Rechtssache C‑617/12

Astrazeneca AB

gegen

Comptroller General of Patents, Designs and Trade Marks

(Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales], Chancery Division [Patents Court])

„Humanarzneimittel — Ergänzendes Schutzzertifikat — Verordnung (EG) Nr. 469/2009 — Art. 13 Abs. 1 — Begriff ‚erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft‘ — Vom Schweizerischen Heilmittelinstitut (Swissmedic) erteilte Genehmigung — Automatische Anerkennung in Liechtenstein — Von der Europäischen Arzneimittel-Agentur erteilte Genehmigung — Laufzeit eines Zertifikats“

Leitsätze – Beschluss des Gerichtshofs (Achte Kammer) vom 14. November 2013

  1. Rechtsangleichung – Einheitliche Rechtsvorschriften – Gewerbliches und kommerzielles Eigentum – Patentrecht – Ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel – Genehmigung für das Inverkehrbringen – Automatische Anerkennung einer schweizerischen Genehmigung für das Inverkehrbringen durch einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums – Berücksichtigung als erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft – Voraussetzungen

    (EWR-Abkommen, Anhang II in der durch Anhang 2 des Beschlusses Nr. 1/95 des EWR-Rates geänderten Fassung; Verordnung Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 13 Abs. 1)

  2. Rechtsangleichung – Einheitliche Rechtsvorschriften – Gewerbliches und kommerzielles Eigentum – Patentrecht – Ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel – Genehmigung für das Inverkehrbringen – Automatische Anerkennung einer schweizerischen Genehmigung für das Inverkehrbringen durch einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums – Berücksichtigung als erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft – Entscheidung der Europäischen Arzneimittel-Agentur, mit der die Gewährung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen für dasselbe Arzneimittel auf der Grundlage vergleichbarer klinischer Daten verweigert wird – Spätere Aussetzung der ursprünglichen Genehmigung bis zur Vorlage zusätzlicher Daten – Keine Auswirkung

    (EWR-Abkommen, Anhang II in der durch Anhang 2 des Beschlusses Nr. 1/95 des EWR-Rates geänderten Fassung; Verordnung Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 13 Abs. 1)

  1.  Art. 13 der Verordnung Nr. 469/2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel ist für die Anwendung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) so zu lesen, dass das ergänzende Schutzzertifikat ab Ablauf der gesetzlichen Laufzeit des Grundpatents für eine Dauer gilt, die dem Zeitraum zwischen der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen im Hoheitsgebiet eines der Staaten des EWR-Abkommens entspricht, abzüglich eines Zeitraums von fünf Jahren. Diese erste Genehmigung für das Inverkehrbringen im EWR soll nicht die Genehmigung nach Art. 3 Buchst. b dieser Verordnung ersetzen, sondern stellt eine zusätzliche Voraussetzung für den Fall dar, dass die letztgenannte Genehmigung nicht die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses als Arzneimittel im EWR ist. Die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Union dient somit einem rein zeitlichen Zweck.

    Das EWR-Abkommen, dessen Anhang II in der durch Anhang 2 des Beschlusses Nr. 1/95 über das Inkrafttreten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum für das Fürstentum Liechtenstein geänderten Fassung diesem erlaubt, parallel zu den gemeinschaftsrechtlichen Rechtsvorschriften schweizerische technische Vorschriften und Normen anzuwenden, die sich aus seiner regionalen Union mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft ergeben, lässt zu, dass im Fürstentum Liechtenstein zwei Arten von Genehmigungen für das Inverkehrbringen nebeneinander bestehen, nämlich zum einen die von den schweizerischen Behörden erteilten Genehmigungen, die in Liechtenstein automatisch anerkannt werden, und zum anderen die gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Rechtsvorschriften in Liechtenstein erteilten Genehmigungen.

    Eine Genehmigung für das Inverkehrbringen, die von den schweizerischen Behörden erteilt worden ist und in Liechtenstein im Rahmen seiner regionalen Union mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft automatisch anerkannt wird, kann als eine erste Genehmigung für das Inverkehrbringen im Sinne von Art. 13 der Verordnung Nr. 469/2009 angesehen werden, wenn sie vor der von der Europäischen Arzneimittel-Agentur gemäß der Verordnung Nr. 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen oder vor den von den für geistiges Eigentum zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats der Union gemäß der Richtlinie 2001/83 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel und den für geistiges Eigentum zuständigen Behörden der Republik Island oder des Königreichs Norwegen erteilten Genehmigungen für das Inverkehrbringen ergangen ist.

    Im Übrigen ist im Kontext des EWR Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 469/2009 dahin auszulegen, dass eine schweizerische verwaltungsrechtliche Genehmigung über das Inverkehrbringen, die automatisch in Liechtenstein anerkannt wird, als erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels im EWR im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, wenn diese Genehmigung vor den Genehmigungen für das Inverkehrbringen ergangen ist, die für dasselbe Arzneimittel entweder von der Europäischen Arzneimittel-Agentur oder von den Behörden der Mitgliedstaaten der Union gemäß den Erfordernissen der Richtlinie 2001/83 sowie von den Behörden der Republik Island und des Königreichs Norwegen erteilt wurden.

    (vgl. Randnrn. 38-41, 60 und Tenor)

  2.  Im Rahmen der Anwendung von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 469/2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel kann zum einen der Umstand, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur auf der Grundlage vergleichbarer klinischer Daten, die die Erteilung der schweizerischen Genehmigung für das Inverkehrbringen stützen, die Erteilung einer Genehmigung der Union für das Inverkehrbringen in Anbetracht der Erfordernisse der Richtlinie 2001/83 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel verweigert hat, nicht daran hindern, dass die schweizerische Genehmigung wegen ihrer automatischen Anerkennung in Liechtenstein wie eine gemäß der Richtlinie 2001/83 erteilte Genehmigung behandelt wird und als erste Genehmigung für das Inverkehrbringen im Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums anzusehen ist. Zum anderen ändert der Umstand, dass die ursprüngliche schweizerische Genehmigung für das Inverkehrbringen später ausgesetzt wurde, nichts an der Tatsache, dass der betroffene Wirtschaftsteilnehmer sein Produkt tatsächlich schon auf den Markt gebracht hat und hierfür über eine Genehmigung verfügte. Das in den Art. 3 und 13 der Verordnung Nr. 469/2009 aufgestellte Erfordernis, über eine Genehmigung für das Inverkehrbringen zu verfügen, hängt nämlich nicht davon ab, ob der Inhaber dieser Genehmigung für das Inverkehrbringen das fragliche Arzneimittel tatsächlich vermarkten konnte.

    Daher ist der Umstand irrelevant, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur auf der Grundlage vergleichbarer klinischer Daten im Gegensatz zur schweizerischen Behörde die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels nach Prüfung der Daten verweigert hat oder dass das Schweizerische Heilmittelinstitut die schweizerische Genehmigung ausgesetzt und erst später wieder in Kraft gesetzt hat, als der Inhaber der Genehmigung ihm zusätzliche Daten vorgelegt hat.

    (vgl. Randnrn. 54, 56, 60 und Tenor)


Rechtssache C‑617/12

Astrazeneca AB

gegen

Comptroller General of Patents, Designs and Trade Marks

(Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales], Chancery Division [Patents Court])

„Humanarzneimittel — Ergänzendes Schutzzertifikat — Verordnung (EG) Nr. 469/2009 — Art. 13 Abs. 1 — Begriff ‚erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft‘ — Vom Schweizerischen Heilmittelinstitut (Swissmedic) erteilte Genehmigung — Automatische Anerkennung in Liechtenstein — Von der Europäischen Arzneimittel-Agentur erteilte Genehmigung — Laufzeit eines Zertifikats“

Leitsätze – Beschluss des Gerichtshofs (Achte Kammer) vom 14. November 2013

  1. Rechtsangleichung — Einheitliche Rechtsvorschriften — Gewerbliches und kommerzielles Eigentum — Patentrecht — Ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel — Genehmigung für das Inverkehrbringen — Automatische Anerkennung einer schweizerischen Genehmigung für das Inverkehrbringen durch einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums — Berücksichtigung als erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft — Voraussetzungen

    (EWR-Abkommen, Anhang II in der durch Anhang 2 des Beschlusses Nr. 1/95 des EWR-Rates geänderten Fassung; Verordnung Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 13 Abs. 1)

  2. Rechtsangleichung — Einheitliche Rechtsvorschriften — Gewerbliches und kommerzielles Eigentum — Patentrecht — Ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel — Genehmigung für das Inverkehrbringen — Automatische Anerkennung einer schweizerischen Genehmigung für das Inverkehrbringen durch einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums — Berücksichtigung als erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft — Entscheidung der Europäischen Arzneimittel-Agentur, mit der die Gewährung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen für dasselbe Arzneimittel auf der Grundlage vergleichbarer klinischer Daten verweigert wird — Spätere Aussetzung der ursprünglichen Genehmigung bis zur Vorlage zusätzlicher Daten — Keine Auswirkung

    (EWR-Abkommen, Anhang II in der durch Anhang 2 des Beschlusses Nr. 1/95 des EWR-Rates geänderten Fassung; Verordnung Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 13 Abs. 1)

  1.  Art. 13 der Verordnung Nr. 469/2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel ist für die Anwendung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) so zu lesen, dass das ergänzende Schutzzertifikat ab Ablauf der gesetzlichen Laufzeit des Grundpatents für eine Dauer gilt, die dem Zeitraum zwischen der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen im Hoheitsgebiet eines der Staaten des EWR-Abkommens entspricht, abzüglich eines Zeitraums von fünf Jahren. Diese erste Genehmigung für das Inverkehrbringen im EWR soll nicht die Genehmigung nach Art. 3 Buchst. b dieser Verordnung ersetzen, sondern stellt eine zusätzliche Voraussetzung für den Fall dar, dass die letztgenannte Genehmigung nicht die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses als Arzneimittel im EWR ist. Die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Union dient somit einem rein zeitlichen Zweck.

    Das EWR-Abkommen, dessen Anhang II in der durch Anhang 2 des Beschlusses Nr. 1/95 über das Inkrafttreten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum für das Fürstentum Liechtenstein geänderten Fassung diesem erlaubt, parallel zu den gemeinschaftsrechtlichen Rechtsvorschriften schweizerische technische Vorschriften und Normen anzuwenden, die sich aus seiner regionalen Union mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft ergeben, lässt zu, dass im Fürstentum Liechtenstein zwei Arten von Genehmigungen für das Inverkehrbringen nebeneinander bestehen, nämlich zum einen die von den schweizerischen Behörden erteilten Genehmigungen, die in Liechtenstein automatisch anerkannt werden, und zum anderen die gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Rechtsvorschriften in Liechtenstein erteilten Genehmigungen.

    Eine Genehmigung für das Inverkehrbringen, die von den schweizerischen Behörden erteilt worden ist und in Liechtenstein im Rahmen seiner regionalen Union mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft automatisch anerkannt wird, kann als eine erste Genehmigung für das Inverkehrbringen im Sinne von Art. 13 der Verordnung Nr. 469/2009 angesehen werden, wenn sie vor der von der Europäischen Arzneimittel-Agentur gemäß der Verordnung Nr. 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen oder vor den von den für geistiges Eigentum zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats der Union gemäß der Richtlinie 2001/83 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel und den für geistiges Eigentum zuständigen Behörden der Republik Island oder des Königreichs Norwegen erteilten Genehmigungen für das Inverkehrbringen ergangen ist.

    Im Übrigen ist im Kontext des EWR Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 469/2009 dahin auszulegen, dass eine schweizerische verwaltungsrechtliche Genehmigung über das Inverkehrbringen, die automatisch in Liechtenstein anerkannt wird, als erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels im EWR im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, wenn diese Genehmigung vor den Genehmigungen für das Inverkehrbringen ergangen ist, die für dasselbe Arzneimittel entweder von der Europäischen Arzneimittel-Agentur oder von den Behörden der Mitgliedstaaten der Union gemäß den Erfordernissen der Richtlinie 2001/83 sowie von den Behörden der Republik Island und des Königreichs Norwegen erteilt wurden.

    (vgl. Randnrn. 38-41, 60 und Tenor)

  2.  Im Rahmen der Anwendung von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 469/2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel kann zum einen der Umstand, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur auf der Grundlage vergleichbarer klinischer Daten, die die Erteilung der schweizerischen Genehmigung für das Inverkehrbringen stützen, die Erteilung einer Genehmigung der Union für das Inverkehrbringen in Anbetracht der Erfordernisse der Richtlinie 2001/83 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel verweigert hat, nicht daran hindern, dass die schweizerische Genehmigung wegen ihrer automatischen Anerkennung in Liechtenstein wie eine gemäß der Richtlinie 2001/83 erteilte Genehmigung behandelt wird und als erste Genehmigung für das Inverkehrbringen im Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums anzusehen ist. Zum anderen ändert der Umstand, dass die ursprüngliche schweizerische Genehmigung für das Inverkehrbringen später ausgesetzt wurde, nichts an der Tatsache, dass der betroffene Wirtschaftsteilnehmer sein Produkt tatsächlich schon auf den Markt gebracht hat und hierfür über eine Genehmigung verfügte. Das in den Art. 3 und 13 der Verordnung Nr. 469/2009 aufgestellte Erfordernis, über eine Genehmigung für das Inverkehrbringen zu verfügen, hängt nämlich nicht davon ab, ob der Inhaber dieser Genehmigung für das Inverkehrbringen das fragliche Arzneimittel tatsächlich vermarkten konnte.

    Daher ist der Umstand irrelevant, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur auf der Grundlage vergleichbarer klinischer Daten im Gegensatz zur schweizerischen Behörde die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels nach Prüfung der Daten verweigert hat oder dass das Schweizerische Heilmittelinstitut die schweizerische Genehmigung ausgesetzt und erst später wieder in Kraft gesetzt hat, als der Inhaber der Genehmigung ihm zusätzliche Daten vorgelegt hat.

    (vgl. Randnrn. 54, 56, 60 und Tenor)