SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 8. Mai 2014 ( 1 )

Rechtssache C‑137/13

Herbaria Kräuterparadies GmbH

gegen

Freistaat Bayern

(Vorabentscheidungsersuchen des Bayerischen Verwaltungsgerichts München [Deutschland])

„Landwirtschaft — Kennzeichnung ökologischer/biologischer Produkte — Verordnung (EG) Nr. 889/2008 — Art. 27 Abs. 1 Buchst. f — Verwendung von Produkten und Stoffen bei der Verarbeitung von Lebensmitteln, die als ökologische/biologische Erzeugnisse gekennzeichnet sind — Verbot der Verwendung von Mineralstoffen und Vitaminen, sofern sie nicht gesetzlich vorgeschrieben sind — Zugabe von Eisengluconat und Vitaminen zu einer ökologischen/biologischen Fruchtsaftmischung — Mengen, die für die Zulassung als Nahrungsergänzungsmittel mit einer nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angabe oder als Lebensmittel für eine besondere Ernährung erforderlich sind“

1. 

Vorliegend handelt es sich um ein Vorabentscheidungsersuchen des Bayerischen Verwaltungsgerichts München (Deutschland) (im Folgenden: Verwaltungsgericht).

2. 

Es betrifft ein Erzeugnis, das überwiegend Zutaten aus ökologischem/biologischem Landbau, aber auch Mineralstoffe und Vitaminzusätze enthält, die nicht aus Produkten aus ökologischer/biologischer Landwirtschaft gewonnen werden. Kann das Erzeugnis als „ökologisch“ gekennzeichnet und vermarktet werden? Sind insbesondere solche Zusatzstoffe „gesetzlich vorgeschrieben“, wenn das Erzeugnis als Nahrungsergänzungsmittel und/oder mit einem Hinweis auf seinen gesundheits- oder nährwertbezogenen Nutzen versehen, den es ohne diese Stoffe nicht haben würde, in den Verkehr gebracht wird?

3. 

Vor dem Gerichtshof haben sich die (europäischen) Hersteller des Erzeugnisses auch darauf berufen, dass vergleichbare Erzeugnisse, die aus den Vereinigten Staaten von Amerika eingeführt würden, als „ökologisch/biologisch“ gekennzeichnet in den Verkehr gebracht werden dürften, was mit den US-amerikanischen Vorschriften in Einklang stehe, die den unionsrechtlichen Vorschriften gleichwertig, mit ihnen aber nicht identisch seien.

Rechtlicher Rahmen

Nahrungsergänzungsmittel und Nährstoffe

4.

Der neunte Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/46 ( 2 ) lautet: „In Nahrungsergänzungsmitteln sollten nur Vitamine und Mineralstoffe zugelassen werden, die in der Ernährung normalerweise vorkommen und als Bestandteil der Ernährung verzehrt werden, was jedoch nicht bedeutet, dass sie darin vorkommen müssen. …“

5.

Im 15. Erwägungsgrund heißt es: „Nahrungsergänzungsmittel werden von den Verbrauchern zur Ergänzung der Zufuhr aus der Ernährung gekauft. Damit dieser Zweck tatsächlich erfüllt wird, sollten Vitamine und Mineralstoffe, wenn sie auf dem Etikett von Nahrungsergänzungsmitteln angegeben sind, in signifikanter Menge im Erzeugnis enthalten sein.“

6.

Art. 2 der Richtlinie definiert in Buchst. a Nahrungsergänzungsmittel als „Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen und die aus Einfach- oder Mehrfachkonzentraten von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung bestehen und in dosierter Form in den Verkehr gebracht werden“ und in Buchst. b Nährstoffe als Vitamine und Mineralstoffe. Art. 4 Abs. 1 in Verbindung mit den Anhängen I und II enthält eine abschließende Liste der Vitamine und Mineralstoffe, die für die Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden dürfen.

7.

Art. 5 Abs. 3 bestimmt: „Um zu gewährleisten, dass Nahrungsergänzungsmittel Vitamine und Mineralstoffe in ausreichenden Mengen enthalten, sind gegebenenfalls Mindestmengen, bezogen auf die vom Hersteller empfohlene Tagesdosis, festzusetzen.“ Nach Art. 5 Abs. 4 sollen die Mindestmengen, auf die in Abs. 3 Bezug genommen wird, von der Kommission festgesetzt werden. Tatsächlich wurden diese Mengen jedoch bisher nicht festgesetzt.

8.

Nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. a muss die Kennzeichnung zwingend die Namen der Kategorien von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen, die für das Erzeugnis kennzeichnend sind, oder eine Angabe zur Beschaffenheit dieser Nährstoffe oder sonstigen Stoffe enthalten.

Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben

9.

Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1924/2006 ( 3 ) definiert den Ausdruck „Angabe“ als „jede Aussage oder Darstellung, die nach dem Gemeinschaftsrecht oder den nationalen Vorschriften nicht obligatorisch ist, … mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt“.

10.

Art. 3 bestimmt:

„Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben dürfen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln, die in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht werden, bzw. bei der Werbung hierfür nur verwendet werden, wenn sie der vorliegenden Verordnung entsprechen.

… [D]ie verwendeten nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben [dürfen]

a)

nicht falsch, mehrdeutig oder irreführend sein;

…“

11.

Art. 5 Abs. 1 bestimmt u. a.:

„Die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben ist nur zulässig, wenn die nachstehenden Bedingungen erfüllt sind:

a)

Es ist anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen, dass das Vorhandensein … des Nährstoffs oder der anderen Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, in einem Lebensmittel oder einer Kategorie von Lebensmitteln eine positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung hat.

b)

Der Nährstoff oder die andere Substanz, für die die Angabe gemacht wird,

i)

ist im Endprodukt in einer gemäß dem Gemeinschaftsrecht signifikanten Menge oder, wo einschlägige Bestimmungen nicht bestehen, in einer Menge vorhanden, die nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen geeignet ist, die behauptete ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung zu erzielen,

…“

12.

Art. 8 Abs. 1 bestimmt: „Nährwertbezogene Angaben dürfen nur gemacht werden, wenn sie im Anhang aufgeführt sind und den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen entsprechen.“ Nach Art. 13 Abs. 1 dürfen gesundheitsbezogene Angaben u. a. verwendet werden, die die Bedeutung eines Nährstoffs oder einer anderen Substanz für Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen beschreiben oder darauf verweisen, wenn sie sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen und vom durchschnittlichen Verbraucher richtig verstanden werden und in einer nach Art. 13 Abs. 3 von der Kommission zu erstellenden Liste enthalten sind.

13.

Im Anhang der Verordnung Nr. 1924/2006 heißt es unter der Überschrift „[NAME DES VITAMINS/DER VITAMINE] UND/ODER [NAME DES MINERALSTOFFS/DER MINERALSTOFFE]-QUELLE“: „Die Angabe, ein Lebensmittel sei eine Vitaminquelle oder Mineralstoffquelle, sowie jegliche Angabe, die für den Verbraucher voraussichtlich dieselbe Bedeutung hat, ist nur zulässig, wenn das Produkt mindestens eine gemäß dem Anhang der Richtlinie 90/496/EWG signifikante Menge … enthält“ ( 4 ).

14.

Der Anhang der Verordnung Nr. 432/2012 ( 5 ) enthält eine Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben über Lebensmittel gemäß Art. 13 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Bei Eisen darf die Angabe „Eisen trägt zur normalen Bildung von roten Blutkörperchen und Hämoglobin bei“ verwendet werden, jedoch nur für Lebensmittel, die die Mindestanforderungen an eine Eisenquelle gemäß der Angabe erfüllen.

Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind

15.

Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2009/39 ( 6 ) definiert Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, als „Lebensmittel, die sich aufgrund ihrer besonderen Zusammensetzung oder des besonderen Verfahrens ihrer Herstellung deutlich von den Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs unterscheiden, die sich für den angegebenen Ernährungszweck eignen und mit dem Hinweis darauf in den Verkehr gebracht werden, dass sie für diesen Zweck geeignet sind“.

16.

Art. 1 Abs. 3 bestimmt:

„Eine besondere Ernährung muss den besonderen Ernährungserfordernissen folgender Verbrauchergruppen entsprechen:

a)

bestimmter Gruppen von Personen, deren Verdauungs- bzw. Resorptionsprozess oder Stoffwechsel gestört ist, oder

b)

bestimmter Gruppen von Personen, die sich in besonderen physiologischen Umständen befinden und deshalb einen besonderen Nutzen aus der kontrollierten Aufnahme bestimmter in der Nahrung enthaltener Stoffe ziehen können, oder

c)

gesunder Säuglinge oder Kleinkinder.“

17.

Nach Art. 3 Abs. 1 müssen Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, aufgrund ihrer Beschaffenheit oder Zusammensetzung für den vorgesehenen besonderen Ernährungszweck geeignet sein.

18.

Nach Art. 4 Abs. 3 muss die Kommission eine Liste der Stoffe mit einem besonderen Ernährungszweck anlegen, darunter Vitamine und Mineralsalze, die den für eine besondere Ernährung bestimmten Lebensmitteln hinzuzufügen sind.

19.

Diese Liste wurde im Anhang der Verordnung Nr. 953/2009 ( 7 ) angelegt, deren fünfter Erwägungsgrund lautet: „Wo die Hinzufügung eines Stoffes für besondere Ernährungszwecke für notwendig erachtet wurde, wurde dies durch besondere Vorschriften in den einschlägigen Einzelrichtlinien festgelegt, gegebenenfalls mit den entsprechenden quantitativen Bedingungen.“

Kennzeichnung von in der Europäischen Union erzeugten ökologischen/biologischen Lebensmitteln

20.

Die Verordnung Nr. 834/2007 ( 8 ) enthält u. a. folgende Erwägungsgründe:

„(20)

Verarbeitete Lebensmittel sollten nur dann als ökologische/biologische Erzeugnisse gekennzeichnet werden, wenn alle oder fast alle Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs aus ökologischer/biologischer Produktion stammen. Jedoch sollten für verarbeitete Lebensmittel, in denen Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs enthalten sind, die nicht aus ökologischer/biologischer Produktion stammen können, … besondere Kennzeichnungsvorschriften erlassen werden.

(22)

Es ist wichtig, das Vertrauen der Verbraucher in ökologische/biologische Erzeugnisse zu wahren. Daher sollten Ausnahmen von den Anforderungen an die ökologische/biologische Produktion unbedingt auf die Fälle begrenzt sein, in denen die Anwendung von Ausnahmeregelungen als gerechtfertigt anzusehen ist.

…“

21.

Art. 3 der Verordnung nennt die allgemeinen Ziele der ökologischen/biologischen Produktion, darunter in Buchst. c die „Herstellung einer reichen Vielfalt an Lebensmitteln und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die der Nachfrage der Verbraucher nach Erzeugnissen entsprechen, die durch Verfahren hergestellt wurden, die der Umwelt, der menschlichen Gesundheit, der Pflanzengesundheit, sowie der Gesundheit und dem Wohlbefinden der Tiere nicht abträglich sind“.

22.

Art. 6 bestimmt:

„… [D]ie Herstellung verarbeiteter ökologischer/biologischer Lebensmittel [hat] auf folgenden spezifischen Grundsätzen zu beruhen:

a)

Herstellung ökologischer/biologischer Lebensmittel aus ökologischen/biologischen landwirtschaftlichen Zutaten, außer wenn eine Zutat auf dem Markt nicht als ökologisches/biologisches Erzeugnis erhältlich ist;

b)

Beschränkung der Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen, von nichtökologischen/nichtbiologischen Zutaten mit überwiegend technischen und sensorischen Funktionen sowie von Mikronährstoffen und Verarbeitungshilfsstoffen auf ein Minimum und auf Fälle, in denen dies ein wesentliches technologisches Erfordernis darstellt oder besonderen Ernährungszwecken dient;

c)

Ausschluss von Stoffen und Herstellungsverfahren, die in Bezug auf die tatsächliche Beschaffenheit des Erzeugnisses irreführend sein könnten;

…“

23.

Art. 19 trägt die Überschrift „Allgemeine Vorschriften für die Herstellung verarbeiteter Lebensmittel“. Art. 19 Abs. 2 bestimmt u. a.:

„Für die Zusammensetzung verarbeiteter ökologischer/biologischer Lebensmittel gilt Folgendes:

a)

Das Erzeugnis wird überwiegend aus Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs hergestellt …

b)

Es dürfen nur Zusatzstoffe, Verarbeitungshilfsstoffe, Aromastoffe, Wasser, Salz, Zubereitungen aus Mikroorganismen und Enzymen, Mineralstoffe, Spurenelemente, Vitamine sowie Aminosäuren und andere Mikronährstoffe in Lebensmitteln, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, verwendet werden, sofern diese gemäß Artikel 21 für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion zugelassen worden sind.

…“

24.

Art. 21 sieht insbesondere vor:

„(1)   Die Zulassung von Erzeugnissen und Stoffen nach Artikel 19 Absatz 2 Buchstaben b … zur Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion und deren Aufnahme in ein beschränktes Verzeichnis unterliegen … folgenden Kriterien, die als Ganzes zu bewerten sind:

i)

Gemäß diesem Kapitel zugelassene Alternativen stehen nicht zur Verfügung;

ii)

ohne sie kann das Lebensmittel nicht hergestellt oder haltbar gemacht werden oder können ernährungsspezifische Anforderungen, die aufgrund des Gemeinschaftsrechts festgelegt wurden, nicht eingehalten werden.

Außerdem müssen die in Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe b genannten Erzeugnisse und Stoffe in der Natur vorkommen und dürfen nur mechanischen, physikalischen, biologischen, enzymatischen oder mikrobiologischen Prozessen unterzogen worden sein, außer wenn die betreffenden Erzeugnisse und Stoffe aus solchen Quellen nicht in ausreichender Menge oder Qualität auf dem Markt erhältlich sind.

(2)   Die Kommission entscheidet … über die Zulassung und die Aufnahme der Erzeugnisse und Stoffe in das beschränkte Verzeichnis gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels und legt spezifische Bedingungen und Einschränkungen ihrer Verwendung fest; sie entscheidet erforderlichenfalls auch über die Rücknahme der Zulassung.

…“

25.

Art. 23 („Verwendung von Bezeichnungen mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion“) bestimmt u. a.:

„(1)   Im Sinne dieser Verordnung gilt ein Erzeugnis als mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion gekennzeichnet, wenn in der Etikettierung, der Werbung oder den Geschäftspapieren das Erzeugnis, seine Zutaten oder die Futtermittelausgangserzeugnisse mit Bezeichnungen versehen werden, die dem Käufer den Eindruck vermitteln, dass das Erzeugnis, seine Bestandteile oder die Futtermittelausgangserzeugnisse nach den Vorschriften dieser Verordnung gewonnen wurden. Insbesondere dürfen die im Anhang[ ( 9 ) ] aufgeführten Bezeichnungen, daraus abgeleitete Bezeichnungen und Verkleinerungsformen wie ‚Bio-‘ und ‚Öko-‘‚ allein oder kombiniert, in der gesamten Gemeinschaft und in allen ihren Amtssprachen bei der Kennzeichnung von Erzeugnissen und der Werbung für sie verwendet werden, wenn diese Erzeugnisse die mit dieser Verordnung oder im Einklang mit ihr erlassenen Vorschriften erfüllen.

(2)   Die Bezeichnungen nach Absatz 1 dürfen nirgendwo in der Gemeinschaft und in keiner ihrer Amtssprachen bei der Kennzeichnung und Werbung sowie in den Geschäftspapieren für Erzeugnisse, die die Vorschriften dieser Verordnung nicht erfüllen, verwendet werden, außer wenn sie nicht für landwirtschaftliche Erzeugnisse in Lebensmitteln oder Futtermitteln verwendet werden oder eindeutig keinen Bezug zur ökologischen/biologischen Produktion haben.

(4)   Bei verarbeiteten Lebensmitteln dürfen die Bezeichnungen nach Absatz 1 in folgenden Fällen verwendet werden:

a)

in der Verkehrsbezeichnung, vorausgesetzt

i)

die verarbeiteten Lebensmittel erfüllen die Anforderungen des Artikels 19;

ii)

mindestens 95 Gewichtsprozent ihrer Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs sind ökologisch/biologisch;

…“

26.

Art. 27 der Verordnung Nr. 889/2008 ( 10 ) trägt die Überschrift „Verwendung bestimmter Erzeugnisse und Stoffe bei der Verarbeitung von Lebensmitteln“. Art. 27 Abs. 1 bestimmt u. a.:

„Zum Zwecke von Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 dürfen bei der Verarbeitung von ökologischen/biologischen Lebensmitteln … nur die folgenden Stoffe verwendet werden:

f)

Mineralstoffe (einschließlich Spurenelemente), Vitamine, Aminosäuren und Mikronährstoffe, jedoch nur, soweit ihre Verwendung in den Lebensmitteln, denen sie zugefügt werden, gesetzlich vorgeschrieben ist.“

Kennzeichnung der Einfuhren von ökologischen/biologischen Erzeugnissen aus den Vereinigten Staaten von Amerika

27.

Der 33. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 834/2007 lautet:

„Ökologische/biologische Erzeugnisse, die in die Europäische Gemeinschaft eingeführt werden, sollten auf dem Gemeinschaftsmarkt als ökologisch/biologisch in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie nach Produktionsvorschriften und im Rahmen von Kontrollvorkehrungen erzeugt wurden, die den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen entsprechen oder aber diesen gleichwertig sind. Ferner sollte für die aufgrund gleichwertiger Garantien eingeführten Erzeugnisse eine durch die zuständige Behörde oder die anerkannte Kontrollbehörde oder ‑stelle des betreffenden Drittlands ausgestellte Bescheinigung vorliegen.“

28.

Diese Ziele werden für konforme Erzeugnisse durch Art. 32 der genannten Verordnung und für Erzeugnisse mit gleichwertigen Garantien durch Art. 33 verwirklicht. Nach Art. 33 Abs. 1 darf ein Erzeugnis mit gleichwertigen Garantien in der Europäischen Union in Verkehr gebracht werden, sofern a) es nach gleichwertigen Produktionsvorschriften produziert wurde, b) die Unternehmer Kontrollmaßnahmen unterworfen worden sind, die an Wirksamkeit gleichwertig sind, und c) ihre Tätigkeiten einem anerkannten Kontrollsystem unterstellt haben und d) die zuständige Stelle eine Kontrollbescheinigung für das Erzeugnis erteilt hat. Art. 33 Abs. 2 ermächtigt die Kommission, ein Verzeichnis von Drittländern zu erstellen, deren Produktionsvorschriften gleichwertig und deren Kontrollmaßnahmen von gleichwertiger Wirksamkeit sind.

29.

Titel III der Verordnung Nr. 1235/2008 ( 11 ) trägt die Überschrift „Einfuhr von Erzeugnissen mit gleichwertigen Garantien“. Art. 7 in diesem Titel betrifft die Erstellung und den Inhalt des Verzeichnisses der anerkannten Drittländer, das in Anhang III aufgeführt ist, während Art. 10 die Erstellung und den Inhalt des in Anhang IV aufgeführten Verzeichnisses der im Hinblick auf die Gleichwertigkeit anerkannten Kontrollstellen und Kontrollbehörden betrifft.

30.

Diese Anhänge wurden u. a. durch die Verordnung Nr. 126/2012 ( 12 ) geändert, die – mit Wirkung vom 1. Juni 2012 bis zum 30. Juni 2015 – die Vereinigten Staaten von Amerika bezüglich u. a. der für die Verwendung als Lebensmittel bestimmten verarbeiteten landwirtschaftlichen Erzeugnisse in das Verzeichnis der anerkannten Drittländer aufnahm und die anerkannten Kontrollstellen der Vereinigten Staaten von Amerika aufführte.

31.

Der vierte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 126/2012 lautet:

„Bestimmte aus den Vereinigten Staaten eingeführte landwirtschaftliche Erzeugnisse werden in der EU derzeit gemäß den Übergangsbestimmungen von Artikel 19 der Verordnung [EG] Nr. 1235/2008 … vermarktet. Die Vereinigten Staaten haben bei der Kommission beantragt, in das Verzeichnis gemäß Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1235/2008 aufgenommen zu werden. Sie haben die nach den Artikeln 7 und 8 der genannten Verordnung verlangten Informationen übermittelt. Die Prüfung dieser Informationen und anschließende Erörterungen mit den Behörden der Vereinigten Staaten haben ergeben, dass die in diesem Land geltenden Vorschriften über die Erzeugung und Kontrolle der ökologischen/biologischen Produktion denen in der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 gleichwertig sind. Die Kommission hat gemäß Artikel 33 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 eine zufriedenstellende Vor-Ort-Prüfung der in den Vereinigten Staaten tatsächlich angewandten Produktionsvorschriften und Kontrollmaßnahmen vorgenommen. Demzufolge sollten die Vereinigten Staaten in das Verzeichnis in Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 1235/2008 aufgenommen werden.“

Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

32.

Herbaria Kräuterparadies GmbH (im Folgenden: Herbaria) ist Herstellerin des Erzeugnisses „Herbaria Blutquick – Eisen + Vitamine“ (im Folgenden: Blutquick), einer Fruchtsaftmischung mit Kräuterauszügen. Blutquick besteht überwiegend aus Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs im Sinne von Art. 19 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 834/2007, enthält jedoch auch Vitamine und Eisengluconat, die nicht aus Produkten aus biologischer Landwirtschaft gewonnen werden. Das Erzeugnis wird als Nahrungsergänzungsmittel mit Eisen und Vitaminen beworben und vermarktet und ist auf dem Etikett mit dem Hinweis auf die ökologische/biologische Produktion im Sinne von Art. 23 der Verordnung Nr. 834/2007 gekennzeichnet. Auf dem Etikett befindet sich die Angabe: „Eisen unterstützt die normale Bildung von roten Blutkörperchen und Hämoglobin“. Durch die empfohlene Tagesdosis werden 20 % des RDA abgedeckt. Blutquick wird auch zur Förderung der natürlichen geistigen Entwicklung von Kindern bei Einnahme in der Schwangerschaft und Stillzeit empfohlen sowie als Beitrag zur Verringerung von Erschöpfungszuständen und zur Förderung eines besseren Allgemeinbefindens.

33.

Im Dezember 2011 gab die zuständige bayerische Behörde Herbaria auf, den Hinweis auf den ökologischen Landbau in der Etikettierung, Kennzeichnung, Werbung und Vermarktung von Blutquick zu entfernen, weil das Produkt gegen Art. 23 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i der Verordnung Nr. 834/2007 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 834/2007 und Art. 27 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 889/2008 verstoße. Die Begründung war folgende. Mineralstoffe und Vitamine könnten nur zugesetzt werden, soweit ihre Verwendung in den Lebensmitteln, denen sie zugefügt würden, gesetzlich vorgeschrieben sei. Eine solche gesetzliche Vorschrift gebe es für Blutquick nicht. Blutquick sei insbesondere kein Erzeugnis im Sinne der nationalen Diätverordnung. Zwar unterlägen „nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben“ nach der Verordnung Nr. 1924/2006 detaillierten Anforderungen, dies bedeute jedoch nicht, dass der Einsatz von Vitaminen und Mineralstoffen in der Herstellung von Lebensmitteln, soweit sie nicht der Diätverordnung unterlägen, gesetzlich vorgeschrieben sei. Auch wenn Blutquick nach der Verordnung Nr. 1924/2006 zulässig wäre, könne das Produkt nicht mit dem in Art. 23 der Verordnung Nr. 834/2007 geregelten Hinweis auf den ökologischen Landbau gekennzeichnet, etikettiert, beworben und vermarktet werden, da die Verordnung Nr. 1924/2006 nicht vorschreibe, Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel zu vitaminisieren und mit Eisengluconat anzureichern.

34.

Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage trug Herbaria insbesondere vor, mit Art. 27 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 889/2008 werde das Ziel verfolgt, die Zugabe von Mineralien und Vitaminen zu gestatten, wenn und soweit andere unionsrechtliche oder einzelstaatliche Regelungen die Gewährleistung eines bestimmten Vitamin- und Mineraliengehalts erforderten und das Lebensmittel ohne diese Zugabe nicht seinem Widmungszweck entsprechend hergestellt werden könne. Bezugspunkt sei jeweils ein konkretes Lebensmittel mit einem konkreten Widmungszweck. Vorschriften über Nahrungsergänzungsmittel oder über gesundheits- und ernährungsbezogene Angaben, vornehmlich in der Verordnung Nr. 1924/2006, bewirkten, dass Lebensmitteln, die durch ihre Kennzeichnung einem besonderen, ernährungsbezogenen Zweck gewidmet würden, Mineralien und Vitamine zugegeben werden müssten. Das Verbot irreführender Angaben gebiete, dass mit der vom Hersteller angegebenen Tagesverzehrmenge 15 % der behördlich vorgeschlagenen Höchstmenge als Garantiegehalt erreicht würden ( 13 ). Aus der Zweckbestimmung eines Nahrungsergänzungsmittels werde die gesetzliche Pflicht abgeleitet, die entsprechenden Mindestwerte zu erreichen. Wenn diese nur durch die Zugabe von Stoffen erreicht werden könnten, sei die Zugabe gesetzlich vorgeschrieben. Ferner sehe die Verordnung Nr. 432/2012 Tagesverzehrmengen gesetzlich vor und mache damit die Zugabe von Stoffen zu einem Biolebensmittel erforderlich. Die Zugabe von Eisengluconat und Vitaminen zu dem Produkt Blutquick sei unverzichtbar, um Nährwerte zu erreichen, wie sie für den angegebenen Ernährungszweck erforderlich seien. Dies sei durch Zuführung von Zutaten aus ökologischen Produkten nicht möglich. Die Zufügung erfolge nur im erforderlichen Umfang.

35.

Die Behörden erwiderten, der Zusatz von Vitaminen und Eisengluconat in Nahrungsergänzungsmitteln sei gesetzlich nicht vorgeschrieben. Die Verordnung Nr. 1924/2006 erlaube lediglich die Zufuhr dieser Stoffe, schreibe sie aber nicht vor. Eine andere Auslegung widerspräche Art. 6 Buchst. b der Verordnung Nr. 834/2007, wonach Lebensmittelzusatzstoffe im ökologischen Landbau auf ein Minimum zu beschränken seien.

36.

Unter diesen Umständen ersucht das Verwaltungsgericht um Vorabentscheidung folgender Fragen:

1.

Ist Art. 27 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung (EG) Nr. 889/2008 dahin gehend zu verstehen, dass die Verwendung der genannten Stoffe nur dann gesetzlich vorgeschrieben ist, wenn eine unionsrechtliche oder mit dem Unionsrecht vereinbare nationale Vorschrift für das Lebensmittel, dem die genannten Stoffe zugefügt werden sollen, die Zugabe der genannten Stoffe unmittelbar vorschreibt oder zumindest einen Mindestgehalt für die genannten Stoffe, die zugefügt werden sollen, vorgibt?

2.

Falls die Frage 1 mit Nein beantwortet wird: Ist Art. 27 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung (EG) Nr. 889/2008 dahin gehend zu verstehen, dass die Verwendung der genannten Stoffe auch in den Fällen gesetzlich vorgeschrieben ist, in denen das Inverkehrbringen eines Lebensmittels als Nahrungsergänzungsmittel bzw. unter Verwendung gesundheitsbezogener Angaben ohne die Zufügung zumindest eines der genannten Stoffe irreführend und verbrauchertäuschend wäre, weil das Lebensmittel wegen zu geringer Konzentration eines der genannten Stoffe seinen Widmungszweck als Nahrungsmittel bzw. seinen mit der gesundheitsbezogenen Angabe zum Ausdruck gebrachten Widmungszweck nicht erfüllen kann?

3.

Falls die Frage 1 mit Nein beantwortet wird: Ist Art. 27 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung (EG) Nr. 889/2008 dahin gehend zu verstehen, dass die Verwendung der genannten Stoffe auch in den Fällen gesetzlich vorgeschrieben ist, in denen eine bestimmte gesundheitsbezogene Angabe nur für Lebensmittel verwendet werden darf, die eine bestimmte, sogenannte signifikante Menge zumindest eines der genannten Stoffe enthalten?

37.

Schriftliche Erklärungen sind von den Parteien des Ausgangsverfahrens, der tschechischen, der französischen und der spanischen Regierung sowie der Europäischen Kommission eingereicht worden, die mit Ausnahme der tschechischen und spanischen Regierung in der Sitzung vom 13. Februar 2014 auch mündliche Ausführungen gemacht haben.

38.

Im Wesentlichen sind alle Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, mit Ausnahme von Herbaria der Auffassung, dass die erste Frage zu bejahen sei und dass es keine unionsrechtliche Vorschrift gebe, auf die sich Herbaria stützen könne. Herbaria ist entgegengesetzter Meinung, wirft jedoch auch die Frage nach den Einfuhren von Nahrungsergänzungsmitteln aus den Vereinigten Staaten von Amerika auf, die, wie sie behauptet, als ökologische/biologische Erzeugnisse gekennzeichnet werden dürften, auch wenn sie zugeführtes Eisen und Vitamine enthielten. Diese Frage, die vom vorlegenden Gericht nicht aufgeworfen wurde, ist in keiner der anderen Erklärungen behandelt worden. Sie ist jedoch in der Sitzung erörtert worden.

Würdigung

Auslegung der Rechtsvorschrift

39.

Die drei Fragen können zusammen dahin gehend neu gefasst werden, dass die Frage lautet, ob sich die in Art. 27 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 889/2008 enthaltene Wendung „in den Lebensmitteln, denen sie zugefügt werden, gesetzlich vorgeschrieben“ a) nur auf ein unmittelbares gesetzliches Erfordernis bezieht, aufgrund dessen ein oder mehrere der aufgeführten Stoffe in einem Nahrungsmittel enthalten sein müssen, wenn dieses überhaupt in Verkehr gebracht werden soll, unabhängig von irgendwelchen Erklärungen, die seine Eigenschaften oder seine beabsichtigte Verwendung betreffen, oder b) auch auf die Fälle, in denen das Lebensmittel als Nahrungsergänzungsmittel mit einer nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angabe oder für eine besondere Ernährung in Verkehr gebracht wird, aber nicht in Verkehr gebracht werden darf, wenn es nicht eine bestimmte Menge von einem oder mehreren dieser Stoffe enthält.

40.

Nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 834/2007 darf bei Erzeugnissen, die die Vorschriften der genannten Verordnung nicht erfüllen, nicht auf die ökologische/biologische Produktion Bezug genommen werden. Art. 23 Abs. 4 stellt klar, dass dieser Bezug bei verarbeiteten Lebensmitteln (und eine Fruchtsaftmischung mit Kräuterauszügen ist notwendigerweise ein verarbeitetes Lebensmittel) nur erlaubt ist, wenn das Lebensmittel die Anforderungen des Art. 19 erfüllt. Art. 19 Abs. 2 Buchst. b erlaubt den Zusatz u. a. von Mineralstoffen und Vitaminen nur, sofern diese gemäß Art. 21 für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion zugelassen worden sind. Art. 21 stellt allgemeine Zulassungskriterien für die Verwendung dieser Stoffe auf und überträgt der Kommission die Aufgabe, ein beschränktes Verzeichnis im Rahmen dieser Kriterien zu erstellen. Die allgemeinen Kriterien beinhalten, dass zugelassene Alternativen nicht zur Verfügung stehen und dass das Lebensmittel ohne den Stoff nicht hergestellt oder haltbar gemacht werden kann oder ernährungsspezifische Anforderungen, die aufgrund des Unionsrechts festgelegt wurden, nicht eingehalten werden können.

41.

Auf dieser Grundlage erstellte die Kommission in Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 889/2008 das beschränkte Verzeichnis der Stoffe, die bei der Verarbeitung von Lebensmitteln verwendet werden dürfen, die als ökologische/biologische Erzeugnisse in Verkehr gebracht werden. Nach Art. 27 Abs. 1 Buchst. f sind Mineralstoffe und Vitamine nur zugelassen, soweit ihre Verwendung gesetzlich vorgeschrieben ist.

42.

Die sprachliche Fassung der Vorschriften ( 14 ) macht deutlich, dass diese eng auszulegen sind – wie durch den 22. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 834/2007 bestätigt wird, wonach, um das Vertrauen der Verbraucher zu wahren, Ausnahmen von den Anforderungen an die ökologische/biologische Produktion unbedingt auf die gerechtfertigten Fälle begrenzt sein sollten.

43.

Ich zögere daher nicht, festzustellen, dass das Merkmal „gesetzlich vorgeschrieben“ in Art. 27 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 889/2008 eng auszulegen ist und nur den Fall betrifft, dass die Verwendung des Stoffes bei der Verarbeitung des betreffenden Lebensmittels unmittelbar gesetzlich vorgeschrieben ist.

44.

Es ist nicht vorgetragen worden, dass es im Unionsrecht oder in dem mit diesem vereinbaren nationalen Recht eine gesetzliche Vorschrift gibt, nach der eine Fruchtsaftmischung mit Kräuterauszügen, die bloß als – ökologisches/biologisches oder nichtökologisches/-biologisches – Lebensmittel angeboten wird, eine bestimmte Menge von Eisen oder eines bestimmten Vitamins enthalten muss.

45.

Es könnte jedoch unter bestimmten Umständen die Auffassung vertreten werden, dass für dieses Erzeugnis ein Gehalt an bestimmten Mineralstoffen oder Vitaminen in bestimmten Mengen gesetzlich vorgeschrieben ist, wenn es als Nahrungsergänzungsmittel mit einer nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angabe oder als Lebensmittel für eine besondere Ernährung angeboten werden soll und das Vorhandensein dieser Mengen für eine solche Vermarktung erforderlich ist. Ich teile diese Auffassung jedoch nicht.

46.

Bezüglich der Nahrungsergänzungsmittel weist die Kommission darauf hin, dass Mindestmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln nach Art. 5 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2002/46 zwar festgesetzt werden könnten, eine solche Festsetzung jedoch bisher nicht erfolgt sei. Auch seien diese Mindestmengen in deutschen Rechtsvorschriften, soweit ersichtlich, nicht festgesetzt worden ( 15 ) – eine Frage, über die nur das Verwaltungsgericht entscheiden kann. Selbst wenn Mindestmengen festgesetzt worden wären, wären die Hersteller dadurch nicht verpflichtet, ihren Erzeugnissen bestimmte Mineralstoffe oder Vitamine zuzusetzen. Sie wären dadurch nur gehindert, die Erzeugnisse als Nahrungsergänzungsmittel mit dem fraglichen Stoff bzw. den fraglichen Stoffen zu vermarkten, wenn sie nicht die Mindestmenge bzw. Mindestmengen enthalten.

47.

Bezüglich der nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben ergibt sich aus den oben in den Nrn. 9 und 14 dargelegten Bestimmungen der Verordnung Nr. 1924/2006 und der Verordnung Nr. 432/2012, dass die Angaben für Blutquick nur zulässig sind, wenn Eisen und Vitamine in ihnen in signifikanter Menge enthalten sind. Wie die Kommission wiederum ausführt, ist jedoch die Angabe im Sinne der Verordnung Nr. 1924/2006 nach dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht gerade nicht zwingend vorgeschrieben. Auch die fraglichen Bestimmungen enthalten somit kein gesetzliches Erfordernis bezüglich des Inhalts der betreffenden Lebensmittel. Sie legen vielmehr die Voraussetzungen fest, unter denen nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben gemacht werden können.

48.

Bezüglich schließlich der Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, geht erstens aus den Gerichtsakten nicht hervor, dass Blutquick unter den Begriff dieser Lebensmittel nach Art. 1 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2009/39 fällt, obwohl das Erzeugnis sich u. a. an Mütter während der Stillzeit und unter Erschöpfungszuständen leidende Personen richtet, von denen angenommen werden kann, dass sie sich „in besonderen physiologischen Umständen befinden und deshalb einen besonderen Nutzen aus der kontrollierten Aufnahme bestimmter in der Nahrung enthaltener Stoffe ziehen können“. Jedoch darf, wie die französische Regierung ausführt, ein Stoff für besondere Ernährungszwecke in jedem Fall nur hinzugefügt werden, wenn „dies durch besondere Vorschriften in den einschlägigen Einzelrichtlinien festgelegt [wurde], gegebenenfalls mit den entsprechenden quantitativen Bedingungen“ ( 16 ). Auch hier wiederum besteht keine Verpflichtung, eine Fruchtsaftmischung z. B. als Lebensmittel, das für eine besondere Ernährung bestimmt ist, in Verkehr zu bringen, sondern nur das Verbot, sie als ein solches Lebensmittel in Verkehr zu bringen, wenn die Erfordernisse der Richtlinie 2009/39 und der Verordnung Nr. 953/2009 nicht erfüllt sind.

49.

Kurz gesagt handelt es sich bei allen in dem Vorabentscheidungsersuchen oder von Herbaria angeführten Fällen, in denen die Zufuhr von Mineralstoffen und/oder Vitaminen als „gesetzlich vorgeschrieben“ angesehen werden könnte, in Wirklichkeit um solche, in denen der Hersteller gehindert ist, das Erzeugnis als ein Nahrungsergänzungsmittel mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben oder als Lebensmittel, das für eine besondere Ernährung bestimmt ist, in Verkehr zu bringen, sofern nicht ein bestimmter Mineralstoff- oder Vitamingehalt vorhanden ist. Da gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, ein Erzeugnis unter diesen Bedingungen in Verkehr zu bringen, müsste Art. 27 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 889/2008 unzulässig weit ausgelegt werden, um diese Sachverhalte unter diese Vorschrift zu subsumieren und auf dieser Grundlage die Verwendung von Mineralstoffen und/oder Vitaminen bei der Verarbeitung von Lebensmitteln zuzulassen, die als ökologische/biologische Erzeugnisse in den Verkehr gebracht werden sollen.

50.

Beim gegenwärtigen Stand des Rechts ( 17 ) scheint mir dies die einzig mögliche kohärente Auslegung zu sein.

51.

Ich räume ein, dass das WTO-Rechtsmittelgremium im Rahmen des Übereinkommens über technische Handelshemmnisse ( 18 ) die Auffassung vertreten hat, dass das Erfordernis, für die Kennzeichnung eines Thunfisch-Erzeugnisses mit der Angabe „Thunfischfänge ohne Gefährdung von Delphinen“ (ein dem vorliegenden Fall nicht unähnlicher Sachverhalt) bestimmte Voraussetzungen einzuhalten, zwingend im Sinne von Anhang 1.1 des Übereinkommens sei, auch wenn das Erzeugnis ohne diese Kennzeichnung in Verkehr gebracht werden könnte ( 19 ).

52.

Die Umstände des vorliegenden Falls sind jedoch komplexer als die, die das WTO-Rechtsmittelgremium prüfte. Vorliegend geht es nicht einfach darum, für die Verwendung einer bestimmten Erklärung auf dem Etikett bestimmte Voraussetzungen einzuhalten. Es geht vielmehr darum, für die Verwendung einer Kombination von Erklärungen auf dem Etikett zwei oder mehr Erfordernisse, die nicht unbedingt alle gleichzeitig erfüllt werden können, miteinander in Einklang zu bringen.

53.

Nach dem Unionsrecht müssen für die Vermarktung eines Produkts als ökologisches/biologisches Erzeugnis bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Andere Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um es als Nahrungsergänzungsmittel mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben oder als Lebensmittel, das für eine bestimmte Ernährung bestimmt ist, zu vermarkten. Um es sowohl als ökologisch/biologisch als auch als ein Nahrungsergänzungsmittel mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben oder als Lebensmittel, das für eine bestimmte Ernährung bestimmt ist, zu vermarkten, müssen alle einschlägigen Voraussetzungen erfüllt sein. Es gibt jedoch keine gesetzliche Bestimmung, die die Vermarktung eines Produkts auf eine dieser Arten vorschreibt. Wenn die einschlägigen Voraussetzungen für eine Vermarktung, die die Vermarktungsmöglichkeiten miteinander kombiniert, nicht alle gleichzeitig erfüllt werden können, muss sich der Hersteller entscheiden, wie das Erzeugnis vermarket werden soll, und folglich prüfen, welche Voraussetzungen einzuhalten sind. Wie die französische Regierung darlegt, würde ein gegenteiliger Standpunkt den Herstellern erlauben, Erzeugnisse, die nicht zugelassene, nicht aus Produkten aus biologischer Landwirtschaft gewonnene Stoffe enthalten, als ökologisch/biologisch in Verkehr zu bringen, indem sie zusätzlich zum Hinweis auf ökologischen Landbau einfach weitere Angaben machen, die ohne Zuführung dieser Stoffe nicht gemacht werden dürften.

54.

Herbaria trägt demgegenüber vor, dass das in Art. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 834/2007 genannte Ziel der Herstellung einer „reichen Vielfalt“ an ökologischen/biologischen Lebensmitteln und Erzeugnissen, die der Nachfrage der Verbraucher entsprechen, die Möglichkeit voraussetze, Bioprodukte in sämtlichen Lebensmittelkategorien zur Befriedigung dieser Nachfrage herzustellen, einschließlich Nahrungsergänzungsmitteln, Diätprodukten und gewöhnlichen Lebensmitteln mit nährwert- oder mit gesundheitsbezogenen Angaben.

55.

Dieses Argument überzeugt mich nicht. Das in Rede stehende Ziel schließt selbstverständlich die Vermarktung von Bioerzeugnissen in den genannten Kategorien ein. Es schließt jedoch nicht ein, dass Erzeugnisse in diesen Kategorien als ökologisch/biologisch vermarktet werden, wenn sie nicht die Voraussetzungen für ihre Vermarktung als ökologische/biologische Erzeugnisse erfüllen.

56.

Ich bin daher der Ansicht, dass sich die Wendung „in den Lebensmitteln, denen sie zugefügt werden, gesetzlich vorgeschrieben“ in Art. 27 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 889/2008 nur auf ein unmittelbares gesetzliches Erfordernis bezieht, aufgrund dessen ein oder mehrere der aufgeführten Stoffe in einem Nahrungsmittel enthalten sein müssen, wenn dieses überhaupt in Verkehr gebracht werden soll. Sie erstreckt sich nicht auf die Fälle, in denen das Lebensmittel als Nahrungsergänzungsmittel mit einer nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angabe oder als Lebensmittel für eine besondere Ernährung in Verkehr gebracht wird, aber nicht in Verkehr gebracht werden darf, wenn es nicht eine bestimmte Menge von einem oder mehreren dieser Stoffe enthält.

Unterschiedliche Behandlung im Vergleich zu Einfuhren aus den Vereinigten Staaten von Amerika

57.

In ihren schriftlichen Erklärungen trägt Herbaria vor, dass nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 126/2012 (mit der ein Briefwechsel zwischen der Kommission und dem US-Landwirtschaftsministerium umgesetzt wurde) Lebensmittel, die in den Vereinigten Staaten von Amerika hergestellt würden, in der Europäischen Union als Bioprodukte vermarktet werden dürften, auch wenn sie Vitamine und Mineralstoffe enthielten, die nicht aus Produkten aus biologischer Landwirtschaft gewonnen würden, da eine solche Kennzeichnung in den Vereinigten Staaten von Amerika nach § 205.605 des Titels 7 (Agriculture) des Electronic Code of Federal Regulations ( 20 ) zulässig sei. Herbaria führt ein angeblich mit Blutquick vergleichbares US-amerikanisches Produkt an (Organic Life Vitamins), das in der Europäischen Union vermarktet werde, obwohl es nicht aus Produkten aus biologischer Landwirtschaft gewonnene Vitamine und Mineralstoffe enthalte. Wenn Blutquick nicht in der gleichen Weise vermarktet werden könne, wäre dies eine Verletzung des Rechts von Herbaria auf Gleichbehandlung.

58.

Auf Ersuchen des Gerichtshofs befassten sich die mündlichen Ausführungen in der Sitzung im Wesentlichen mit dieser Frage.

59.

Die genannte Frage kann von immenser Bedeutung sein. Sie verweist in einem eher begrenzten Kontext auf eine Fragestellung, die im Rahmen der gegenwärtig zwischen der Kommission – im Namen der Europäischen Union – und dem US-Handelsbeauftragten – im Namen der Vereinigten Staaten von Amerika – verhandelten Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (im Folgenden: THIP) ( 21 ) voraussichtlich in den Vordergrund rücken wird. Es handelt sich um das Problem der „gegenseitigen Anerkennung“, das Fragen nach der Gleichbehandlung und gegebenenfalls der umgekehrten Diskriminierung aufwirft. Wenn die Europäische Union die Einfuhr und den nachfolgenden Verkauf von als ökologisch/biologisch gekennzeichneten Lebensmitteln zulassen muss, die nicht den Rechtsvorschriften der Europäischen Union entsprechen, sondern nur mit gleichwertigen Garantien versehen sind, stellt sich die Frage, ob es nicht auch zulässig sein muss, Lebensmittel als ökologische/biologische Produkte zu vermarkten, die in der Europäischen Union erzeugt wurden und den Anforderungen der Rechtsvorschriften, die diese gleichwertigen Garantien vorsehen, entsprechen. Im Hinblick auf die THIP wurde die Sorge geäußert, dass dies u. a. eine De-facto-Assimilation großer Teile der normativen Maßnahmen und einen damit einhergehenden Verlust an Regelungsautonomie bedeuten würde.

60.

Es gibt meines Erachtens jedoch triftige Gründe, weshalb sich der Gerichtshof im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht mit diesen Fragen befassen sollte.

61.

Erstens und vor allem hat das Verwaltungsgericht um keine Erläuterungen zu dieser Frage gebeten – obwohl es sich nach den Erklärungen des Vertreters von Herbaria in der Sitzung um eine Frage handelt, die im nationalen Verfahren aufgeworfen und erörtert wurde. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es allein Sache des nationalen Gerichts, das den Rechtsstreit zu entscheiden hat, im Hinblick auf den jeweiligen Einzelfall sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen ( 22 ). In diesem Zusammenhang muss es meines Erachtens auch, zumindest in erster Linie, Sache des nationalen Gerichts sein, zu beurteilen, ob eine vor ihm aufgeworfene Frage des Unionsrechts für den Erlass seines Urteils nicht entschieden zu werden braucht und daher im Interesse der Verfahrenseffizienz dem Gerichtshof nicht vorzulegen ist. Nach ständiger Rechtsprechung beruht das Vorabentscheidungsverfahren auf einem Dialog des einen mit dem anderen Gericht, und seine Einleitung hängt ausschließlich davon ab, wie das nationale Gericht die Erheblichkeit und die Notwendigkeit der Vorlage beurteilt ( 23 ).

62.

Der Umstand, dass das Verwaltungsgericht die von Herbaria aufgeworfene Frage nicht erwähnt hat, bedeutet unweigerlich, dass das Vorabentscheidungsersuchen nicht alle nach Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs erforderlichen Angaben in Bezug auf diese Frage enthält. Insbesondere enthält es keine Angaben zum Sachverhalt oder zu den Annahmen im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von Organic Life Vitamins mit Blutquick, den tatsächlichen Verkauf von Organic Life Vitamins in der Europäischen Union gemäß den in Art. 33 der Verordnung Nr. 834/2007 festgelegten Verfahren oder die mögliche Vereinbarkeit von Blutquick mit den US-amerikanischen Vorschriften, wenn Blutquick in den Vereinigten Staaten von Amerika hergestellt worden wäre. Auch enthält es natürlich keine Angaben zu den Gründen, weshalb eine Entscheidung über die Auslegung der Vorschriften über die Kennzeichnung und Vermarktung von ökologischen/biologischen Lebensmitteln, die aus den Vereinigten Staaten eingeführt werden, erforderlich sein könnte.

63.

Damit will ich das Verwaltungsgericht nicht kritisieren. Tatsächlich hat es deutlich in Kenntnis der Sachlage beschlossen, zu dem genannten Punkt keine Frage vorzulegen und demgemäß – völlig zu Recht – keine Begründung hierfür zu geben und keine sachverhaltsbezogenen Angaben zu machen. Sollte sich infolgedessen der Gerichtshof mit dieser Frage befassen, müsste er dies abstrakt tun, da er weder die Gründe, die das Verwaltungsgericht veranlassten, zu diesem Punkt nicht um Erläuterungen zu bitten, noch die tatsächliche und verfahrensmäßige Grundlage kennt, auf der diese Gründe in Frage gestellt werden könnten. Der Gerichtshof würde die Grenzen seiner Aufgabe überschreiten, wenn er beschlösse, über eine Frage von hypothetischer Natur zu entscheiden, ohne über die erforderlichen tatsächlichen und rechtlichen Angaben zu verfügen ( 24 ). Die Beantwortung der von einer Partei des Ausgangsverfahrens aufgeworfenen Frage ohne Einverständnis des vorlegenden Gerichts würde die Grenzen dieser Aufgabe meines Erachtens in noch stärkerem Maße überschreiten.

64.

Die Behandlung einer Frage, die im Vorabentscheidungsersuchen nicht angesprochen wurde – und die nicht einmal eine natürliche oder logische Extrapolation der im Vorabentscheidungsersuchen dargelegten Fragen darstellt –, sondern nur in den Erklärungen einer Partei des Ausgangsverfahrens aufgeworfen wurde, würde den Mitgliedstaaten zudem die ihnen nach Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs zustehenden Rechte auf Information über den Gegenstand der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen und auf Abgabe von schriftlichen Erklärungen zu diesen Fragen teilweise nehmen. Zwar kann ein Mitgliedstaat beantragen, in der Sitzung mündliche Erklärungen zu den Punkten abzugeben, die in den schriftlichen Erklärungen vorgetragen wurden. Zum einen jedoch hat der Mitgliedstaat diese Erklärungen möglicherweise nicht in seiner eigenen Amtssprache erhalten, wohingegen das Vorabentscheidungsersuchen oder zumindest die Zusammenfassung des Ersuchens stets in alle Amtssprachen der Europäischen Union übersetzt wird, und zum anderen steht in der Sitzung nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung, und es ist vielleicht nicht möglich, seinen Standpunkt in der Sitzung so umfassend und sachgerecht vorzutragen, wie wenn er schriftlich vorgetragen worden wäre.

65.

Zweitens betrifft das Ausgangsverfahren, wie die Kommission in der Sitzung ausgeführt hat, die Anfechtung eines Bescheids der bayerischen Behörden vom Dezember 2011, dessen Rechtsgültigkeit daher vermutlich nach dem damals geltenden Gesetz zu prüfen ist. Nach Art. 3 der Verordnung Nr. 126/2012, auf die Herbaria ihre Ausführungen stützt, gilt die Verordnung erst ab 1. Juni 2012. Somit kann es in dem offenbar entscheidungserheblichen Zeitraum keine Lebensmittel aus den Vereinigten Staaten von Amerika gegeben haben, die einerseits nicht aus Produkten aus biologischer Landwirtschaft gewonnene Mineralstoffe und Vitamine enthielten, andererseits jedoch für die Vermarktung als ökologisch/biologisch zugelassen waren, worauf Herbaria die Rüge einer Ungleichbehandlung hätte stützen können.

66.

Unter diesen Umständen möchte ich empfehlen, dass der Gerichtshof nicht versuchen sollte, sich mit der von Herbaria im vorliegenden Verfahren aufgeworfenen ergänzenden Frage zu befassen. Sollte der Gerichtshof dies gleichwohl für angebracht halten, bin ich der Ansicht, dass er das Verwaltungsgericht zunächst um Klarstellung gemäß Art. 101 der Verfahrensordnung ersuchen und danach gegebenenfalls das mündliche Verfahren gemäß Art. 83 der Verfahrensordnung wiedereröffnen sollte, um jedem betroffenen Mitgliedstaat die Möglichkeit zu einer Stellungnahme unter Berücksichtigung dieser Klarstellung zu geben.

Ergebnis

67.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, das Vorabentscheidungsersuchen wie folgt zu beantworten:

Art. 27 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung (EG) Nr. 889/2008 der Kommission vom 5. September 2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates ist dahin auszulegen, dass die Verwendung der genannten Stoffe nur dann gesetzlich vorgeschrieben ist, wenn eine unionsrechtliche oder mit dem Unionsrecht vereinbare nationale Vorschrift für das Lebensmittel, dem die genannten Stoffe zugefügt werden sollen, die Zugabe der genannten Stoffe unmittelbar vorschreibt oder zumindest einen Mindestgehalt für die genannten Stoffe vorgibt, bevor das Lebensmittel in Verkehr gebracht wird.

Dieses gesetzliche Erfordernis besteht nicht, wenn das Inverkehrbringen eines Lebensmittels als Nahrungsergänzungsmittel mit nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben oder als Lebensmittel für eine besondere Ernährung ohne die Zufügung eines oder mehrerer der genannten Stoffe irreführend und verbrauchertäuschend wäre, weil das Lebensmittel wegen zu geringer Konzentration eines oder mehrerer der genannten Stoffe seinen Widmungszweck als Nahrungsmittel bzw. seinen mit der nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angabe zum Ausdruck gebrachten Widmungszweck nicht erfüllen kann. Auch besteht dieses Erfordernis nicht, wenn eine bestimmte nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe nur für Lebensmittel verwendet werden darf, die eine „signifikante“ Menge des oder der genannten Stoffe enthalten.


( 1 )   Originalsprache: Englisch.

( 2 )   Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel (ABl. L 183, S. 51) in der geänderten Fassung.

( 3 )   Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. L 404, S. 9).

( 4 )   Richtlinie 90/496/EWG des Rates vom 24. September 1990 über die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln (ABl. L 276, S. 40). In Anhang I heißt es: „In der Regel sollte eine Menge von 15 % der in diesem Anhang angegebenen empfohlenen Tagesdosis in 100 g oder 100 ml oder in einer Packung, sofern die Packung nur eine einzige Portion enthält, bei der Festsetzung der signifikanten Menge berücksichtigt werden.“ Für eine Reihe von Stoffen, darunter Eisen und verschiedene Vitamine, die angeblich in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Produkt enthalten sind, werden empfohlene Tagesdosen (Recommended Daily Allowances, im Folgenden: RDA) festgesetzt.

( 5 )   Verordnung (EU) Nr. 432/2012 der Kommission vom 16. Mai 2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern (ABl. L 136, S. 1).

( 6 )   Richtlinie 2009/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind (Neufassung) (ABl. L 124, S. 21).

( 7 )   Verordnung (EG) Nr. 953/2009 der Kommission vom 13. Oktober 2009 über Stoffe, die Lebensmitteln für eine besondere Ernährung zu besonderen Ernährungszwecken zugefügt werden dürfen (ABl. L 269, S. 9).

( 8 )   Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 (ABl. L 189, S. 1).

( 9 )   Der Anhang führt für jede der (jetzt) 25 in der Europäischen Union benutzten Sprachen (die 24 Amtssprachen plus Luxemburgisch) einen oder zwei Begriffe an, die fast alle die Bedeutung von „biologisch“, „ökologisch“ oder „organisch“ haben (ausgenommen Estnisch, in dem ein Wort benutzt werden kann, das offenbar „mild“ bedeutet, und Finnisch, in dem das benutzte Wort eher „natürlich“ bedeutet).

( 10 )   Verordnung (EG) Nr. 889/2008 der Kommission vom 5. September 2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates (ABl. L 250, S. 1).

( 11 )   Verordnung (EG) Nr. 1235/2008 der Kommission vom 8. Dezember 2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates hinsichtlich der Regelung der Einfuhren von ökologischen/biologischen Erzeugnissen aus Drittländern (ABl. L 334, S. 25).

( 12 )   Durchführungsverordnung (EU) Nr. 127/2012 der Kommission vom 14. Februar 2012 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 889/2008 hinsichtlich der Bescheinigungen und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1235/2008 hinsichtlich der Sonderregelung für die Einfuhr von ökologischen/biologischen Erzeugnissen aus den Vereinigten Staaten von Amerika (ABl. L 41, S. 5).

( 13 )   Hier wird offensichtlich Bezug genommen auf ein nationales Dokument mit dem Titel „Toxikologische und ernährungsphysiologische Aspekte der Verwendung von Mineralstoffen und Vitaminen in Lebensmitteln“, das 2002 oder 2004 vom deutschen Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin veröffentlicht wurde und das eine Reihe von Empfehlungen für zukünftige Gesetzesvorhaben ausspricht. Siehe auch oben, Fn. 4.

( 14 )   Vgl. auch Art. 6 der Verordnung Nr. 834/2007, oben in Nr. 22 angeführt, in dem Worte verwendet werden wie „Beschränkung“, „auf ein Minimum“, „wesentliches“ und „Ausschluss“.

( 15 )   Das Verwaltungsgericht stellt fest, dass Blutquick kein Erzeugnis im Sinne der Diätverordnung sei (vgl. oben, Nr. 33). In einem Dokument, das im Vorlagebeschluss ebenfalls erwähnt wird (vgl. oben, Fn. 13), wird vorgeschlagen, dass zum Schutz der Verbraucher vor einer Täuschung der Mindestgehalt an Mineralstoffen in Nahrungsergänzungsmitteln so bemessen sein müsse, dass mit der vom Hersteller angegebenen Tagesverzehrmenge 15 % der jeweils empfohlenen Höchstmenge erreicht würden, doch gibt es keinen Hinweis darauf, dass diesem Vorschlag gefolgt wurde.

( 16 )   Vgl. oben, Nr. 19.

( 17 )   Ich werde mich nicht mit der Frage befassen, ob es möglich sein sollte, dass ein Erzeugnis mit dem Hinweis auf ökologischen Landbau unter den Umständen des Ausgangsverfahrens in Verkehr gebracht wird; dies ist allein Sache des Gesetzgebers.

( 18 )   Anhang 1A mit den multilateralen Handelsübereinkünften der Uruguay-Runde (ABl. 1994, L 336, S. 86, im Folgenden: TBT‑Übereinkommen).

( 19 )   Bericht des Rechtsmittelgremiums vom 13. Juni 2012 im Streitfall United States – Measures Concerning the Importation, Marketing and Sale of Tuna and Tuna Products, WT/DS381/AB/R, insbesondere Nr. 196.

( 20 )   http://www.ecfr.gov.

( 21 )   Vgl. http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/july/tradoc_151605.pdf bezüglich einer kurzen Zusammenfassung. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2.7 des TBT‑Übereinkommens (oben in Fn. 18 angeführt) die Mitglieder „wohlwollend die Anerkennung der Gleichwertigkeit technischer Vorschriften anderer Mitglieder [prüfen], selbst wenn sich diese Vorschriften von ihren eigenen unterscheiden, sofern sie sich davon überzeugt haben, dass durch diese Vorschriften die Ziele ihrer eigenen Vorschriften angemessen erreicht werden“.

( 22 )   Vgl. jüngst Urteil vom 5. Dezember 2013, Nordecon und Ramboll Eesti (C‑561/12, EU:C:2013:793, Rn. 29).

( 23 )   Vgl. jüngst Urteil vom 15. Januar 2013, Križan u. a. (C‑416/10, EU:C:2013:8, Rn. 66).

( 24 )   Vgl. jüngst als Beispiel für die ständige Rechtsprechung Beschluss vom 7. Oktober 2013, Società cooperativa Madonna dei miracoli (C‑82/13, EU:C:2013:655, Rn. 11 und 12 und die dort angeführte Rechtsprechung).