URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

13. Januar 2015 ( *1 )

„Rechtsmittel — Richtlinie 2008/50/EG — Richtlinie über Luftqualität und saubere Luft für Europa — Entscheidung über die Mitteilung der Verlängerung der Frist für die Erreichung der für Stickstoffdioxid festgesetzten Grenzwerte sowie der Ausnahme von der Verpflichtung zur Anwendung der Grenzwerte für die (PM10)‑Partikel durch das Königreich der Niederlande — Antrag auf interne Überprüfung dieser Entscheidung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 — Entscheidung der Kommission, mit der dieser Antrag für unzulässig erklärt wird — Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls — Übereinkommen von Århus — Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 im Hinblick auf dieses Übereinkommen“

In den verbundenen Rechtssachen C‑401/12 P bis C‑403/12 P

betreffend drei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 24. August 2012 (C‑401/12 P und C‑402/12 P) und am 27. August 2012 (C‑403/12 P),

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Moore und K. Michoel als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Europäisches Parlament, vertreten durch L. Visaggio und G. Corstens als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Europäische Kommission, vertreten durch J.‑P. Keppenne, P. Oliver, P. Van Nuffel, G. Valero Jordana sowie S. Boelaert als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Rechtsmittelführer,

unterstützt durch

Tschechische Republik, vertreten durch D. Hadroušek als Bevollmächtigten,

Streithelferin im Rechtsmittelverfahren,

andere Partei des Verfahrens:

Vereniging Milieudefensie mit Sitz in Amsterdam (Niederlande),

Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht mit Sitz in Utrecht (Niederlande),

Prozessbevollmächtigter: A. van den Biesen, advocaat,

Klägerinnen im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, L. Bay Larsen, T. von Danwitz, A. Ó Caoimh und J.‑C. Bonichot (Berichterstatter), des Richters E. Levits, der Richterinnen C. Toader, M. Berger und A. Prechal sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. G. Fernlund,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2013,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Mai 2014

folgendes

Urteil

1

Mit ihren Rechtsmitteln begehren der Rat der Europäischen Union, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht/Kommission (T‑396/09, EU:T:2012:301) (im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht dem Antrag der Vereniging Milieudefensie und der Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht auf Nichtigerklärung der Entscheidung C (2009) 6121 der Kommission vom 28. Juli 2009 (im Folgenden: streitige Entscheidung) stattgegeben hat, durch die die Kommission deren Antrag auf Überprüfung der Entscheidung C(2009) 2560 def. der Kommission vom 7. April 2009 über die Bewilligung einer zeitlich begrenzten Ausnahme von den in der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152, S. 1) vorgesehenen Pflichten für das Königreich der Niederlande als unzulässig abgelehnt hatte.

Rechtlicher Rahmen

Übereinkommen von Århus

2

In Art. 1 („Gegenstand“) des am 25. Juni 1998 unterzeichneten und im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. L 124, S. 1) genehmigten Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (im Folgenden: Übereinkommen von Århus) heißt es:

„Um zum Schutz des Rechts jeder männlichen/weiblichen Person gegenwärtiger und künftiger Generationen auf ein Leben in einer seiner/ihrer Gesundheit und seinem/ihrem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt beizutragen, gewährleistet jede Vertragspartei das Recht auf Zugang zu Informationen, auf Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und auf Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen.“

3

Art. 9 dieses Übereinkommens bestimmt:

„(1)   Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass jede Person, die der Ansicht ist, dass ihr nach Artikel 4 gestellter Antrag auf Informationen nicht beachtet, fälschlicherweise ganz oder teilweise abgelehnt, unzulänglich beantwortet oder auf andere Weise nicht in Übereinstimmung mit dem genannten Artikel bearbeitet worden ist, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle hat.

Für den Fall, dass eine Vertragspartei eine derartige Überprüfung durch ein Gericht vorsieht, stellt sie sicher, dass die betreffende Person auch Zugang zu einem schnellen, gesetzlich festgelegten sowie gebührenfreien oder nicht kostenaufwendigen Überprüfungsverfahren durch eine Behörde oder Zugang zu einer Überprüfung durch eine unabhängige und unparteiische Stelle, die kein Gericht ist, hat.

Nach Absatz 1 getroffene endgültige Entscheidungen sind für die Behörde, die über die Informationen verfügt, verbindlich. Gründe werden in Schriftform dargelegt, zumindest dann, wenn der Zugang zu Informationen nach diesem Absatz abgelehnt wird.

(2)   Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit,

a)

die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ

b)

eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert,

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Artikel 6 und – sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 – sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.

Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmt sich nach den Erfordernissen innerstaatlichen Rechts und im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen dieses Übereinkommens einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder nichtstaatlichen Organisation, welche die in Artikel 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne des Buchstaben a. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne des Buchstaben b verletzt werden können.

Absatz 2 schließt die Möglichkeit eines vorangehenden Überprüfungsverfahrens vor einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis der Ausschöpfung verwaltungsbehördlicher Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.

(3)   Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.

(4)   Zusätzlich und unbeschadet des Absatzes 1 stellen die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Verfahren angemessenen und effektiven Rechtsschutz und, soweit angemessen, auch vorläufigen Rechtsschutz sicher; diese Verfahren sind fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer. Entscheidungen nach diesem Artikel werden in Schriftform getroffen oder festgehalten. Gerichtsentscheidungen und möglichst auch Entscheidungen anderer Stellen sind öffentlich zugänglich.

(5)   Um die Effektivität dieses Artikels zu fördern, stellt jede Vertragspartei sicher, dass der Öffentlichkeit Informationen über den Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren zur Verfügung gestellt werden; ferner prüft jede Vertragspartei die Schaffung angemessener Unterstützungsmechanismen, um Hindernisse finanzieller und anderer Art für den Zugang zu Gerichten zu beseitigen oder zu verringern.“

Verordnung (EG) Nr. 1367/2006

4

Im 18. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. L 264, S. 13) heißt es:

„Artikel 9 Absatz 3 des [Übereinkommens von Århus] enthält Bestimmungen über den Zugang zu gerichtlichen oder anderen Überprüfungsverfahren, um Handlungen und Unterlassungen von Privatpersonen und Behörden anzufechten, die gegen Bestimmungen des Umweltrechts verstoßen. Bestimmungen über den Zugang zu Gerichten sollten mit dem [EG‑]Vertrag in Einklang stehen. In diesem Zusammenhang sollten in dieser Verordnung nur Handlungen und Unterlassungen von Behörden erfasst sein.“

5

Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor:

„Ziel dieser Verordnung ist es, durch Festlegung von Vorschriften zur Anwendung der Bestimmungen des [Übereinkommens von Århus] auf die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft zur Umsetzung der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen beizutragen, und zwar insbesondere indem

d)

in Umweltangelegenheiten der Zugang zu Gerichten auf Gemeinschaftsebene zu den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen gewährt wird.“

6

In Art. 2 Abs. 1 Buchst. g dieser Verordnung wird der Begriff „Verwaltungsakt“ definiert als

„jede Maßnahme des Umweltrechts zur Regelung eines Einzelfalls, die von einem Organ oder einer Einrichtung der Gemeinschaft getroffen wird, rechtsverbindlich ist und Außenwirkung hat“.

7

Art. 10 („Antrag auf interne Überprüfung von Verwaltungsakten“) der Verordnung Nr. 1367/2006 sieht in seinem Abs. 1 vor:

„Jede Nichtregierungsorganisation, die die in Artikel 11 festgelegten Kriterien erfüllt, kann bei dem Organ oder der Einrichtung der Gemeinschaft, die einen Verwaltungsakt nach dem Umweltrecht angenommen hat oder – im Falle einer behaupteten Unterlassung – einen solchen Akt hätte annehmen sollen, eine interne Überprüfung beantragen.“

Richtlinie 2008/50

8

Art. 22 der Richtlinie 2008/50 sieht vor:

„(1)   Können in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum die Grenzwerte für Stickstoffdioxid oder Benzol nicht innerhalb der in Anhang XI festgelegten Fristen eingehalten werden, so kann ein Mitgliedstaat diese Fristen für dieses bestimmte Gebiet oder diesen bestimmten Ballungsraum um höchstens fünf Jahre verlängern, wenn folgende Voraussetzung erfüllt ist: für das Gebiet oder den Ballungsraum, für das/den die Verlängerung gelten soll, wird ein Luftqualitätsplan gemäß Artikel 23 erstellt; dieser Luftqualitätsplan wird durch die in Anhang XV Abschnitt B aufgeführten Informationen in Bezug auf die betreffenden Schadstoffe ergänzt und zeigt auf, wie die Einhaltung der Grenzwerte vor Ablauf der neuen Frist erreicht werden soll.

(2)   Können in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum die Grenzwerte für PM10 nach Maßgabe des Anhangs XI aufgrund standortspezifischer Ausbreitungsbedingungen, ungünstiger klimatischer Bedingungen oder grenzüberschreitender Einträge nicht eingehalten werden, so werden die Mitgliedstaaten bis zum 11. Juni 2011 von der Verpflichtung zur Einhaltung dieser Grenzwerte ausgenommen, sofern die in Absatz 1 festgelegten Bedingungen erfüllt sind und der Mitgliedstaat nachweist, dass alle geeigneten Maßnahmen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene getroffen wurden, um die Fristen einzuhalten.

(3)   Bei der Anwendung des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Grenzwert für jeden Schadstoff nicht um mehr als die für jeden der betroffenen Schadstoffe in Anhang XI festgelegte maximale Toleranzmarge überschritten wird.

(4)   Ein Mitgliedstaat, der der Ansicht ist, dass Absatz 1 oder Absatz 2 anwendbar ist, teilt dies der Kommission mit und übermittelt ihr den Luftqualitätsplan gemäß Absatz 1 einschließlich aller relevanten Informationen, die die Kommission benötigt, um festzustellen, ob die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei berücksichtigt die Kommission die voraussichtlichen Auswirkungen der von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen auf die gegenwärtige und die zukünftige Luftqualität in den Mitgliedstaaten sowie die voraussichtlichen Auswirkungen der gegenwärtigen Gemeinschaftsmaßnahmen und der von der Kommission vorzuschlagenden geplanten Gemeinschaftsmaßnahmen auf die Luftqualität.

Hat die Kommission neun Monate nach Eingang dieser Mitteilung keine Einwände erhoben, gelten die Bedingungen für die Anwendung von Absatz 1 bzw. Absatz 2 als erfüllt.

Werden Einwände erhoben, kann die Kommission die Mitgliedstaaten auffordern, Anpassungen vorzunehmen oder neue Luftqualitätspläne vorzulegen.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

9

Am 15. Juli 2008 teilte das Königreich der Niederlande der Kommission nach Art. 22 der Richtlinie 2008/50 mit, dass es eine Verlängerung der Frist für die Erreichung des für Stickstoffdioxid festgesetzten Jahresgrenzwerts in neun Gebieten sowie eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Anwendung der Tages- und Jahresgrenzwerte in Anspruch nehme, die für Partikel festgesetzt worden waren, die einen Lufteinlass passieren, der für einen aerodynamischen Durchmesser von 10 μm eine Abscheidewirksamkeit von 50 % aufweist.

10

Am 7. April 2009 erließ die Kommission die Entscheidung C(2009) 2560 def., mit der sie dieser Verlängerung zustimmte.

11

Mit Schreiben vom 18. Mai 2009 stellten die Vereniging Milieudefensie, eine Vereinigung niederländischen Rechts, deren Ziel der Schutz der Umwelt und die Verbesserung der Luftqualität in den Niederlanden ist, und die Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, eine Stiftung niederländischen Rechts, die sich der Bekämpfung der Luftverschmutzung in der Region von Utrecht (Niederlande) verschrieben hat, bei der Kommission einen Antrag auf interne Überprüfung dieser Entscheidung nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006.

12

Mit der streitigen Entscheidung lehnte die Kommission diesen Antrag als unzulässig ab, weil die Entscheidung C(2009) 2560 def. keine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls darstelle und somit nicht als „Verwaltungsakt“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 anzusehen sei, der Gegenstand des Verfahrens der internen Überprüfung nach Art. 10 der Verordnung sein könne.

Klage vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

13

Mit Klageschrift, die am 6. Oktober 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Vereniging Milieudefensie und die Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung beantragt.

14

Das Königreich der Niederlande, das Parlament und der Rat sind dem Rechtsstreit als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission beigetreten.

15

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht der Nichtigkeitsklage stattgegeben.

16

Das Gericht hat den von den Klägerinnen gestellten Antrag, der Kommission aufzugeben, über die Begründetheit des Antrags auf interne Überprüfung zu entscheiden, und der Kommission dazu eine Frist zu setzen, als unzulässig zurückgewiesen.

17

Außerdem hat das Gericht den ersten Klagegrund, wonach die Kommission die streitige Entscheidung rechtsfehlerhaft als Handlung mit allgemeiner Geltung qualifiziert habe, die nicht als Verwaltungsakt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 angesehen werden und damit nicht Gegenstand eines Antrags auf interne Überprüfung nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung sein könne, als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen hat das Gericht dem zweiten Klagegrund stattgegeben, der hilfsweise geltend gemacht und mit dem die Rechtswidrigkeit der letztgenannten Vorschrift aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus gerügt wurde.

18

Das Gericht hat zunächst in den Rn. 51 und 52 des angefochtenen Urteils daran erinnert, dass das Übereinkommen von Århus wie jedes andere von der Europäischen Union geschlossene internationale Übereinkommen Vorrang vor Rechtsakten des abgeleiteten Unionsrechts genieße. Danach hat es in Rn. 53 seines Urteils ausgeführt, dass der Unionsrichter die Gültigkeit einer Verordnungsbestimmung nur dann an einem völkerrechtlichen Vertrag messen könne, wenn dessen Art und Struktur dem nicht entgegenstünden und seine Bestimmungen außerdem inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erschienen.

19

Das Gericht hat jedoch unter Bezugnahme auf die Urteile Fediol/Kommission (70/87, EU:C:1989:254) und Nakajima/Rat (C‑69/89, EU:C:1991:186) des Gerichtshofs darauf hingewiesen, dass dieser nach seiner eigenen Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Union an den Bestimmungen eines internationalen Übereinkommens zu messen hat, durch die für den Bürger nicht das Recht begründet wird, sich vor Gericht auf diese Bestimmungen zu berufen, wenn die Union eine bestimmte im Rahmen dieses Übereinkommens übernommene Verpflichtung erfüllen wollte oder der Rechtsakt des abgeleiteten Rechts ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen dieses Übereinkommens verweist. In Rn. 54 des angefochtenen Urteils hat das Gericht daraus geschlossen, dass der Unionsrichter die Rechtmäßigkeit einer Verordnung, mit der eine den Unionsorganen durch einen völkerrechtlichen Vertrag auferlegte Verpflichtung erfüllt werden solle, an diesem Vertrag messen können müsse.

20

In den Rn. 57 und 58 des angefochtenen Urteils ist das Gericht davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt seien, weil zum einen die Klägerinnen im ersten Rechtszug, die sich nicht auf die unmittelbare Wirkung der Bestimmungen des Übereinkommens beriefen, inzidenter gemäß Art. 241 EG die Gültigkeit einer Bestimmung der Verordnung Nr. 1367/2006 im Hinblick auf das Übereinkommen von Århus in Frage gestellt hätten und weil zum anderen die Verordnung – wie aus Art. 1 Abs. 1 sowie dem 18. Erwägungsgrund der Verordnung hervorgehe – zur Erfüllung der sich aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus ergebenden internationalen Verpflichtungen der Union erlassen worden sei.

21

Das Gericht hat in Rn. 69 des angefochtenen Urteils entschieden, dass Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006, da er ein Verfahren der internen Überprüfung nur für „Verwaltungsakte“ vorsehe, die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g dieser Verordnung als „Maßnahme[n] … zur Regelung eines Einzelfalls“ definiert würden, mit Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus unvereinbar sei.

22

Das Gericht hat daher die streitige Entscheidung für nichtig erklärt.

Anträge der Parteien und Verfahren vor dem Gerichtshof

23

Mit seinem Rechtsmittel vom 24. August 2012 (Rechtssache C‑401/12 P) beantragt der Rat, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Klage der Klägerinnen im ersten Rechtszug in vollem Umfang abzuweisen und ihnen die Kosten aufzuerlegen.

24

Das Parlament beantragt mit seinem Rechtsmittel vom 24. August 2012 (Rechtssache C‑402/12 P), das angefochtene Urteil aufzuheben, die Klage der Klägerinnen im ersten Rechtszug in vollem Umfang abzuweisen und ihnen die Kosten aufzuerlegen.

25

Die Kommission beantragt mit ihrem Rechtsmittel vom 27. August 2012 (Rechtssache C‑403/12 P), das angefochtene Urteil aufzuheben, die Klage der Klägerinnen im ersten Rechtszug in vollem Umfang abzuweisen sowie ihnen die Kosten des ersten Rechtszugs und des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

26

Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 21. November 2012 sind die Rechtssachen C‑401/12 P bis C‑403/12 P zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

27

Am 28. Februar 2013 haben die Vereniging Milieudefensie und die Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht eine Rechtsmittelbeantwortung eingereicht und darin beantragt, die Rechtsmittel zurückzuweisen und die ihnen im ersten Rechtszug und im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten dem Rat, dem Parlament und der Kommission aufzuerlegen.

28

Außerdem haben sie ein Anschlussrechtsmittel eingelegt, mit dem sie beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben, die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären und die ihnen im ersten Rechtszug und im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten den Beklagten des ersten Rechtszugs aufzuerlegen.

Zu den Rechtsmitteln

Zum Anschlussrechtsmittel

Vorbringen der Parteien

29

Die Vereniging Milieudefensie und die Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht machen geltend, das Gericht habe im angefochtenen Urteil dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus nicht wenigstens insoweit unmittelbare Wirkung zuerkannt habe, als er vorsehe, dass diejenigen „Handlungen“, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstießen, anfechtbar sein müssten, und es infolgedessen unterlassen habe, die Rechtmäßigkeit von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 im Hinblick auf diese Bestimmung des Übereinkommens zu beurteilen.

30

Nach Auffassung des Rates, des Parlaments und der Kommission ist das Anschlussrechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, weil der geltend gemachte Rechtsmittelgrund in Wirklichkeit nur darauf abziele, einen Teil der Begründung des angefochtenen Urteils in Frage zu stellen, nicht aber die dort gefundene Lösung, so dass er nicht den Anforderungen von Art. 178 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entspreche.

31

Hilfsweise machen der Rat, das Parlament und die Kommission geltend, der Rechtsmittelgrund sei jedenfalls unbegründet.

Würdigung durch den Gerichtshof

32

Gemäß Art. 169 Abs. 1 und Art. 178 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs muss jedes Rechtsmittel, auch jedes Anschlussrechtsmittel, auf die vollständige oder teilweise Aufhebung der Entscheidung des Gerichts gerichtet sein.

33

Im vorliegenden Fall hat das Gericht entsprechend den Klageanträgen der Vereniging Milieudefensie und der Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht die streitige Entscheidung für nichtig erklärt. Ihr Anschlussrechtsmittel, das in Wirklichkeit nur auf eine Auswechslung der Begründung in Bezug auf die Frage abzielt, ob eine Berufung auf Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus möglich ist, kann daher nicht durchgreifen (vgl. entsprechend für ein Hauptrechtsmittel Urteil Al‑Aqsa/Rat und Niederlande/Al‑Aqsa, C‑539/10 P und C‑550/10 P, EU:C:2012:711, Rn. 43 bis 45).

34

Nach alledem ist das Anschlussrechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen.

Zu den Rechtsmitteln

35

Der Rat, das Parlament und die Kommission machen mit ihrem Hauptantrag geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es angenommen habe, dass Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus herangezogen werden könne, um zu prüfen, ob Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 mit der zuerst genannten Vorschrift vereinbar sei.

36

Hilfsweise machen sie geltend, das Gericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 entgegenstehe.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

37

Der Rat trägt vor, dass es sich bei den beiden Fällen, in denen der Gerichtshof entschieden habe, dass ein Einzelner sich auf die Bestimmungen eines internationalen Übereinkommens berufen könne, das nicht dem Erfordernis der Unbedingtheit und der Genauigkeit gerecht werde, das erfüllt sein müsse, um das Übereinkommen für die Beurteilung der Gültigkeit der Vorschriften einer Handlung der Union heranziehen zu können, um Ausnahmefälle handele, denen der vorliegende Sachverhalt jedenfalls nicht entspreche.

38

Zum einen sei die im Urteil Fediol/Kommission (EU:C:1989:254) gewählte Lösung durch die besonderen Umstände der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, gerechtfertigt, da in dieser die fragliche Verordnung den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern das Recht verliehen habe, sich auf die Vorschriften des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (im Folgenden: GATT) zu berufen. Zudem sei diese Lösung nicht außerhalb des spezifischen Regelungsbereichs dieses Abkommens anwendbar.

39

Zum anderen vertritt der Rat in Bezug auf die mit dem Urteil Nakajima/Rat (EU:C:1991:186) begründete Rechtsprechung die Auffassung, dass diese nur den Fall betreffe, dass die Union eine im Rahmen des GATT übernommene besondere Verpflichtung habe erfüllen wollen, was vorliegend auch nicht der Fall sei.

40

Das Parlament und die Kommission bringen im Wesentlichen ähnliche Argumente vor.

41

Zum Urteil Fediol/Kommission (EU:C:1989:254) führt die Kommission ergänzend aus, dieses betreffe nur den Fall, dass eine Handlung der Union ausdrücklich auf bestimmte Vorschriften des GATT verwiesen habe.

42

Was das Urteil Nakajima/Rat (EU:C:1991:186) betrifft, so kann dies ihrer Meinung nach nicht dahin ausgelegt werden, dass jede unionsrechtliche Handlung im Hinblick auf das internationale Übereinkommen, das durch diese Handlung gegebenenfalls umgesetzt werde, geprüft werden könne. Um eine solche Kontrolle durchführen zu können, müsse die unionsrechtliche Handlung eine unmittelbare und umfassende Durchführung des internationalen Übereinkommens darstellen und eine sich daraus ergebende hinreichend klare und bestimmte Verpflichtung betreffen; dies sei vorliegend nicht der Fall.

43

Das Parlament macht geltend, das Urteil Fediol/Kommission (EU:C:1989:254) betreffe nur den Fall eines ausdrücklichen Verweises einer Handlung des Sekundärrechts auf ganz bestimmte Vorschriften eines internationalen Übereinkommens, bei dem es sich nicht um eine bloße Bezugnahme auf diese Vorschriften, sondern um eine Übernahme derselben handele. Folglich könne sich das Gericht nicht auf den 18. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1367/2006 stützen, durch den Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus nur umschrieben werde, um anzunehmen, dass diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt sei. Zudem gehe aus dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs jedenfalls hervor, dass die von einer Verordnung der Union übernommenen Vorschriften eines internationalen Übereinkommens nur geltend gemacht werden könnten, um die Gültigkeit der Rechtsakte zu überprüfen, die gemäß dieser Verordnung erlassen worden seien, nicht aber, um die Gültigkeit der Verordnung selbst zu prüfen.

44

Zum Urteil Nakajima/Rat (EU:C:1991:186) führt das Parlament aus, in der mit diesem Urteil getroffenen Entscheidung gehe es um den Fall, dass mit einer Handlung des Sekundärrechts eine besondere durch ein internationales Übereinkommen auferlegte Verpflichtung durchgeführt werde, in deren Rahmen die Union verpflichtet werde, in einer bestimmten Weise tätig zu werden, und insofern über keinerlei Ermessensspielraum verfüge. Bei den „Verpflichtungen“, auf die das Gericht in Rn. 58 des angefochtenen Urteils Bezug nehme, handele es sich aber nicht um „besondere“ Verpflichtungen im Sinne des Urteils Nakajima/Rat (EU:C:1991:186), da die Vertragsparteien des Übereinkommens von Århus in Bezug auf die Ausgestaltung der Durchführungsmodalitäten der „verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren“ im Sinne von Art. 9 Abs. 3 dieses Übereinkommens über ein weites Ermessen verfügten, sofern die Anforderungen seines Art. 9 Abs. 4 eingehalten würden.

45

Weiter beruft sich das Parlament auf das Urteil Kommission/Irland u. a. (C‑89/08 P, EU:C:2009:742) und macht geltend, das Gericht habe dadurch gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens verstoßen, dass es die sich aus der mit dem Urteil Nakajima/Rat (EU:C:1991:186) begründeten Rechtsprechung ergebenden Grundsätze angewandt habe, ohne zuvor mit den Parteien erörtert zu haben, ob sie im vorliegenden Fall einschlägig seien.

46

Die Umstände der vorliegenden Rechtssache unterscheiden sich nach Ansicht des Parlaments auch von denen der mit dem Urteil Racke (C‑162/96, EU:C:1998:293) abgeschlossenen Rechtssache, in der es um die Verletzung einer Regel des Völkergewohnheitsrechts betreffend die Anwendung einer Vorschrift eines internationalen Übereinkommens gegangen sei, deren unmittelbare Wirkung nicht bestritten worden sei.

47

Außerdem erinnert die Kommission daran, dass es der Gerichtshof in seinen Urteilen Intertanko u. a. (C‑308/06, EU:C:2008:312) sowie Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864) abgelehnt habe, die Gültigkeit einer Richtlinie anhand eines internationalen Übereinkommens zu prüfen, obwohl diese Richtlinie auf das Übereinkommen Bezug genommen habe.

48

Die Vereniging Milieudefensie und die Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht machen zunächst geltend, aus dem Urteil Lesoochranárske zoskupenie (C‑240/09, EU:C:2011:125) ergebe sich kein Hinweis auf eine etwaige unmittelbare Wirkung von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus in Bezug auf die nach dieser Bestimmung anfechtbaren Handlungen.

49

Zum einen sind sie der Auffassung, dass dieses Übereinkommen nach seiner Art und seinem Gegenstand einer Kontrolle der Gültigkeit einer Handlung des abgeleiteten Unionsrechts auf Antrag von Umweltschutzverbänden nicht entgegenstehe. Zum anderen seien die im Urteil Fediol/Kommission (EU:C:1989:254) für diese Kontrolle genannten Voraussetzungen erfüllt, da die Verordnung Nr. 1367/2006 mehrfach auf das Übereinkommen und insbesondere auf dessen Art. 9 Abs. 3 Bezug nehme.

50

Weiter führen sie aus, um die Einhaltung dieser Vorschrift sicherzustellen, reiche es nicht aus, wenn die einzige Möglichkeit zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines allgemeinen Rechtsakts der Union darin bestehe, dass ein nationales Gericht den Gerichtshof mit einem Vorabentscheidungsersuchen befasse.

51

Schließlich machen sie geltend, das Gericht habe den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens beachtet, da es den Parteien in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit gegeben habe, sich zur Anwendung der durch die Urteile Fediol/Kommission (EU:C:1989:254) und Nakajima/Rat (EU:C:1991:186) begründeten Rechtsprechung zu äußern. Jedenfalls seien die Umstände der vorliegenden Rechtssache nicht mit denen der Rechtssache vergleichbar, die zu dem vom Parlament angeführten Urteil Kommission/Irland u. a. (EU:C:2009:742) geführt hätten.

Würdigung durch den Gerichtshof

52

Nach Art. 300 Abs. 7 EG (jetzt Art. 216 Abs. 2 AEUV) sind die von der Union geschlossenen Übereinkünfte für ihre Organe verbindlich und haben daher Vorrang vor den durch sie erlassenen Rechtsakten (vgl. in diesem Sinne Urteil Intertanko u. a., EU:C:2008:312, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53

Bei der Entscheidung darüber, welche Wirkungen die Bestimmungen eines Abkommens zwischen der Union und Drittstaaten in der Union entfalten, darf jedoch der völkerrechtliche Ursprung der fraglichen Bestimmungen nicht außer Acht gelassen werden. Nach den Grundsätzen des Völkerrechts bleibt es den Unionsorganen, die für das Aushandeln und den Abschluss eines solchen Abkommens zuständig sind, unbenommen, mit den betroffenen Drittstaaten zu vereinbaren, welche Wirkungen die Bestimmungen dieses Abkommens in der internen Rechtsordnung der Vertragsparteien haben sollen. Ist diese Frage in dem Abkommen nicht ausdrücklich geregelt, haben die zuständigen Gerichte und hat insbesondere der Gerichtshof im Rahmen seiner Zuständigkeit aufgrund des AEU-Vertrags über diese Frage ebenso wie über jede andere Auslegungsfrage im Zusammenhang mit der Anwendung des Abkommens in der Union zu entscheiden, insbesondere gestützt auf den Sinn, die Systematik oder den Wortlaut des Abkommens (vgl. Urteil FIAMM u. a./Rat und Kommission, C‑120/06 P und C‑121/06 P, EU:C:2008:476, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs können die Bestimmungen eines internationalen Vertrags, dessen Vertragspartei die Union ist, zur Begründung einer Klage auf Nichtigerklärung einer Handlung des Sekundärrechts der Union oder einer Einrede der Rechtswidrigkeit einer solchen Handlung nur unter der Voraussetzung geltend gemacht werden, dass zum einen Art und Struktur des betreffenden Vertrags dem nicht entgegenstehen und zum anderen diese Bestimmungen inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheinen (vgl. Urteile Intertanko u. a., EU:C:2008:312, Rn. 45, und FIAMM u. a./Rat und Kommission, EU:C:2008:476, Rn. 110 und 120, sowie Air Transport Association of America u. a., EU:C:2011:864, Rn. 54).

55

Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus enthält keine unbedingte und hinreichend genaue Verpflichtung, die die rechtliche Situation Einzelner unmittelbar regeln könnte, so dass er diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Da nur „Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige [im] innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen“, Inhaber der in Art. 9 Abs. 3 dieses Übereinkommens vorgesehenen Rechte sind, hängen die Durchführung und die Wirkungen dieser Vorschrift vom Erlass eines weiteren Rechtsakts ab (vgl. Urteil Lesoochranárske zoskupenie, EU:C:2011:125, Rn. 45).

56

Der Gerichtshof hat zwar auch entschieden, dass es, wenn die Union eine bestimmte Verpflichtung umsetzen wollte, die sie im Rahmen der mit der Welthandelsorganisation (im Folgenden: WTO) geschlossenen Verträge übernommen hat, oder wenn die unionsrechtliche Handlung ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen der WTO-Übereinkünfte verweist, Sache des Gerichtshofs ist, die Rechtmäßigkeit der fraglichen Handlung an den Regeln der WTO-Übereinkünfte zu messen (vgl. Urteile Fediol/Kommission, EU:C:1989:254, Rn. 19 bis 23, Nakajima/Rat, EU:C:1991:186, Rn. 29 bis 32, Deutschland/Rat, C‑280/93, EU:C:1994:367, Rn. 111, und Italien/Rat, C‑352/96, EU:C:1998:531, Rn. 19).

57

Diese beiden Ausnahmen wurden jedoch nur durch die Besonderheiten der Verträge gerechtfertigt, die zu ihrer Anwendung geführt haben.

58

Was erstens das Urteil Fediol/Kommission (EU:C:1989:254) betrifft, ist festzustellen, dass der in jener Rechtssache in Rede stehende Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2641/84 des Rates vom 17. September 1984 zur Stärkung der gemeinsamen Handelspolitik und insbesondere des Schutzes gegen unerlaubte Handelspraktiken (ABl. L 252, S. 1) ausdrücklich auf die Regeln des Völkerrechts verwies, die sich im Wesentlichen auf das GATT stützten und für die Betroffenen das Recht begründeten, sich im Rahmen eines Antrags nach dieser Verordnung auf die Bestimmungen des GATT zu berufen (Urteil Fediol/Kommission, EU:C:1989:254, Rn. 19), während im vorliegenden Fall Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 weder unmittelbar auf ganz bestimmte Vorschriften des Übereinkommens von Århus verweist noch ein Recht für den Einzelnen begründet. Folglich kann mangels eines solchen ausdrücklichen Verweises auf die Vorschriften eines internationalen Vertrags jenes Urteil für die vorliegende Rechtssache nicht von Bedeutung sein.

59

Zweitens ist in Bezug auf das Urteil Nakajima/Rat (EU:C:1991:186) darauf hinzuweisen, dass die dort maßgeblichen Handlungen des Unionsrechts mit dem Antidumpingsystem verbunden waren, das sowohl hinsichtlich seiner Gestaltung als auch hinsichtlich seiner Anwendung in dem Sinne sehr dicht ist, dass es Maßnahmen für die Unternehmen vorsieht, denen Dumpingpraktiken vorgeworfen werden. Insbesondere war die in jener Rechtssache in Rede stehende Grundverordnung in Übereinstimmung mit den bestehenden internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft festgelegt worden, u. a. denen des Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens, das im Namen der Gemeinschaft durch den Beschluss 80/271/EWG des Rates vom 10. Dezember 1979 über den Abschluss der multilateralen Übereinkommen, die im Zuge der Handelsverhandlungen von 1973 bis 1979 ausgehandelt wurden (ABl. 1980, L 71, S. 1), angenommen wurde (vgl. Urteil Nakajima/Rat, EU:C:1991:186, Rn. 30). Die vorliegende Rechtssache betrifft jedoch nicht die Durchführung der besonderen Verpflichtungen im Sinne des genannten Urteils durch Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006, da – wie aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus hervorgeht – dessen Vertragsparteien in Bezug auf die Ausgestaltung der Durchführungsmodalitäten der „verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren“ über ein weites Ermessen verfügen.

60

Insoweit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Union mit dem Erlass dieser Verordnung, die nur die Organe der Union und im Übrigen auch nur einen der Rechtsbehelfe betrifft, die dem Einzelnen zur Verfügung stehen, um das Umweltrecht der Union durchzusetzen, im Sinne der in Rn. 56 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die sich aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus ergebenden Verpflichtungen in Bezug auf die nationalen verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren umsetzen wollte, die im Übrigen nach dem gegenwärtigen Stand des Unionsrechts im Wesentlichen dem Recht der Mitgliedstaaten unterliegen (vgl. in diesem Sinne Urteil Lesoochranárske zoskupenie, EU:C:2011:125, Rn. 41 und 47).

61

Nach alledem hat das Gericht mit seiner Entscheidung, dass die Rechtmäßigkeit von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 anhand von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus beurteilt werden könne, einen Rechtsfehler begangen.

62

Somit ist das angefochtene Urteil aufzuheben, ohne dass die anderen vom Rat, dem Parlament und der Kommission angeführten Rechtsmittelgründe zu prüfen wären.

Zur Klage vor dem Gericht

63

Nach Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

64

Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die Sache zur Entscheidung reif und somit über die Begründetheit des Antrags auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung zu befinden ist.

65

Mit ihrem ersten beim Gericht geltend gemachten Klagegrund haben die Vereniging Milieudefensie und die Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht vorgetragen, die Kommission habe ihren Antrag auf interne Überprüfung der Entscheidung C(2009) 2560 def. zu Unrecht mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass es sich dabei um eine Handlung mit allgemeiner Geltung handele.

66

Dieser Klagegrund ist aus denselben Gründen, die das Gericht seinem Urteil zugrunde gelegt hat, als unbegründet zurückzuweisen.

67

Die Vereniging Milieudefensie und die Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht haben außerdem mit ihrem zweiten Klagegrund geltend gemacht, dass Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 ungültig sei, da er den Begriff „Handlungen“ in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus auf Verwaltungsakte beschränke.

68

Aus Rn. 55 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus nicht den Grad an Klarheit und Genauigkeit aufweist, der erforderlich wäre, um sich vor dem Unionsrichter für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 auf ihn berufen zu können.

69

Folglich ist auch der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

70

Da keiner der beiden von der Vereniging Milieudefensie und von der Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht vor dem Gericht geltend gemachten Klagegründe begründet ist, ist die Klage abzuweisen.

Kosten

71

Gemäß Art. 138 Abs. 1 und 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so entscheidet der Gerichtshof über die Verteilung der Kosten.

72

Da die Vereniging Milieudefensie und die Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen als Gesamtschuldnerinnen entsprechend den Anträgen des Rates, des Parlaments und der Kommission die diesen im ersten Rechtszug und in den Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen.

73

Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Demgemäß hat die Tschechische Republik ihre eigenen Kosten zu tragen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Anschlussrechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Das Urteil Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht/Kommission (T‑396/09, EU:T:2012:301) des Gerichts der Europäischen Union wird aufgehoben.

 

3.

Die beim Gericht der Europäischen Union von der Vereniging Milieudefensie und der Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht erhobene Nichtigkeitsklage wird abgewiesen.

 

4.

Die Vereniging Milieudefensie und die Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht tragen gesamtschuldnerisch die dem Rat der Europäischen Union, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission im ersten Rechtszug sowie in den Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten.

 

5.

Die Tschechische Republik trägt ihre eigenen Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Niederländisch.