein grenzüberschreitendes Interesse an den Ausschreibungen wegen ihres erheblichen Schätzwerts und der geografischen Lage des Baskenlands wahrscheinlich.

32.

Dienstleistungen des öffentlichen Gesundheitswesens, wie sie Gegenstand der vorliegenden Ausschreibungen sind, haben sicherlich eine fundamentale gesellschaftliche Bedeutung.

33.

Sowohl aus Art. 168 Abs. 7 AEUV als auch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht hervor, dass das Unionsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Organisation von Diensten im öffentlichen Gesundheitswesen unberührt lässt ( 7 ).

34.

Die Mitgliedstaaten dürfen bei der Ausübung dieser Befugnis aber keine ungerechtfertigten Beschränkungen der Grundfreiheiten einführen oder beibehalten. Bei der Prüfung dieses Verbots ist allerdings zu berücksichtigen, dass unter den vom Vertrag geschützten Gütern und Interessen die Gesundheit und das Leben von Menschen von fundamentaler Bedeutung sind und dass es Sache der Mitgliedstaaten ist – denen ein weites Ermessen eingeräumt ist –, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll ( 8 ).

35.

Zudem sind die Systeme der Gesundheitsfürsorge in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ausgestaltet und haben die im Rahmen dieser Systeme erbrachten Dienstleistungen nur selten grenzüberschreitenden Charakter.

36.

Diese Umstände hat der Unionsgesetzgeber berücksichtigt, als er bestimmt hat, dass Dienstleistungen des „Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen[s]“ zu den in Anhang II Teil B der Richtlinie 2004/18 ( 9 ) genannten nicht prioritären Dienstleistungen gezählt werden.

37.

Der Unionsgesetzgeber ging davon aus, dass Dienstleistungen dieser Art a priori keine grenzüberschreitende Bedeutung zukommt, weshalb sie nicht im vollen Umfang dem sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie unterworfen wurden ( 10 ).

38.

Gemäß Art. 21 der Richtlinie 2004/18 unterliegen Aufträge über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B, also auch Dienstleistungen des „Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen[s]“ nur Art. 23 und Art. 35 Abs. 4 der Richtlinie.

39.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs schließt Art. 21 der Richtlinie 2004/18 aber nicht die Anwendung der Allgemeinen Vorschriften und der Schlussbestimmungen der Richtlinie aus, u. a. ihres Art. 2, auf den im Vorabentscheidungsersuchen Bezug genommen wird ( 11 ).

B – Zur Einschränkung des Zugangs der Wirtschaftsteilnehmer zu Ausschreibungsverfahren im Licht von Art. 2 und Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18

40.

Sowohl Art. 2 als auch Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18 sind Ausdruck des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer; dabei handelt es sich zugleich um einen allgemeinen Grundsatz, der auf den Grundfreiheiten des Binnenmarkts beruht, die u. a. in den Art. 49 AEUV und 56 AEUV normiert sind. Daher ist auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Grundfreiheiten des Binnenmarkts bei der Auslegung der angeführten Bestimmungen der Richtlinie zu beachten.

41.

Bei der Würdigung der vorliegenden Rechtssache im Licht dieser Rechtsprechung ist jedoch zu beachten, dass die Richtlinie 2004/18 die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung der Wirtschaftsteilnehmer auf innerstaatliche Sachverhalte ausdehnt. Da es vorliegend um einen Bereich geht, den das Unionsrecht harmonisiert hat, muss kein grenzüberschreitendes Element gegeben sein, damit dieser Grundsatz auf Ausschreibungen, die dem Geltungsbereich der Richtlinie unterliegen, Anwendung finden kann.

42.

Nach dem allgemeinen Grundsatz in Art. 2 der Richtlinie 2004/18 behandeln die öffentlichen Auftraggeber alle Wirtschaftsteilnehmer gleich und nicht diskriminierend und gehen in transparenter Weise vor. Diese Grundsätze haben für technische Spezifikationen aufgrund der Gefahren einer Diskriminierung im Zusammenhang mit ihrer Auswahl oder der Art und Weise ihrer Formulierung entscheidende Bedeutung ( 12 ).

43.

Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18, der die Grundsätze für die Erstellung der technischen Spezifikationen und für die Festsetzung der darin enthaltenen Anforderungen durch die öffentlichen Auftraggeber regelt, bestimmt daher, dass die technischen Spezifikationen allen Bietern gleichermaßen zugänglich sein müssen und die Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte für den Wettbewerb nicht in ungerechtfertigter Weise behindern dürfen.

44.

Ich habe keine Zweifel, dass in der vorliegenden Rechtssache das Erfordernis, ein Gesundheitszentrum in Bilbao zu betreiben, wie es die technischen Spezifikationen der beiden streitbefangenen Ausschreibungen vorsehen, den Zugang zum Ausschreibungsmarkt für potenzielle Auftragnehmer, die nicht über eine solche Einrichtung verfügen, erschweren kann.

45.

Ich möchte anmerken, dass dieses Erfordernis den Zugang erschwert, obwohl es nicht als ein Kriterium für die Qualifizierung der Wirtschaftsteilnehmer konzipiert ist und es erst während der Ausführung des Auftrags zwingend erforderlich wird, über die Einrichtung zu verfügen.

46.

Ich stimme in dieser Frage nicht mit dem Departamento de Sanidad überein, das sich auf das Urteil Contse ( 13 ) beruft und die Ansicht vertritt, das Erfordernis, über ein Zentrum am Ort der Erbringung der Dienstleistung zu verfügen, schränke den Zugang zur Ausschreibung nicht ein, wenn es als eine Bedingung für die Ausführung des Auftrags konzipiert sei.

47.

Das Urteil Contse ( 14 ) betraf die Anforderung, über Geschäftsräume in der betreffenden Provinz zu verfügen, um am Ausschreibungsverfahren für Atemtherapiedienste teilnehmen zu können. Dieses Erfordernis stellte ein Qualifizierungskriterium dar, das zum Zeitpunkt der Einreichung der Angebote erfüllt sein musste und wohl unproblematisch gewesen wäre, wenn für die Erfüllung auf die Phase der Erbringung der Dienstleistung abgestellt worden wäre.

48.

Aus diesem Urteil geht jedoch eindeutig hervor, dass die Anforderung, über Geschäftsräume in der betreffenden Provinz zu verfügen, keine erheblichen Investitionen erforderte und ihrer Art nach jederzeit leicht erfüllt werden konnte. Anders verhält es sich in der vorliegenden Rechtssache, da, wie das vorlegende Gericht ausführt, die Schaffung einer medizinischen Infrastruktur in Bilbao teure und zeitraubende Investitionen erfordern würde, die wegen des begrenzten Umfangs der Dienstleistungen, die den Gegenstand der Ausschreibungen bilden, wahrscheinlich nicht gewinnbringend wären.

49.

Das im Ausgangsverfahren in Frage gestellte Erfordernis führt dazu, dass die Teilnahme an den Ausschreibungen für den Dienstleister mit der Verpflichtung verbunden ist, die erforderlichen Investitionen zu tätigen, um die Dienstleistungen in Einrichtungen in Bilbao erbringen zu können.

50.

Zudem kann das Erfordernis, über eine Einrichtung in der betreffenden Gemeinde zu verfügen, obwohl es erst für den Zeitraum der Vertragsausführung gilt, die durch den AEU-Vertrag garantierte Dienstleistungsfreiheit einschränken oder ihre Inanspruchnahme weniger attraktiv erscheinen lassen.

51.

Im Licht dieser Erwägungen schränkt das fragliche Erfordernis ohne Zweifel den Zugang der Wirtschaftsteilnehmer zu Ausschreibungsverfahren im Sinne von Art. 2 und Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18 ein.

C – Zur Rechtfertigung durch Gründe des Allgemeininteresses

52.

Nunmehr ist zu erwägen, ob dieses Erfordernis durch übergeordnete Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein kann und mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar ist.

53.

Sollte das fragliche Erfordernis eine gerechtfertigte Beschränkung darstellen, wäre es im Licht der Grundsätze, die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs bezüglich der Einschränkungen der Grundfreiheiten erarbeitet worden sind, auch mit Art. 2 und Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18 vereinbar. Diese Bestimmungen verbieten es nämlich, die Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte für den Wettbewerb „in ungerechtfertigter Weise“ zu behindern.

54.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen die Bewertungskriterien für die Vergabe öffentlicher Aufträge das Diskriminierungsverbot beachten, wie es sich aus den Bestimmungen des AEU-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr ergibt. Zudem müssen eventuelle Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs, um gerechtfertigt sein zu können, die Voraussetzungen erfüllen, die in der hierzu ergangenen Rechtsprechung aufgestellt worden sind ( 15 ).

55.

Damit nationale Maßnahmen, die die Ausübung der Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen, als mit den Art. 49 AEUV und 56 AEUV vereinbar angesehen werden können, müssen sie vier Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist ( 16 ).

56.

Die Beklagten im Ausgangsverfahren sowie die spanische Regierung rechtfertigen das fragliche Erfordernis mit der Notwendigkeit, ein hohes Maß an Qualität und Zuverlässigkeit im öffentlichen Gesundheitswesen sicherzustellen.

57.

Nach Ansicht der spanischen Regierung dienen die angefochtenen Ausschreibungen der Unterstützung des öffentlichen Gesundheitsdienstes im Bereich der chirurgischen Eingriffe. Da diesen von der baskischen Regierung erbrachten Dienstleistungen eine große gesellschaftliche Bedeutung zukomme, sei es nicht verwunderlich, dass diese Regierung aus Gründen des Allgemeininteresses die Entscheidung getroffen habe, den Vertrag mit einem privaten Anbieter zu schließen, der über ein Gesundheitszentrum in Bilbao verfüge, wo ein großer Anteil der Einwohner der Provinz Vizcaya lebe. Gründe der Qualität und der Zuverlässigkeit der Gesundheitsdienstleistungen, die im Namen und für Rechnung des Hoheitsträgers erbracht würden, müssten als Rechtfertigung für diese Beschränkung der durch den AEU-Vertrag garantierten Freiheiten ausreichen.

58.

Zur Rechtfertigung dieses Erfordernisses beruft sich das Departamento de Sanidad auf die Schwierigkeiten, die mit der Anreise der Chirurgen, wie auch der Patienten und ihnen nahestehender Personen, verbunden seien, den radialen Charakter des öffentlichen Nahverkehrsnetzes im Großraum Bilbao sowie das Vorhandensein direkter Verbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen Bilbao und den übrigen Provinzstädten. Es betont zudem, dass die Wahl des für die Patienten günstigsten Standorts für Gesundheitszentren zu den Pflichten des öffentlichen Gesundheitsdienstes gehöre.

59.

Zudem beruft sich das Departamento de Sanidad auf die im Rahmen der Erbringung öffentlicher Gesundheitsdienstleistungen geltende territoriale Einteilung. Diese Einteilung müsse auch dann eingehalten werden, wenn die Dienstleistungen durch private Gesundheitseinrichtungen, die im Ausschreibungsverfahren ausgewählt worden seien, erbracht würden. Was die technischen Spezifikationen dieser Ausschreibungen anbelange, so sei der Ort der Leistungserbringung im betreffenden Gesundheitsbezirk eine wesentliche Bedingung der Dienstleistungen, die in Ergänzung der öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen erbracht würden. Das Departamento de Sanidad betont, dass das Krankenhaus der Grupo Hospitalario Quirón sich in Erandio befinde, also in einer Gemeinde, die zu einem anderen Gesundheitsbezirk als die Krankenhäuser in Basurto und Galdakao gehöre. Die Gemeinde Erandio liege im Einzugsgebiet des öffentlichen Krankenhauses Cruces, das von den streitgegenständlichen Ausschreibungen nicht betroffen sei.

60.

Diese Argumente überzeugen mich nicht.

61.

Was das Argument des Departamento de Sanidad bezüglich der territorialen Einteilung des öffentlichen Gesundheitsdienstes angeht, ist daran zu erinnern, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs Erwägungen administrativer Natur eine Beschränkung der Grundfreiheiten durch die Mitgliedstaaten nicht rechtfertigen können ( 17 ).

62.

In der vorliegenden Rechtssache ist die Berufung auf die administrativ festgelegte territoriale Einteilung des öffentlichen Gesundheitsdienstes daher kein hinreichendes Argument, um die Beschränkung des Ortes der Erbringung der ausgeschriebenen Dienstleistungen zu rechtfertigen. Eine solche Rechtfertigung müsste sich auf tatsächliche praktische Schwierigkeiten stützen, die die Erbringung der Dienstleistung in Gesundheitszentren in Bilbao erforderlich machen.

63.

Ebenfalls nicht überzeugend ist das Argument des Departamento de Sanidad, dass, wenn die Ausschreibungen auf Einrichtungen in anderen Gemeinden erstreckt würden, der Abschluss von Verträgen mit privaten Anbietern nicht erforderlich wäre, da die entsprechenden Eingriffe in einem öffentlichen Krankenhaus, das zu einem anderen Gesundheitsbezirk gehöre, vorgenommen werden könnten, insbesondere im Krankenhaus Cruces, das von den streitgegenständlichen Ausschreibungen nicht betroffen sei.

64.

Dem Departamento de Sanidad steht es nach dem Unionsrecht offen, die Unterstützung eines öffentlichen Krankenhauses in einer anderen Provinzgemeinde in Anspruch zu nehmen. Eine öffentliche Stelle kann ihre im allgemeinen Interesse liegenden Aufgaben mit ihren eigenen Mitteln und auch in Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Stellen erfüllen, ohne gezwungen zu sein, sich an externe Einrichtungen zu wenden ( 18 ).

65.

Wenn diese Behörde aber die Entscheidung getroffen hat, dass es notwendig ist, den Auftrag an einen privaten Wirtschaftsteilnehmer zu vergeben, darf sie einen Bieter nicht allein unter Berufung auf die administrative territoriale Einteilung im Zusammenhang mit dem Betrieb der öffentlichen Krankenhäuser ausschließen.

66.

Was die Gründe der Zuverlässigkeit und der hohen Qualität des öffentlichen Gesundheitswesens angeht, auf die sich die spanische Regierung beruft, ist anzumerken, dass diese Gründe sicherlich eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen könnten.

67.

Nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs kann das Ziel, eine ausgewogene, allen zugängliche und qualitativ hochwertige ärztliche und klinische Versorgung aufrechtzuerhalten, zu den Ausnahmen aus Gründen der öffentlichen Gesundheit nach Art. 52 AEUV zählen, soweit es zur Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzes beiträgt ( 19 ).

68.

Der Standort der Gesundheitseinrichtung in Bezug auf den Wohnort des Patienten ist ohne Zweifel von großer Wichtigkeit für die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen. Die Notwendigkeit der Anreise zieht zusätzliche Kosten nach sich, in Notfällen sogar ein Risiko für die Gesundheit des Patienten, birgt Schwierigkeiten für ihm nahestehende Personen und ist in der vorliegenden Rechtssache auch für das medizinische Personal beschwerlich, das in öffentlichen Krankenhäusern beschäftigt ist und sich zu dem privaten Krankenhaus begeben muss, in dem der Eingriff vorgenommen wird.

69.

Ich bezweifle nicht, dass diese Umstände eine Eingrenzung des geografischen Gebiets der Erbringung der ausgeschriebenen Gesundheitsdienstleistungen rechtfertigen können.

70.

Eine ortsbezogene Beschränkung der Erbringung der Dienstleistungen muss jedoch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren, d. h., sie muss geeignet sein, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist ( 20 ).

71.

Damit eine Beschränkung, die an den Standort der Einrichtungen anknüpft, die Erreichung des Ziels gewährleisten kann, die Zugänglichkeit und Qualität der Gesundheitsfürsorge sicherzustellen, darf sie sich nicht ausschließlich auf die administrativ festgelegte territoriale Einteilung stützen. Diese Einteilung berücksichtigt nämlich in den meisten Fällen nicht die Besonderheiten, die sich aus der Lage der Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge und dem Wohnort der Patienten ergeben.

72.

Bei der Auswahl des Ortes der Erbringung der Dienstleistungen sind die mit der Entfernung der Einrichtung der Gesundheitsfürsorge zum Wohnort der Patienten verbundenen Strapazen in objektiver Weise zu berücksichtigen.

73.

Zudem kann die Entfernung zur Einrichtung der Gesundheitsfürsorge je nach Art der Dienstleistung mehr oder weniger wichtig sein. Die Entfernung ist sicherlich von fundamentaler Bedeutung, wenn es um Notoperationen geht. Soweit es hingegen um geplante Eingriffe geht, stellen die fahrtzeitbedingten praktischen Schwierigkeiten ein weniger bedeutsames Kriterium für die Erbringung der Gesundheitsdienstleistung dar.

74.

Das fragliche Erfordernis ist meines Erachtens unverhältnismäßig, da es die Erbringung der Dienstleistung innerhalb der administrativen Grenzen der Stadt Bilbao vorschreibt. Weder stützt sich dieses Erfordernis auf eine objektive Bewertung der Schwierigkeiten, die mit der Anreise zur Einrichtung verbunden sind, noch berücksichtigt es die Art der ausgeschriebenen Gesundheitsdienstleistungen.

75.

Von der Unverhältnismäßigkeit des betreffenden Erfordernisses zeugt auch der Umstand, dass die künftigen Patienten – wie das vorlegende Gericht betont – nicht ausschließlich in Bilbao wohnen, sondern auch in den Nachbargemeinden; eine der Ausschreibungen betrifft zudem die Zusammenarbeit zwischen privaten Einrichtungen und dem Krankenhaus in Galdakao, das außerhalb der Gemeinde Bilbao liegt.

76.

Das Departamento de Sanidad und die spanische Regierung tragen vor, dass Bilbao deshalb als Ort der Dienstleistungserbringung ausgewählt worden sei, weil es ein öffentlicher Verkehrsknotenpunkt sei, was eine problemlose Anreise aus den anderen Provinzstädten erlaube.

77.

Dieses Argument genügt nicht zur Begründung der Verhältnismäßigkeit des im Ausgangsverfahren in Frage gestellten Erfordernisses.

78.

Erstens kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Anfahrt vom Zentrum Bilbaos zu einem privaten Krankenhaus innerhalb der Stadtgrenzen mit ähnlichen Problemen verbunden wäre wie die Anfahrt zu einem Krankenhaus in einer Nachbargemeinde.

79.

Zweitens geht aus dem Beschluss des Vorlagegerichts hervor, dass die Anfahrt vom Zentrum Bilbaos zu dem Krankenhaus der Klägerin in der Nachbargemeinde nicht besonders zeitraubend ist. Aus den Erklärungen, die die Parteien in der Verhandlung abgegeben haben, ergibt sich zudem, dass die ausgeschriebenen Gesundheitsdienstleistungen geplante Eingriffe betreffen.

80.

Das vorlegende Gericht weist auch darauf hin, dass die vom Departamento de Sanidad in der Vergangenheit vergebenen öffentlichen Aufträge für Gesundheitsdienstleistungen kein ähnliches Erfordernis betreffend den Standort der Einrichtung vorsahen; der juristische Dienst der Stelle, die den Auftrag ausgeschrieben hat, hat zudem in einer Stellungnahme den Verzicht auf dieses Erfordernis nahegelegt, da es mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer kaum vereinbar sei.

81.

Die Feststellung des Sachverhalts und die Vornahme einer darauf bezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung ist Aufgabe des vorlegenden Gerichts.

82.

Die im Beschluss des Vorlagegerichts aufgezeigten Umstände weisen jedoch darauf hin, dass die Anreise zum Krankenhaus in der Gemeinde Erandio keine übermäßige Strapaze für die Patienten und das medizinische Personal darstellen würde. Diese Umstände lassen das fragliche Erfordernis daher als unverhältnismäßig erscheinen.

83.

Wie die Kommission zutreffend in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt, sind außerdem Maßnahmen zu erwägen, die die Dienstleistungsfreiheit weniger einschränken, aber die Erreichung des angestrebten Ziels ebenfalls ermöglichen.

84.

In der vorliegenden Rechtssache ist nicht auszuschließen, dass das Allgemeininteresse, auf das sich das Departamento de Sanidad und die spanische Regierung berufen, durch weniger restriktive Maßnahmen sichergestellt werden könnte, z. B. durch das Erfordernis, die Dienstleistungen in Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge erbringen zu müssen, die die Patienten und das medizinische Personal ohne übermäßige Schwierigkeiten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen können. Die so definierten technischen Spezifikationen könnten auch eine Richtzeit für die Anfahrt vom Zentrum Bilbaos aus vorsehen, die von der ausschreibenden Stelle für angemessen erachtet wird.

VI – Ergebnis

85.

Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage des Juzgado de lo Contencioso-Administrativo no 6 de Bilbao (Spanien) wie folgt zu beantworten:

Art. 2 und Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge stehen dem entgegen, dass in den technischen Spezifikationen eines öffentlichen Auftrags für Gesundheitsdienstleistungen das Erfordernis aufgestellt wird, dass diese Dienstleistungen ausschließlich in Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge erbracht werden, die sich in der betreffenden Gemeinde befinden, wenn dieses Erfordernis sich nicht auf eine objektive Bewertung der mit der Anreise der Patienten verbundenen Schwierigkeiten stützt, bei der die Art der öffentlich ausgeschriebenen Dienstleistungen berücksichtigt wird.


( 1 )   Originalsprache: Polnisch.

( 2 )   ABl. L 134, S. 114, in der zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 1177/2009 der Kommission vom 30. November 2009 geänderten Fassung (ABl. L 314, S. 64).

( 3 )   Boletín Oficial del Estado vom 31. Oktober 2007.

( 4 )   Vgl. Art. 1 Nr. 14 und Art. 17 der Richtlinie 2004/18.

( 5 )   Vgl. in diesem Sinne Urteile Contse u. a. (C‑234/03, EU:C:2005:644, Rn. 22), Eurawasser (C‑206/08, EU:C:2009:540, Rn. 66 und 67) sowie Privater Rettungsdienst und Krankentransport Stadler (C‑274/09, EU:C:2011:130, Rn. 37).

( 6 )   Urteile Coname (C‑231/03, EU:C:2005:487, Rn. 16) sowie Privater Rettungsdienst und Krankentransport Stadler (C‑274/09, EU:C:2011:130, Rn. 49). Die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. L 94, S. 1) findet in der vorliegenden Rechtssache sowohl wegen der Umsetzungsfrist als auch der Übergangsregelungen in ihrem Art. 54 Abs. 2 keine Anwendung.

( 7 )   Vgl. Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a. (C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 8 )   Ebd. (Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 9 )   Besondere Regelungen für Gesundheitsdienstleistungen enthalten auch die neue –ratione temporis in der vorliegenden Rechtssache noch nicht zur Anwendung kommende – Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (Art. 74 und Anhang XIV) sowie, im Hinblick auf die Konzessionsvergabe, die Richtlinie 2014/23 (Art. 19 und Anhang IV).

( 10 )   Urteil Kommission/Irland (C‑507/03, EU:C:2007:676, Rn. 25). Diese Frage wird auch im juristischen Schrifttum erörtert, siehe Sołtysińska, A., Europejskie prawo zamówień publicznych, Warschau, LEX Wolters Kluwer 2012, S. 167.

( 11 )   Vgl. in diesem Sinne Urteil Contse u. a. (C‑234/03, EU:C:2005:644, Rn. 47).

( 12 )   Urteil Kommission/Niederlande (C‑368/10, EU:C:2012:284, Rn. 62).

( 13 )   Urteil Contse u. a. (C‑234/03, EU:C:2005:644).

( 14 )   Ebd. (Rn. 55 bis 57).

( 15 )   Ebd. (Rn. 49).

( 16 )   Urteil Gebhard (C‑55/94, EU:C:1995:411, Rn. 37).

( 17 )   Vgl. Urteil Kommission/Österreich (C‑356/08, EU:C:2009:401, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 18 )   Urteil Kommission/Deutschland (C‑480/06, EU:C:2009:357, Rn. 45).

( 19 )   Vgl. u. a. Urteile Kohll (C‑158/96, EU:C:1998:171, Rn. 50 und 51) sowie Smits und Peerbooms (C‑157/99, EU:C:2001:404, Rn. 73 und 74).

( 20 )   Urteile Kommission/Spanien (C‑158/03, EU:C:2005:642, Rn. 70) sowie Contse u. a. (C‑234/03, EU:C:2005:644, Rn. 41). Die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist von entscheidender Bedeutung bei der Bewertung der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die die Grundfreiheiten des Binnenmarkts beschränken, siehe Frąckowiak-Adamska, A., Zasada proporcjonalności jako gwarancja swobód rynku wewnętrznego Wspólnoty Europejskiej, Warschau, Wolters Kluwer 2009, Kapitel 3.1.1.