9.6.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 165/11


Vorabentscheidungsersuchen des Audiencia Nacional (Spanien), eingereicht am 9. März 2012 — Google Spain, S.L., Google, Inc./Agencia de Protección de Datos (AEPD), Mario Costeja González

(Rechtssache C-131/12)

2012/C 165/18

Verfahrenssprache: Spanisch

Vorlegendes Gericht

Audiencia Nacional

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kläger: Google Spain, S.L., Google, Inc.

Beklagte: Agencia de Protección de Datos (AEPD), Mario Costeja González

Vorlagefragen

1.

In Bezug auf den räumlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46 (1) und demzufolge der spanischen Datenschutzbestimmungen:

1.1.

Besteht eine „Niederlassung“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46, wenn eine oder mehrere der nachstehenden Fallgestaltungen vorliegen:

wenn ein Suchmaschinenbetreiber in einem Mitgliedstaat eine Niederlassung oder eine Tochtergesellschaft für die Vermarktung und den Verkauf von Werbeflächen der Suchmaschine einrichtet, deren Tätigkeit sich an die Bewohner dieses Staats richtet,

wenn das Mutterunternehmen eine Tochtergesellschaft in diesem Staat als ihre Vertreterin und Verantwortliche für zwei konkrete Dateien, auf denen die Daten von Kunden gespeichert sind, die mit ihm Werbeverträge abgeschlossen haben, benennt

oder

wenn die Niederlassung oder die Tochtergesellschaft in einem Mitgliedstaat die an sie gerichteten Anträge oder Ersuchen der Betroffenen und der für den Datenschutz zuständigen Behörden an das Mutterunternehmen, das seinen Sitz außerhalb der Europäischen Union hat, weiterleitet, auch wenn diese Zusammenarbeit freiwillig erfolgt?

1.2.

Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen, dass ein „Rückgriff“ auf „Mittel, die im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats belegen sind“, gegeben ist,

wenn eine Suchmaschine Spider oder Robots einsetzt, um Informationen auf Websites, die auf Servern in diesem Mitgliedstaat gehostet werden, zu lokalisieren und zu indexieren,

oder

ein länderspezifisches Domain eines Mitgliedstaats benutzt und die Suchvorgänge und die Ergebnisse anhand der Sprache dieses Mitgliedstaats steuert?

1.3.

Kann die vorübergehende Speicherung der durch die Internetsuchmaschinen indexierten Informationen als Rückgriff auf Mittel im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 95/46 betrachtet werden? Sollte die letzte Frage bejaht werden: Kann davon ausgegangen werden, dass dieses Anknüpfungskriterium erfüllt ist, wenn sich das Unternehmen unter Berufung auf Wettbewerbsgründe weigert, den Ort offen zu legen, an dem es diese Indexe speichert?

1.4.

Unabhängig von der Antwort auf die vorstehenden Fragen und insbesondere für den Fall, dass der Gerichtshof der Auffassung ist, dass die in Art. 4 der Richtlinie vorgesehenen Anknüpfungskriterien nicht vorliegen:

Ist im Licht des Art. 8 der Europäischen Grundrechtecharta die Datenschutzrichtlinie 95/46 in dem Mitgliedstaat anzuwenden, in dem der Schwerpunkt des Konflikts angesiedelt ist und ein wirksamer Schutz der Rechte der Bürger der Europäischen Union möglich ist?

2.

In Bezug auf die Tätigkeit der Suchmaschinen als Provider von Inhalten in Verbindung mit der Datenschutzrichtlinie 95/46:

2.1.

Im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Suchmaschine des Unternehmens „Google“ im Internet als Provider von Inhalten, die darin besteht, nach Informationen zu suchen, die Dritte im Internet veröffentlicht oder gespeichert haben, sie automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und sie schließlich den Nutzern des Internets mit einer gewissen Rangfolge zur Verfügung zu stellen, wenn diese Informationen personenbezogene Daten Dritter enthalten:

Fällt eine derartige Tätigkeit unter den Begriff „Datenverarbeitung“ in Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46?

2.2.

Sollte die vorstehende Frage — immer im Zusammenhang mit einer Tätigkeit wie der zuvor beschriebenen — bejaht werden: Ist Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen, dass das Unternehmen, das die Suchmaschine „Google“ betreibt, als „für die Verarbeitung Verantwortlicher“ hinsichtlich der personenbezogenen Daten auf den Websites, die es indexiert, betrachtet werden kann?

2.3.

Sollte die vorstehende Frage bejaht werden: Kann die nationale Kontrollstelle (im vorliegenden Fall die Agencia Española de Protección de Datos) zum Schutz der durch Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Buchst. a der Richtlinie 95/46 gewährleisteten Rechte den Betreiber der Suchmaschine des Unternehmens „Google“ unmittelbar auffordern, von Dritten veröffentlichte Informationen aus seinen Dateien zu entfernen, ohne sich zuvor oder gleichzeitig an den Betreiber der Website, die diese Informationen enthält, wenden zu müssen?

2.4.

Sollte die letzte Frage bejaht werden: Entfällt die Verpflichtung der Suchmaschinenbetreiber zum Schutz dieser Rechte, wenn die Informationen, die personenbezogene Daten enthalten, von Dritten rechtmäßig veröffentlicht wurden und in der Ursprungswebsite weiterhin enthalten sind?

3.

Zur Reichweite des Rechts auf Löschung und Widerspruch in Verbindung mit dem Recht auf Vergessen stellt sich folgende Frage:

3.1.

Kann davon ausgegangen werden, dass die in Art. 12 Buchst. b der Richtlinie 95/46 geregelten Rechte auf Löschung und Sperrung der Daten sowie das in Art. 14 Buchst. a der Richtlinie vorgesehene Widerspruchsrecht beinhalten, dass sich die betroffene Person an die Suchmaschinenbetreiber wenden kann, um die Indexierung auf sie bezogener Informationen zu verhindern, die auf Websites von Dritten veröffentlicht sind, und sie sich hierzu auf ihren Willen berufen kann, dass sie den Internetnutzern nicht bekannt werden, wenn sie der Ansicht ist, dass sie ihr schaden könnten, oder sie sich wünscht, dass sie vergessen werden, selbst wenn es sich um Informationen handelt, die von Dritten rechtmäßig veröffentlicht wurden?


(1)  des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31).