URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
30. April 2014 ( *1 )
„Rechtsmittel — Wettbewerb — Kartelle — Sektor der Industriesäcke aus Kunststoff — Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird — Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung — Begründungspflicht — Zurechnung einer Zuwiderhandlung der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft — Haftung der Muttergesellschaft für die Zahlung der gegen die Tochtergesellschaft festgesetzten Geldbuße — Verhältnismäßigkeit — Verfahren vor dem Gericht erster Instanz — Angemessene Entscheidungsfrist“
In der Rechtssache C‑238/12 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 16. Mai 2012,
FLSmidth & Co. A/S mit Sitz in Valby (Dänemark), Prozessbevollmächtigter: M. Dittmer, advokat,
Klägerin,
andere Partei des Verfahrens:
Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre und V. Bottka als Bevollmächtigte im Beistand von M. Gray, Barrister, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet und E. Levits, der Richterin M. Berger (Berichterstatterin) und des Richters S. Rodin,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Januar 2014,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 |
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die FLSmidth & Co. A/S (im Folgenden: FLSmidth) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 6. März 2012, FLSmidth/Kommission (T‑65/06, EU:T:2012:103, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung K(2005) 4634 endg. der Kommission vom 30. November 2005 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] (Sache COMP/F/38.354 – Industriesäcke) (im Folgenden: streitige Entscheidung) teilweise abgewiesen hat, oder, hilfsweise, die Aufhebung oder Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße. |
Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidung
2 |
FLSmidth ist die Muttergesellschaft eines Konzerns, der in den Bereichen Ingenieurwesen, Bergbau und Bauwesen tätig ist. Eine der Konzerngesellschaften ist die FLS Plast A/S (im Folgenden: FLS Plast), bei der es sich ihrerseits um die ehemalige Muttergesellschaft der Trioplast Wittenheim SA (zuvor Silvallac SA, im Folgenden: Trioplast Wittenheim) handelt, die in Wittenheim (Frankreich) Industriesäcke, Folien und Kunststoffbeutel herstellte. |
3 |
Im Dezember 1990 erwarb FLS Plast 60 % der Anteile an Trioplast Wittenheim. Die übrigen 40 % erwarb sie im Dezember 1991. Verkäuferin war Cellulose du Pin, eine Gesellschaft mit Sitz in Frankreich, die zum Konzern der Compagnie de Saint‑Gobain SA gehört. |
4 |
FLS Plast verkaufte ihrerseits Trioplast Wittenheim im Jahr 1999 an die Trioplanex France SA, eine französische Tochtergesellschaft der Trioplast Industrier AB (im Folgenden: Trioplast Industrier), die Muttergesellschaft des Trioplast-Konzerns. Diese Übertragung wurde am 1. Januar 1999 wirksam. |
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Im November 2001, unterrichtete British Polythene Industries die Kommission der Europäischen Gemeinschaften von der Existenz eines Kartells im Sektor der Industriesäcke aus Kunststoff, an dem FLS Plast beteiligt sei. |
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Die Kommission richtete, nachdem sie im Jahr 2002 Nachprüfungen in den Geschäftsräumen u. a. von Trioplast Wittenheim durchgeführt hatte, in den Jahren 2002 und 2003 Auskunftsersuchen an die betroffenen Gesellschaften, zu denen auch Trioplast Wittenheim gehörte. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2002, ergänzt mit Schreiben vom 16. Januar 2003, teilte Trioplast Wittenheim mit, dass auch sie bei der Untersuchung im Rahmen der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Kronzeugenregelung) mit der Kommission zusammenarbeiten wolle. |
7 |
Am 30. November 2005 erließ die Kommission die streitige Entscheidung, nach deren Art. 1 Abs. 1 Buchst. h FLSmidth und FLS Plast dadurch gegen Art. 81 EG verstoßen haben, dass sie vom 31. Dezember 1990 bis 19. Januar 1999 an einem System aus Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen im Sektor für Industriesäcke aus Kunststoff in Belgien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden zur Festsetzung von Preisen, Erarbeitung gemeinsamer Preisberechnungsmethoden, Aufteilung von Märkten, Zuweisung von Verkaufskontingenten, Kunden und Aufträgen, Abstimmung von Angeboten auf Ausschreibungen und zum Austausch sensibler Informationen über einzelne Verkäufe mitgewirkt haben. |
8 |
In Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der streitigen Entscheidung setzte die Kommission gegen Trioplast Wittenheim eine Geldbuße in Höhe von 17,85 Mio. Euro fest, wobei die Geldbuße gemäß der Kronzeugenregelung 30 % niedriger festgesetzt wurde. Für diesen Betrag hafteten FLSmidth und FLS Plast in Höhe von 15,30 Mio. Euro gesamtschuldnerisch, und Trioplast Industrier haftete in Höhe von 7,73 Mio. Euro. |
Das angefochtene Urteil
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Mit Klageschrift, die am 24. Februar 2006 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob FLSmidth Klage gegen die streitige Entscheidung und beantragte – soweit sie selbst von dieser Entscheidung betroffen war – deren Nichtigerklärung, hilfsweise die Herabsetzung der Geldbuße, für die sie gesamtschuldnerisch haftet. |
10 |
Zur Stützung ihrer Klage machte die Rechtsmittelführerin zwei Klagegründe geltend. Ihr erster Klagegrund betraf einen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1), weil FLSmidth die Verantwortung für die von Trioplast Wittenheim begangene Zuwiderhandlung angelastet worden sei. Der zweite Klagegrund wurde zur Begründung des Hilfsantrags von FLSmidth vorgetragen. Mit diesem Klagegrund machte FLSmidth geltend, die Kommission habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass sie sie für einen übermäßig hohen, unverhältnismäßigen, willkürlichen und diskriminierenden Betrag der festgesetzten Geldbuße haftbar gemacht habe. |
11 |
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die streitige Entscheidung für nichtig erklärt, soweit darin FLSmidth für den Zeitraum vom 31. Dezember 1990 bis 31. Dezember 1991 für die Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht worden war. Demgemäß hat das Gericht den Betrag, für den FLSmidth nach Art. 2 Buchst. f der streitigen Entscheidung gesamtschuldnerisch haftet, auf 14,45 Mio. Euro herabgesetzt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. |
Anträge der Parteien
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FLSmidth beantragt,
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Die Kommission beantragt,
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Zum Rechtsmittel
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FLSmidth stützt ihre Anträge auf sechs Rechtsmittelgründe, wobei sich der dritte bis sechste Rechtsmittelgrund auf den Hilfsantrag beziehen. |
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FLSmidth ersucht den Gerichtshof, nach der Aufhebung des angefochtenen Urteils selbst über die gegen die streitige Entscheidung vorgebrachten Rechtsmittelgründe zu entscheiden. |
Zum ersten Rechtsmittelgrund: Anwendung eines falschen rechtlichen Kriteriums in Bezug auf die Haftung der Muttergesellschaft durch das Gericht und fehlerhafte Ableitung von Rechtsfolgen aus den dem Gericht vorgelegten Beweisen
Vorbringen der Parteien
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FLSmidth ist der Auffassung, das Gericht habe in den Rn. 20 bis 40 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft das von der Kommission angewandte rechtliche Kriterium gebilligt und daraus das Ergebnis abgeleitet, dass FLSmidth die Haftungsvermutung für die fragliche Zuwiderhandlung nicht widerlegt habe, die sich daraus ergebe, dass sie damals mittelbar zu 100 % an Trioplast Wittenheim beteiligt gewesen sei. |
17 |
FLSmidth macht insoweit geltend, die vom Gericht angewandte Haftungsvermutung verstoße gegen die Unschuldsvermutung. Die Haftungsvermutung werde durch die Anwendung, wie sie das Gericht vornehme, der Sache nach unwiderlegbar. Das angefochtene Urteil verstoße daher gegen Art. 6 Abs. 2 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) und gegen Art. 48 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta). Jedenfalls habe FLSmidth tatsächlich Beweise vorgelegt, durch die diese Vermutung widerlegt werden könne. |
18 |
Die Kommission macht in Bezug auf dieses Angriffsmittel eine Einrede der Unzulässigkeit geltend, weil es nicht vor dem Gericht vorgebracht worden sei. Überdies habe dieser Rechtsmittelgrund rein abstrakten Charakter. FLSmidth gebe nicht die Randnummern des angefochtenen Urteils an, in denen das Gericht den gerügten Fehler begangen haben solle. Hilfsweise macht die Kommission geltend, die fragliche Vermutung sei mit der EMRK und der Charta vereinbar. Im Übrigen habe sie sich auf andere Anhaltspunkte stützen können, um nachzuweisen, dass FLSmidth einen bestimmenden Einfluss auf Trioplast Wittenheim ausgeübt habe. |
19 |
In ihrer Erwiderung vertritt FLSmidth die Auffassung, ihr Angriffsmittel sei nicht neu, sondern stelle eine Weiterentwicklung ihres Vorbringens im ersten Rechtszug dar. Sie habe in den Nrn. 18 bis 24 der Rechtsmittelschrift den beanstandeten Teil des angefochtenen Urteils genau angegeben und Ausführungen hierzu gemacht. |
20 |
Die Kommission bestreitet dies in ihrer Gegenerwiderung. |
Würdigung durch den Gerichtshof
– Zur Zulässigkeit
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Zur Zulässigkeit des ersten Rechtsmittelgrundes ist zunächst darauf hinzuweisen, dass FLSmidth in ihrer Klageschrift im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht hat, die Kommission habe dadurch gegen Art. 48 der Charta und Art. 6 Abs. 2 EMRK verstoßen, dass sie ihr die Verantwortung für die von Trioplast Wittenheim begangene Zuwiderhandlung aufgebürdet habe. |
22 |
Festzustellen ist jedoch, dass FLSmidth in Nr. 81 dieser Klageschrift neben mehreren anderen Argumenten zum Nachweis dafür, dass die Kommission ihr diese Verantwortung nicht hätte zurechnen dürfen, sehr wohl ausgeführt hat, „[j]ede andere Schlussfolgerung würde dazu führen, dass eine sich aus einer 100%igen Beteiligung an einer Enkelgesellschaft ergebende Vermutung der Zurechenbarkeit einer faktisch unwiderlegbaren Vermutung gleichkäme“. Damit hat FLSmidth, wenn auch nur sehr knapp, die Rechtmäßigkeit der Kriterien bestritten, die die Kommission herangezogen hatte, um ihr die Verantwortung für die fragliche Zuwiderhandlung zuzurechnen. Unter diesen Umständen stellen die Erläuterungen, die FLSmidth in ihrer beim Gerichtshof eingereichten Rechtsmittelschrift zur gerügten Rechtswidrigkeit dieser Kriterien, insbesondere wegen deren Unvereinbarkeit mit Art. 48 der Charta und Art. 6 Abs. 2 der EMRK, gemacht hat, eine Weiterentwicklung ihres Vorbringens vor dem Gericht dar, das somit im Rechtsmittelverfahren zulässig ist. |
23 |
Was zweitens den angeblich abstrakten Charakter des ersten Rechtsmittelgrundes und den Umstand betrifft, dass FLSmidth nicht die Randnummern des angefochtenen Urteils angegeben habe, in denen das Gericht fehlerhafte Ausführungen gemacht habe, genügt die Feststellung, dass sich der Vorwurf, den FLSmidth dem Gericht macht, hinreichend konkret aus den Nrn. 17 bis 24 der Rechtsmittelschrift ergibt und in deren Nr. 18 ausdrücklich die Rn. 20 bis 40 des angefochtenen Urteils beanstandet werden. |
24 |
Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund von FLSmidth zulässig. |
– Zur Begründetheit
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Was zunächst die gerügte Rechtswidrigkeit der im Wettbewerbsrecht der Union angewandten Vermutung betrifft, wonach eine Gesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar das gesamte oder nahezu das gesamte Kapital einer anderen Gesellschaft hält, auf diese einen bestimmenden Einfluss ausübt, so ist daran zu erinnern, dass sich diese Vermutung aus einer ständigen Rechtsprechung ergibt (vgl. u. a. Urteil Dow Chemical/Kommission, C‑179/12 P, EU:C:2013:605, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung). Sie stellt keine Verletzung der Rechte aus Art. 48 der Charta und Art. 6 Abs. 2 der EMRK dar. |
26 |
Entgegen den Ausführungen der Rechtsmittelführerin hat das Gericht somit rechtsfehlerfrei in den Rn. 22 ff. des angefochtenen Urteils die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Grundsätze hinsichtlich der Voraussetzungen dargelegt, unter denen die Muttergesellschaft eines Konzerns wie FLSmidth gesamtschuldnerisch für wettbewerbswidrige Handlungen verantwortlich gemacht werden kann, die einer Gesellschaft desselben Konzerns zur Last gelegt werden, im vorliegenden Fall dem Unternehmen Trioplast Wittenheim. |
27 |
Daher hat das Gericht ebenfalls zu Recht in Rn. 23 des angefochtenen Urteils insbesondere befunden, dass auf der Grundlage dieser Rechtsprechung die Kommission vermuten durfte, dass FLSmidth zwischen dem 31. Dezember 1991 und dem 19. Januar 1999, und sei es auch nur mittelbar, einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten von Trioplast Wittenheim ausgeübt habe, da FLSmidth zu 100 % die Inhaberin der FLS Plast war, die wiederum zu 100 % die Anteile von Trioplast Wittenheim hielt. |
28 |
Zu dem weiteren Vorbringen, die Vermutung sei durch die konkrete Art und Weise ihrer Heranziehung seitens der Kommission, die das Gericht bestätigt habe, unwiderlegbar geworden, genügt der Hinweis, dass die Tatsache, dass der für die Widerlegung einer Vermutung erforderliche Gegenbeweis schwierig ist, als solche nicht bedeutet, dass diese Vermutung tatsächlich unwiderlegbar wäre (vgl. u. a. Urteil ENI/Kommission, C‑508/11 P, EU:C:2013:289, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
29 |
Zu der Behauptung von FLSmidth schließlich, sie habe tatsächlich Beweise vorgelegt, durch die die fragliche Vermutung widerlegt werde, hat das Gericht in Rn. 31 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass FLSmidth nichts Konkretes vorgetragen habe, was diese Vermutung widerlegen könne. Insbesondere hat das Gericht zu dem Verweis von FLSmidth auf die dezentrale Organisationsform ihres Konzerns festgestellt, dass eine solche Organisationsform einer Einflussnahme der Muttergesellschaft auf die Handelspolitik ihrer Tochtergesellschaft nicht zwangsläufig entgegenstehe, da sie sich beispielsweise durch die Übermittlung regelmäßiger Berichte über die Entwicklung der Geschäftstätigkeit ihrer Tochtergesellschaft auf dem Laufenden halten könne. |
30 |
Weiter zeigte laut der fehlerfreien Feststellung des Gerichts in Rn. 32 des angefochtenen Urteils die Tatsache, dass Herr T., ein Mitglied des Verwaltungsrats von FLSmidth, zwischen 1994 und 1999 verantwortliche Funktionen in den Verwaltungsräten beider betroffener Gesellschaften innehatte, dass die Leitung beider Gesellschaften miteinander verzahnt war und dass Trioplast Wittenheim gegenüber ihrer Muttergesellschaft nicht autonom handeln konnte. Überdies begründet, worauf das Gericht ebenfalls hingewiesen hat, die Ausübung des Amtes eines Verwaltungsratsmitglieds einer Gesellschaft naturgemäß eine rechtliche Verantwortung für alle Tätigkeiten dieser Gesellschaft einschließlich ihres Marktverhaltens. Die These von FLSmidth, wonach dieses Amt rein formeller Natur sei, liefe darauf hinaus, ihm seine rechtliche Bedeutung zu nehmen. |
31 |
Unter diesen Umständen ist somit festzustellen, dass sich FLSmidth mit ihrem Vorbringen, sie habe tatsächlich Beweise vorgelegt, durch die die Vermutung der Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf Trioplast Wittenheim widerlegt werden könne, in Wirklichkeit darauf beschränkt, den Gerichtshof um eine neue Beurteilung des Sachverhalts und der vorgelegten Beweise zu ersuchen, ohne sich jedoch auf eine Verfälschung der Tatsachen und Beweismittel durch das Gericht zu berufen. Eine solche Beurteilung ist keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile General Motors/Kommission, C‑551/03 P, EU:C:2006:229, Rn. 51 und 52, sowie ThyssenKrupp Nirosta/Kommission, C‑352/09 P, EU:C:2011/191, Rn. 179 und 180). Dieses Vorbringen ist somit unzulässig. |
32 |
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist der erste Rechtsmittelgrund als teilweise unbegründet und teilweise unzulässig zurückzuweisen. |
Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Fehlende Kontrolle der Begründungspflicht der Kommission
Vorbringen der Parteien
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FLSmidth macht geltend, sie habe sich vor dem Gericht auf eine mangelhafte Begründung der streitigen Entscheidung berufen, was ihre angebliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf Trioplast Wittenheim angehe, und weiter gerügt, dass die Kommission auf verschiedene Argumente in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und in ihrer Klageschrift im ersten Rechtszug nicht reagiert habe. In der mündlichen Verhandlung habe sie ihr Vorbringen noch eingehender dargelegt. |
34 |
Insbesondere habe sie geltend gemacht, FLSmidth sei eine reine Holdinggesellschaft und nicht in den laufenden Betrieb ihrer Tochtergesellschaften eingebunden. Herr T. sei zwar offiziell Mitglied des Verwaltungsrats von Trioplast Wittenheim, habe aber keinen Einfluss auf deren Marktverhalten und von deren rechtswidrigem Verhalten nichts gewusst. Der betroffene Konzern habe einen Grundsatz der dezentralen Verwaltung angewandt. FLSmidth habe keine betrieblichen Fragen kontrolliert, sondern nur das Finanzgeschehen verfolgt. Trioplast Wittenheim habe ihr nicht unmittelbar Bericht erstatten müssen. Da diese Gesellschaft mangels Rentabilität von geringer Bedeutung gewesen sei, habe sie sie bald verkaufen wollen. Schließlich habe Trioplast Wittenheim ihre rechtswidrigen Tätigkeiten sowohl vor als auch nach ihrem Erwerb durch FLSmidth ausgeübt, was zeige, dass Erstere in ihrem Marktverhalten autonom gewesen sei. |
35 |
Dementgegen habe die Kommission in den Nrn. 734 bis 739 der streitigen Entscheidung nur die Stellung von Herrn T. erörtert, und obwohl das Gericht mit diesem Aspekt befasst worden sei, enthalte das angefochtene Urteil, insbesondere dessen Rn. 31 und 32, keine Beurteilung der Frage, ob die Kommission ihrer Begründungspflicht nachgekommen sei. |
36 |
Die Kommission macht in Bezug auf diesen Rechtsmittelgrund eine Einrede der Unzulässigkeit geltend. FLSmidth habe in ihrer Klageschrift keinen Begründungsmangel der streitigen Entscheidung angeführt. Soweit dieser Rechtsmittelgrund in Wirklichkeit auf die Beurteilung bestimmter Tatsachen durch das Gericht abziele, sei er unzulässig, weil FLSmidth nicht das Vorliegen einer Verfälschung von Beweismitteln durch das Gericht gerügt habe. |
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Hilfsweise macht die Kommission geltend, aus dem angefochtenen Urteil gehe klar hervor, dass das Gericht sich mit den in der streitigen Entscheidung angegebenen Gründen auseinandergesetzt und dargelegt habe, warum FLSmidth einen bestimmenden Einfluss auf Trioplast Wittenheim ausgeübt habe. Daraus folge, dass die Begründung der streitigen Entscheidung nach Auffassung des Gerichts insoweit ausreichend gewesen sei, selbst wenn dies im Urteil nicht ausdrücklich erwähnt worden sei. |
38 |
In ihrer Erwiderung vertritt FLSmidth die Auffassung, ihr Rechtsmittelgrund stelle eine Weiterentwicklung eines Vorbringens aus dem ersten Rechtszug dar. Dies bestreitet die Kommission in ihrer Gegenerwiderung. |
Würdigung durch den Gerichtshof
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FLSmidth rügt mit diesem Rechtsmittelgrund, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, da es sich nicht mit dem Klagegrund einer unzureichenden Begründung der streitigen Entscheidung auseinandergesetzt habe. Sie untermauert ihr Vorbringen, wonach sie sich auf diesen Klagegrund bereits vor dem Gericht berufen habe, indem sie in ihrer Rechtsmittelschrift auf die Nrn. 93, 109, 121 und 122 ihrer Klageschrift Bezug nimmt, und rügt einen Begründungsmangel der Entscheidung. |
40 |
Insoweit genügt jedoch die Feststellung, dass FLSmidth in diesen Nummern ihrer Klageschrift lediglich ausgeführt hat, die Kommission habe keine Gründe dafür angegeben, warum einerseits bestimmten anderen Unternehmen keine Verantwortung zugeordnet worden sei und andererseits FLSmidth für den Zeitraum von Dezember 1990 bis Dezember 1991 verantwortlich gemacht worden sei. Auch habe sich die Kommission nicht mit dem Vorbringen von FLSmidth befasst, sie habe keine Kenntnis von den fraglichen Zuwiderhandlungen gehabt. Dagegen hat FLSmidth weder in diesen noch in anderen Nummern der Klageschrift geltend gemacht, dass die streitige Entscheidung aufgrund dieser Tatsache einen Begründungsmangel aufweise. Vielmehr zielten die Ausführungen von FLSmidth darauf ab, die Tatsachenwürdigung der Kommission in Frage zu stellen, was im Übrigen im Hinblick auf Nr. 109 der Klageschrift aus deren Wortlaut ausdrücklich hervorgeht. |
41 |
Im Übrigen macht FLSmidth mit ihrem Argument, sie habe dieses Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht „noch eingehender“ dargelegt, nicht geltend, dass die Einführung eines neuen Angriffsmittels in diesem Verfahrensstadium trotz Art. 48 § 2 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts zulässig gewesen wäre. Diese Vorschrift sieht vor, dass neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden können, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. FLSmidth beruft sich auch nicht darauf, solche Gründe in der mündlichen Verhandlung vorgetragen zu haben. |
42 |
Folglich beruft sich FLSmidth mit dem vorliegenden Rechtsmittelgrund auf ein neues Vorbringen, mit dem sie die Ordnungsmäßigkeit der Begründung sowohl der streitigen Entscheidung als auch des angefochtenen Urteils hinsichtlich der ihr angelasteten Verantwortung für die von Trioplast Wittenheim begangene Zuwiderhandlung in Frage stellt. Somit ist dieses Vorbringen als unzulässig anzusehen, da der Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich nur dafür zuständig ist, die rechtliche Entscheidung im ersten Rechtszug über das Parteivorbringen zu beurteilen (vgl. u. a. Urteil Dow Chemical/Kommission, EU:C:2013:605, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
43 |
Unter diesen Umständen ist der zweite Rechtsmittelgrund als unzulässig zurückzuweisen. |
Zum dritten Rechtsmittelgrund: Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Legalitätsgrundsatzes
Vorbringen der Parteien
44 |
Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund, den sie zur Begründung ihres Hilfsantrags vorträgt, macht FLSmidth geltend, das Gericht habe zu Unrecht das Vorbringen zurückgewiesen, mit dem sie die Verhältnismäßigkeit und die Rechtmäßigkeit der Höhe der gegen sie verhängten Geldbuße beanstandet habe. Die von der Kommission angewandten Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), die eine Erhöhung der Geldbuße um 10 % für jedes Jahr vorsähen, das Trioplast Wittenheim am fraglichen Kartell beteiligt gewesen sei, hätten zu einem Gesamtergebnis geführt, das in keinem vernünftigen Verhältnis zu der Dauer stehe, während der FLSmidth das Kapital dieser Gesellschaft gehalten habe. Das Gericht habe sich in den Rn. 43 bis 46 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen darauf beschränkt, die von der Kommission angewandte Berechnungsmethode wiederzugeben, ohne eine eigenständige Prüfung vorzunehmen. |
45 |
Das Gericht habe insoweit festgestellt, die verhängte Geldbuße sei im Hinblick auf diese Dauer aufgrund einer „individuellen Betrachtung“ nicht unverhältnismäßig, die jedoch in Bezug auf den Ausgangsbetrag nicht einheitlich angewandt worden sei. Dieser Betrag hätte nämlich nicht in gleicher Höhe wie für Trioplast Wittenheim festgesetzt werden dürfen. Die von der Kommission gewählte Methode sei willkürlich und könne nicht rechtfertigen, dass FLSmidth für mehr als 80 % der gegen Trioplast Wittenheim verhängten Geldbuße hafte, obwohl FLSmidth nur während 35 % des Zeitraums der Zuwiderhandlung eine wirtschaftliche Einheit mit dieser Gesellschaft gebildet habe. Auf diese Weise habe sich auch ein übermäßig hoher, unverhältnismäßiger und diskriminierender Betrag ergeben. Außerdem habe das Gericht dieses Ergebnis nicht ausreichend begründet, da es sich in Rn. 45 des angefochtenen Urteils auf die Feststellung beschränkt habe, dass FLSmidth mit ihrem Vorbringen die von der Kommission angewandte Berechnungsmethode nicht beanstandet habe. |
46 |
Überdies sei das Gericht in Rn. 55 des angefochtenen Urteils unzutreffend davon ausgegangen, dass insbesondere Unkenntnis des rechtswidrigen Verhaltens von Trioplast Wittenheim keinen mildernden Umstand darstellen könne, da die Haftung darauf beruhe, dass FLSmidth und Trioplast Wittenheim eine einzige wirtschaftliche Einheit bildeten. Dieses Vorbringen entspreche aber nicht der von der Kommission gewählten angeblich individuellen Betrachtungsweise. |
47 |
Weiter sei die Unverhältnismäßigkeit der FLSmidth zugerechneten Haftung dadurch verstärkt worden, dass das Gericht die Verantwortung von Trioplast Industrier, der einzigen anderen für das Verhalten von Trioplast Wittenheim haftenden Muttergesellschaft, dadurch beschränkt habe, dass es die festgesetzte Geldbuße in seinem Urteil Trioplast Industrier/Kommission (T‑40/06, EU:T:2010:388) um 7,73 Mio. Euro auf 2,73 Mio. Euro herabgesetzt habe. Da sich Trioplast Wittenheim in Liquidation befinde, habe jenes Urteil zur Folge, dass diese Herabsetzung tatsächlich zulasten von FLSmidth gehe, obwohl sie gar nicht Partei in dem mit diesem Urteil abgeschlossenen Verfahren gewesen sei. |
48 |
Nach Auffassung der Kommission ist das Vorbringen zur angeblichen Verletzung des Legalitätsgrundsatzes in keiner Weise präzisiert worden. Zudem sei dieses Vorbringen, das vor dem Gericht nicht geäußert worden sei, unzulässig. Im Übrigen betreffe dieses Vorbringen von FLSmidth die streitige Entscheidung, während das angefochtene Urteil damit nicht gerügt worden sei. Damit sei dieses Vorbringen unzulässig. |
49 |
Die Prüfung der Höhe der festgesetzten Geldbuße durch das Gericht stelle lediglich eine „Kontrolle“ dar. Auch habe das Gericht in Rn. 45 des angefochtenen Urteils hinreichend begründet, warum es die von der Kommission zur Berechnung der Geldbuße angewandte Methode akzeptiert habe. Zudem gebe es keinen Rechtsgrundsatz, wonach der Endbetrag der Geldbuße, die gegen den Adressaten einer eine Zuwiderhandlung feststellenden Entscheidung verhängt worden sei, im Verhältnis zur Dauer der Haftung dieses Adressaten für die Beteiligung an der Zuwiderhandlung stehen müsse. |
50 |
Überdies betreffe das Erfordernis einer Berücksichtigung etwaiger mildernder Umstände ein Unternehmen als Ganzes, nicht aber dessen einzelne Teile, zu dem Zeitpunkt, zu dem die Zuwiderhandlung begangen worden sei. |
51 |
Im Übrigen steht nach Ansicht der Kommission die niedrigere Festsetzung der gegen Trioplast Industrier verhängten Geldbuße im Rahmen eines durch die Kommission eingeleiteten Verfahrens, an dem FLSmidth nicht beteiligt gewesen sei, in keinem Zusammenhang zum vorliegenden Rechtsmittel. |
52 |
In ihrer Erwiderung führt FLSmidth aus, dass ihr Vorbringen zur Verletzung des Legalitätsgrundsatzes nicht neu sei. Sie habe sich im ersten Rechtszug auf den Grundsatz des „Willkürverbots“ berufen, was ihrem Vorbringen im Rechtsmittelverfahren entspreche. Jedenfalls stelle dieses Vorbringen allenfalls die Weiterentwicklung dessen dar, was sie vor dem Gericht vorgetragen habe. |
Würdigung durch den Gerichtshof
– Zur Zulässigkeit bestimmter Argumente
53 |
Was erstens die von der Kommission erhobene Unzulässigkeitseinrede gegen das angeblich neue Vorbringen von FLSmidth anbelangt, dass die gegen sie verhängte Geldbuße rechtswidrig sei, so hatte sich FLSmidth, wie aus den Nrn. 99 ff. der Klageschrift im ersten Rechtszug hervorgeht, vor dem Gericht auf die „Willkürlichkeit“ der gegen sie verhängten Geldbuße berufen. Aus den Ausführung in diesen Nummern der Klageschrift sowie aus dem Vorbringen von FLSmidth zur Begründung ihres dritten Rechtsmittelgrundes geht hervor, dass das Argument, die gegen sie verhängte Geldbuße verstoße gegen den Legalitätsgrundsatz, und das Argument, die Geldbuße sei willkürlich, im Wesentlichen deckungsgleich sind. Folglich ist dieses Vorbringen nicht neu und daher im Rechtsmittelverfahren zulässig. |
54 |
Zu – zweitens – den Ausführungen der Kommission, das Vorbringen von FLSmidth betreffe die streitige Entscheidung, aber richte sich nicht gegen das Urteil und sei daher unzulässig, ist festzustellen, dass das Gericht hinsichtlich der Berechnung der gegen FLSmidth verhängten Geldbuße, soweit diese Berechnung Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist, die von der Kommission im fraglichen Kontext angewandte Methode bestätigt hat. Wenn somit FLSmidth in ihrer Rechtsmittelschrift nicht immer klar unterscheidet zwischen dem gegen die streitige Entscheidung gerichteten Vorbringen und dem Vorbringen, mit dem sie das angefochtene Urteil rügt, so kann diese fehlende Klarheit doch nicht zur Unzulässigkeit des auf dieses Vorbringen gestützten Rechtsmittelgrundes führen, da dieses Vorbringen ohne Weiteres dahin verstanden werden kann, dass es sich auf das angefochtene Urteil bezieht. Der Gerichtshof ist daher in der Lage, anhand dieses Vorbringens das Urteil im Hinblick auf den Rechtsmittelgrund einer Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Legalitätsgrundsatzes zu überprüfen. |
55 |
Der dritte Rechtsmittelgrund ist folglich zulässig. |
– Zur Begründetheit
56 |
Was erstens das Vorbringen betrifft, das Gericht habe keine „eigenständige“ Prüfung der gegen FLSmidth verhängten Geldbuße vorgenommen, ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht nach Art. 261 AEUV und Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 über die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der von der Kommission festgesetzten Geldbußen verfügt. Das Gericht ist deshalb über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit dieser Geldbußen hinaus dazu ermächtigt, die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen (vgl. Urteil E.ON Energie/Kommission, C‑89/11 P, EU:C:2012:738, Rn. 123 und 124 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
57 |
Was jedoch die Frage betrifft, ob das Gericht es im angefochtenen Urteil unterlassen hat, von seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung Gebrauch zu machen und eine eigenständige Prüfung der festgesetzten Geldbuße durchzuführen, ist zum einen zu beachten, dass es in Rn. 44 des angefochtenen Urteils die von der Kommission vorgenommene Berechnung zur Festsetzung der u. a. gegen FLSmidth und Trioplast Industrier verhängten Geldbuße erwähnt hat. Es hat insoweit namentlich darauf hingewiesen, dass gegen diese Gesellschaften derselbe Ausgangsbetrag festgesetzt worden sei wie gegen die Tochtergesellschaft Trioplast Wittenheim, mit der sie eine wirtschaftliche Einheit gebildet hätten, und dass diese Beträge gemäß Nr. 1 Buchst. B dritter Gedankenstrich der Leitlinien für jedes Jahr der Dauer, während der die Muttergesellschaft ihre Tochtergesellschaft kontrolliert habe, um 10 % erhöht worden sei. Zum anderen hat das Gericht festgestellt, dass auf dieser Grundlage gegen jeden Adressaten der streitigen Entscheidung eine eigene Sanktion verhängt worden sei, deren Betrag nicht zwangsläufig mit dem gegen die Tochtergesellschaft festgesetzten Betrag übereinstimme, wenn dieser nach dem Anteil an dem Zeitraum der Kontrolle aufgeschlüsselt werde. |
58 |
Überdies hat das Gericht in Rn. 45 des angefochtenen Urteils insoweit weiter ausgeführt, dass FLSmidth „kein Argument vorgebracht [habe], das die Annahme erlaubt, dass die Berechnungsmethode als solche auf einem grundlegenden Fehler beruht oder gegen die in der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze verstößt“. In Rn. 46 des Urteils hat das Gericht daraus den Schluss gezogen, dass das Vorbringen von FLSmidth, wonach die gegen sie verhängte Geldbuße streng proportional widerspiegeln müsse, dass Trioplast Wittenheim ihr nur während acht der 20 Jahre des Zeitraums der Zuwiderhandlung gehört habe, zurückzuweisen sei. |
59 |
Auch wenn diese Erwägungen für sich betrachtet dahin ausgelegt werden können, dass sie eine bloße Wiederholung der Darlegungen der Kommission und der von ihr angewandten Berechnungsmethode darstellen, ist doch zu konstatieren, dass sich das Gericht in den Rn. 43 bis 46 des angefochtenen Urteils der Sache nach darauf beschränkt hat, nur die von der Kommission vorgenommene Beurteilung eines ganz bestimmten Aspekts der Geldbußenberechnung zu billigen, nämlich den der Auswirkungen der Bestehensdauer der von FLSmidth über Trioplast Wittenheim ausgeübten Kontrolle auf die Höhe der Geldbuße. Jedoch stellen die Ausführungen in diesen Randnummern entgegen dem Vortrag von FLSmidth nicht die einzigen Passagen in dem angefochtenen Urteil dar, die sich mit der Prüfung der gegen FLSmidth verhängten Geldbuße befassen. |
60 |
Das Gericht hat im angefochtenen Urteil mehrere andere für die Bemessung der festgesetzten Geldbuße einschlägige Aspekte ausführlich geprüft. So hat es in den Rn. 53 ff. des angefochtenen Urteils auch die Erheblichkeit etwaiger mildernder Umstände und in den Rn. 69 ff. die Höhe des Ausgangsbetrags für die Berechnung der Geldbuße geprüft. Aus diesen Randnummern geht hervor, dass das Gericht eine eigenständige und umfassende Beurteilung der gegen FLSmidth verhängten Geldbuße vorgenommen hat, obwohl es sich in mancherlei Hinsicht die Beurteilung durch die Kommission sowie das von dieser erlangte Ergebnis zu eigen gemacht hat. |
61 |
Folglich ist dieses Argument ebenso zurückzuweisen wie jenes, wonach das Gericht in diesem Kontext sein Urteil nicht rechtlich hinreichend begründet habe, da die Rn. 43 bis 46 und insbesondere Rn. 45 des angefochtenen Urteils entgegen der Behauptung von FLSmidth nur einen geringen Teil der entsprechenden Begründung durch das Gericht darstellen, die jedoch als Ganzes zu beurteilen ist. |
62 |
Was zweitens die Rüge anbelangt, dass die festgesetzte Geldbuße unverhältnismäßig sei, so ist festzustellen, dass es FLSmidth nicht vermocht hat, eine solche Unverhältnismäßigkeit darzutun. |
63 |
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht zwar darüber zu wachen hat, dass bei der Berechnung der Höhe einer Geldbuße, die gegen ein Unternehmen wegen seiner Beteiligung an einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union festgesetzt wird, die Dauer dieser Zuwiderhandlung und der Beteiligung daran ausreichend berücksichtigt werden. Die Dauer einer Zuwiderhandlung ist jedoch weder der einzige noch zwangsläufig der wichtigste Aspekt, der von der Kommission und/oder dem Gericht bei der Berechnung der Geldbuße zu berücksichtigen ist. |
64 |
Daher sind im vorliegenden Fall die gegen FLSmidth und die anderen am fraglichen Kartell beteiligten Gesellschaften verhängten Geldbußen nicht allein anhand der jeweiligen Dauer der Beteiligung dieser Gesellschaften berechnet worden. Insbesondere hätte im Fall von FLSmidth die Höhe der verhängten Geldbuße nicht strikt oder auch nur grundsätzlich „angemessen“ proportional zur Dauer der Beteiligung von FLSmidth an der fraglichen Zuwiderhandlung ausfallen müssen, sofern diese Höhe nur die Schwere der begangenen Zuwiderhandlung angemessen widerspiegelt. |
65 |
Hinsichtlich der Schwere der Zuwiderhandlung ist jedoch daran zu erinnern, dass diese in der Mitwirkung an einem System aus Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen in sechs Mitgliedstaaten zur Festsetzung von Preisen, Erarbeitung gemeinsamer Preisberechnungsmethoden, Aufteilung von Märkten, Zuweisung von Verkaufskontingenten, Kunden und Aufträgen, Abstimmung von Angeboten auf Ausschreibungen und zum Austausch sensibler Informationen über einzelne Verkäufe bestand. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission diesen Verstoß in Nr. 765 der streitigen Entscheidung zutreffend als „sehr schwerwiegend“ eingestuft hat. Diese Einstufung hat FLSmidth in ihrer Rechtsmittelschrift nicht in Frage gestellt. |
66 |
Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, dass das Gericht, als es den Betrag, für den FLSmidth nach Art. 2 Buchst. f der streitigen Entscheidung gesamtschuldnerisch haftet, auf 14,45 Mio. Euro und damit auf einen Betrag festgesetzt hat, der deutlich unter dem von der Kommission im Allgemeinen als Ausgangsbetrag für die Berechnung der Geldbußen für „besonders schwerwiegende“ Verstöße angesetzten und in Nr. 1 Buchst. A dritter Gedankenstrich der Leitlinien vorgesehenen Mindestbetrag von 20 Mio. Euro liegt, im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung eine unverhältnismäßig hohe Geldbuße festgesetzt hätte. |
67 |
Sofern FLSmidth mit diesem Vorbringen, statt sich auf eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu berufen, nur eine neue Beurteilung des Betrags begehrt, für dessen Zahlung sie gesamtschuldnerisch haftet, ist daran zu erinnern, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs dieser bei der Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittels seine eigene Würdigung aus Gründen der Billigkeit nicht an die Stelle der Würdigung des Gerichts setzen darf, das in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über die Höhe der gegen Unternehmen wegen Verletzung des Unionsrechts verhängten Geldbußen entscheidet (vgl. u. a. Urteil Quinn Barlo u. a./Kommission, C‑70/12 P, EU:C:2013:351, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
68 |
Daher muss auch dieses Vorbringen zurückgewiesen werden. |
69 |
Drittens kann auch das Argument nicht durchgreifen, dass es der von der Kommission gewählten individuellen Betrachtung widerspreche, wenn in Rn. 55 des angefochtenen Urteils die Tatsache, dass FLSmidth keine Kenntnis vom rechtswidrigen Verhalten von Trioplast Wittenheim gehabt habe, nicht als ein mildernder Umstand anerkannt worden sei, da die Haftung darauf beruhe, dass FLSmidth und Trioplast Wittenheim eine einzige wirtschaftliche Einheit bildeten. |
70 |
Auch wenn es insoweit zutreffend ist, dass die Festellung in Rn. 44 des angefochtenen Urteils, wonach gegen die Muttergesellschaften der am fraglichen Kartell beteiligten Tochtergesellschaften derselbe Ausgangsbetrag festgesetzt worden und dann u. a. aufgrund erschwerender oder mildernder Umstände für jede Muttergesellschaft entsprechend angepasst worden sei, für FLSmidth nicht gilt, da dieser keine Ermäßigung wegen mildernder Umstände gewährt wurde, hätte doch das Gericht jedenfalls den Betrag, für den FLSmidth gesamtschuldnerisch haftet, nicht deshalb herabsetzen können, weil diese keine Kenntnis vom rechtswidrigen Verhalten von Trioplast Wittenheim hatte. |
71 |
Da nämlich die Verantwortung einer Muttergesellschaft für einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln der Union, der unmittelbar von einer ihrer Tochtergesellschaften begangen wurde, nach ständiger Rechtsprechung auf der Tatsache beruht, dass diese Gesellschaften während der Dauer der Zuwiderhandlung zu einer einzigen wirtschaftlichen Einheit gehört haben (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Kendrion/Kommission, C‑50/12 P, EU:C:2013:771, Rn. 47 und 55 und die dort angeführte Rechtsprechung), findet das Erfordernis einer Berücksichtigung etwaiger mildernder Umstände auf ein Unternehmen als Ganzes (und nicht auf seine einzelnen Teile) zu dem Zeitpunkt Anwendung, zu dem die Zuwiderhandlung begangen worden ist. Dieses Vorbringen ist somit ebenfalls unbegründet und folglich zurückzuweisen. |
72 |
Was viertens das Vorbringen von FLSmidth angeht, dass die ihr angelastete, angeblich unverhältnismäßige Haftung noch dadurch ausgeweitet worden sei, dass das Gericht im Urteil Trioplast Industrier/Kommission (EU:T:20120:388) die Haftung von Trioplast Industrier, der einzigen anderen für das Verhalten von Trioplast Wittenheim haftenden Muttergesellschaft, niedriger festgesetzt habe, so ist das Argument, dass sich Trioplast Wittenheim in Liquidation befinde, was zur Folge habe, dass diese niedrigere Festsetzung tatsächlich zulasten von FLSmidth gehe, obwohl sie gar nicht Partei in dem mit diesem Urteil abgeschlossenen Verfahren gewesen sei, nicht geeignet, einen Rechtsfehler in dem angefochtenen Urteil aufzuzeigen. Insoweit genügt der Hinweis, dass die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Gesellschaften für die Zahlung einer einheitlichen Geldbuße diese Zahlung gerade auch für den Fall sicherstellen soll, dass eine von ihnen dieser Verpflichtung nicht nachkommen kann. |
73 |
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auch dieses letzte Argument und somit der dritte Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen. |
Zum vierten Rechtsmittelgrund: Keine Behebung der Ungleichbehandlung, die sich aus der Trioplast Industrier gewährten Herabsetzung des Grundbetrags der Geldbuße um 30 % ergebe
Vorbringen der Parteien
74 |
FLSmidth macht geltend, das Gericht habe es unzutreffend als rechtswidrig bewertet, dass die Trioplast Wittenheim aufgrund der Kronzeugenregelung gewährte Herabsetzung des Grundbetrags der Geldbuße um 30 % zugunsten von Trioplast Industrier berücksichtigt worden sei. Daher habe es auch nicht davon ausgehen dürfen, dass eine FLSmidth aus denselben Gründen gewährte Herabsetzung darauf hinausliefe, ihr einen zugunsten von Trioplast Industrier begangenen Rechtsverstoß zugute kommen zu lassen. |
75 |
Das Gericht habe nämlich diese aufgrund der Kronzeugenregelung gewährte Herabsetzung in seinem Urteil Trioplast Industrier/Kommission (EU:T:2010:388) akzeptiert. Die Zurechnung einer Haftung gegenüber der Rechtsmittelführerin und Trioplast Industrier sei auf die kollektive Herangehensweise gestützt worden, die den Grundsatz der einzigen wirtschaftlichen Einheit kennzeichne. Dass die Kommission dieser Herangehensweise bis hin zu der Beurteilung gefolgt sei, ob die Kronzeugenregelung eingreife, könne nicht dem Unionsrecht widersprechen. Ebenso im Einklang mit dieser Herangehensweise stehe es somit, die Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung dadurch zu beheben, dass FLSmidth die gleiche Herabsetzung gewährt werde wie Trioplast Industrier. |
76 |
Selbst wenn die Trioplast Industrier gewährte niedrigere Festsetzung rechtswidrig wäre, hätte es das Gericht doch nicht aus diesem Grund ablehnen dürfen, die von ihm in Rn. 94 des angefochtenen Urteils zutreffend konstatierte Diskriminierung zu beheben. |
77 |
Überdies ist FLSmidth der Auffassung, die Kommission verweigere ihr eine derartige Herabsetzung um 30 % zu Unrecht mit der Begründung, sie sei, als Trioplast Wittenheim mit der Kommission zusammengearbeitet habe und die Geldbuße festgesetzt worden sei, nicht deren Muttergesellschaft gewesen. Habe sie die Bürde ihrer Verbundenheit mit der einzigen wirtschaftlichen Einheit zu tragen, so müsse ihr diese Verbundenheit auch zugutekommen können. |
78 |
Außerdem weist FLSmidth darauf hin, dass im vorliegenden Fall die Trioplast Industrier gewährte und vom Gericht als rechtswidrig angesehene Herabsetzung um 30 % den Betrag, für den FLSmidth aufkommen müsse, unmittelbar dadurch erhöht habe, dass sich Trioplast Wittenheim in Liquidation befinde. Jedenfalls seien die gegen die beiden Muttergesellschaften verhängten Geldbußen, die den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzten und die das Gericht hätte korrigieren müssen, unverhältnismäßig. |
79 |
Die Kommission ist der Ansicht, das Gericht sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass FLSmidth die fragliche Herabsetzung nicht für sich beanspruchen könne, habe dies aber auf unzutreffende Gründe gestützt. Diese Herabsetzung sei Trioplast Wittenheim gewährt und zu Recht auf Trioplast Industrier erstreckt worden, da diese zum Zeitpunkt der Zusammenarbeit von Trioplast Wittenheim mit der Kommission, auf den es allein ankomme, die Muttergesellschaft von Trioplast Wittenheim gewesen sei. FLSmidth hingegen sei zum Zeitpunkt jener Zusammenarbeit nicht mehr Muttergesellschaft von Trioplast Wittenheim gewesen und habe damit kein Unternehmen mehr mit dieser gebildet. Folglich habe das Gericht zu Unrecht festgestellt, dass eine Ungleichbehandlung von FLSmidth gegenüber Trioplast Industrier vorgelegen habe. |
80 |
Die Kommission beantragt daher, die Rn. 92 bis 97 des angefochtenen Urteils aufzuheben und durch eine andere Begründung zu ersetzen. |
Würdigung durch den Gerichtshof
81 |
Was den vierten Rechtsmittelgrund angeht, hat das Gericht in den Rn. 92 bis 97 des angefochtenen Urteils festgestellt, FLSmidth habe keinen Anspruch darauf, dass ihr die gleiche Herabsetzung des Grundbetrags der Geldbuße um 30 % wie Trioplast Wittenheim gewährt werde. So hat das Gericht zunächst in Rn. 93 des angefochtenen Urteils befunden, dass „weder aus der [streitigen] Entscheidung noch aus den beim Gericht eingereichten Schriftsätzen [hervorgeht], dass [Trioplast Industrier] Informationen vorgelegt hat, die eine um 30 % niedrigere Festsetzung für die Zusammenarbeit rechtfertigen“, und dass „[d]ie Kommission … ihr dennoch eine solche niedrigere Festsetzung gewährt [hat]“. Sodann hat das Gericht in Rn. 95 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass sich niemand zu seinem Vorteil auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen könne. Es hat daraus in der folgenden Randnummer den Schluss gezogen, dass sich FLSmidth darauf, dass die Kommission den aus der Zusammenarbeit von Trioplast Wittenheim erwachsenden Vorteil zu Unrecht auf Trioplast Industrier ausgedehnt habe, nicht berufen könne, um diesen Rechtsverstoß zu ihren eigenen Gunsten berücksichtigt zu sehen. |
82 |
Auch wenn das Gericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt ist, dass FLSmidth die beantragte Herabsetzung der Geldbuße nicht gewährt werden kann, ist seinen hierzu angestellten Erwägungen nicht zu folgen. |
83 |
Wie die Kommission betont hat, kann nur einem Unternehmen, das mit ihr auf der Grundlage der Kronzeugenregelung zusammengearbeitet hat, nach dieser Regelung eine niedrigere Festsetzung der Geldbuße gewährt werden, die ohne diese Zusammenarbeit verhängt worden wäre. Diese Herabsetzung kann nicht auf eine Gesellschaft erstreckt werden, die zwar während eines Teils der Dauer der fraglichen Zuwiderhandlung zu der von einem Unternehmen gebildeten wirtschaftlichen Einheit gehörte, aber nicht mehr zu dem Zeitpunkt der Zusammenarbeit dieses Unternehmens mit der Kommission. |
84 |
Eine gegenteilige Auslegung, wie sie von FLSmidth vertreten wird, würde allgemein dazu führen, dass im Fall von Unternehmensveräußerungen einer Gesellschaft, die ursprünglich an einer Zuwiderhandlung als Muttergesellschaft einer unmittelbar an dieser Zuwiderhandlung beteiligten Tochtergesellschaft mitgewirkt hat und diese Tochtergesellschaft an ein anderes Unternehmen veräußert, gegebenenfalls eine diesem Unternehmen für dessen Zusammenarbeit mit der Kommission gewährte Herabsetzung der Geldbuße zugutekäme, obgleich die erstgenannte Gesellschaft weder selbst zur Aufdeckung der fraglichen Zuwiderhandlung beigetragen noch zum Zeitpunkt der Zusammenarbeit einen bestimmenden Einfluss auf ihre ehemalige Tochtergesellschaft ausgeübt hat. |
85 |
Im Hinblick auf das Ziel der Kronzeugenregelung, die Aufdeckung von gegen das Wettbewerbsrecht der Union verstoßenden Verhaltensweisen zu fördern, und die Gewährleistung einer wirksamen Anwendung dieses Rechts ist es folglich durch nichts gerechtfertigt, die einem Unternehmen wegen seiner Zusammenarbeit mit der Kommission gewährte Herabsetzung einer Geldbuße auf ein Unternehmen zu erstrecken, das zwar in der Vergangenheit den Tätigkeitsbereich kontrolliert hat, in dem sich die Zuwiderhandlung zugetragen hat, das aber zu deren Aufdeckung selbst nichts beigetragen hat. |
86 |
Im vorliegenden Fall bildete Trioplast Wittenheim zum Zeitpunkt ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission, also ab Dezember 2002, mit FLSmidth kein Unternehmen mehr. Somit kann Letzterer nicht eine Erstreckung der um 30 % niedrigeren Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße zugutekommen, die dem aus Trioplast Wittenheim und ihrer Muttergesellschaft Trioplast Industrier bestehenden Unternehmen gewährt wurde. |
87 |
Unter diesen Umständen ist im Übrigen die Frage unerheblich, ob Trioplast Industrier die Herabsetzung des Grundbetrags der Geldbuße um 30 % zu Recht gewährt wurde, weil diese jedenfalls nicht auf FLSmidth hätte erstreckt werden können, nachdem sich diese nicht in einer mit der von Trioplast Industrier vergleichbaren Lage befand. Aus demselben Grund kann auch der Betrag, für dessen Zahlung FLSmidth gesamtschuldnerisch haftet, entgegen deren Ausführungen nicht allein deshalb als unverhältnismäßig angesehen werden, weil er nicht um 30 % herabgesetzt wurde. |
88 |
Schließlich ist das Vorbringen von FLSmidth, im vorliegenden Fall habe die Trioplast Industrier gewährte Herabsetzung des Grundbetrags der Geldbuße um 30 % infolge der Liquidation von Trioplast Wittenheim unmittelbar zu einer Erhöhung des letztlich von FLSmidth zu zahlenden Betrags geführt, aus dem oben in Rn. 72 genannten Grund zurückzuweisen. |
89 |
Aus diesen Gründen, die die Begründung in den Rn. 92 bis 97 des angefochtenen Urteils ersetzen, ist auch der vierte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen. |
Zum fünften Rechtsmittelgrund: Fehlerhafte Anwendung der Kronzeugenregelung und Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
Vorbringen der Parteien
90 |
Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund macht FLSmidth zum einen geltend, das Gericht habe ihr durch die Bestätigung der streitigen Entscheidung zu Unrecht eine um 10 % niedrigere Festsetzung der Geldbuße gemäß der Kronzeugenregelung verweigert, weil sie den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargestellten Sachverhalt nicht bestritten habe. Zum anderen habe das Gericht damit den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt, weil in der streitigen Entscheidung zwar der Bonar Technical Fabrics NV (im Folgenden: Bonar), nicht aber ihr selbst eine solche Herabsetzung gewährt worden sei, obwohl Bonar im Verwaltungsverfahren dieselbe Haltung wie sie selbst eingenommen habe. |
91 |
Das angefochtene Urteil geht nach Ansicht von FLSmidth nicht auf ihre Darlegungen zur Rechtsprechung ein und enthält weder Ausführungen zu der Frage des Wertes, der ihrem Nichtbestreiten des Sachverhalts zukomme, noch zu den besonderen Umständen des Falles. Das Gericht habe sich auch nicht zu der Frage geäußert, ob die Tatsache, dass ihr keine Herabsetzung der Geldbuße gewährt wurde, eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung darstelle. |
92 |
FLSmidth fügt hinzu, sie habe zwar bestritten, dass sich aus dem in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargestellten Sachverhalt das Vorliegen eines bestimmenden Einflusses ergebe, nicht aber die Richtigkeit des Sachverhalts als solchen. In Bezug auf ihre beiden Mitarbeiter, Herrn G. und Herrn H., die an den Treffen des fraglichen Kartells teilgenommen hätten, während sie angegeben habe, keine Kenntnis von der Teilnahme von Trioplast Wittenheim am Kartell gehabt zu haben, macht sie geltend, dass diese Mitarbeiter nicht mit ihr, sondern mit FLS Plast in Verbindung gestanden hätten. Falls die Kommission schließlich geltend machen wolle, dass FLSmidth eine Reihe der Trioplast Wittenheim vorgeworfenen Tatsachen bestritten habe, so verweise sie damit nicht auf die Antwort von FLSmidth auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, sondern auf die entsprechende Antwort von FLS Plast. |
93 |
Die Kommission bestreitet die Zulässigkeit dieses Rechtsmittelgrundes, da mit ihm eine erneute sachliche Prüfung zum einen der Frage, welchen Wert die Kommission den von FLSmidth während der Untersuchung gemachten Angaben beigemessen habe, und zum anderen der Erwägungen erreicht werden solle, aus denen die Kommission Bonar eine Herabsetzung der Geldbuße um 10 % gewährt habe, ohne dass FLSmidth aber präzise eine Verfälschung der Tatsachen durch das Gericht benenne. |
94 |
Wie das Gericht in Rn. 84 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt habe, verfüge die Kommission bei der Beurteilung der Qualität und Nützlichkeit des Kooperationsbeitrags eines Unternehmens, insbesondere im Vergleich zu den Beiträgen anderer Unternehmen, über ein weites Ermessen, dürfe bei dessen Ausübung jedoch nicht den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzen. |
95 |
Nach Ansicht der Kommission hat das Gericht das Vorbringen, es liege eine diskriminierende Behandlung vor, zumindest stillschweigend zurückgewiesen. Hilfsweise macht die Kommission geltend, dieses Vorbringen könne, da erwiesen sei, dass FLSmidth weder darauf verzichtet habe, den Sachverhalt zu bestreiten, noch die Kommission angemessen unterstützt habe, selbst dann nicht durchgreifen, wenn die von Bonar erbrachte Unterstützung als mit der von FLSmidth vergleichbar angesehen würde. Ein Unternehmen könne nämlich nicht dadurch, dass es sich auf den Grundsatz der Gleichbehandlung berufe, einen einem Dritten rechtswidrig gewährten Vorteil erlangen. |
96 |
Zu der Zusammenarbeit von Bonar führt die Kommission weiter aus, dass Bonar mit ihr enger zusammengearbeitet und bestimmte grundlegende Tatsachen eingeräumt habe, die ihr die Aufgabe, bestimmte Tatbestandsmerkmale der fraglichen Zuwiderhandlung zu beweisen, erleichtert hätten. |
97 |
In ihrer Erwiderung betont FLSmidth, dass der vorliegende Rechtsmittelgrund zulässig sei, da der Gerichtshof über diesen Aspekt entscheiden könne, ohne selbst ergänzende Sachverhaltsbeurteilungen vornehmen zu müssen. Die Kommission widerspricht diesem Vorbringen in ihrer Gegenerwiderung. |
Würdigung durch den Gerichtshof
98 |
Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund macht FLSmidth zum einen geltend, sie habe die Richtigkeit des von der Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte festgestellten Sachverhalts nicht bestritten und dieser damit die Führung des ihr obliegenden Beweises für die Zuwiderhandlung erleichtert, und zum anderen, dass das Gericht den Betrag, für dessen Zahlung sie gesamtschuldnerisch hafte, um 10 % hätte herabsetzen müssen. Jedenfalls sei das angefochtene Urteil insoweit nicht hinreichend begründet. |
99 |
Insoweit hat das Gericht in Rn. 97 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Kommission im Rahmen des weiten Ermessens, über das sie verfüge, zu dem Schluss gelangt sei, FLSmidth habe ihr dadurch, dass sie die Richtigkeit des Sachverhalts nicht bestritten habe, nicht beim Nachweis eines Verstoßes gegen Art. 81 EG geholfen. In derselben Randnummer des angefochtenen Urteils hat das Gericht befunden, FLSmidth habe nichts vorgetragen, was belegen könne, dass ihre Zusammenarbeit der Kommission die Wahrnehmung ihrer Aufgabe erleichtert habe. |
100 |
Nach ständiger Rechtsprechung hätte FLSmidth, um diese Sachverhaltsbeurteilung im Rechtsmittelverfahren in Frage zu stellen, eine Verfälschung von Tatsachen oder Beweismitteln durch das Gericht geltend machen müssen, was sie jedoch nicht getan hat. Selbst wenn angenommen würde, dass FLSmidth mit ihrem Vorbringen eine Verfälschung von Tatsachen oder Beweismitteln durch das Gericht stillschweigend geltend gemacht hat, was indessen offensichtlich nicht der Fall ist, ist zu konstatieren, dass ihr Vorbringen nicht geeignet ist, eine Verfälschung von Tatsachen oder Beweismitteln durch das Gericht zu belegen, womit ihr Vorbringen auch in der Sache nicht durchgreift. |
101 |
Da mit dem vorliegenden Rechtsmittelgrund eine Überprüfung der Tatsachenbeurteilung des Gerichts durch den Gerichtshof erreicht werden soll, ist dieser Rechtsmittelgrund als unzulässig zurückzuweisen. |
102 |
Was sodann das Vorbringen von FLSmidth betrifft, dass das Gericht den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt habe, ist auf die Ausführungen in den Rn. 99 bis 101 des vorliegenden Urteils zu verweisen. Um das Verhalten von FLSmidth und das von Bonar miteinander vergleichen zu können, wäre eine neue Beurteilung der vor dem Gericht erörterten Tatsachen erforderlich. Dies ist nur dann Sache des mit einem Rechtsmittel befassten Gerichtshofs, wenn das Gericht die Tatsachen oder Beweismittel verfälscht hat. Eine solche Verfälschung wurde aber von FLSmidth weder geltend gemacht noch bewiesen. Somit ist auch dieses Vorbringen als unzulässig zurückzuweisen. |
103 |
Schließlich geht in Bezug auf den von FLSmidth gerügten Begründungsmangel aus Rn. 97 des angefochtenen Urteils klar hervor, dass das Gericht unter Berücksichtigung des weiten Ermessens, über das die Kommission bei der Beurteilung der Qualität und Nützlichkeit des Kooperationsbeitrags eines Unternehmens, insbesondere im Vergleich zu den Beiträgen anderer Unternehmen, verfügt (vgl. u. a. Urteil SGL Carbon/Kommission, C‑328/05 P, EU:C:2007:277, Rn. 88), die von FLSmidth vorgebrachten Gründe dafür, dass ihr angebliches Nichtbestreiten des Sachverhalts der Kommission für den Nachweis der fraglichen Zuwiderhandlung von Hilfe gewesen sei, für unzureichend gehalten hat. Diese Begründung des Gerichts ist zwar sehr knapp, reicht jedoch aus, um für FLSmidth nachvollziehbar zu machen, warum das Gericht ihr entsprechendes Vorbringen zurückgewiesen hat, und um dem Gerichtshof die Ausübung seiner gerichtlichen Kontrolle zu ermöglichen. Somit kann kein Begründungsmangel des angefochtenen Urteils festgestellt werden. Folglich ist dieses Vorbringen unbegründet. |
104 |
Unter diesen Umständen ist auch der fünfte Rechtsmittelgrund als unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen. |
Zum sechsten Rechtsmittelgrund: Verletzung des Rechts auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist
Vorbringen der Parteien
105 |
FLSmidth trägt vor, das Gericht habe dadurch gegen Art. 47 der Charta und gegen Art. 6 Abs. 1 der EMRK verstoßen, dass es nicht innerhalb einer angemessenen Frist entschieden habe. Dieser Verstoß sei dadurch zu beheben, dass die ihr auferlegte Haftung gemindert werde. |
106 |
FLSmidth weist darauf hin, dass im vorliegenden Fall die Dauer der gerichtlichen Kontrolle durch das Gericht mehr als sechs Jahre betragen habe. Die Nichtigkeitsklage sei am 24. Februar 2006 erhoben worden, und das angefochtene Urteil sei am 6. März 2012 ergangen. In diese Verfahrensdauer fielen zudem lange Zeiten der Untätigkeit des Gerichts. FLSmidth sei am 5. März 2007 über den Abschluss des schriftlichen Verfahrens informiert worden, aber die Anhörung sei erst am 22. Juni 2011, also vier Jahre und vier Monate später, erfolgt. Zudem habe das Gericht nach dieser Anhörung mehr als acht Monate gebraucht, um sein Urteil zu erlassen. |
107 |
Nach Ansicht von FLSmidth ist eine derart lange Verfahrensdauer nicht zu rechtfertigen. Das Gericht sei in der Lage gewesen, am 13. September 2010 in der nahezu identischen Rechtssache (Trioplast Industrier/Kommission, EU:T:2010:388) ein Urteil zu erlassen. Etwaige gerichtsinterne Probleme bei der Zuweisung der Rechtssachen dürften nicht zulasten der Rechtsuchenden gehen. Unter diesen Umständen hält FLSmidth eine Reduzierung der ihr auferlegten Haftung um 50 % für eine geeignete und angemessene Wiedergutmachung des Verstoßes gegen Art. 47 der Charta. |
108 |
Die Kommission macht in Bezug auf diesen Rechtsmittelgrund erstens eine Einrede der Unzulässigkeit geltend. Bei einem beim Gericht anhängigen Verfahren mit überlanger Dauer sei eine Schadensersatzklage die geeignete Abhilfe. |
109 |
Zweitens bestreitet die Kommission, dass ein dem ersten Anschein nach vorliegender Verstoß gegen Art. 47 der Charta und gegen Art. 6 Abs. 1 der EMRK allein anhand der Verfahrensdauer nachgewiesen werden könne. |
110 |
Drittens sei die Verfahrensdauer im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles angemessen gewesen. Fast der gesamte der streitigen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt sei während des Verfahrens bestritten worden und habe nachgeprüft werden müssen. Außerdem hätten mindestens 15 Gesellschaften in sechs verschiedenen Verfahrenssprachen Klagen auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung erhoben. Da zudem verschiedene Rechtssachen Muttergesellschaften und deren Tochtergesellschaften betroffen hätten, sei es erforderlich gewesen, bestimmte prozessleitende Maßnahmen zu ergreifen, um diese Rechtssachen soweit wie möglich gemeinsam zu prüfen und zu entscheiden. |
Würdigung durch den Gerichtshof
111 |
Wie aus Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs und aus dessen Rechtsprechung hervorgeht, kann der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels nachprüfen, ob das Gericht Verfahrensfehler begangen hat, durch die die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigt werden (vgl. u. a. Urteil Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission, C‑385/07 P, EU:C:2009:456, Rn. 176). |
112 |
Zu dem von FLSmidth geltend gemachten Verstoß gegen Art. 47 der Charta ist festzustellen, dass nach dessen Abs. 2 „[j]ede Person … ein Recht darauf [hat], dass ihre Sache von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird“. Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, betrifft dieser Artikel den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes (vgl. u. a. Urteil Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission, EU:C:2009:456, Rn. 179 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
113 |
Damit gilt ein solches Recht, das vor dem Inkrafttreten der Charta in seiner Geltung als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts bestätigt worden war, auch im Rahmen einer Klage gegen eine Entscheidung der Kommission (vgl. u. a. Urteil Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission, EU:C:2009:456, Rn. 178 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
114 |
Weiter ist festzustellen, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Überschreitung einer angemessenen Entscheidungsfrist als ein Verfahrensfehler, der die Verletzung eines Grundrechts darstellt, der betreffenden Partei einen Rechtsbehelf eröffnen muss, der ihr eine angemessene Wiedergutmachung bietet (vgl. Urteil des EGMR vom 26. Oktober 2000, Kudła/Polen, Recueil des arrêts et décisions, 2000‑XI, §§ 156 und 157). |
115 |
Es ist jedoch daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung angesichts der Notwendigkeit, die Beachtung des Wettbewerbsrechts der Union durchzusetzen, der Gerichtshof einer Rechtsmittelführerin nicht aus dem bloßen Grund der Nichteinhaltung einer angemessenen Entscheidungsfrist erlauben kann, eine Geldbuße der Höhe nach in Frage zu stellen, obwohl sämtliche Rechtsmittelgründe, die sie gegen die Feststellungen des Gerichts zur Höhe dieser Geldbuße und zu den mit ihr geahndeten Verhaltensweisen vorgebracht hat, zurückgewiesen worden sind (vgl. u. a. Urteil Groupe Gascogne/Kommission, C‑58/12 P, EU:C:2013:770, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
116 |
Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass der Verstoß eines Unionsgerichts gegen seine Pflicht nach Art. 47 Abs. 2 der Charta, in den bei ihm anhängig gemachten Rechtssachen innerhalb einer angemessenen Frist zu entscheiden, mit einer Schadensersatzklage vor dem Gericht zu ahnden ist, da eine solche Schadensersatzklage einen effektiven Rechtsbehelf darstellt. Daraus folgt, dass der Ersatz des Schadens, der durch die Nichteinhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer durch das Gericht verursacht wurde, nicht unmittelbar im Rahmen eines Rechtsmittels beim Gerichtshof beantragt werden kann, sondern beim Gericht selbst eingeklagt werden muss (vgl. u. a. Urteil Groupe Gascogne/Kommission, EU:C:2013:770, Rn. 83 und 84). |
117 |
Es ist daher Sache des Gerichts, in einer anderen Besetzung als derjenigen, in der es mit dem als überlang gerügten Verfahren befasst war, unter Prüfung der hierzu vorgelegten Nachweise sowohl die Verwirklichung des geltend gemachten Schadens als auch den Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und der überlangen Dauer des streitigen Gerichtsverfahrens zu beurteilen (vgl. u. a. Urteil Groupe Gascogne/Kommission, EU:C:2013:770, Rn. 88 und 90). |
118 |
Dies vorausgeschickt, ist festzustellen, dass sich die Dauer des Verfahrens vor dem Gericht, die sich auf mehr als sechs Jahre belief, durch keinen der Umstände der Rechtssache, die zum vorliegenden Rechtsstreit geführt hat, rechtfertigen lässt. |
119 |
So ist insbesondere zu konstatieren, dass zwischen dem Abschluss des schriftlichen Verfahrens mit der Einreichung der Gegenerwiderung der Kommission im Februar 2007 und der Eröffnung des mündlichen Verfahrens im Juni 2011 etwa vier Jahre und vier Monate lagen. Die Länge dieser Zeitspanne lässt sich nicht mit den Umständen der Rechtssache erklären, ob es sich nun um die Komplexität des Rechtsstreits, das Verhalten der Parteien oder Zwischenstreitigkeiten handelt. |
120 |
Was die Komplexität der Rechtssache angeht, so ergibt eine Überprüfung der in den Rn. 9 und 10 des vorliegenden Urteils zusammengefassten Klage von FLSmidth, dass die geltend gemachten Klagegründe zwar eine eingehende Prüfung erforderlich machten, aber keinen besonders hohen Schwierigkeitsgrad aufwiesen. Auch dass rund 15 Adressaten der streitigen Entscheidung beim Gericht Klagen auf deren Nichtigerklärung erhoben hatten, kann das Gericht nicht daran gehindert haben, innerhalb von weniger als vier Jahren und vier Monaten eine Zusammenfassung der Akten zu erstellen und das mündliche Verfahren vorzubereiten. |
121 |
In Bezug auf das Verhalten der Parteien weist nichts in der Akte darauf hin, dass FLSmidth durch ihr Verhalten zu einer Verzögerung der Behandlung der Rechtssache beigetragen hätte. |
122 |
Schließlich geht aus der Akte auch nicht hervor, dass das Verfahren durch Zwischenstreitigkeiten, die die Verfahrensdauer rechtfertigen könnten, unterbrochen oder verzögert worden wäre. |
123 |
Nach alledem ist festzustellen, dass das Verfahren vor dem Gericht gegen Art. 47 Abs. 2 der Charta verstoßen hat, da darin die Anforderungen, die mit der Wahrung einer angemessenen Entscheidungsfrist zusammenhängen, verkannt worden sind. Dies stellt einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm dar, die dem Einzelnen Rechte verleihen soll (vgl. in diesem Sinne Urteil Bergaderm und Goupil/Kommission, C‑352/98 P, EU:C:2000:361, Rn. 42). |
124 |
Aus den in den Rn. 115 bis 117 des vorliegenden Urteils dargelegten Erwägungen ergibt sich jedoch, dass der sechste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen ist. |
125 |
Folglich greift keiner der von FLSmidth geltend gemachten Rechtsmittelgründe durch, so dass ihr Rechtsmittel zurückzuweisen ist. |
Kosten
126 |
Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist, der Gerichtshof über die Kosten. |
127 |
Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da FLSmidth mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem entsprechenden Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission aufzuerlegen. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden: |
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Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.