SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN
JULIANE KOKOTT
vom 30. Januar 2014 ( 1 )
Rechtssache C‑557/12
KONE AG u. a.
(Vorabentscheidungsersuchen des österreichischen Obersten Gerichtshofs)
„Wettbewerb — Kartellrecht — Private Durchsetzung — Schadensersatzklage — Schadensersatzforderung des Kunden eines Kartellaußenseiters gegen die kartellbeteiligten Unternehmen wegen überhöhter Preise des Kartellaußenseiters im Windschatten des Kartells — Preisschirmeffekte (‚Umbrella pricing‘) — Unmittelbare Kausalität — Effektivitätsgrundsatz“
I – Einleitung
1. |
Das vorliegende Vorabentscheidungsverfahren bietet dem Gerichtshof Gelegenheit, seine Rechtsprechung zur privaten Durchsetzung des Europäischen Wettbewerbsrechts um einen weiteren Mosaikstein zu ergänzen. Es geht um die auf Unionsebene bislang ungeklärte Frage, ob sich die zivilrechtliche Haftung der Mitglieder eines Kartells auf Schadensersatz auch auf die sogenannten Preisschirmeffekte erstreckt (zu Englisch: „umbrella effects“ oder auch „umbrella pricing“). |
2. |
Von Preisschirmeffekten wird gesprochen, wenn Unternehmen, die selbst nicht an einem Kartell beteiligt sind (sogenannte Kartellaußenseiter), im Windschatten der Machenschaften dieses Kartells, gleichsam „unter dem Schirm des Kartells“, ihre eigenen Preise – wissentlich oder unwissentlich – höher festsetzen, als ihnen dies ansonsten unter Wettbewerbsbedingungen möglich gewesen wäre. Gebietet das Unionsrecht, dass die Kunden der Kartellaußenseiter für deren überhöhte Preise vor nationalen Gerichten von den Mitgliedern des Kartells Schadensersatz verlangen können? Oder darf im Gegenteil eine solche Schadensersatzpflicht im Rahmen des nationalen Zivilrechts ausgeschlossen werden, weil es sich um zu entfernte, ja mittelbare Schäden handelt? |
3. |
Diese Fragen stellen sich vor dem Hintergrund des Aufzugskartells, mit dem der Gerichtshof bereits verschiedentlich in anderem Zusammenhang befasst war ( 2 ). Die ÖBB-Infrastruktur AG hatte als Käuferin bei einem nicht in das Aufzugskartell verwickelten Hersteller Aufzüge erworben, deren Preis ihrer Meinung nach im Windschatten des Aufzugskartells höher festgesetzt wurde, als dies ansonsten unter Wettbewerbsbedingungen zu erwarten gewesen wäre. Auf Ersatz des ihr daraus entstandenen Schadens nimmt die ÖBB-Infrastruktur nunmehr vor den österreichischen Zivilgerichten die vier am Aufzugskartell beteiligten Unternehmen in Anspruch. |
4. |
Wollte man dieses Schadensersatzbegehren allein nach innerstaatlichem österreichischem Zivilrecht beurteilen, so wäre es nach Angaben des vorlegenden Gerichts von vornherein abzuweisen, weil der Preisschirmeffekt den Kartellbeteiligten nach den im nationalen Recht geltenden Grundsätzen nicht zuzurechnen sein soll. Der Gerichtshof hat nun zu beurteilen, ob das Unionsrecht einem derart kategorischen Ausschluss der Haftung von Kartellbeteiligten für Preisschirmeffekte entgegensteht. Für die Fortentwicklung des Europäischen Wettbewerbsrechts und insbesondere für seine private Durchsetzung wird das Urteil des Gerichtshofs in dieser Sache zweifelsohne wegweisend sein. |
II – Sachverhalt und Ausgangsrechtsstreit
A – Das Aufzugskartell
5. |
In mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union operierte über einen langjährigen Zeitraum hinweg das sogenannte Aufzugskartell, in dessen Rahmen große europäische Hersteller von Aufzügen und Fahrtreppen – namentlich Kone, Otis, Schindler und ThyssenKrupp – wettbewerbswidrige Absprachen trafen. Die Europäische Kommission deckte dieses Kartell im Jahr 2003 auf und verhängte 2007 Geldbußen für die Machenschaften des Aufzugskartells auf dem belgischen, deutschen, niederländischen und luxemburgischen Markt ( 3 ). |
6. |
In Österreich gingen die Bundeswettbewerbsbehörde und das Kartellgericht gegen das Aufzugskartell vor. Die vom Kartellgericht im Jahr 2007 verhängten Geldbußen ( 4 ) wurden 2008 vom Obersten Gerichtshof als Kartellobergericht bestätigt ( 5 ). ThyssenKrupp nahm die Rolle des Kronzeugen ein. |
7. |
Nach den im nationalen österreichischen Kartellverfahren getroffenen Feststellungen bestand zwischen den Kartellbeteiligten seit den 1980er Jahren bis Anfang 2004 ein immer wieder bestätigtes Übereinkommen zur Aufteilung des Marktes für Aufzüge und Fahrtreppen, das sie im großen Umfang, wenn auch nicht lückenlos, durchführten. Das Kartell war darauf ausgerichtet, dem jeweils bevorzugten Unternehmen einen höheren Preis zu sichern, als unter Wettbewerbsbedingungen erreichbar gewesen wäre. Durch das Kartell sind der Wettbewerb und die unter Wettbewerbsbedingungen zu erwartende Entwicklung der Preise verfälscht worden. |
8. |
Die Kartellbeteiligten versuchten, hinsichtlich erheblich mehr als der Hälfte des Marktvolumens in Österreich für Neuanlagen eine Koordinierung zu erreichen. In mehr als der Hälfte der betroffenen Projekte erfolgte überdies unter den Kartellbeteiligten eine einvernehmliche Zuteilung an einen von ihnen. Insgesamt wurde auf diese Weise mindestens ein Drittel des Marktvolumens Gegenstand konkreter Absprachen unter den Kartellbeteiligten. Ungefähr zwei Drittel der abgestimmten Projekte kamen wie geplant zustande. Beim verbleibenden Drittel der Fälle kamen entweder Kartellaußenseiter zum Zug oder aber eines der kartellbeteiligten Unternehmen, das sich nicht an die Vereinbarung hielt und ein günstigeres Angebot unterbreitete als abgesprochen. |
9. |
Das Verhalten der Kartellbeteiligten führte insgesamt dazu, dass sich die Marktpreise kaum änderten und ihre Marktanteile annähernd gleich blieben. |
B – Die Schadensersatzklage von ÖBB-Infrastruktur
10. |
ÖBB-Infrastruktur ist eine Tochtergesellschaft der Österreichischen Bundesbahnen und als solche mit der Errichtung und Erhaltung von Bahnhöfen in ganz Österreich betraut. Auf dem österreichischen Markt für Aufzüge und Fahrtreppen ist ÖBB-Infrastruktur ein wichtiger Kunde. |
11. |
Vor den österreichischen Zivilgerichten hat ÖBB-Infrastruktur die Kartellbeteiligten Kone, Otis, Schindler und ThyssenKrupp auf mehr als 8 Mio. Euro Schadensersatz verklagt. Zur Begründung bringt ÖBB-Infrastruktur im Wesentlichen vor, dass sie aufgrund der Machenschaften des Aufzugskartells für die von ihr angeschafften Aufzüge überhöhte Preise bezahlt habe. Dabei geht es um Aufzüge, die ÖBB-Infrastruktur teils als direkte, teils als indirekte Abnehmerin der Kartellbeteiligten und teils als Kundin von Kartellaußenseitern erworben hat. |
12. |
Gegenstand des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens ist lediglich derjenige Teil der Schadensersatzklage, mit dem ÖBB-Infrastruktur geltend macht, ein Kartellaußenseiter habe ihr im Windschatten der Machenschaften des Kartells deutlich höhere Preise in Rechnung gestellt, als dies unter normalen Wettbewerbsbedingungen möglich gewesen wäre. Diesen Schaden beziffert ÖBB-Infrastruktur auf gut 1,8 Mio. Euro. |
13. |
Das erstinstanzliche Urteil, mit dem dieser Teil der Schadensersatzklage als unbegründet abgewiesen worden war ( 6 ), hat das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht in den entscheidenden Punkten aufgehoben ( 7 ). Nunmehr ist der Rechtsstreit vor dem Obersten Gerichtshof Österreichs als Revisionsgericht anhängig. |
14. |
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs lässt sich der von der ÖBB-Infrastruktur eingeklagte Schaden aus Rechtsgründen nicht den Kartellbeteiligten zurechnen. Zum einen soll es an der nach österreichischem Recht erforderlichen adäquaten Kausalität fehlen, zum anderen soll der geltend gemachte Schaden nicht vom Schutzzweck der Wettbewerbsregeln erfasst sein. Angesichts der kontrovers geführten Debatte in der Fachliteratur um die zutreffende rechtliche Behandlung von Preisschirmeffekten hat der Oberste Gerichtshof jedoch Zweifel, ob ein solches, allein auf das innerstaatliche Zivilrecht gestütztes Ergebnis mit dem Unionsrecht – insbesondere dem Grundsatz der Effektivität – vereinbar ist. |
III – Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof
15. |
Mit Beschluss vom 17. Oktober 2012 hat der Oberste Gerichtshof ( 8 ), das vorlegende Gericht, unserem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist Art. 101 AEUV (Art. 81 EG, Art. 85 EG-Vertrag) dahin auszulegen, dass jedermann von Kartellanten den Ersatz auch des Schadens verlangen kann, der ihm durch einen Kartellaußenseiter zugefügt wurde, der im Windschatten der erhöhten Marktpreise seine eigenen Preise für seine Produkte mehr anhebt, als er dies ohne das Kartell getan hätte (Umbrella-Pricing), so dass der vom Gerichtshof der Europäischen Union postulierte Effektivitätsgrundsatz einen Zuspruch nach nationalem Recht verlangt? |
16. |
Am schriftlichen Teil des Vorabentscheidungsverfahrens haben sich zum einen ÖBB-Infrastruktur als Klägerin des Ausgangsrechtsstreits, zum anderen Kone, Otis, Schindler und ThyssenKrupp als Beklagte des Ausgangsrechtsstreits beteiligt, ferner die österreichische Regierung, die italienische Regierung und die Europäische Kommission. Mit Ausnahme der beiden Regierungen haben diese Parteien auch in der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2013 Stellung genommen. |
IV – Würdigung
17. |
Das vorlegende Gericht fragt in erster Linie nach der Auslegung von Art. 101 AEUV, wohingegen es auf Art. 81 EG und auf Art. 85 EG-Vertrag nur hilfsweise Bezug zu nehmen scheint. Da sich aber die Machenschaften des Aufzugskartells vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon abgespielt haben, und zwar teils im zeitlichen Anwendungsbereich von Art. 81 EG, teils sogar noch unter der Geltung von Art. 85 E(W)G-Vertrag, sind für die Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens nur letztere beiden Vorschriften maßgeblich. Meine Ausführungen lassen sich jedoch ohne Weiteres auch auf den im Wesentlichen inhaltsgleichen Art. 101 AEUV übertragen. |
18. |
Nach gefestigter Rechtsprechung können die Geschädigten eines Kartells, das in den Anwendungsbereich von Art. 81 EG bzw. Art. 85 E(W)G-Vertrag fällt, von den am Kartell beteiligten Unternehmen Schadensersatz verlangen ( 9 ). Noch nicht geklärt ist allerdings, ob solche Schadensersatzansprüche auch diejenigen Schäden einschließen, die auf Preiserhöhungen von Kartellaußenseitern über das unter Wettbewerbsbedingungen zu erwartende Niveau hinaus beruhen, also auf Preisschirmeffekte zurückzuführen sind. In der Fachliteratur wird dieses Thema kontrovers diskutiert ( 10 ). Es überrascht deshalb nicht sonderlich, dass auch die Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits dazu höchst unterschiedliche Meinungen vertreten, zumal die finanziellen Auswirkungen beträchtlich sind. |
19. |
Rechtlich besehen ist es ein Problem der Kausalität, ob Kartellbeteiligte auch für Preisschirmeffekte in die zivilrechtliche Haftung genommen werden dürfen. Es stellt sich die Frage, ob zwischen dem Kartell und den Schäden, die auf kartellbedingte Preisschirmeffekte zurückgehen, ein hinreichend enger Zusammenhang besteht oder ob es sich um zu entfernte Schäden handelt, deren Ersatz den Kartellbeteiligten vernünftigerweise nicht aufgebürdet werden kann. |
20. |
Im Folgenden werde ich zunächst darlegen, dass es sich beim Problem der zivilrechtlichen Haftung von Kartellbeteiligten für Preisschirmeffekte um eine Frage des Unionsrechts und nicht etwa um eine solche des nationalen Rechts handelt (vgl. sogleich, Abschnitt A). In einem zweiten Schritt werde ich mich den konkreten rechtlichen Anforderungen zuwenden, die aus unionsrechtlicher Sicht an die Feststellung der Kausalität eines Kartells für etwaige Preisschirmeffekte gestellt werden dürfen (vgl. dazu unten, Abschnitt B). |
A – Die zivilrechtliche Haftung der Kartellbeteiligten für Preisschirmeffekte: ein unionsrechtliches Problem
21. |
Das vorlegende Gericht und zahlreiche Verfahrensbeteiligte sind der Auffassung, dass sich die zivilrechtliche Haftung von Kartellbeteiligten für Preisschirmeffekte in erster Linie nach nationalem Recht richte und dass dabei aus unionsrechtlicher Sicht allenfalls die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität dem Ermessen der Mitgliedstaaten Grenzen setzen. Kone argumentiert in diesem Zusammenhang auch mit dem Subsidiaritätsprinzip. |
22. |
In der Tat scheint diese Auffassung bei vordergründiger Betrachtung im Urteil Manfredi eine Stütze zu finden, in dem der Gerichtshof die „Bestimmung der Einzelheiten für die Ausübung“ des Rechts auf Schadensersatz einschließlich derjenigen für die Anwendung des Begriffs „ursächlicher Zusammenhang“ als „Aufgabe des innerstaatlichen Rechts“ bezeichnet und dabei die Beachtung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität angemahnt hat ( 11 ). |
23. |
Bei näherer Betrachtung des Urteils Manfredi wie auch einiger jüngerer Urteile des Gerichtshofs erweist sich jedoch, dass weniger das Bestehen von Schadensersatzansprüchen (d. h. die Frage, ob Schadensersatz zu gewähren ist) beim gegenwärtigen Stand vom innerstaatlichen Recht abhängt, als vielmehr die Einzelheiten der Anwendung und die Modalitäten der konkreten Durchsetzung solcher Ansprüche (d. h. die Frage, wie Schadensersatz zu gewähren ist), also insbesondere Zuständigkeiten, Verfahren, Fristen und Beweisführung ( 12 ). |
24. |
Der Grundsatz aber, dass jedermann Ersatz des ihm entstandenen Schadens verlangen kann, wenn zwischen diesem Schaden und einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln ein ursächlicher Zusammenhang besteht, folgt aus dem Unionsrecht selbst, genauer gesagt aus dem Kartellverbot des Art. 81 EG bzw. des Art. 85 E(W)G-Vertrag (heute Art. 101 AEUV) ( 13 ). Diese unmittelbare Verankerung im Unionsrecht ist der zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen für ihre Verstöße gegen das Kartellverbot und der Haftung der Mitgliedstaaten für ihre Verstöße gegen das Unionsrecht ( 14 ) – trotz aller Unterschiede, die sonst konzeptionell zwischen diesen Instrumenten bestehen mögen – gemeinsam ( 15 ). |
25. |
Dass es sich speziell bei der Schadensersatzpflicht von Kartellbeteiligten um ein genuin unionsrechtliches Prinzip handelt, lässt sich, wie die italienische Regierung zu Recht hervorgehoben hat, nicht zuletzt auf die Rechtsnatur und die Bedeutung des besagten Kartellverbots zurückführen: Dieses Kartellverbot gilt unmittelbar zwischen Einzelnen, es begründet kraft Primärrechts Verpflichtungen für alle auf dem Binnenmarkt tätigen Unternehmen und kann von jedermann geltend gemacht werden ( 16 ). Die volle praktische Wirksamkeit – der effet utile – des Kartellverbots wäre beeinträchtigt, wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen könnte, der ihm durch Zuwiderhandlungen von Unternehmen gegen Art. 81 EG bzw. Art. 85 E(W)G-Vertrag (heute Art. 101 AEUV) entstanden ist ( 17 ). |
26. |
Deshalb anerkennt der Gerichtshof im Urteil Manfredi das „Recht einer jeden Person auf Ersatz des Schadens, der ihr durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, oder ein entsprechendes Verhalten entstanden ist“, ohne das Bestehen dieses Rechts in irgendeiner Weise vom nationalen Recht der Mitgliedstaaten abhängig zu machen ( 18 ). |
27. |
Damit aber nicht genug: Dem Urteil Manfredi lässt sich entnehmen, dass sowohl der Kreis der Personen, die von den Kartellbeteiligten Schadensersatz wegen Verletzung des besagten Kartellverbots verlangen dürfen („jedermann“), als auch die Arten von Schäden, welche die Kartellbeteiligten gegebenenfalls zu ersetzen haben, unionsrechtlich prädeterminiert sind. So ist bereits geklärt, dass ein Geschädigter Ersatz des Vermögensschadens (damnum emergens) einschließlich des entgangenen Gewinns (lucrum cessans) sowie die Zahlung von Zinsen verlangen können muss ( 19 ). |
28. |
Übertragen auf den vorliegenden Fall erlaubt all dies die Schlussfolgerung, dass es sich auch bei der Problematik der zivilrechtlichen Haftung von Kartellbeteiligten für Preisschirmeffekte um eine unionsrechtliche Frage handelt. Gilt es nämlich zu beurteilen, ob die Mitglieder eines Kartells den Schaden zu ersetzen haben, der aufgrund von Preisschirmeffekten entstanden ist, so betrifft dies nicht allein die Modalitäten der Durchsetzung und Berechnung von Schadensersatzansprüchen sowie die Beweisführung vor nationalen Gerichten (also das „Wie“ des Schadensersatzes). Im Mittelpunkt des Interesses steht vielmehr die weitaus grundsätzlichere Frage, ob die Kartellbeteiligten überhaupt für diese Art von Schaden zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können und ob sie von Personen verklagt werden dürfen, die nicht ihre direkten oder indirekten Abnehmer sind (d. h. das „Ob“ des Schadensersatzes). Diese Frage kann nicht allein den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten überlassen werden. |
29. |
Würden sich die rechtlichen Kriterien, nach denen nationale Gerichte die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Beteiligten eines Kartells im Sinne von Art. 81 EG oder Art. 85 E(W)G-Vertrag für bestimmte Arten von Schäden und gegenüber bestimmten Personen beurteilen, von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat grundlegend unterscheiden, so bestünde die Gefahr der Ungleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer. Dies liefe nicht nur dem Grundanliegen des Europäischen Wettbewerbsrechts zuwider, für alle auf dem Binnenmarkt tätigen Unternehmen möglichst einheitliche Rahmenbedingungen zu schaffen („level playing field“ ( 20 )), sondern würde auch zum „forum shopping“ einladen. |
30. |
Alles in allem gebietet also das Ziel einer einheitlichen und wirksamen Durchsetzung der Wettbewerbsregeln des Europäischen Binnenmarkts eine unionsweit einheitliche Beantwortung der Grundsatzfrage, ob Schäden, die auf Preisschirmeffekten beruhen, von den Kartellbeteiligten zu ersetzen sind oder nicht. |
B – Die unionsrechtlichen Anforderungen an die Feststellung der Kausalität
31. |
Zu erörtern bleibt, welche konkreten Anforderungen aus unionsrechtlicher Sicht an die Feststellung der Kausalität eines Kartells für etwaige Preisschirmeffekte gestellt werden dürfen. |
32. |
Wie schon die vom Gerichtshof verwendete Formulierung „jedermann“ zeigt, darf die Verpflichtung der Kartellbeteiligten zum Schadensersatz nicht eng ausgelegt werden. Kartelle sind geeignet, nicht nur im engeren Umfeld der Kartellbeteiligten erhebliche wirtschaftliche Schäden zu verursachen, sondern weit darüber hinaus. Deshalb wäre es unangemessen, den Personenkreis der Anspruchsberechtigten dergestalt einzuengen, dass von vornherein nur bestimmte Marktteilnehmer – etwa die Vertragspartner der Kartellbeteiligten oder die unmittelbaren oder mittelbaren Bezieher ihrer Waren oder Dienstleistungen – Schadensersatz verlangen können. Ansonsten wäre die volle Wirksamkeit des unionsrechtlichen Kartellverbots nicht gewährleistet. |
33. |
Andererseits ist es durchaus legitim, bei der Kausalitätsprüfung Kriterien anzulegen, die sicherstellen, dass es zu keiner uferlosen Schadensersatzpflicht der Kartellbeteiligten für alle möglichen, noch so entfernten Schäden kommt, für die ihr wettbewerbswidriges Verhalten die Ursache im Sinne einer „conditio sine qua non“ (auch äquivalente Kausalität oder But-for-Kausalität genannt) gewesen sein mag. |
34. |
So wird im Rahmen der außervertraglichen Haftung der Unionsorgane gemäß Art. 340 Abs. 2 AEUV nach ständiger Rechtsprechung ein hinreichend unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Verhalten und dem geltend gemachten Schaden verlangt ( 21 ). Eben dieses Kriterium sollte aus Gründen der Kohärenz auch auf alle anderen Fälle übertragen werden, in denen Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des Unionsrechts in Rede stehen, gleichviel, ob solche Ansprüche von Einzelnen gegen Mitgliedstaaten erhoben werden ( 22 ) oder – wie hier – zwischen Privaten zwecks Geltendmachung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit von Kartellbeteiligten für die von ihnen auf dem Markt verursachten Schäden ( 23 ). |
35. |
Freilich bedarf auch besagtes Kriterium der Unmittelbarkeit noch der Präzisierung. Um näher zu bestimmen, was unter „hinreichend unmittelbarer Kausalität“ konkret zu verstehen ist, muss letztlich eine normative Betrachtung angestellt werden, wie sie auch in den nationalen Zivilrechtsordnungen im Zusammenhang mit den jeweiligen Regeln über die außervertragliche Haftung gebräuchlich ist ( 24 ). Die Begrifflichkeiten, die insoweit verwendet werden („legal causation“, „adäquate Kausalität“ u. Ä.), mögen sich je nach Rechtsordnung unterscheiden. Inhaltlich geht es aber im Wesentlichen um die gleichen Erwägungen, die auch dem Konzept der hinreichend unmittelbaren Kausalität zugrunde liegen. |
36. |
Hervorzuheben ist dabei zunächst, dass unmittelbare Kausalität nicht mit alleiniger Kausalität gleichgesetzt werden darf. Der vom vorlegenden Gericht und von einigen Verfahrensbeteiligten betonte Umstand, dass die Preisbildung eines Kartellaußenseiters auf dessen freier unternehmerischer Entscheidung beruht, kann also für sich allein genommen nicht maßgeblich sein, um die Zurechnung etwaiger auf Preisschirmeffekten beruhender Schäden an die Kartellbeteiligten zu verneinen. Vielmehr genügt es für die Annahme unmittelbarer Kausalität, wenn das Kartell für die Preisschirmeffekte zumindest mitursächlich war ( 25 ). |
37. |
Die Rechtsprechung der Unionsgerichte nimmt keineswegs immer und pauschal eine Unterbrechung der Kausalkette an, wenn die Handlung eines Dritten für den eingetretenen Schaden mitursächlich geworden ist. Vielmehr kommt es stets auf die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls an ( 26 ). In Fällen wie dem vorliegenden scheint es mir, dass die auf das Kartell zurückgehende Kausalkette durch das Hinzutreten des Kartellaußenseiters nicht unterbrochen, sondern geradezu fortgeführt wird, wenn der Kartellaußenseiter sich bei seiner Preisgestaltung (auch) an den jeweiligen Marktgegebenheiten orientiert und dabei – in durchaus vorhersehbarer Weise ( 27 ) – die vom Kartell ausgehenden Preisimpulse aufgreift. |
38. |
Wie unerheblich dabei die Freiheit der unternehmerischen Entscheidung des Kartellaußenseiters ist, zeigt übrigens auch ein kurzer Blick auf eine verwandte Problematik: die zivilrechtliche Haftung von Kartellbeteiligten für Schäden, die ihren mittelbaren Abnehmern (d. h. den Kunden ihrer Kunden) erwachsen sind. Auch im dortigen Zusammenhang hängt schließlich das Entstehen eines Schadens beim mittelbaren Abnehmer von der freien unternehmerischen Entscheidung eines Dritten (des Zwischenabnehmers) ab; denn nur wenn dieser die wettbewerbswidrig überhöhten Preise der Kartellbeteiligten auf seine eigenen Kunden abwälzt, sind diese geschädigt. Die Machenschaften der Kartellbeteiligten sind also nicht allein ursächlich für die Schäden ihrer mittelbaren Abnehmer. Nichtsdestoweniger setzt sich in jüngerer Zeit die Auffassung durch, dass solche Schäden mittelbarer Abnehmer ersatzfähig sind ( 28 ). |
39. |
Auch in Bezug auf die hier fraglichen Schäden aus Preisschirmeffekten wäre es unangemessen, eine monokausale Verursachung zur Voraussetzung für die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Kartellbeteiligten zu machen. Preise haben selten nur eine einzige Ursache. Das schließt jedoch nicht aus, dass Kartellbeteiligte, die – wie hier – durch ihre wettbewerbswidrigen Machenschaften zur Verfälschung der normalen Preisbildungsmechanismen auf dem Markt beigetragen haben, für die daraus resultierenden Schäden in die Haftung genommen werden. |
40. |
Dies vorausgeschickt, soll inhaltlich mit dem Kriterium der hinreichend unmittelbaren Kausalität zum einen sichergestellt werden, dass eine Person als Folge ihres rechtswidrigen Verhaltens nur für solche Schäden haften muss, deren Eintritt sie vernünftigerweise vorhersehen konnte (vgl. dazu sogleich, Abschnitt 1). Zum anderen soll eine Person nur für Schäden aufkommen müssen, deren Ersatz im Einklang mit der Zielsetzung der von ihr verletzten Rechtsnorm steht (vgl. dazu unten, Abschnitt 2). |
1. Vorhersehbarkeit der auf Preisschirmeffekten beruhenden Schäden
41. |
Als Erstes ist zu klären, unter welchen Umständen die auf Preisschirmeffekten beruhenden Schäden für die Beteiligten eines Kartells vorhersehbar sind. Es geht, mit anderen Worten, um die Frage, ob zwischen den besagten Schäden und den illegalen Machenschaften des Kartells eine adäquate Kausalität bestehen kann. |
42. |
Vorhersehbar (oder adäquat kausal verursacht) sind alle Schäden, mit deren Eintritt die Kartellbeteiligten nach der allgemeinen Lebenserfahrung vernünftigerweise rechnen müssen, im Gegensatz zu Schäden, die auf einer völlig außergewöhnlichen Verkettung von Umständen und damit auf einem atypischen Kausalverlauf beruhen. |
43. |
Das vorlegende Gericht vertritt – wie auch Kone, Otis, Schindler und ThyssenKrupp sowie die österreichische Regierung – den Standpunkt, dass Schäden, die auf Preisschirmeffekten beruhen, für die Kartellbeteiligten nicht hinreichend vorhersehbar und damit von ihnen nicht adäquat kausal verursacht sein könnten. Bei Preisschirmeffekten handle es sich lediglich um eine „Seitenwirkung“ des Kartells. |
44. |
Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. |
45. |
Zwar trifft es zu, dass für die Preisbildung von Kartellaußenseitern im Rahmen ihrer freien unternehmerischen Entscheidung eine Vielzahl von Faktoren maßgeblich sein kann ( 29 ). Dieser Umstand allein schließt jedoch die Vorhersehbarkeit der Schäden, die auf Preisschirmeffekten beruhen, für die Kartellbeteiligten nicht aus. |
46. |
Denn in einer Marktwirtschaft gehört es zum gängigen Verhaltensmuster von Unternehmen, dass sie das Marktgeschehen intensiv beobachten und es nicht unberücksichtigt lassen, wenn sie ihre eigenen kaufmännischen Entscheidungen treffen. Vor diesem Hintergrund ist es alles andere als unvorhersehbar und überraschend, wenn Kartellaußenseiter ihre jeweiligen Preise mit Blick auf das Marktverhalten der am Kartell beteiligten Unternehmen festlegen, gleichviel, ob ihnen deren wettbewerbswidrige Machenschaften bekannt sind oder nicht. Vielmehr handelt es sich geradezu um den normalen Gang der Dinge. |
47. |
Dies gilt umso mehr, wenn die Kartellbeteiligten – wie hier – ausweislich ihres hohen gemeinsamen Marktanteils einen bedeutenden Teil des relevanten Marktes abdecken ( 30 ) und auch ihre wettbewerbswidrigen Machenschaften einen signifikanten Teil dieses Marktes betreffen ( 31 ), was keineswegs voraussetzt, dass sie den Löwenanteil des Marktes manipulieren. Je bedeutsamer die Stellung des Kartells auf dem betroffenen Markt ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Kartell das Preisniveau dieses Marktes in seiner Gesamtheit maßgeblich prägen wird, und desto weniger aussichtsreich ist es für einen Kartellaußenseiter, den Marktpreis seinerseits durch eigene Impulse nennenswert zu beeinflussen. |
48. |
Sicherlich ist es für den Kartellaußenseiter umso leichter, sich bei seiner eigenen Preisbildung am Geschäftsgebaren der Kartellbeteiligten zu orientieren, je homogener und transparenter der sachlich relevante Markt ist. Daraus lässt sich jedoch keineswegs im Umkehrschluss folgern, dass auf inhomogenen und wenig transparenten Märkten mit maßgeschneiderten Produkten – wie etwa einigen der hier in Rede stehenden Aufzüge und Fahrtreppen – niemals irgendwelche von einem Kartell ausgehenden Preisschirmeffekte zu erwarten wären ( 32 ). Denn von der Tendenz her ist es aufmerksamen Marktteilnehmern auch auf solchen Märkten sehr wohl geläufig, welches Preisniveau vorherrscht und welches Verhalten die einzelnen auf dem Markt tätigen Anbieter an den Tag legen. |
49. |
Selbst der Umstand, dass Aufzüge und Fahrtreppen, vor allem bei Großaufträgen der öffentlichen Hand, häufig in Ausschreibungsverfahren angeschafft werden, ändert an diesem Befund wenig. Die Ergebnisse solcher Vergabeverfahren bleiben nämlich, wie ÖBB-Infrastruktur unwidersprochen vorgetragen hat, den anderen Marktteilnehmern keineswegs verborgen ( 33 ), so dass sie bei künftigen Aufträgen als Anhaltspunkt für das vorherrschende Preisniveau dienen können. |
50. |
Es mag sein, dass ein Kartellaußenseiter mit freien Kapazitäten versucht sein wird, seine eigenen Preise unterhalb der Kartellpreise festzusetzen, um auf diese Weise auf Kosten der Kartellbeteiligten Marktanteile hinzuzugewinnen. Selbst dann besteht aber für den Kartellaußenseiter noch ein erheblicher Anreiz, von seinen Kunden einen höheren Preis zu verlangen, als dies ansonsten unter Wettbewerbsbedingungen möglich wäre. Wenn man etwa annimmt, dass der Kartellpreis bei 120 liegt und der ansonsten unter Wettbewerbsbedingungen zu erzielende Preis 100 betragen würde, so könnte der Kartellaußenseiter seinen Preis beispielsweise auf 110 festsetzen. Ein solches Verhalten wäre keineswegs ungewöhnlich, sondern wirtschaftlich rational und für die Kartellbeteiligten alles andere als unvorhersehbar. |
51. |
Umgekehrt ist es für den Erfolg der wettbewerbswidrigen Absprachen der am Kartell beteiligten Unternehmen von großem Interesse, dass auch die Preise der Kartellaußenseiter steigen und sich denen der Kartellbeteiligten annähern. Je mehr nämlich das Preisniveau insgesamt steigt, desto eher sind die von den Kartellbeteiligten selbst praktizierten Preise auf Dauer am Markt durchsetzbar. Auch aus diesem Grund liegt der Schluss nahe, dass rational handelnde Kartellbeteiligte, die die Logik ihrer wettbewerbswidrigen Machenschaften zu Ende denken, von Preisschirmeffekten nicht überrascht sind, sondern im Gegenteil mit dem Auftreten solcher Effekte geradezu rechnen müssen. Darauf hat ÖBB-Infrastruktur zu Recht hingewiesen. |
52. |
Vor diesem Hintergrund ist insgesamt davon auszugehen, dass es sich bei den auf Preisschirmeffekten beruhenden Schäden nicht um solche handelt, deren Eintritt stets atypisch oder für die Kartellbeteiligten unvorhersehbar ist. Mit der praktischen Wirksamkeit von Art. 81 EG bzw. Art. 85 E(W)G-Vertrag (heute Art. 101 AEUV) wäre es unvereinbar, den Ersatz solcher Schäden unter Verweis auf ein vergleichsweise strenges Verständnis des Kriteriums der adäquaten Kausalität von vornherein auszuschließen. |
2. Vereinbarkeit des Ersatzes von auf Preisschirmeffekten beruhenden Schäden mit der Zielsetzung der verletzten Wettbewerbsregeln
53. |
Als Zweites bedarf noch der Erörterung, ob der Ersatz der auf Preisschirmeffekten beruhenden Schäden im Einklang mit der Zielsetzung von Art. 81 EG bzw. Art. 85 E(W)G-Vertrag (heute Art. 101 AEUV) steht. |
54. |
Das vorlegende Gericht äußert – wie auch Kone, Otis, Schindler und ThyssenKrupp sowie die österreichische Regierung – die Auffassung, dass Schäden, die auf Preisschirmeffekten beruhen, außerhalb des Schutzzwecks der unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln liegen. Die Kartellbeteiligten könnten für solche Schäden zivilrechtlich nicht in die Haftung genommen werden, weil es am „Rechtswidrigkeitszusammenhang“ fehle. |
55. |
Auch dieses Argument ist nicht stichhaltig. |
56. |
Ziel der in den Art. 81 EG und 82 EG bzw. in den Art. 85 E(W)G-Vertrag und 86 E(W)G-Vertrag (heute Art. 101 AEUV und 102 AEUV) enthaltenen Wettbewerbsregeln ist die Schaffung und Aufrechterhaltung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs auf dem Europäischen Binnenmarkt. Diesem für die Europäische Einigung fundamentalen Anliegen ( 34 ) dienen die privaten wie auch die öffentlichen Durchsetzungsmechanismen des Wettbewerbsrechts. |
57. |
Dass ausgerechnet die Anerkennung einer zivilrechtlichen Haftung der Kartellbeteiligten für die auf Preisschirmeffekten beruhenden Schäden mit besagter Zielsetzung unvereinbar wäre, lässt sich schwerlich behaupten. Wie ich im Folgenden darlegen werde, bettet sich eine solche Schadensersatzpflicht problemlos in das System ein, in dem die europäischen Wettbewerbsregeln durchgesetzt werden (vgl. dazu sogleich, Abschnitt a), und ist außerdem geeignet, negative Folgen der von den Kartellbeteiligten begangenen Wettbewerbsverstöße für die anderen Marktteilnehmer – insbesondere für die Verbraucher – zu korrigieren (vgl. dazu unten, Abschnitt b). |
a) Einbettung in das System der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln
58. |
Zunächst ist der Frage nachzugehen, ob sich eine zivilrechtliche Verpflichtung der Kartellbeteiligten zum Ersatz von Schäden, die auf Preisschirmeffekten beruhen, ganz allgemein mit dem System verträgt, in dem in der Europäischen Union die Wettbewerbsregeln der Verträge durchgesetzt werden. |
59. |
Anerkannt ist, dass die Durchsetzung der europäischen Wettbewerbsregeln auf zwei Standbeinen fußt. Es handelt sich zum einen um die den Wettbewerbsbehörden obliegende öffentliche Durchsetzung mit repressiven Mitteln (auch „public enforcement“ genannt) und zum anderen um die auf der Initiative des Einzelnen beruhende private Durchsetzung mit Mitteln des Zivilrechts (auch als „private enforcement“ bezeichnet) ( 35 ). |
60. |
Zur Sicherstellung der praktischen Wirksamkeit der Wettbewerbsregeln ist es unerlässlich, dass sowohl das System der öffentlichen Durchsetzung als auch das System der privaten Durchsetzung bestmöglich zur Entfaltung kommt ( 36 ). Die Schlagkraft der Wettbewerbsregeln würde erheblich geschwächt, wollte man im Hinblick auf bestimmte Phänomene wie Preisschirmeffekte von vornherein auf die Mittel der privaten Durchsetzung verzichten und insoweit allein auf die öffentliche Durchsetzung bauen, wie dies einigen Mitgliedern des Aufzugskartells vorzuschweben scheint. |
61. |
Selbstverständlich muss das Instrumentarium der privaten Durchsetzung – ebenso wie jenes der öffentlichen Durchsetzung – so ausgestaltet und angewandt werden, dass sein Einsatz mit Blick auf die Effektivität der Wettbewerbsregeln nicht kontraproduktiv wirkt. Anders als ThyssenKrupp habe ich aber nicht den Eindruck, dass die Einbeziehung von Preisschirmeffekten in die zivilrechtliche Haftung der Kartellbeteiligten grundlegend falsche Anreize setzen könnte, die letztlich bei der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln mehr Schaden als Nutzen stiften würden. |
62. |
Gegenstand der schriftlichen und mündlichen Auseinandersetzungen im Verfahren vor dem Gerichtshof war insbesondere die mögliche Wechselbeziehung zwischen der zivilrechtlichen Haftung einerseits und den Kronzeugenprogrammen der Europäischen Kommission sowie der nationalen Wettbewerbsbehörden andererseits. |
63. |
Zwar mag es sein, dass die Aussicht auf eine zivilrechtliche Inanspruchnahme durch geschädigte Marktteilnehmer manchen Kartellbeteiligten womöglich davor zurückschrecken lässt, die Karten auf den Tisch zu legen und mit den Wettbewerbsbehörden zusammenzuarbeiten. Aber kann dies ein Grund sein, vollends die berechtigten Interessen der Geschädigten auf finanzielle Wiedergutmachung zu missachten? Sicher ist es sinnvoll, den Kartellbeteiligten durch Kronzeugenprogramme den Weg zurück in die Legalität zu ebnen und zur Aufdeckung von Zuwiderhandlungen beizutragen, allerdings darf dies nicht auf Kosten der legitimen Belange anderer Marktteilnehmer geschehen. |
64. |
Es mag gerechtfertigt sein, in einem etwaigen Schadensersatzprozess die Stellung eines Unternehmens als Kronzeuge angemessen zu berücksichtigen und primär andere Kartellbeteiligte zur Befriedigung von Schadensersatzforderungen heranzuziehen, so wie dies auch die Kommission vorschlägt ( 37 ). Meines Erachtens wäre es jedoch verfehlt, einen vom Schadensersatz ausgehenden vermeintlichen „chilling effect“ für Kronzeugenprogramme – sofern dieser überhaupt messbar ist – zum Anlass für einen kategorischen Ausschluss jeglicher zivilrechtlichen Haftung der Kartellbeteiligten für Preisschirmeffekte zu nehmen. |
65. |
Dies gilt umso mehr, als eine restriktive Praxis bei der Gewährung von Schadensersatz ganz maßgeblich denjenigen in die Hände spielen würde, die sich an wettbewerbswidrigen Praktiken beteiligen oder erwägen, dies zu tun. Denn für sie sind die finanziellen Risiken, die mit der Mitgliedschaft in einem Kartell verbunden sind, umso besser kalkulierbar, je weniger Schadensersatzforderungen sie im Fall ihrer Entdeckung ausgesetzt sind. Gäbe man Kartellbeteiligten die Gewissheit, dass sie niemals für Preisschirmeffekte haften müssen, würde für sie ein zusätzlicher Anreiz entstehen, mit ihren wettbewerbswidrigen Machenschaften fortzufahren. Der mit den privaten Durchsetzungsmechanismen verbundene und ausdrücklich erwünschte Abschreckungseffekt gegenüber Unternehmen ( 38 ), die sich mit dem Gedanken tragen, die auf dem Europäischen Binnenmarkt geltenden Spielregeln zu verletzen, würde ins Gegenteil verkehrt. |
66. |
Anders als Kone zu meinen scheint, kann die Zielsetzung des Europäischen Wettbewerbsrechts nicht darauf reduziert werden, dass den auf dem Binnenmarkt tätigen Unternehmen ein möglichst kosteneffizientes Wirtschaften ermöglicht wird. In einer Union des Rechts, die sich zum Ziel gesetzt hat, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft zu verwirklichen (Art. 3 Abs. 3 EUV), sind funktionierende Märkte mit unverfälschtem Wettbewerb jenseits aller Kosten-Nutzen-Erwägungen ein Wert an sich. |
67. |
Es ist im Übrigen nicht besonders glaubwürdig, wenn ausgerechnet Unternehmen, die das Marktgeschehen manipuliert und Preise künstlich hoch gehalten haben, vor überhöhten Kosten für die Wirtschaftsteilnehmer warnen und eine Gefahr für die Effizienz der Märkte heraufbeschwören, sollte man die Kartellbeteiligten nicht von bestimmten Schadensersatzforderungen freistellen. Am wirksamsten können sich die Kartellbeteiligten selbst vor den Kosten schützen, die mit etwaigen Schadensersatzforderungen verbunden sind, und zwar, indem sie Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln von vornherein unterlassen. Eine Verschonung der Kartellbeteiligten von Schadensersatzforderungen würde demgegenüber nur dazu führen, dass andere Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere die geschädigten Kunden, die finanziellen Lasten der Machenschaften des Kartells zu tragen hätten. |
68. |
Reichlich kurios mutet in diesem Zusammenhang auch das Argument von ThyssenKrupp an, eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit von Kartellbeteiligten für Preisschirmeffekte könnte „zur Verringerung von Wettbewerb am Markt führen“, weil Unternehmen angesichts der ihnen drohenden Haftungsrisiken vor einem Engagement auf dem jeweiligen Markt zurückschrecken könnten ( 39 ). Dazu genügt folgender Hinweis: Leitbild für eine Betätigung auf dem Binnenmarkt sollten Unternehmen sein, die sich an die Wettbewerbsregeln halten, nicht solche, die sich dort auf Kosten anderer illegaler Praktiken bedienen wollen. Sollte die Anerkennung einer Schadensersatzpflicht von Kartellbeteiligten für Preisschirmeffekte dazu führen, dass schwarze Schafe dem Markt fernbleiben, so wäre dies schwerlich von Nachteil für den Wettbewerb. |
69. |
Wenig überzeugend ist schließlich die vereinzelt ausgesprochene Warnung vor einer Überlastung der Zivilgerichte der Mitgliedstaaten, sollte der Gerichtshof eine Pflicht von Kartellbeteiligten zum Ersatz von Schäden annehmen, die auf Preisschirmeffekten beruhen. Denn angesichts der vergleichsweise hohen Hürden, die ihn mit Blick auf die Beweislast vor den Zivilgerichten erwarten ( 40 ), dürfte jeder vermeintliche „Preisschirmkläger“ („umbrella plaintiff“) gut beraten sein, die Chancen und Risiken einer zivilrechtlichen Klage gegen die Kartellbeteiligten sorgsam abzuwägen. |
70. |
Entscheidet sich aber der Kunde eines Kartellaußenseiters, seinen Schaden, der auf Preisschirmeffekten beruht, gegenüber den Kartellbeteiligten gerichtlich geltend zu machen, so geht es nicht an, ihm die Durchführung eines Gerichtsverfahrens unter Verweis auf einen vermeintlich zu hohen Aufwand zu verweigern. Im Gegenteil sind die Mitgliedstaaten nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte gehalten, im Anwendungsbereich des Europäischen Wettbewerbsrechts die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, damit ein wirksamer Rechtsschutz gewährleistet ist ( 41 ). |
b) Eignung zur Korrektur negativer Folgen begangener Wettbewerbsverstöße
71. |
Zu guter Letzt bleibt zu erörtern, ob die Einbeziehung von Preisschirmeffekten in die zivilrechtliche Haftung von Kartellbeteiligten mit der Funktion des Schadensersatzes vereinbar ist. Ganz allgemein besteht diese Funktion darin, die negativen Folgen begangener Rechtsverstöße zu korrigieren, und eben diesem Zweck dient auch die Pflicht der Kartellbeteiligten zum Ersatz der durch ihre wettbewerbswidrigen Machenschaften verursachten Schäden gegenüber jedermann ( 42 ). Zugleich stärkt die Möglichkeit, Schadensersatz zu erlangen, das Vertrauen in die Wettbewerbsregeln der Europäischen Union und leistet einen gewichtigen Beitrag zu ihrer wirksamen Durchsetzung ( 43 ). |
i) Zum Einwand, die Schäden aus Preisschirmeffekten seien nicht beabsichtigt
72. |
Einige Verfahrensbeteiligte machen geltend, die am Aufzugskartell beteiligten Unternehmen hätten zwar eine Erhöhung ihrer eigenen Preise gegenüber ihren eigenen Kunden beabsichtigt, nicht aber eine Erhöhung der Preise von Kartellaußenseitern gegenüber deren Kunden im Zuge von Preisschirmeffekten. Deswegen sei es ungerecht, die Kartellbeteiligten hinsichtlich solcher Effekte zum Schadensersatz heranzuziehen. |
73. |
Dieser Einwand geht fehl. |
74. |
Die Feststellung der Kausalität eines Kartells für bestimmte Arten von Schäden, die den Marktteilnehmern entstanden sein mögen, beruht auf rein objektiven Kriterien. In subjektiver Hinsicht mag zwar die zivilrechtliche Haftung davon abhängen, dass die Kartellbeteiligten vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Wettbewerbsregeln der Verträge verstoßen haben. Es kommt aber nicht darauf an, ob die Kartellbeteiligten darüber hinaus auch die konkret eingetretenen Schäden vorsätzlich oder fahrlässig verursacht haben. Ein solches Verschuldenserfordernis wäre mit den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts nicht vereinbar und würde die praktische Durchsetzung der Wettbewerbsregeln übermäßig erschweren. |
75. |
Ganz abgesehen davon ist in einem Fall wie dem vorliegenden, wie bereits erwähnt ( 44 ), der Eintritt von Preisschirmeffekten für die an einem Kartell beteiligten Unternehmen durchaus nicht unvorhersehbar. Es liegt deshalb nahe, dass die Mitglieder eines Kartells bei ihren wettbewerbswidrigen Machenschaften etwaige Preisschirmeffekte billigend in Kauf nehmen, so dass ihnen bezüglich der eingetretenen Schäden mindestens Fahrlässigkeit, womöglich aber sogar bedingter Vorsatz (dolus eventualis) zur Last zu legen wäre. |
ii) Zum Einwand, der Schadensersatz im Zusammenhang mit Preisschirmeffekten ermögliche keine Abschöpfung illegitimer Gewinne
76. |
Entgegen der Auffassung einiger Verfahrensbeteiligter ist es außerdem unerheblich, ob durch den Ersatz von Schäden, die auf Preisschirmeffekten beruhen, illegitime Gewinne der Kartellbeteiligten abgeschöpft werden können. |
77. |
Dass es zu einer solchen Gewinnabschöpfung kommen kann, mag in vielen Fällen eine willkommene Nebenfolge des Schadensersatzes im Zusammenhang mit Kartellvergehen sein. Zwingende Voraussetzung für die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen gegenüber den Kartellbeteiligten ist diese Abschöpfung von Gewinnen jedoch nicht. |
78. |
Darin unterscheidet sich der Anspruch auf Schadensersatz grundlegend vom Anspruch auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Es geht beim Schadensersatz nicht in erster Linie darum, dem Schädiger zu nehmen, was er zu viel hat, sondern darum, dem Geschädigten Genugtuung für das zuzusprechen, was er aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens des Schädigers an Nachteil erlitten hat ( 45 ). Dieser Funktion entspricht es voll und ganz, die zivilrechtliche Haftung der Kartellbeteiligten auf Schäden aus Preisschirmeffekten zu erstrecken. |
iii) Zum Einwand, es würde ein Strafschadensersatz eingeführt
79. |
Wenig zielführend ist schließlich auch der Einwand mehrerer Verfahrensbeteiligter, durch die Anerkennung einer zivilrechtlichen Haftung für Preisschirmeffekte würde der von den Kartellbeteiligten geschuldete Schadensersatz zu einem Strafschadensersatz degenerieren. |
80. |
Abgesehen davon, dass das Unionsrecht den Zuspruch von exemplarischem Schadensersatz oder Strafschadensersatz nicht grundsätzlich verbietet ( 46 ), bestehen keinerlei Anzeichen dafür, dass die zivilrechtliche Haftung der Kartellbeteiligten für Preisschirmeffekte eine solche Wirkung zeitigen könnte. |
81. |
Anders als beim Strafschadensersatz üblich, wird den Kartellbeteiligten durch die hier in Rede stehende Einbeziehung von Preisschirmeffekten in ihre Schadensersatzpflicht lediglich eine Wiedergutmachung desjenigen Schadens abverlangt, den sie auf dem jeweiligen Markt durch ihre wettbewerbswidrigen Machenschaften (mit) verursacht haben. Eine Überkompensierung dieses Schadens findet nicht statt. |
82. |
Insgesamt ist folglich davon auszugehen, dass der Ersatz der auf Preisschirmeffekten beruhenden Schäden im Einklang mit der Zielsetzung von Art. 81 EG bzw. Art. 85 E(W)G-Vertrag (heute Art. 101 AEUV) steht. |
3. Zusammenfassung
83. |
Alles in allem sind also die auf Preisschirmeffekten beruhenden Schäden für die Beteiligten eines Kartells nicht generell als unvorhersehbar anzusehen, und ihre Wiedergutmachung entspricht der Zielsetzung von Art. 81 EG bzw. Art. 85 E(W)G-Vertrag (heute Art. 101 AEUV). Der praktischen Wirksamkeit dieser Wettbewerbsregeln würde es widersprechen, den Ersatz solcher Schäden im Rahmen des nationalen Zivilrechts von vornherein kategorisch auszuschließen. |
C – Schlussbemerkung
84. |
Die von mir vorgeschlagene Lösung führt nicht automatisch und in jedem Einzelfall zu einer Schadensersatzpflicht der Kartellbeteiligten gegenüber den Kunden von Kartellaußenseitern, sie schließt eine solche Schadensersatzpflicht aber auch nicht von vornherein aus. Vielmehr ist stets anhand einer umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall kartellbedingt Preisschirmeffekte aufgetreten sind. |
85. |
Eine Verlagerung der Preisschirmproblematik von der rein theoretischen Ebene auf die Ebene der Beweisführung erscheint mir am besten geeignet, zu einer wirksamen Durchsetzung der Europäischen Wettbewerbsregeln unter gebührender Berücksichtigung der Interessen aller Marktteilnehmer beizutragen. |
86. |
Sicherlich werden sich nicht immer aussagekräftige Studien oder andere Beweismittel finden, die vernünftigerweise den Schluss zulassen, dass auf dem jeweiligen Markt ein kartellbedingter Preisschirmeffekt eingetreten ist. Andererseits ist ein solcher Effekt aber auch alles andere als ausgeschlossen, und die damit zusammenhängenden Schäden sind keineswegs so „spekulativ“ und „unsicher“ ( 47 ), wie bisweilen argumentiert wird. Im vorliegenden Fall hat beispielsweise der österreichische Oberste Gerichtshof in seinem Vorlagebeschluss ausgeführt, dass es durch das Aufzugskartell zu einer Verfälschung der zu erwartenden Entwicklung der Preise gekommen sei ( 48 ), und ÖBB-Infrastruktur verweist auf eine Studie, die das Auftreten von Preisschirmeffekten belegen soll ( 49 ). |
87. |
Nur am Rande sei bemerkt, dass die Bejahung einer zivilrechtlichen Haftung der Kartellbeteiligten für Preisschirmeffekte entgegen mancher Kritik nicht mehr und nicht weniger „wirtschaftsfreundlich“ ist als der kategorische Ausschluss jeglicher Schadensersatzpflicht, wie er dem vorlegenden Gericht vorzuschweben scheint. Denn zu den Wirtschaftsteilnehmern gehören nicht nur die Kartellbeteiligten, sondern auch die Kunden, denen überhöhte Preise abverlangt wurden, gleichviel, ob sie mit den Kartellbeteiligten selbst oder mit Kartellaußenseitern in Vertragsbeziehungen standen. Geradezu ungerecht wäre es, ausgerechnet die Kartellbeteiligten, die sich einer schweren Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln schuldig gemacht haben, durch einen kategorischen Ausschluss von Preisschirmeffekten aus ihrer zivilrechtlichen Verantwortlichkeit einseitig zu begünstigen, zumal dies – wie schon erwähnt ( 50 ) – falsche Anreize im Hinblick auf die effektive Durchsetzung der Wettbewerbsregeln setzen würde. |
88. |
Auch mit dem Gesetzgebungsvorhaben zur teilweisen Harmonisierung von Schadensersatzklagen nach nationalem Recht, das die Europäische Kommission jüngst auf den Weg gebracht hat, ist die von mir vorgeschlagene Lösung nicht unvereinbar. Wie in der mündlichen Verhandlung mit den Verfahrensbeteiligten erörtert, steht der Richtlinienvorschlag der Kommission nicht der Gewährung von Ersatz für Schäden entgegen, die auf Preisschirmeffekten beruhen ( 51 ). |
89. |
Der Umstand, dass die US-amerikanische Rechtsprechung in Bezug auf sogenannte „umbrella claims“ uneinheitlich ist ( 52 ) und eine höchstgerichtliche Klärung durch den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten noch aussteht, sollte unseren Gerichtshof nicht hindern, sich der Preisschirmproblematik zu stellen. |
V – Ergebnis
90. |
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, das Vorabentscheidungsersuchen des österreichischen Obersten Gerichtshofs wie folgt zu beantworten: Die Art. 85 E(W)G-Vertrag und 81 EG stehen einer Auslegung und Anwendung des innerstaatlichen Rechts eines Mitgliedstaats entgegen, wonach es aus Rechtsgründen kategorisch ausgeschlossen ist, dass die an einem Kartell beteiligten Unternehmen zivilrechtlich für Schäden haften, die daraus resultieren, dass ein an diesem Kartell nicht beteiligtes Unternehmen im Windschatten der Machenschaften des Kartells seine Preise höher festgelegt hat, als dies ansonsten unter Wettbewerbsbedingungen zu erwarten gewesen wäre. |
( 1 ) Originalsprache: Deutsch.
( 2 ) Vgl. etwa die Urteile vom 6. November 2012, Otis u. a. („Otis“, C‑199/11), und vom 18. Juli 2013, Schindler Holding u. a./Kommission (C‑501/11 P), sowie ergänzend meine Schlussanträge vom 18. April 2013 in letzterer Rechtssache.
( 3 ) Vgl. dazu auch die in Fn. 2 angeführten Urteile Otis (Rn. 18 ff.) und Schindler Holding u. a./Kommission (Rn. 10 ff.).
( 4 ) Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 14. Dezember 2007 (Az. 25 Kt 12/07).
( 5 ) Beschluss des Obersten Gerichtshofs als Kartellobergericht vom 8. Oktober 2008 (Az. 16 Ok 5/08).
( 6 ) Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 19. September 2011 (Az. 19 Cg 21/10z-57).
( 7 ) Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. Dezember 2011 (Az. 1 R 272/11v-65).
( 8 ) Az. 7 Ob 48/12b.
( 9 ) Urteile vom 20. September 2001, Courage und Crehan (C-453/99, Slg. 2001, I-6297, Rn. 25 und 26), vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a. („Manfredi“, C-295/04 bis C-298/04, Slg. 2006, I-6619, Rn. 60 und 61), vom 14. Juni 2011, Pfleiderer (C-360/09, Slg. 2011, I-5161, Rn. 28), Otis (zitiert in Fn. 2, Rn. 41 und 43), und vom 6. Juni 2013, Donau Chemie u. a. („Donau Chemie“, C‑536/11, Rn. 21).
( 10 ) Zum Meinungsstand diesseits und jenseits des Atlantiks vgl., statt vieler, R. D. Blair und V. G. Maurer, „Umbrella Pricing and Antitrust Standing: An Economic Analysis“, in Utah Law Review 1982, S. 763; J. M. Lave, „Umbrella Standing: the tradeoff between plaintiff suit and speculative claims“, in Antitrust Bulletin 48 (2003), S. 223; F. W. Bulst, Schadensersatzansprüche der Marktgegenseite im Kartellrecht, Baden-Baden 2006, S. 255; F. W. Bulst, in: W. Möschel und F. Bien (Hrsg.), Kartellrechtsdurchsetzung durch private Schadensersatzklagen, Baden-Baden 2010, S. 225 (242 f.); G. Meeßen, Der Anspruch auf Schadensersatz bei Verstößen gegen EU-Kartellrecht – Konturen eines europäischen Kartelldeliktsrechts, Tübingen 2011, S. 256 f.; I. Hartung, „‚Umbrella claims‘: Schadenersatz bei Kartellverstößen auf Um- oder Abwegen?“, in ecolex 2012, S. 497; H. Beth und C.-M. Pinter, „Preisschirmeffekte: Wettbewerbsökonomische Implikationen für kartellrechtliche Bußgeld- und Schadensersatzverfahren“, in: Wirtschaft und Wettbewerb (WuW) 2013, S. 228; R. Inderst, F. Maier-Rigaud und U. Schwalbe, „Umbrella Effects“, in IESEG Working Paper Series 2013-ECO-17.
( 11 ) Urteil Manfredi (zitiert in Fn. 9, Rn. 64 und 92).
( 12 ) Urteile Courage und Crehan (Rn. 29), Manfredi (Rn. 62, 64 und 77), Pfleiderer (Rn. 30) und Donau Chemie (Rn. 25), jeweils zitiert in Fn. 9.
( 13 ) Vgl. dazu die in Fn. 9 angeführten Urteile Courage und Crehan (Rn. 25 und 26) und Manfredi (Rn. 60 und 61). Auch die Kommission anerkennt dies in ihrem Vorschlag vom 11. Juni 2013 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, KOM(2013), 404 endgültig. (im Folgenden: Richtlinienvorschlag), wo sie vom „Unionsrecht auf Ersatz des durch Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union verursachten Schadens“ spricht (vgl. elfter Erwägungsgrund der Präambel der vorgeschlagenen Richtlinie).
( 14 ) Zur Haftung der Mitgliedstaaten vgl. grundlegend Urteile vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C-6/90 und C-9/90, Slg. 1991, I-5357, Rn. 35 bis 37), und vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame (C-46/93 und C-48/93, Slg. 1996, I-1029, Rn. 31).
( 15 ) So auch Generalanwalt Van Gerven in seinen Schlussanträgen vom 27. Oktober 1993 in der Rechtssache Banks (C-128/92, Slg. 1994, I-1209, Nrn. 36 bis 45).
( 16 ) Vgl. die in Fn. 9 angeführten Urteile Courage und Crehan (Rn. 19 und 23) und Manfredi (Rn. 39 und 57), jeweils mit weiteren Nachweisen.
( 17 ) Urteile Courage und Crehan (Rn. 26) und Manfredi (Rn. 60, 89 und 90), jeweils zitiert in Fn. 9.
( 18 ) Urteil Manfredi (zitiert in Fn. 9, Rn. 95).
( 19 ) Urteil Manfredi (zitiert in Fn. 9, Rn. 95 und 96).
( 20 ) Zum Konzept des „level playing field“ vgl. etwa meine Schlussanträge vom 29. April 2010 in der Rechtssache Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission (C-550/07 P, Slg. 2010, I-8301, Nr. 169), vom 8. September 2011 in der Rechtssache Toshiba Corporation u. a. (C‑17/10, Nr. 118), vom 6. September 2012 in der Rechtssache Expedia (C‑226/11, Nr. 37) und vom 28. Februar 2013 in der Rechtssache Schenker u. a. (C‑681/11 Nr. 48).
( 21 ) Grundlegend dazu Urteil vom 4. Oktober 1979, Dumortier u. a./Rat (64/76, 113/76, 167/78, 239/78, 27/79, 28/79 und 45/79, Slg. 1979, 3091, Rn. 21): „mit hinreichender Unmittelbarkeit“; vgl. außerdem Urteile vom 30. April 2009, CAS Succhi di Frutta/Kommission (C‑497/06 P, Rn. 67), und vom 18. März 2010, Trubowest Handel und Makarov/Rat und Kommission (C-419/08 P, Slg. 2010, I-2259, Rn. 53).
( 22 ) Urteile Brasserie du pêcheur und Factortame (zitiert in Fn. 14, Rn. 51), und vom 14. März 2013, Leth (C‑420/11, Rn. 41).
( 23 ) Nachdem sich bereits Generalanwalt Van Gerven in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Banks (zitiert in Fn. 15, Nrn. 49 bis 54) dafür ausgesprochen hatte, fand das Kriterium der unmittelbaren Kausalität jüngst mit dem Urteil Otis (zitiert in Fn. 2, Rn. 65) ausdrücklich Eingang in die Rechtsprechung zur Schadensersatzpflicht von Kartellbeteiligten.
( 24 ) In dieselbe Richtung gehen die Überlegungen der Studiengruppe für ein Europäisches Zivilgesetzbuch, wonach der im Rahmen der außervertraglichen Haftung zu ersetzende Schaden ein „rechtlich relevanter Schaden“ sein muss: „… loss or injury constitutes legally relevant damage only if it would be fair and reasonable for there to be a right to reparation or prevention …“; vgl. C. von Bar und E. Clive, Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law – Draft Common Frame of Reference, München 2009, Bd. 4, Buch VI, Kapitel 2, VI.-2:101.
( 25 ) Anders wohl Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer, der in seinen Schlussanträgen vom 3. Februar 2009 in der Rechtssache Kommission/Schneider Electric (C-440/07 P, Slg. 2009, I-6413, Nr. 140) verlangte, der zu ersetzende Schaden müsse die „direkte, unmittelbare und ausschließliche Folge der rechtswidrigen Handlung“ sein (Hervorhebung nur hier). Soweit ersichtlich, fand diese besonders strenge Formel aber niemals in die Rechtsprechung der Unionsgerichte Eingang.
( 26 ) Vgl. einerseits die Urteile vom 16. Juli 2009, Kommission/Schneider Electric (C-440/07 P, Slg. 2009, I-6413, Rn. 222), CAS Succhi di Frutta/Kommission (zitiert in Fn. 21, Rn. 61 und 62), vom 28. Februar 2013, Inalca und Cremonini/Kommission (C‑460/09 P, Rn. 120), und vom 10. Juli 2012, Interspeed/Kommission (T‑587/10, Rn. 40), in denen jeweils von einer Unterbrechung der Kausalkette ausgegangen wird, sowie andererseits Urteil des Gerichts (Große Kammer) vom 14. Dezember 2005, CD Cartondruck/Rat und Kommission (T‑320/00, insbesondere Rn. 177), wo eine Unterbrechung der Kausalkette verneint wird.
( 27 ) Zur Vorhersehbarkeit des Verhaltens des Kartellaußenseiters vgl. ausführlicher unten, Nrn. 41 bis 52 dieser Schlussanträge.
( 28 ) Siehe dazu auf nationaler Ebene insbesondere das Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs vom 28. Juni 2011, „ORWI“ (KZR 75/10, BGHZ 190, 145). Im selben Sinne hat sich auch der österreichische Oberste Gerichtshof im vorliegenden Fall positioniert (Beschluss vom 17. Oktober 2012, Az. 7 Ob 48/12b). Gleiches gilt für den Richtlinienvorschlag der Kommission (vgl. dort insbesondere die Erwägungsgrunde 11 und 33 der Präambel der vorgeschlagenen Richtlinie sowie deren Art. 12 und 13).
( 29 ) Dazu können beispielsweise die Unternehmensstrategie (Betonung eines Markenimage, Premiumpreisstrategie, etc.) und die Unternehmerpersönlichkeit gehören, aber auch die Nachfragemacht von Kunden.
( 30 ) Nach den unwidersprochenen Angaben von ÖBB-Infrastruktur waren am Aufzugskartell in Österreich die größten Hersteller der Branche beteiligt, die über einen gemeinsamen Marktanteil von rund 80 % verfügten.
( 31 ) Nach den im Ausgangsrechtsstreit getroffenen Feststellungen war mindestens ein Drittel des Marktvolumens Gegenstand konkreter Absprachen unter den Kartellbeteiligten, und es wurde sogar versucht, hinsichtlich erheblich mehr als der Hälfte des Marktvolumens in Österreich für Neuanlagen eine Koordinierung zu erreichen (vgl. oben, Nr. 8 dieser Schlussanträge).
( 32 ) Im selben Sinne H. Beth und C.-M. Pinter, WuW 2013, S. 228 (232): „Auch bei solchen Produktunterschieden sind Preisschirmeffekte nicht unwahrscheinlich, jedoch werden diese geringer ausfallen als bei einem hohen Homogenitätsgrad.“
( 33 ) ÖBB-Infrastruktur hat in diesem Zusammenhang auf die in Österreich geltenden Regeln in Bezug auf die Öffnung der Gebote im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens hingewiesen.
( 34 ) Urteil Courage und Crehan (zitiert in Fn. 9, Rn. 20 und 21). Zur Bedeutung der Wettbewerbsregeln für das Funktionieren des Binnenmarkts vgl. ferner Urteil vom 1. Juni 1999, Eco Swiss (C-126/97, Slg. 1999, I-3055, Rn. 36), sowie – bezogen auf die Rechtslage nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon – Urteile vom 17. Februar 2011, TeliaSonera (C-52/09, Slg. 2011, I-527, Rn. 20), und vom 17. November 2011, Kommission/Italien (C-496/09, Slg. 2011, I-11483, Rn. 60).
( 35 ) Urteile Courage und Crehan (zitiert in Fn. 9, Rn. 27), Pfleiderer (zitiert in Fn. 9, Rn. 29), Otis (zitiert in Fn. 2, Rn. 42) und Donau Chemie (zitiert in Fn. 9, Rn. 23).
( 36 ) In diesem Sinne Urteile Courage und Crehan (zitiert in Fn. 9, Rn. 26), Manfredi (zitiert in Fn. 9, Rn. 60, 89 und 90) und Otis (zitiert in Fn. 2, Rn. 41). Zur Bedeutung der privaten Durchsetzung vgl. auch das Weißbuch „Schaden[s]ersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts“, von der Europäischen Kommission am 2. April 2008 vorgelegt (KOM[2008] 165 endgültig). In ihrem Weißbuch schlägt die Kommission Maßnahmen vor, die darauf abzielen, „ein wirksames System zur privaten Durchsetzung [des Wettbewerbsrechts] mittels Schaden[s]ersatzklagen [zu schaffen], das die behördliche Durchsetzung ergänzt, nicht aber ersetzt oder gefährdet“ (S. 4, Abschnitt 1.2). Auch der EFTA-Gerichtshof hatte kürzlich Gelegenheit, auf die Bedeutung der privaten Durchsetzung des Wettbewerbsrechts hinzuweisen und zu unterstreichen, dass diese im öffentlichen Interesse liegt (Urteil vom 21. Dezember 2012, DB Schenker/EFTA-Überwachungsbehörde, E‑14/11, Rn. 132).
( 37 ) In Art. 11 ihres Richtlinienvorschlags und im zugehörigen 28. Erwägungsgrund der Präambel schlägt die Kommission vor, ein Unternehmen, dem von einer Wettbewerbsbehörde im Rahmen eines Kronzeugenprogramms der Erlass der Geldbuße zuerkannt wurde, in gewissem Umfang auch bei der zivilrechtlichen Haftung zu privilegieren.
( 38 ) Auch wenn die Kommission in der mündlichen Verhandlung versucht hat, die Relevanz dieses Abschreckungseffekts herunterzuspielen, misst doch der Gerichtshof ihm in gefestigter Rechtsprechung erhebliche Bedeutung bei; vgl. Urteile Courage und Crehan (Rn. 27), Manfredi (Randnr. 91), Pfleiderer (Rn. 28) und Donau Chemie (Rn. 23), jeweils zitiert in Fn. 9.
( 39 ) Auf meine Nachfrage hin hat der Prozessvertreter von ThyssenKrupp dieses Vorbringen in der mündlichen Verhandlung als „rhetorische Übertreibung“ relativiert.
( 40 ) Einzelne Beweiserleichterungen sieht allerdings der Richtlinienvorschlag der Kommission vor.
( 41 ) Im selben Sinne bereits Urteile Courage und Crehan (Rn. 25), Manfredi (Rn. 89) und Donau Chemie (Rn. 22), jeweils zitiert in Fn. 9; vgl. außerdem, speziell zur Relevanz von Art. 47 der Charta der Grundrechte im Rahmen einer zivilrechtlichen Rechtsstreitigkeit zwischen Privaten, Urteil vom 18. März 2010, Alassini u. a. (C-317/08 bis C-320/08, Slg. 2010, I-2213, insbesondere Rn. 61).
( 42 ) Urteil Donau Chemie (zitiert in Fn. 9, Rn. 24).
( 43 ) Urteil Donau Chemie (Rn 23); ähnlich Urteile Courage und Crehan (Rn. 26 und 27), Manfredi (Rn. 91) und Pfleiderer (Rn. 28), jeweils zitiert in Fn. 9.
( 44 ) Vgl. oben, Nrn. 41 bis 52 dieser Schlussanträge.
( 45 ) Diesen Unterschied hat auch der Prozessvertreter von Otis in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof auf meine Nachfrage hin eingeräumt.
( 46 ) Urteil Manfredi (zitiert in Fn. 9, Rn. 92 und 93).
( 47 ) In diesem Sinne insbesondere – aus der Rechtsprechung der Gerichte der Vereinigten Staaten von Amerika – die Entscheidungen des United States Court of Appeals (Third Circuit), Mid-West Paper Products Co. v. Continental Group Inc., 596 F.2d 573, 597 (1979), und des United States District Court (District of Columbia), Federal Trade Commission v. Mylan Laboratories, 62 F.Supp.2d 25, 39 (1999).
( 48 ) Vgl. dazu oben, Nr. 7 dieser Schlussanträge.
( 49 ) Es obliegt den innerstaatlichen Gerichten, dieses Vorbringen zu prüfen und den Beweiswert dieser Studie zu würdigen.
( 50 ) Vgl. oben, Nrn. 65 und 68 dieser Schlussanträge.
( 51 ) Jener Richtlinienvorschlag (zitiert in Fn. 13) zielt nicht etwa auf eine abschließende Harmonisierung der Materie ab, sondern hat schon ausweislich seines Titels nur den Erlass „bestimmter Vorschriften für Schadensersatzklagen“ zum Gegenstand und erkennt ausdrücklich an, dass es andere, „in dieser Richtlinie nicht behandelte Aspekte“ gibt (vgl. den zehnten Erwägungsgrund der vorgeschlagenen Richtlinie). Überdies sind die im Richtlinienvorschlag enthaltenen Bestimmungen hinreichend offen formuliert, um auch den Ersatz von Schäden aufgrund von Preisschirmeffekten zu erfassen und ihn jedenfalls nicht auszuschließen (vgl. namentlich Art. 11 Abs. 2 und 4 der vorgeschlagenen Richtlinie, wo von „anderen Geschädigten als [den] unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten“ der zuwiderhandelnden Unternehmen die Rede ist).
( 52 ) Zugunsten einer Haftung sprechen sich aus: United States Court of Appeals (Seventh Circuit), United States Gypsum Co. v. Indiana Gas Co., 350 F.3d 623, 627 (2003); United States Court of Appeals (Fifth Circuit), In re Beef Industry Antitrust Litigation, 600 F.2d 1148, 1166 (1979). Gegen eine solche Haftung sind hingegen u. a.: United States Court of Appeals (Third Circuit), Mid-West Paper Products Co. v. Continental Group Inc., 596 F.2d 573, 597 (1979); United States District Court (District of Columbia), Federal Trade Commission v. Mylan Laboratories, 62 F.Supp.2d 25, 39 (1999).