Schlußanträge des Generalanwalts
1. Können der Rat der Europäischen Union und die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gemeinsam (sogenannte „gemischte“ oder „hybride“) Beschlüsse erlassen, um die Maßnahmen zu treffen, die in den verschiedenen Phasen des Verfahrens der Aushandlung und des Abschlusses internationaler Übereinkünfte, wie es in Art. 218 AEUV geregelt ist, erforderlich sind? Ist es nach dem Unionsrecht zulässig, einen Rechtsakt der Union, wie zum Beispiel einen Beschluss des Rates, dessen Erlass im Bereich der internationalen Übereinkünfte eine qualifizierte Mehrheit erfordert, und einen intergouvernementalen Rechtsakt, der definitionsgemäß von allen betroffenen Staaten erlassen wird, miteinander zu einem einzigen Rechtsakt zu verschmelzen, insbesondere im Fall der Aushandlung und des Abschlusses gemischter Übereinkünfte? Welche Rolle spielen in diesem Kontext das Erfordernis der einheitlichen Vertretung der Union auf internationaler Ebene, die damit zusammenhängende Pflicht zu enger Zusammenarbeit zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten, das Erfordernis der Rechtssicherheit im Völkerrecht für die Vertragsparteien von gemischten Übereinkünften, die mit der Union und ihren Mitgliedstaaten geschlossen werden, sowie der Grundsatz der Autonomie der Unionsorgane?
2. Dies sind im Kern die Fragen, mit denen der Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache konfrontiert ist, in der die Europäische Kommission die Nichtigerklärung des Beschlusses 2011/708/EU des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 16. Juni 2011(2) (im Folgenden: angefochtener Beschluss) über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung von zwei internationalen Abkommen im Bereich des Luftverkehrs beantragt.
3. Diese Rechtssache mag zwar auf den ersten Blick den Anschein haben, als würden hauptsächlich verfahrensrechtliche Probleme aufgeworfen, doch geht ihre Bedeutung in Wirklichkeit über bloße Fragen des Verfahrens hinaus. Sie berührt nämlich sensible Fragen betreffend die Ausübung der Außenkompetenzen der Union. Der Gerichtshof wird daher bei der zu findenden Lösung die verschiedenen Erfordernisse, die in der vorliegenden Rechtssache eine Rolle spielen, abzuwägen und gleichzeitig zu berücksichtigen haben, wie sowohl der Entscheidungsprozess als auch das auswärtige Handeln der Union in der Praxis tatsächlich funktionieren.
I – Vorgeschichte des Rechtsstreits
4. Am 25. und 30. April 2007 unterzeichneten die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten einerseits und die Vereinigten Staaten von Amerika andererseits ein Luftverkehrsabkommen(3), das später durch ein am 24. Juni 2010 in Luxemburg unterzeichnetes Protokoll(4) geändert wurde (im Folgenden: Luftverkehrsabkommen EU–Vereinigte Staaten). Dieses Abkommen sollte u. a. dazu dienen, mehr Möglichkeiten für den internationalen Luftverkehr zu schaffen, den Zugang zu den Märkten zu öffnen und größtmöglichen Nutzen für Verbraucher, Luftfahrtunternehmen, Arbeitskräfte und Gemeinschaften beiderseits des Atlantiks zu erzielen.
5. Im Hinblick auf die im Luftverkehrsabkommen EU–Vereinigte Staaten vorgesehene Möglichkeit des Beitritts von Drittstaaten stellten die Republik Island und das Königreich Norwegen 2007 einen Beitrittsantrag. Zum Zweck des Beitritts dieser beiden Staaten wurden zwei internationale Abkommen ausgehandelt. Zum einen handelten die Union und ihre Mitgliedstaaten, die Vereinigten Staaten von Amerika, die Republik Island und das Königreich Norwegen ein Beitrittsabkommen aus, durch das der Anwendungsbereich des Luftverkehrsabkommens EU–Vereinigte Staaten mit den nötigen Änderungen auf jede Vertragspartei ausgedehnt werden sollte (ABl. 2011, L 283, S. 3; im Folgenden: Beitrittsabkommen). Zum anderen wurde das Zusatzabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als erster Partei, Island als zweiter Partei, und dem Königreich Norwegen als dritter Partei, betreffend die Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei (ABl. 2011, L 283, S. 16; im Folgenden: Zusatzabkommen) ausgehandelt. Dieses Abkommen soll die Aufrechterhaltung des bilateralen Charakters des Luftverkehrsabkommens EU–Vereinigte Staaten sicherstellen.
6. Am 2. Mai 2011 nahm die Kommission den Vorschlag an für einen Beschluss des Rates (KOM[2011] 239 endgültig) über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei und über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung des Zusatzabkommens zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als erster Partei, Island als zweiter Partei und dem Königreich Norwegen als dritter Partei betreffend die Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei. Dieser Vorschlag sah einen Beschluss allein des Rates vor und war auf Art. 100 Abs. 2 AEUV(5) in Verbindung mit Art. 218 Abs. 5 AEUV(6) gestützt.
7. Abweichend von diesem Vorschlag erließ der Rat den angefochtenen Beschluss in Form eines hybriden Beschlusses, d. h. eines Beschlusses sowohl des Rates als auch der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten. Der angefochtene Beschluss wurde auf Art. 100 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 218 Abs. 5 und 8 AEUV gestützt(7) .
8. Nach Art. 1 des angefochtenen Beschlusses wird „[d]ie Unterzeichnung des [Beitrittsabkommens] und des Zusatzabkommens … – vorbehaltlich des Abschlusses – im Namen der Union genehmigt“.
9. Nach Art. 2 des angefochtenen Beschlusses wird „[d]er Präsident des Rates … ermächtigt, die Person(en) zu bestellen, die befugt ist (sind), das Beitrittsabkommen und das Zusatzabkommen im Namen der Union zu unterzeichnen“.
10. Art. 3 des angefochtenen Beschlusses bestimmt, dass „[d]as Beitrittsabkommen und das Zusatzabkommen … von der Union und, soweit das innerstaatliche Recht es zulässt, von ihren Mitgliedstaaten und den anderen beteiligten Parteien ab dem Tag ihrer Unterzeichnung [bis zur Beendigung der Verfahren zu ihrem Abschluss] vorläufig angewendet [werden]“.
11. Das Beitrittsabkommen und das Zusatzabkommen wurden am 16. und 21. Juni 2011 in Luxemburg und Oslo unterzeichnet.
II – Anträge der Parteien und Verfahren vor dem Gerichtshof
12. Die Kommission beantragt, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, seine Wirkungen jedoch aufrechtzuerhalten, und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.
13. Der Rat beantragt, die Klage als unzulässig oder unbegründet abzuweisen, hilfsweise, für den Fall und soweit der Gerichtshof den angefochtenen Beschluss für nichtig erklären sollte, seine Wirkungen aufrechtzuerhalten, und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
14. Mit Beschluss vom 18. Juni 2012 hat der Präsident des Gerichtshofs das Europäische Parlament als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission und die Tschechische Republik, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, die Italienische Republik, das Königreich der Niederlande, die Republik Polen, die Portugiesische Republik, die Republik Finnland, das Königreich Schweden und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.
15. Die mündliche Verhandlung hat am 11. November 2014 stattgefunden.
III – Analyse
16. Mit ihrer Klage greift die Kommission den angefochtenen Beschluss insgesamt an und stützt sich hierzu auf drei Klagegründe. Als ersten Klagegrund macht sie einen Verstoß gegen das Verfahren und die Bedingungen für die Ermächtigung zur Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung von internationalen Übereinkünften durch die Union geltend. Mit dem zweiten Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen die Abstimmungsregeln im Rat und mit dem dritten Klagegrund einen Verstoß gegen die in den Verträgen festgelegten Ziele und gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit. Vor einer Erörterung dieser drei Klagegründe ist jedoch die vom Rat erhobene Einrede der Unzulässigkeit zu prüfen.
A – Zur Zulässigkeit
17. Der Rat trägt drei Gründe für die Unzulässigkeit der Klage der Kommission vor. Erstens sei die Klage unzulässig, weil sie gegen die Mitgliedstaaten und nicht gegen den Rat hätte gerichtet werden müssen. Die Kommission beanstande nämlich die Beteiligung der Mitgliedstaaten an dem angefochtenen Beschluss, und nicht ein Fehlverhalten, das dem Rat vorzuwerfen wäre. Zweitens sei die Klage unzulässig, weil sie eine Entscheidung der Mitgliedstaaten betreffe, die nicht in den Anwendungsbereich von Art. 263 AEUV falle und daher nicht der Kontrolle durch den Gerichtshof unterliege. Drittens habe die Kommission kein Klageinteresse, weil die beantragte Nichtigerklärung keine Rechtswirkungen habe.
18. Zum ersten und zum zweiten Unzulässigkeitsgrund des Rates ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Nichtigkeitsklage gegen alle von den Organen erlassenen Bestimmungen – unabhängig von ihrer Rechtsnatur oder ihrer Form – gegeben sein muss, die Rechtswirkungen entfalten sollen(8) .
19. Im vorliegenden Fall ist die Klage der Kommission gegen eine Handlung gerichtet, die vom Rat und von den Vertretern der Mitgliedstaaten gemeinsam auf der Grundlage u. a. von Art. 218 Abs. 5 und 8 AEUV erlassen wurde. Wie aus den Nrn. 8 bis 10 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht, ermächtigt diese Handlung sowohl zur Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung der in Rede stehenden internationalen Abkommen seitens der Union als auch zu deren vorläufiger Anwendung durch die Mitgliedstaaten, soweit das innerstaatliche Recht dies zulässt.
20. Daraus folgt zum einen, dass der Rat am Erlass des angefochtenen Beschlusses beteiligt war und es sich folglich um eine von diesem Organ erlassene Bestimmung handelt, und zum anderen, dass der angefochtene Beschluss eine Handlung darstellt, die Rechtswirkungen entfaltet und als solche der gerichtlichen Kontrolle unterliegt(9) . Der erste und der zweite Unzulässigkeitsgrund des Rates sind daher zurückzuweisen.
21. Zum dritten Unzulässigkeitsgrund des Rates genügt der Hinweis, dass Art. 263 Abs. 2 AEUV nach ständiger Rechtsprechung den dort genannten Organen und den Mitgliedstaaten die Befugnis einräumt, die Rechtmäßigkeit jeder Handlung des Rates, die Rechtswirkungen entfaltet, mit einer Nichtigkeitsklage anzufechten, ohne dass die Ausübung dieses Rechts davon abhängt, dass ein Rechtsschutzinteresse dargetan wird(10) . Die Kommission braucht daher für die Erhebung der vorliegenden Klage kein Rechtsschutzinteresse nachzuweisen. Da somit auch der dritte Unzulässigkeitsgrund des Rates zurückzuweisen ist, ist meines Erachtens die Klage hinsichtlich des insgesamt angefochtenen Beschlusses zulässig.
B – Zur Begründetheit
1. Vorbringen der Parteien
a) Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen das Verfahren und die Bedingungen für die Ermächtigung zur Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung von internationalen Übereinkünften durch die Union
22. Die Kommission macht, unterstützt durch das Parlament, geltend, der Rat habe durch den Erlass des angefochtenen Beschlusses gegen Art. 13 Abs. 2 Satz 1 EUV(11) in Verbindung mit Art. 218 Abs. 2 und 5 AEUV verstoßen. Nach dieser letztgenannten Bestimmung sei der Rat als einziges Organ dazu befugt, die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung einer internationalen Übereinkunft durch die Union zu genehmigen. Der angefochtene Beschluss hätte somit allein vom Rat unter Ausschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedstaaten erlassen werden müssen.
23. Durch die Einbeziehung der gemeinsam handelnden Mitgliedstaaten in den Entscheidungsprozess sei der Rat einseitig von dem in Art. 218 AEUV vorgesehenen Verfahren abgewichen, obwohl er sich nach der Rechtsprechung nicht von den Vorschriften der Verträge lösen und für den Erlass von Unionsrechtsakten auf ein alternatives Verfahren zurückgreifen dürfe. Unter diesen Umständen habe der Rat auch gegen seine Verpflichtung nach Art. 13 Abs. 2 Satz 1 EUV verstoßen, seine Befugnisse nach Maßgabe der in den Verträgen festgelegten Verfahren und Bedingungen auszuüben.
24. Insbesondere seien seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon die Verfahren der Union klar von den Bereichen zu trennen, in denen die Mitgliedstaaten ihre Befugnisse weiter ausüben könnten. So sei es nicht zulässig, einen Rechtsakt der Regierungen und einen Unionsrechtsakt miteinander zu verschmelzen. Die frühere Praxis des Erlasses hybrider Rechtsakte, insbesondere im Luftverkehrsbereich, verfälsche nunmehr die Verfahren der Union und sei nicht mehr zulässig.
25. Die gemischte Natur eines von der Union und jedem einzelnen Mitgliedstaat geschlossenen internationalen Abkommens bedeute nicht notwendigerweise, dass der nach Art. 218 AEUV erlassene Beschluss des Rates über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung durch Vereinigung mit einem Beschluss der Regierungen der Mitgliedstaaten geändert werden könne. Eine solche Einbeziehung in den Entscheidungsprozess des Rates sei weder für die Unterzeichnung der Übereinkunft noch für ihre vorläufige Anwendung erforderlich.
26. Der Rat, der von allen am Verfahren beteiligten Regierungen unterstützt wird, vertritt dagegen die Auffassung, der Erlass des angefochtenen Beschlusses als hybrider Beschluss verstoße gegen keine Bestimmung der Verträge.
27. Er macht zunächst geltend, dass er weder von den Bestimmungen des Art. 218 Abs. 2 und 5 AEUV abgewichen sei, noch ein alternatives Verfahren angewandt habe. Die im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedstaaten hätten nämlich zwei unterschiedliche Entscheidungen erlassen, die in dem angefochtenen Beschluss enthalten seien: Zum einen hätten sie gemäß Art. 218 AEUV in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Rates die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung der in Rede stehenden Abkommen durch die Union genehmigt; zum anderen hätten sie als Vertreter der Mitgliedstaaten die vorläufige Anwendung dieser Abkommen durch die Mitgliedstaaten, soweit das innerstaatliche Recht es zulasse, genehmigt. Dieser letztere Teil des angefochtenen Beschlusses sei auf der Grundlage von Verfahren erlassen worden, die in den Verträgen nicht vorgesehen seien. Die Mitgliedstaaten seien daher nicht an dem Verfahren nach Art. 218 Abs. 2 und 5 AEUV beteiligt gewesen.
28. Sodann entspreche, da es sich bei den in Rede stehenden Abkommen um gemischte Abkommen handele, der Erlass eines hybriden Beschlusses mit den Mitgliedstaaten als Miturhebern ganz und gar der gemischten Natur der zugrunde liegenden Abkommen sowie dem Umstand, dass die Mitgliedstaaten in gewisser Hinsicht ihre eigenen Befugnisse ausübten. Sein Erlass sei eine zulässige Folge des Abschlusses von gemischten Abkommen und stehe in rechtlicher Symmetrie mit ihnen.
29. Die Entscheidung, den Rechtsakt als hybriden Beschluss zu erlassen, sei in Wirklichkeit Ausdruck der Pflicht zur engen Zusammenarbeit zwischen der Union und den Mitgliedstaaten sowie des Erfordernisses einer einheitlichen Vertretung der Union, wie es die Rechtsprechung verlange. Solche Beschlüsse seien das beste Mittel, um diese Einheit in der internationalen Vertretung sicherzustellen und ein gemeinsames und koordiniertes Vorgehen der Union und ihrer Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Dies treffe noch mehr zu, wenn, wie dies bei den in Rede stehenden Abkommen der Fall sei, die Teile des internationalen Abkommens, die in die Zuständigkeit der Union fielen, wesensnotwendig mit den Teilen, für die die Mitgliedstaaten zuständig seien, zusammenhingen und diese Teile daher untrennbar seien. Die Auffassung der Kommission, dass die Beschlüsse der Union und die Beschlüsse der Regierungen in getrennten Rechtsakten enthalten sein müssten, gefährdete die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Union und beeinträchtigte die Wirksamkeit des institutionellen Rahmens für den Abschluss internationaler Verträge.
30. Zudem könnten der Rat und die Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz der Autonomie der Organe frei über die konkrete Ausgestaltung ihrer Arbeitsweise bestimmen. Die Mitteilung dieser Genehmigung in einem einheitlichen Beschluss tue dem ordnungsgemäßen Ablauf des durch Art. 218 Abs. 5 AEUV vorgeschriebenen Verfahrens keinen Abbruch. Jedenfalls führe der Erlass eines hybriden Beschlusses praktisch zu demselben Ergebnis wie der Erlass von zwei Beschlüssen – durch den Rat und durch die im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten – oder der Erlass nur eines Beschlusses des Rates. Schließlich habe das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit hybrider Beschlüsse und stehe deren Erlass nicht entgegen. Vielmehr sei der Erlass gemischter Beschlüsse insbesondere im Luftverkehrssektor auch nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon feste Praxis.
b) Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Abstimmungsregeln im Rat
31. Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Kommission, unterstützt vom Parlament, geltend, der Rat habe mit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses gegen Art. 218 Abs. 8 Unterabs. 1 AEUV in Verbindung mit der Rechtsgrundlage für den Erlass von Maßnahmen im Bereich des Luftverkehrs, nämlich Art. 100 Abs. 2 AEUV, verstoßen. Während der Erlass eines Beschlusses des Rates nach diesen Bestimmungen eine qualifizierte Mehrheit erfordere, setze nämlich der Erlass eines von den Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten gemeinsam erlassenen intergouvernementalen Rechtsakts definitionsgemäß das Einvernehmen aller Mitgliedstaaten voraus. Würden diese Rechtsakte zu einem einzigen Beschluss verschmolzen und vom Einvernehmen abhängig gemacht, so mache dies die Anwendung der Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit im konkreten Fall unmöglich und setze die Einführung dieser Abstimmung durch den Vertrag von Lissabon als allgemeine Regel für das Verfahren der Aushandlung und des Abschlusses von internationalen Übereinkünften durch die Union faktisch außer Kraft. Damit würde das in Art. 218 Abs. 8 Unterabs. 1 AEUV vorgesehene Verfahren seines Sinnes beraubt und die Wirksamkeit der Verfahren der Union insgesamt in Frage gestellt. Zudem hätte eine Verschmelzung der beiden Rechtsakte zur Folge, dass die in dem hybriden Beschluss angeführte Rechtsgrundlage in Wirklichkeit nicht für das Abstimmungsverfahren im Rat gelte, das wegen seiner intergouvernementalen Komponente stillschweigend, aber zwangsläufig ersetzt worden sei.
32. Das Parlament fügt hinzu, die Verschmelzung der beiden Arten von Rechtsakten bedeute auch eine Verletzung des institutionellen Gleichgewichts in dem Verfahren für den Abschluss internationaler Übereinkünfte durch die Union und damit einen Verstoß gegen Art. 218 Abs. 6 und 10 AEUV.
33. Der Rat trägt, unterstützt von den beteiligten Regierungen, vor, er habe die in den Verträgen vorgesehenen Abstimmungsregeln beachtet. Der angefochtene Beschluss sei nämlich im Rat mit qualifizierter Mehrheit verabschiedet worden, als es um die ausschließlichen Zuständigkeiten der Union gegangen sei, und im Einvernehmen der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, als es um die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten gegangen sei. Es könne daher nicht behauptet werden, dass der Beschluss einvernehmlich erlassen oder der Grundsatz der qualifizierten Mehrheit geändert worden sei. Dass keine der Delegationen im Rat dem angefochtenen Beschluss widersprochen habe, bedeute nicht, dass nicht mit qualifizierter Mehrheit abgestimmt worden sei. Jedenfalls schließe jede einstimmige Beschlussfassung notwendigerweise eine qualifizierte Mehrheit ein. Im Übrigen würden durch das Erreichen eines Konsenses der Mitgliedstaaten weder das Unionshandeln noch die Verfahren dafür in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt.
34. Der Rat und einige Regierungen machen ferner geltend, das Aufeinandertreffen von mehreren Abstimmungsregeln sei im Bereich der internationalen Übereinkünfte eine gängige Praxis, die im Einklang mit der Rechtsprechung stehe. Überdies, so die finnische Regierung, beruhe der Abstimmungsmodus, den der Rat angewandt habe, auf Art. 293 Abs. 1 AEUV, wonach der Rat, wenn er auf Vorschlag der Kommission tätig werde, diesen Vorschlag nur einstimmig abändern könne. Im vorliegenden Fall habe der Rat, da er den Vorschlag der Kommission in Art. 3 des angefochtenen Beschlusses abgeändert habe, ohnehin einstimmig abstimmen müssen.
c) Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen die im Vertrag festgelegten Ziele und gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit
35. Die Kommission, unterstützt vom Parlament, wirft dem Rat vor, gegen die im Vertrag festgelegten Ziele und gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit von Art. 13 Abs. 2 EUV verstoßen zu haben. Zunächst habe der Rat dadurch, dass er den Mitgliedstaaten ermöglicht habe, sich an den Verfahren der Union zu beteiligen, die unabhängige Rechtspersönlichkeit der Union in den internationalen Beziehungen „verwischt“. Er habe auf der internationalen Ebene signalisiert, dass die Union keine eigenständige Entscheidungsbefugnis habe. Sodann habe der Rat durch dieses Verhalten gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verstoßen, da er seine Befugnisse so hätte ausüben müssen, dass die in Art. 218 AEUV vorgesehenen Verfahren nicht umgangen würden. Gegen diesen Grundsatz habe der Rat sowohl im interinstitutionellen Verhältnis als auch gegenüber der Union insgesamt verstoßen. Schließlich habe der Rat, indem er den Mitgliedstaaten in der Union eine Rolle zugebilligt habe, die durch die Verträge, insbesondere durch Art. 218 AEUV nicht vorgesehen sei, den institutionellen Rahmen der Union geschwächt und dabei in Kauf genommen, dass die Interessen der Mitgliedstaaten über die der Union gestellt werden könnten.
36. Der Rat bestreitet, unterstützt von den beteiligten Regierungen, dass der angefochtene Beschluss bei Dritten oder der internationalen Gemeinschaft auch nur im Geringsten Verwirrung stifte. Im Kontext gemischter Übereinkünfte sei es für Dritte vielmehr verwirrend, wenn sie nur den Beschluss des Rates sähen, und keinen Beschluss, an dem die Mitgliedstaaten beteiligt seien. Der angefochtene Beschluss stehe im Übrigen nicht nur im Einklang mit dem Ziel einer einheitlichen internationalen Vertretung der Union, sondern gewährleiste, fördere und verstärke es durch die Hervorhebung der gemeinsamen Position der Union und ihrer Mitgliedstaaten. Der Erlass eines solchen Beschlusses sei Ausdruck der Verpflichtung der Union und der Mitgliedstaaten zu enger Zusammenarbeit und gemeinsamem Vorgehen. Im Gegenteil könnte der Erlass eines Beschluss allein des Rates ohne die Mitgliedstaaten von außen betrachtet das Bild einer uneinigen Union vermitteln, und ein intergouvernementales Parallelverfahren berge die Gefahr von Divergenzen zwischen den Mitgliedstaaten und von Verzögerungen. Dieses Verfahren sei somit hinsichtlich der mit dem Vertrag verfolgten Ziele weniger vorteilhaft. Jedenfalls stelle ein hybrider Beschluss einen unionsinternen Rechtsakt dar, der nicht dazu bestimmt sei, Drittstaaten zur Kenntnis zu gelangen, und selbst wenn dies geschehe, sei es unwahrscheinlich, dass auf die Bestimmung seiner Urheber geachtet werde.
2. Erörterung
37. Die Kommission beantragt mit ihrer Klage, den angefochtenen Beschluss zum einen in Bezug auf die Unterzeichnung des Beitrittsabkommens und des Zusatzabkommens durch die Union und zum anderen in Bezug auf die vorläufige Anwendung dieser Abkommen durch die Union und ihre Mitgliedstaaten im Hinblick darauf für nichtig zu erklären, dass dieser Beschluss gemeinsam vom Rat und von den Vertretern der Mitgliedstaaten als hybrider Rechtsakt, der einen Rechtsakt der Union und einen Rechtsakt der Regierungen vereint, erlassen worden ist.
38. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission ausdrücklich erklärt hat, dass sie mit ihrer Klage nicht die gemischte Natur der beiden in Rede stehenden internationalen Abkommen bestreiten wolle(12) . Die Tragweite der vorliegenden Klage ist daher allein auf die Frage beschränkt, ob der Erlass des angefochtenen Beschlusses als hybrider Beschluss rechtmäßig war.
39. Weiter weise ich, ebenfalls vorab, darauf hin, dass der angefochtene Beschluss, auch wenn er formal betrachtet einen einzigen Rechtsakt darstellt, materiell in Wirklichkeit zwei verschiedene Beschlüsse enthält, nämlich zum einen einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung der in Rede stehenden Abkommen durch die Union und zum anderen einen intergouvernementalen Rechtsakt der Vertreter der Mitgliedstaaten über die vorläufige Anwendung dieser Abkommen durch die Mitgliedstaaten. Die Frage der Rechtmäßigkeit des gemeinsamen Erlasses dieser beiden unterschiedlichen Rechtsakte und ihrer Verschmelzung in einem einzigen Rechtsakt bildet gerade den Gegenstand der von der Kommission erhobenen Beanstandung.
40. Die drei von der Kommission in der Klageschrift geltend gemachten Klagegründe betreffen diese Frage zwar unter verschiedenen Blickwinkeln, überschneiden sich aber meines Erachtens in mehrfacher Hinsicht. Die Klage wirft nämlich im Wesentlichen zwei Arten von Problemen auf. Zum einen betrifft die vorliegende Rechtssache – unter einem Aspekt, der sich als intern definieren ließe – die Anwendung der Bestimmungen über die Verfahren und Abstimmungsregeln für den Erlass von Unionsrechtsakten, die sich auf die Aushandlung und den Abschluss von internationalen Übereinkünften im verfahrensrechtlichen Rahmen von Art. 218 AEUV beziehen. In diesem Kontext stellt sich auch die Frage nach dem Umfang der organisatorischen und funktionellen Autonomie der Unionsorgane. Zum anderen betrifft die vorliegende Rechtssache – unter einem externen Aspekt – auch Vorgaben für den konkreten Ablauf des auswärtigen Handelns der Union. Sie wirft nämlich Fragen auf, die u. a. das Erfordernis einer einheitlichen Vertretung der Union auf internationaler Ebene und die damit zusammenhängende Pflicht zu enger Zusammenarbeit zwischen der Union und den Mitgliedstaaten im Rahmen der Aushandlung und des Abschlusses gemischter Übereinkünfte betreffen. Außerdem betrifft die Rechtssache völkerrechtliche Verpflichtungen, die sich aus dem auswärtigen Handeln der Union gegenüber anderen Vertragsparteien ergeben.
41. Die Lösung der rechtlichen Probleme der vorliegenden Rechtssache kann daher nicht nur auf die internen verfahrensrechtlichen Fragen beschränkt sein, sondern muss auch die Auswirkungen dieser Fragen auf das auswärtige Handeln der Union berücksichtigen. Dies macht somit eine Beurteilung notwendig, die eine Abwägung der verschiedenen Grundsätze und praktischen Erfordernisse, die in der vorliegenden Rechtssache eine Rolle spielen, umfasst. Unter diesen Umständen halte ich es für angebracht, die drei Klagegründe zusammen zu prüfen, und zwar beginnend mit einer allgemeinen Darstellung der in der vorliegenden Rechtssache aufgeworfenen Fragen; anschließend werde ich die von der Kommission in ihrer Klage vorgetragenen Rügen im Licht der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze prüfen.
a) Zu dem in Art. 218 AEUV vorgesehenen verfahrensrechtlichen Rahmen für die Aushandlung und den Abschluss von internationalen Übereinkünften der Union
42. Hinsichtlich des internen Aspekts wirft die vorliegende Rechtssache zunächst eine Frage nach der Vereinbarkeit des Verfahrens, in dem der angefochtene Beschluss erlassen wurde, mit Art. 218 AEUV auf.
43. Wie aus Art. 218 Abs. 1 AEUV hervorgeht, regelt dieser Artikel das Verfahren für die Aushandlung und den Abschluss von Übereinkünften zwischen der Union und Drittstaaten oder internationalen Organisationen. Dieser im Fünften Teil („Das auswärtige Handeln der Union“) Titel V („Internationale Übereinkünfte“) des AEU-Vertrags enthaltene Artikel stellt eine allgemeine Vorschrift dar, mit der ein einziges, einheitliches Verfahren für die Aushandlung und den Abschluss der genannten Übereinkünfte durch die Union geschaffen werden soll. Diese Vorschrift ist zum einen Ausdruck der neuen Struktur der Union nach der förmlichen Abschaffung der Pfeiler mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon(13), und sie ist zum anderen Ausdruck der neuen verstärkten Dimension des auswärtigen Handelns der Union, der die Einführung der Art. 21 EUV und 22 EUV sowie des Fünften Teils des AEU-Vertrags entspricht.
44. Das Verfahren des Art. 218 AEUV ist daher auf alle von der Union ausgehandelten und abgeschlossenen Übereinkünfte, unabhängig von ihrer Art und ihrem Inhalt, anzuwenden, mit Ausnahme der in besonderen Vorschriften der Verträge ausdrücklich geregelten Fälle(14) . Im Übrigen gilt diese Vorschrift für die im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik geschlossenen Übereinkünfte. Insbesondere deutet nichts darauf hin, dass dieser Artikel, falls eine internationale Übereinkunft als gemischtes Abkommen geschlossen wird, keine Anwendung fände.
45. Da das Verfahren für den Abschluss einer internationalen Übereinkunft ein mehrstufiges Verfahren ist, regelt Art. 218 AEUV die Modalitäten des Verfahrensablaufs auf den verschiedenen Stufen sowie die Rolle und die Befugnisse der verschiedenen Organe, die an der Aushandlung und am Abschluss der internationalen Übereinkünfte durch die Union beteiligt sind.
46. Was im Einzelnen die für die vorliegende Rechtssache relevanten Bestimmungen betrifft, geht aus Art. 218 Abs. 2 AEUV hervor, dass der Rat das Organ ist, das dazu befugt ist, die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen zu erteilen, Verhandlungsrichtlinien festzulegen, die Unterzeichnung zu genehmigen und die Übereinkünfte für die Union zu schließen. Nach Art. 218 Abs. 5 AEUV ist es der Rat, der auf Vorschlag des Verhandlungsführers einen Beschluss erlässt, mit dem die Unterzeichnung der Übereinkunft und gegebenenfalls deren vorläufige Anwendung vor dem Inkrafttreten genehmigt werden. Art. 218 Abs. 6 AEUV sieht zum einen vor, dass der Rat auf Vorschlag des Verhandlungsführers einen Beschluss über den Abschluss der Übereinkunft erlässt, und räumt zum anderen dem Parlament je nach Gegenstand der zu schließenden Übereinkunft eine Zustimmungs- bzw. Anhörungsbefugnis ein. Art. 218 Abs. 8 AEUV stellt die allgemeine Regel auf, wonach der Rat, abgesehen von den Ausnahmen nach Unterabs. 2 dieser Bestimmung, während des gesamten Verfahrens mit qualifizierter Mehrheit beschließt.
47. Aus dem Zusammenhang, in dem Art. 218 AEUV steht, sowie aus dem Wortlaut und der Systematik dieses Artikels – und insbesondere seiner Zielsetzung, ein System und eine Verfahrensregelung einzuführen, die allgemein für die Aushandlung und den Abschluss von internationalen Übereinkünften durch die Union gelten – ergibt sich, dass der Rat, abgesehen von den in den Verträgen selbst ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmefällen, sich nicht von den darin vorgesehenen Verfahren lösen und in den verschiedenen Abschnitten, aus denen das Verfahren der Aushandlung und des Abschlusses von internationalen Übereinkünften besteht, nicht auf ein alternatives Verfahren oder ein von den Verfahren nach dem genannten Artikel abweichendes Verfahren zurückgreifen darf. Insbesondere darf der Rat keine Rechtsakte erlassen, die keine der Entscheidungen, die für eine bestimmte Stufe des genannten Verfahrens vorgesehen sind, darstellen würden oder unter anderen als den durch Art. 218 AEUV selbst vorgesehenen Voraussetzungen erlassen würden(15) . Die Verpflichtung des Rates zur Einhaltung der in den Verträgen vorgesehenen Verfahren ergibt sich ferner aus Art. 13 Abs. 2 EUV, wonach jedes Organ nach den Verfahren, Bedingungen und Zielen, die in den Verträgen festgelegt sind, handelt.
48. Insoweit ist außerdem hervorzuheben, dass Art. 218 AEUV, abgesehen von zwei spezifischen Fragen(16), zu keinem Zeitpunkt in dem Verfahren der Aushandlung und des Abschlusses von internationalen Übereinkünften durch die Union ein Tätigwerden der Mitgliedstaaten vorsieht(17) . Den Mitgliedstaaten als solchen soll somit in dem Verfahren nach Art. 218 AEUV, das ein der Union eigenes Verfahren darstellt, keine Rolle zukommen.
49. Diese Feststellung wird nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass Art. 218 AEUV nicht nur für allein von der Union geschlossene Übereinkünfte, sondern auch für gemischte Übereinkünfte gilt. Im Fall der gemischten Übereinkünfte gilt Art. 218 AEUV nämlich ausschließlich für die Beteiligung der Union an der gemischten Übereinkunft und nicht für die Beteiligung der Mitgliedstaaten. Deren Beteiligung an den gemischten Übereinkünften unterliegt, was den internen Aspekt ihrer Beteiligung angeht, dem jeweiligen nationalen Recht, und was den externen Aspekt ihrer Beteiligung angeht, dem Völkerrecht(18) .
b) Zur Rechtsgrundlage und zu den Abstimmungsregeln
50. Sodann wirft der Erlass des angefochtenen Beschlusses als hybrider Rechtsakt, der einen Rechtsakt der Union und einen intergouvernementalen Rechtsakt vereint, Fragen auf, die zum einen die herangezogene Rechtsgrundlage und zum anderen die Beachtung der in den Verträgen vorgesehenen Abstimmungsregeln betreffen.
51. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Gebot der Rechtssicherheit nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt, dass jede Maßnahme der Union, die rechtliche Wirkungen erzeugen soll, ihre Bindungswirkung einer Bestimmung des Unionsrechts entnimmt, die ausdrücklich als Rechtsgrundlage bezeichnet sein muss und die Rechtsform vorschreibt, in der die Maßnahme zu erlassen ist. Die Angabe der Rechtsgrundlage ist erstens erforderlich, um die Abstimmungsmodalitäten innerhalb des Rates festzulegen. Zweitens hat sie eine besondere Bedeutung für die Wahrung der Rechte der durch das Verfahren für den Erlass eines Rechtsakts betroffenen Unionsorgane. Und drittens legt sie die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten fest, indem sie vermeidet, dass Unsicherheit über die Natur der Zuständigkeit der Union entsteht und diese in der Vertretung ihres Standpunkts bei völkerrechtlichen Verhandlungen geschwächt wird(19) .
52. Außerdem hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Grundsätze über die Willensbildung der Unionsorgane in den Verträgen festgelegt sind und nicht zur Disposition der Mitgliedstaaten oder der Organe selbst stehen(20) . Allein die Verträge können in besonderen Fällen ein Organ dazu ermächtigen, ein von ihnen geschaffenes Entscheidungsverfahren zu ändern. Im Übrigen würde, wenn einem Organ die Möglichkeit gegeben würde, von einem in den Verträgen vorgesehenen Entscheidungsverfahren abzuweichen und ein alternatives Verfahren anzuwenden, dies darauf hinauslaufen, dass diesem Organ zum einen die Befugnis zur einseitigen Abweichung von vertraglich vorgesehenen Regeln verliehen wird, was sicherlich unannehmbar ist(21), und ihm zum anderen erlaubt wird, gegen den Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts zu verstoßen, der gebietet, dass jedes Organ seine Befugnisse unter Beachtung der Befugnisse der anderen Organe ausübt(22) .
53. In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof zur Verschmelzung verschiedener Verfahren für den Erlass von Unionsrechtsakten eine recht misstrauische Haltung eingenommen hat. So ist zur Heranziehung einer doppelten Rechtsgrundlage in ständiger Rechtsprechung entschieden worden, dass eine Häufung von zwei Rechtsgrundlagen ausgeschlossen ist, wenn die für sie jeweils vorgesehenen Verfahren miteinander unvereinbar sind(23) . Genau dies war in der Rechtssache Titandioxid(24) der Fall, über deren Relevanz für die vorliegende Rechtssache die Parteien lange gestritten haben. Diese Rechtssache betraf eine Richtlinie(25), die der Rat einstimmig auf der Grundlage von Art. 130s EWG-Vertrag(26) erlassen hatte, während die Kommission in ihrer Nichtigkeitsklage geltend machte, dass diese Richtlinie auf Art. 100a EWG-Vertrag hätte gestützt werden müssen, wo eine Entscheidung des Rates mit qualifizierter Mehrheit vorgesehen war(27) . Der Gerichtshof befand, dass bei einem Rückgriff auf beide Rechtsgrundlagen der Rat auf jeden Fall einstimmig hätte entscheiden müssen, wodurch einem wesentlichen Element des Verfahrens der Zusammenarbeit, nämlich der Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit, Abbruch getan worden wäre(28)(29) .
c) Zum Grundsatz der Autonomie der Organe
54. Der Rat und einige Mitgliedstaaten machen geltend, der Erlass von hybriden Beschlüssen sei Ausdruck des Grundsatzes der Autonomie der Unionsorgane, wonach es dem Rat erlaubt sei, zu bestimmen, in welcher Form die Genehmigungen, die im Verfahren der Aushandlung und des Abschlusses internationaler Übereinkünfte erforderlich seien, erteilt würden.
55. Tatsächlich sind die Unionsorgane im Rahmen der ihnen zugewiesenen Befugnisse in der Gestaltung ihrer Arbeitsweise frei. Diese Gestaltungsfreiheit ist Ausdruck des Grundsatzes der Autonomie der Organe, der den Vertragsbestimmungen entspringt, die den Organen die Befugnis zuweisen, ihre Geschäftsordnungen selbst zu erlassen, um ihr Funktionieren und das ihrer Dienststellen sicherzustellen(30) . Dieser vom Gerichtshof(31) wiederholt anerkannte Grundsatz ist die notwendige Folge des Auftrags der Organe, im Interesse der Union zu handeln, und stellt eine wesentliche Voraussetzung für ihr ordnungsgemäßes Funktionieren dar(32) . Entsprechend hat der Rat seine eigene Geschäftsordnung erlassen, in der seine Arbeitsweise und seine Organisation geregelt sind(33) .
56. Der Grundsatz der Autonomie der Organe gilt jedoch nicht unbegrenzt. Diese Autonomie ist gemäß Art. 13 Abs. 2 EUV „nach Maßgabe der [jedem Organ] in den Verträgen zugewiesenen Befugnisse“ und „nach den Verfahren, Bedingungen und Zielen, die in den Verträgen festgelegt sind“ auszuüben. Somit ist zwar jedes Organ aufgrund der ihm durch die maßgeblichen Bestimmungen der Verträge verliehenen internen Organisationsgewalt berechtigt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sein ordnungsgemäßes Funktionieren und den Ablauf seiner Verfahren sicherzustellen(34), doch dürfen diese Maßnahmen oder ihre Anwendung nicht von den in den Verträgen vorgeschriebenen Verfahren abweichen. Zudem darf die interne Organisationsgewalt nicht das institutionelle Gleichgewicht oder die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.
57. Außerdem stellt der Grundsatz der Autonomie der Organe eine Schranke gegenüber den Mitgliedstaaten dar. Dieser Grundsatz bedeutet nämlich, dass die interne Arbeitsweise und die Organisation der Organe völlig unabhängig von den Mitgliedstaaten sein müssen(35), die ein Einwirken auf die autonome Festlegung der Organisation, Verfahren und Funktionen der Unionsorgane in den von den Verträgen gesetzten Grenzen zu unterlassen haben. Dieses Gebot der Nichteinmischung seitens der Mitgliedstaaten ist im Übrigen Ausdruck des in Art. 4 Abs. 3 EUV vorgesehenen Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit.
d) Zur Notwendigkeit einer einheitlichen internationalen Vertretung der Union und zum Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit
58. Hinsichtlich des externen Aspekts wirft die vorliegende Rechtssache zunächst Fragen nach der Vertretung der Union auf internationaler Ebene und der Gestaltung des Verhältnisses zwischen der Union und den Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht auf.
59. Die Parteien vertreten hierzu völlig konträre Standpunkte. Für die Kommission ist mit dem Erlass von hybriden Beschlüssen die Gefahr gegeben, dass die unabhängige Rechtspersönlichkeit der Union in den völkerrechtlichen Beziehungen „verwischt“ wird, während der Rat in den hybriden Beschlüssen den maximalen Ausdruck der Zusammenarbeit zwischen der Union und den Mitgliedstaaten sieht.
60. Hierzu ist zunächst daran zu erinnern, dass die Verträge ausdrücklich eine gegenseitige Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten (Art. 4 Abs. 3 EUV) sowie zwischen den Unionsorganen (Art. 13 Abs. 2 Satz 2 EUV) vorsehen(36) . Insbesondere sind die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 3 EUV dazu verpflichtet, die Union bei der Erfüllung ihrer Aufgabe zu unterstützen und alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährden könnten.
61. Sodann ist weiter hervorzuheben, dass der Gerichtshof, wenn er mit Fragen betreffend das auswärtige Handeln der Union befasst war, wiederholt auf die Erfordernisse einer geschlossenen völkerrechtlichen Vertretung der Union(37) und einer Gewährleistung der Einheitlichkeit und Kohärenz des Handelns und der Vertretung der Union in den Außenbeziehungen(38) hingewiesen hat.
62. Diese Erfordernisse sind umso dringlicher, wenn ein Abkommen oder eine Konvention teils in die Zuständigkeit der Union und teils in die der Mitgliedstaaten fällt und die Übereinkünfte als gemischte Übereinkünfte geschlossen werden, wie dies bei dem Beitrittsabkommen und dem Zusatzabkommen der Fall ist. In diesen Fällen ist in der Rechtsprechung besonders betont worden, dass die genannten Erfordernisse einer geschlossenen Vertretung der Union und einer Gewährleistung der Einheitlichkeit und Kohärenz in den Außenbeziehungen der Union es gebieten, eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den Unionsorganen sowohl im Verfahren der Aushandlung und des Abschlusses als auch bei der Durchführung der eingegangenen Verpflichtungen sicherzustellen(39) . Zwischen dem Erfordernis einer einheitlichen Vertretung der Union auf internationaler Ebene und der gegenseitigen Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit zwischen der Union und den Mitgliedstaaten besteht somit ein enger Zusammenhang(40) .
63. In diesem Kontext hat der Gerichtshof zum einen entschieden, dass die Organe und die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen treffen müssen, um eine solche Zusammenarbeit in bestmöglicher Weise zu gewährleisten(41) . Zum anderen hat er entschieden, dass aus der Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit, wie sie in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 3 EUV vorgesehen ist, folgt, dass die Mitgliedstaaten nicht in die Ausübung der Vorrechte der Union eingreifen dürfen, welche Befugnis allein den Unionsorganen zusteht, und dass sie nicht die Fähigkeit der Union zum autonomen Handeln in den Außenbeziehungen in Frage stellen dürfen(42) .
e) Zur Relevanz des angefochtenen Beschlusses für Drittstaaten
64. In der vorliegenden Rechtssache stellt sich ferner die Frage der Relevanz hybrider Beschlüsse für die Drittstaaten, die Parteien der internationalen Übereinkünfte sind. Der Rat und einige Regierungen stufen nämlich Beschlüsse wie den angefochtenen Beschluss als rein interne Rechtsakte ein. Daraus ergebe sich, dass diese Rechtsakte nicht dazu bestimmt seien, Drittstaaten zur Kenntnis zu gelangen, und diese somit nicht auf die Bestimmung der Urheber dieser Rechtsakte achteten.
65. Hierzu ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Union beim Erlass eines Rechtsakts verpflichtet ist, das gesamte Völkerrecht zu beachten, auch das die Organe der Union bindende Völkergewohnheitsrecht(43) . Zum anderen müssen die Union und ihre Mitgliedstaaten, wenn sie internationale Übereinkünfte schließen, gleich ob es sich um gemischte Übereinkünfte handelt oder nicht, das Völkerrecht beachten, wie es, was die gewohnheitsrechtlichen Normen des Vertragsrechts angeht, in den Wiener Übereinkommen von 1969 und 1986 kodifiziert ist(44) .
66. Allgemein gilt im Völkerrecht die Regel, dass die Maßnahmen, mit denen eine Partei entsprechend ihrem innerstaatlichen Recht – bzw. im Fall einer internationalen Organisation entsprechend ihren internen Organisationsvorschriften – ihre Verpflichtungen aus einem völkerrechtlichen Vertrag erfüllt, die anderen Staaten, die Partei der Übereinkunft sind, grundsätzlich nichts angehen(45) .
67. Allerdings erkennt das Völkerrecht einerseits den innerstaatlichen Vorschriften – bzw. den internen Vorschriften einer internationalen Organisation – die die Zuständigkeit zum Abschluss von Verträgen betreffen, eine gewisse, wenn auch beschränkte Relevanz zu(46) . Die Relevanz eines im Rahmen des Verfahrens nach Art. 218 AEUV erlassenen Beschlusses für die anderen Vertragsstaaten ist also im Völkerrecht nicht ganz ausgeschlossen.
68. Andererseits können, wenn eine Übereinkunft als gemischte Übereinkunft geschlossen wird, die Union und ihre Mitgliedstaaten als zwar miteinander verbundene, aber gleichwohl gesonderte Parteien der Übereinkunft angesehen werden, und die Erfordernisse der Rechtssicherheit unter den Parteien einer internationalen Übereinkunft und die Pflicht zur Vertragserfüllung nach Treu un d Glauben(47) zwingen meines Erachtens zu dem Schluss, dass der unionsinterne Rechtsakt, mit dem die Union eine gemischte Übereinkunft genehmigt, nicht geeignet ist, zu verschleiern, dass die Union vollwertige Vertragspartei der Übereinkunft ist.
f) Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses
69. Im vorliegenden Fall ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses unter Berücksichtigung der in den vorstehenden Nummern dargelegten Grundsätze und hervorgehobenen Erfordernisse zu beurteilen. Dabei ist mit einer Prüfung dieses Beschlusses zu beginnen.
70. Was zunächst seine Urheber betrifft, geht aus dem Titel und der Angabe vor dem ersten Bezugsvermerk des angefochtenen Beschlusses hervor, dass dieser eine gemeinsame Handlung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten darstellt. Sodann ist zur Rechtsgrundlage des angefochtenen Beschlusses festzustellen, dass dieser ausdrücklich angibt, auf Art. 100 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 218 Abs. 5 und Abs. 8 Unterabs. 1 AEUV gestützt zu sein. In allen diesen Rechtsgrundlagen ist der Erlass einer Handlung mit qualifizierter Mehrheit vorgesehen. In dem angefochtenen Beschluss ist keine weitere Rechtsgrundlage erwähnt.
71. Was den Inhalt des angefochtenen Beschlusses betrifft, so ermächtigt dieser, wie aus den Nrn. 8 bis 10 und 19 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht, sowohl zur Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung der in Rede stehenden internationalen Abkommen seitens der Union als auch zu deren vorläufiger Anwendung, soweit das innerstaatliche Recht es zulässt, durch die Mitgliedstaaten. Dieser Rechtsakt führt alle diese Elemente zusammen auf, ohne dass sich klar unterscheiden ließe, welcher Teil (im materiellen Sinne) dem Rat und welcher Teil dem Beschluss der Vertreter der Mitgliedstaaten zuzuordnen wäre. Dies geht insbesondere aus der Formulierung von Art. 3 des angefochtenen Beschlusses hervor, wo in ein und derselben Bestimmung die Ermächtigung zur vorläufigen Anwendung der in Rede stehenden Abkommen durch die Union und durch die Mitgliedstaaten gegeben wird.
72. Angesichts des Inhalts des angefochtenen Beschlusses sowie der Art und Weise, wie er aufgebaut ist, ist festzustellen, dass sowohl der Rat als auch die Vertreter der Mitgliedstaaten am Erlass des Beschlusses in seiner Gesamtheit und allen seinen Elementen beteiligt waren. So haben einerseits die Vertreter der Mitgliedstaaten an der Ermächtigung zur Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung der in Rede stehenden Abkommen durch die Union und andererseits der Rat an der Ermächtigung zu ihrer vorläufigen Anwendung durch die Mitgliedstaaten mitgewirkt(48) .
73. Diese Feststellung wird im Übrigen durch die Verfahrensweise beim Erlass des angefochtenen Beschlusses bestätigt, die zeigt, das es keine Trennung zwischen dem Verfahren für den Erlass des Beschlusses der Union und dem für den Erlass des intergouvernementalen Rechtsakts der Mitgliedstaaten gab. Denn obwohl mehrere Mitgliedstaaten in ihren Schriftsätzen es für möglich gehalten hatten, dass die beiden materiellen Teile des angefochtenen Beschlusses nach gesonderten Abstimmungsverfahren erlassen wurden, hat der Rat in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof abschließend präzisiert, dass der angefochtene Beschluss in einem Durchgang im Konsens nach einem vereinfachten Verfahren ohne Erörterung und ohne Abstimmung erlassen worden war. Die beiden Teile des Rechtsakts wurden also nicht in gesonderten Entscheidungsprozessen, sondern in einem einzigen einheitlichen Verfahren erlassen.
74. Aus diesen Feststellungen ergeben sich meines Erachtens folgende Erwägungen.
75. Erstens stellt der angefochtene Beschluss als hybrider Rechtsakt eine in den Verträgen nicht vorgesehene Handlung dar. Insbesondere geht es um eine Handlung, die vom Rat in einem der Abschnitte des Verfahrens der Aushandlung und des Abschlusses von internationalen Übereinkünften durch die Union erlassen wurde, aber nicht in Art. 218 AEUV vorgesehen ist. Zudem ist auch das Verfahren, in dem diese Handlung erlassen wurde, nicht in dem genannten Artikel vorgesehen. Denn, wie ich bereits in Nr. 48 der vorliegenden Schlussanträge hervorgehoben habe, kommt den Mitgliedstaaten nach Art. 218 AEUV im Verfahren des Erlasses der Maßnahmen, die die Union in den verschiedenen Abschnitten des dort vorgesehenen Verfahrens zu treffen hat, keine Rolle zu. Daher ist der Rat durch die Einbeziehung der Mitgliedstaaten in den Erlass des angefochtenen Beschluss einseitig von diesem Verfahren abgewichen und hat eine in den Verträgen nicht vorgesehene Handlung erlassen.
76. Zweitens folgt daraus, dass der hybride Rechtsakt mit allen seinen untrennbaren Bestandteilen in einem Durchgang erlassen wurde, dass sein Erlass in einem einzigen Entscheidungsprozess erfolgte, in dem das in Art. 218 Abs. 5 und 8 AEUV für den Erlass eines Unionsrechtsakts mit qualifizierter Mehrheit vorgesehene Verfahren und ein dem unionsrechtlichen Rahmen fremdes Verfahren vermischt wurden, und dies, um eine nicht in den Verträgen vorgesehene Handlung zu erlassen, was das Einvernehmen aller beteiligten Mitgliedstaaten voraussetzt. Im Übrigen haben der Rat und einige Regierungen selbst eingeräumt, dass die Regeln des Verfahrens für den Erlass des intergouvernementalen Beschlusses außerhalb des rechtlichen Rahmens der Verträge stehen.
77. Diese Verschmelzung hatte außerdem zur Folge, dass die in dem angefochtenen Beschluss angegebenen Rechtsgrundlagen nicht der für den Erlass des hybriden Rechtsakts wirklich erforderlichen Abstimmungsregel entsprechen. Während diese Rechtsgrundlagen eine Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit verlangen, setzte nämlich der Erlass eines hybriden Rechtsakts in dieser Form aufgrund seiner Gestaltung als Handlung, in der die beiden materiellen Teile eine untrennbare Einheit bilden, Einvernehmen voraus. Dies bedeutet meines Erachtens zwangsläufig, dass das Verfahren der qualifizierten Mehrheit ausgehöhlt wurde und dass dem Mehrheitsprinzip, das den Kern des in Art. 218 AEUV vorgesehenen Verfahrens bildet, im Sinne des Titandioxid-Urteils Abbruch getan wurde(49) .
78. Diesen Erwägungen zufolge steht der Erlass des angefochtenen Beschlusses in Form eines hybriden Rechtsakts nicht mit Art. 218 Abs. 2, 5 und 8 AEUV in Einklang und entspricht auch nicht den in den Nrn. 47 und 51 bis 53 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Erfordernissen der Rechtsprechung.
79. Zur Beachtung der Abstimmungsregeln ist weiter hervorzuheben, dass hier nicht etwa die Modalitäten der Abstimmungsverfahren im Rat in Frage gestellt werden sollen, deren Organisation in den autonomen Bereich des Rates fällt. Der Gegenstand der vorliegenden Rechtssache betrifft nicht die Rechtmäßigkeit des vom Rat in der mündlichen Verhandlung erwähnten vereinfachten internen Verfahrens ohne Erörterung, in dem über den Erlass des angefochtenen Beschlusses abgestimmt wurde. Im vorliegenden Fall kam dieses vereinfachte Verfahren jedoch für den Erlass eines Beschlusses zum Einsatz, in dem ein Rechtsakt, der nach einem in den Verträgen vorgesehenen Verfahren erlassen wurde, und ein dem unionsrechtlichen Rahmen fremder Rechtsakt miteinander verschmolzen sind, der nach Verfahren erlassen wurde, die diesem Rahmen ebenfalls fremd sind, und für dessen Erlass eine Abstimmungsregel heranzuziehen ist, die von der für den Erlass des Unionsrechtsakts vorgeschriebenen verschieden ist.
80. Eine etwaige Zulassung einer solchen Verschmelzung könnte meines Erachtens, selbst wenn es sich um eine feste Praxis(50) oder eine Praxis mit Ausnahmecharakter(51) handeln sollte, einen gefährlichen Präzedenzfall für die Kontamination des autonomen Entscheidungsprozesses der Unionsorgane darstellen, der somit die Autonomie der Union als eigenständige Rechtsordnung beschädigen könnte(52), und dies trotz des, wie aus Nr. 53 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht, restriktiven Ansatzes des Gerichtshofs gegenüber der Verschmelzung interner Verfahren der Union und der Häufung der Rechtsgrundlagen(53) .
81. Zudem kann meines Erachtens nicht dem Argument gefolgt werden, gegen die in Art. 218 AEUV vorgesehene Abstimmungsregel sei nicht verstoßen worden, weil die Einstimmigkeit stets die qualifizierte Mehrheit umfasse. Zunächst wurde, wie ich in den Nrn. 76 und 77 der vorliegenden Schlussanträge hervorgehoben habe, der angefochtene Beschluss nicht einstimmig in einem Verfahren erlassen, dass in den Verträgen vorgesehen – und in sie eingebettet – ist, sondern in einem Verfahren und nach einer Abstimmungsregel, die außerhalb des Rahmens der Verträge stehen. Diese Feststellung schließt im Übrigen die Möglichkeit einer Berufung des Rates auf Art. 293 Abs. 1 AEUV, wie sie die finnische Regierung geltend gemacht hat, aus. Sodann ist, wie dies Generalanwältin Sharpston zu Recht hervorgehoben hat, ein Beschluss, dem niemand widerspricht, nicht zwangsläufig dasselbe wie ein Beschluss, auf den sich eine qualifizierte Mehrheit einigen kann, da ein Beschluss, für den eine qualifizierte Mehrheit erreicht werden kann, möglicherweise inhaltlich abgeschwächt werden muss, um einstimmige Zustimmung bzw. eine Zustimmung ohne Widerspruch zu erlangen(54) .
82. Hinsichtlich des Vorbringens zum Grundsatz der Autonomie ergibt sich aus den Erwägungen in Nr. 56 der vorliegenden Schlussanträge, dass dieser Grundsatz keine Abweichung von den in den Verträgen vorgeschriebenen Verfahren rechtfertigen kann. Der Rat ist zwar in der Gestaltung seiner internen Arbeitsweise und des Erlasses seiner Beschlüsse frei, darf jedoch weder auf alternative Verfahren zurückgreifen, noch die in den Verträgen vorgesehenen Abstimmungsregeln ändern. Im Licht meiner Ausführungen oben in Nr. 57 frage ich mich sogar, ob nicht in Wirklichkeit darin ein Verstoß gegen den Grundsatz der Autonomie liegt, dass den Mitgliedstaaten eine Teilnahme am Entscheidungsprozess eines Unionsorgans erlaubt wurde.
83. War jedoch der Erlass eines hybriden Beschlusses die zwangsläufige Folge aus der gemischten Natur der zugrunde liegenden internationalen Übereinkünfte? Musste ein solcher Beschluss erlassen werden, um die einheitliche Vertretung der Union auf internationaler Ebene sicherzustellen? Ich bin davon nicht überzeugt.
84. Erstens trifft es zwar zu, dass der Erlass eines gemeinsamen Beschlusses die engste Form der Zusammenarbeit zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten darstellt und dass der Gerichtshof im Fall des Abschlusses gemischter Übereinkünfte die Notwendigkeit einer solchen engen Zusammenarbeit besonders betont hat. Doch kann zum einen, wie bereits zu Recht bemerkt wurde(55), der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, aus dem, wie in Nr. 62 der vorliegenden Schlussanträge hervorgehoben, die Pflicht zu enger Zusammenarbeit folgt, nicht zur Rechtfertigung einer Verletzung von Verfahrensregeln geltend gemacht werden. Die enge Zusammenarbeit der Union und ihrer Mitgliedstaaten im Rahmen der gemischten Übereinkünfte muss somit unter Beachtung der in den Verträgen vorgeschriebenen Regeln stattfinden.
85. Die Beteiligung der Mitgliedstaaten als solche an dem Verfahren der Union war weder für die Unterzeichnung der Übereinkunft im Namen der Union noch für ihre provisorische Anwendung durch die Union erforderlich. Der Rat hat somit dadurch, dass er die Beteiligung der Mitgliedstaaten an dem Unionsbeschluss zuließ, nicht den Interessen der Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 13 Abs. 1 EUV gedient, wie er dies in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, sondern er hat ihnen erlaubt, in die Ausübung der Rechte der Union einzugreifen, und dabei entgegen der in Nr. 63 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs die Fähigkeit der Union zum autonomen Handeln in den Außenbeziehungen in Frage gestellt.
86. Dieses Eingreifen könnte dahin verstanden werden, dass die Union nicht dazu befugt ist, die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung von internationalen Übereinkünften in Bereichen, in denen sie ihre eigenen, von den Mitgliedstaaten übertragenen Zuständigkeiten ausübt, allein zu beschließen. Diese Herangehensweise ist, anstatt das internationale Ansehen der Union zu stärken, meines Erachtens geeignet, die Union als vollwertigen Akteur auf der internationalen Ebene zu schwächen, indem sie ihre Stellung als unabhängiges und autonomes Völkerrechtssubjekt verschleiert.
87. Für mich folgt daraus, dass der Rat unter Verstoß gegen Art. 13 Abs. 2 EUV die Grenzen der ihm in den Verträgen zugewiesenen Befugnisse überschritten und entgegen den Zielen gehandelt hat, die in den Verträgen festgelegt sind(56) .
88. Zweitens hat der Rat selbst eingeräumt, dass es alternative Lösungen zum Erlass eines hybriden Beschlusses gibt, wie zum Beispiel den gleichzeitigen Erlass von zwei gesonderten Beschlüssen, nämlich einem des Rates und einem der Vertreter der Mitgliedstaaten(57) . Der Rat und die Mitgliedstaaten legen dieser Lösung jedoch einen deutlich niedrigeren Stellenwert bei, da sie weniger effizient sei und insbesondere in Bezug auf die Abgrenzung der Zuständigkeiten zu erheblichen praktischen Problemen führen könne, wenn die Übereinkunft, wie dies gewöhnlich bei Übereinkünften im Bereich des Luftverkehrs der Fall sei, ein unteilbares Ganzes bilde, so dass die Zuständigkeiten der Union und die der Mitgliedstaaten sich nicht voneinander trennen ließen.
89. Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Effizienz- oder Zweckmäßigkeitserwägungen nicht den Verstoß gegen die in den Verträgen vorgesehenen Verfahren rechtfertigen können. Der Verfahrensrahmen für die Aushandlung und den Abschluss von internationalen Übereinkünften der Union wurde durch den Vertrag von Lissabon festgelegt, der u. a. die Regel der qualifizierten Mehrheit als allgemeine Regel eingeführt hat. Die Mitgliedstaaten haben diesem Vertrag zugestimmt, ihn ratifiziert und sind an ihn gebunden. Sie können von ihnen selbst vorgeschriebene Regeln nicht aus behaupteten Zweckmäßigkeits- oder Effizienzgründen umgehen oder außer Acht lassen.
90. Das rechtliche Problem, das sich in der vorliegenden Rechtssache stellt, liegt meines Erachtens nicht im koordinierten Erlass der beiden Beschlüsse und auch nicht darin, dass sie in einem formal einheitlichen Rechtsakt enthalten sind. Das Problem ergibt sich nach meinem Verständnis aus der hybriden Natur des angefochtenen Beschlusses, die dazu führte, dass der Rat die Einbeziehung eines externen Elements in das Verfahren des Erlasses eines Unionsrechtsakts zuließ, das diesen verfälschte, und dass er sich zudem am Erlass eines Rechtsakts beteiligte, der nicht in seine Zuständigkeit fiel, nämlich einen Beschluss, der den Mitgliedstaaten die vorläufige Anwendung der in Rede stehenden Abkommen erlaubte. Sofern jedoch aus einem vom Rat gemäß Art. 218 AEUV erlassenen Beschluss eindeutig hervorginge, dass die Verfahren der Union, insbesondere die Abstimmungsverfahren, beachtet wurden, und dass die Union in Bezug auf die Zuständigkeiten, die ihr zustehen, als vollwertiger Akteur auf internationaler Ebene einen eigenen Beschluss erließ, hätte ich keinen Einwand dagegen, dass dieser Beschluss und ein intergouvernementaler Beschluss der Mitgliedstaaten, die miteinander koordiniert erlassen wurden, in einem formal einheitlichen Rechtsakt enthalten sind.
91. Was sodann die Frage der Untrennbarkeit der Zuständigkeiten angeht, hat der Gerichtshof zwar tatsächlich hervorgehoben, dass bei dieser Art von Fällen die Pflicht zu enger Zusammenarbeit zwischen der Union und den Mitgliedstaaten umso zwingender ist(58), doch legt der Rat nicht dar, warum im Fall des Erlasses von zwei koordinierten Beschlüssen – einem Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des gemischten Abkommens durch die Union, soweit diese zuständig ist, und einem Beschluss der Vertreter der Mitgliedstaaten über die vorläufige Anwendung desselben gemischten Abkommens, soweit dieses Bereiche regelt, die in ihre Zuständigkeit fallen – es notwendig sein sollte, stets anzugeben, welche Teile des Abkommens in die Zuständigkeit der Union und welche in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. Im Übrigen enthält der hybride Beschluss auch keine solche Angabe.
92. Schließlich haben, anders als der Rat und mehrere Regierungen vortragen, die gemäß Art. 218 Abs. 5 AEUV erlassenen Beschlüsse keine rein interne Tragweite. Dass sie den Vertragsparteien zugestellt und im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden, zeigt, dass sie sowohl den anderen Parteien der internationalen Übereinkunft als auch Dritten allgemein zur Kenntnis gebracht werden sollen. Da, wie ich in Nr. 86 der vorliegenden Schlussanträge hervorgehoben habe, der Erlass solcher Beschlüsse in Form von hybriden Beschlüssen geeignet ist, die Stellung der Union als unabhängiges Völkerrechtssubjekt zu verschleiern, obwohl sie vollwertige Partei der gemischten Übereinkunft ist, kann dieser Erlass meines Erachtens auch zu Problemen der Rechtssicherheit im Verhältnis zwischen den Parteien der internationalen Übereinkunft führen.
g) Ergebnis
93. Aus alledem folgt, dass der Rat durch den Erlass des angefochtenen Beschlusses als hybrider Beschluss gegen Art. 218 Abs. 2, 5 und 8 AEUV verstoßen hat und unter Verstoß gegen Art. 13 Abs. 2 EUV die ihm in den Verträgen zugewiesenen Befugnisse überschritten hat. Ich bin daher der Auffassung, dass der angefochtene Beschluss für nichtig zu erklären ist.
C – Zur Aufrechterhaltung der Wirkungen des für nichtig erklärten Beschlusses
94. Entsprechend dem Wunsch der Parteien und zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen der Union und den Drittstaaten, die Parteien der Abkommen sind, deren Unterzeichnung und vorläufige Anwendung bereits durch den angefochtenen Beschluss beschlossen worden sind, sollte der Gerichtshof dem Antrag der Parteien stattgeben und von der ihm nach Art. 264 Abs. 2 AEUV offenstehenden Möglichkeit Gebrauch machen, die Wirkungen des angefochtenen Beschlusses bis zum Erlass eines neuen Beschlusses aufrechtzuerhalten.
IV – Zu den Kosten
95. Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat mit seinem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission seine Verurteilung beantragt hat, sind ihm die Kosten aufzuerlegen. Gemäß Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, nach dem die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten tragen, tragen die Parteien, die dem vorliegenden Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.
V – Ergebnis
96. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:
1. Der Beschluss 2011/708/EU des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 16. Juni 2011 über die Unterzeichnung – im Namen der Union – und vorläufige Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei und über die Unterzeichnung – im Namen der Union – und vorläufige Anwendung des Zusatzabkommens zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als erster Partei, Island als zweiter Partei und dem Königreich Norwegen als dritter Partei betreffend die Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei wird für nichtig erklärt.
2. Die Wirkungen des Beschlusses 2011/708 werden bis zum Erlass eines neuen Beschlusses aufrechterhalten.
3. Der Rat der Europäischen Union trägt die Kosten.
4. Die Tschechische Republik, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, die Italienische Republik, das Königreich der Niederlande, die Republik Polen, die Portugiesische Republik, die Republik Finnland, das Königreich Schweden und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sowie das Europäische Parlament tragen ihre eigenen Kosten.
(1) .
(2) – Beschluss des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 16. Juni 2011 über die Unterzeichnung – im Namen der Union – und vorläufige Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei und über die Unterzeichnung – im Namen der Union – und vorläufige Anwendung des Zusatzabkommens zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als erster Partei, Island als zweiter Partei und dem Königreich Norwegen als dritter Partei betreffend die Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei (ABl. L 283, S. 1).
(3) – ABl. 2007, L 134, S. 4.
(4) – Protokoll zur Änderung des am 25. und 30. April 2007 unterzeichneten Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten (ABl. 2010, L 223, S. 3).
(5) – Nach dieser Bestimmung können „[d]as Europäische Parlament und der Rat … gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren geeignete Vorschriften für die Seeschifffahrt und die Luftfahrt erlassen“.
(6) – Nach dieser Bestimmung erlässt „[d]er Rat … auf Vorschlag des Verhandlungsführers einen Beschluss, mit dem die Unterzeichnung der Übereinkunft und gegebenenfalls deren vorläufige Anwendung vor dem Inkrafttreten genehmigt werden“.
(7) – Nach Art. 218 Abs. 8 Unterabs. 1 AEUV beschließt „[d]er Rat … während des gesamten Verfahrens mit qualifizierter Mehrheit“.
(8) – Urteil Kommission/Rat (C‑114/12, EU:C:2014:2151, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
(9) – Ebd. (Rn. 40 und 41).
(10) – Vgl. in diesem Sinne Kommission/Rat (45/86, EU:C:1987:163, Rn. 3). Insbesondere findet die Begünstigung der Unionsorgane ihre Grundlage in deren Rolle als Hüter des Unionsrechts, die dazu führt, dass sie nicht Träger von Interessen sind, die sich von denen der Union selbst unterscheiden.
(11) – Nach Art. 13 Abs. 2 EUV handelt „[j]edes Organ … nach Maßgabe der ihm in den Verträgen zugewiesenen Befugnisse nach den Verfahren, Bedingungen und Zielen, die in den Verträgen festgelegt sind. Die Organe arbeiten loyal zusammen.“
(12) – In ihren Schriftsätzen hat die Kommission dargelegt, dass sie, weil die beiden in Rede stehenden Abkommen lediglich den Beitritt der Republik Island und des Königreichs Norwegen zu dem bereits als gemischtes Abkommen abgeschlossenen Luftverkehrsabkommen EU–Vereinigte Staaten beträfen, die Mischnatur dieser Abkommen nicht bestreiten wolle, um keine rechtliche und politische Unsicherheit in den Beziehungen der Union mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu schaffen.
(13) – Vorher waren in unterschiedlichen Vertragsbestimmungen unterschiedliche Verfahrensregelungen über die Aushandlung und den Abschluss von internationalen Übereinkünften vorgesehen, je nachdem, ob diese im Rahmen des ersten Pfeilers (Art. 300 EG) oder des zweiten oder dritten Pfeilers (Art. 24 EU bzw. 38 EU) geschlossen wurden.
(14) – Wie zum Beispiel Art. 207 AEUV oder Art. 219 AEUV.
(15) – Vgl. entsprechend Urteil Kommission/Rat (C‑27/04, EU:C:2004:436, Rn. 81). Der Rat bestreitet in seinen Schriftsätzen die Anwendbarkeit dieses Urteils in der vorliegenden Rechtssache, da es eine unterschiedliche Situation – nämlich einen Fall, in dem der Rat einen vorgesehenen Rechtsakt nicht erlassen habe – und einen anderen Bereich als den der internationalen Beziehungen der Union betroffen habe. Insoweit meine ich jedoch, dass die grundsätzlichen Feststellungen des Gerichtshofs in diesem Urteil allgemeine Tragweite haben für Fälle wie den des Art. 218 AEUV, in denen die Verträge für das in bestimmten Bereichen anzuwendende Verfahren eine genaue Regelung vorsehen.
(16) – Es handelt sich zum einen um die Übereinkunft über den Beitritt der Union zu der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die in Art. 218 Abs. 8 Unterabs. 2 AEUV erwähnt ist, und zum anderen um die Möglichkeit nach Abs. 11 dieses Artikels, ein vorheriges Gutachten des Gerichtshofs einzuholen.
(17) – Vgl. hiermit übereinstimmend Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kommission/Rat (C‑114/12, EU:C:2014:224, Nr. 174).
(18) – Vgl. hiermit übereinstimmend ebd. (Nr. 171).
(19) – Urteil Kommission/Rat (C‑370/07, EU:C:2009:590, Rn. 39, 48 und 49).
(20) – Vgl. Urteile Vereinigtes Königreich/Rat (68/86, EU:C:1988:85, Rn. 38) und Parlament/Rat (C‑133/06, EU:C:2008:257, Rn. 54).
(21) – Vgl. Urteil Parlament/Rat (EU:C:2008:257, Rn. 55 und 56).
(22) – Ebd. (Rn. 57) und Urteil Parlament/Rat (C‑70/88, EU:C:1990:217, Rn. 22). Vgl. auch Art. 13 Abs. 2 EUV.
(23) – Urteile Parlament/Rat (C‑164/97 und C‑165/97, EU:C:1999:99, Rn. 14), Kommission/Rat (C‑338/01, EU:C:2004:253, Rn. 57) und Parlament/Rat (C‑130/10, EU:C:2012:472, Rn. 45 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
(24) – Urteil Kommission/Rat („Titandioxid“, C‑300/89, EU:C:1991:244, vgl. insbesondere Rn. 17 bis 21).
(25) – Vgl. insbesondere Richtlinie 89/428/EWG des Rates vom 21. Juni 1989 über die Modalitäten zur Vereinheitlichung der Programme zur Verringerung und späteren Unterbindung der Verschmutzung durch Abfälle der Titandioxid-Industrie (ABl. L 201, S. 56).
(26) – Dieser Artikel schrieb für Aktionen auf dem Gebiet des Umweltschutzes einstimmige Beschlussfassung innerhalb des Rates nach einfacher Anhörung des Parlaments vor.
(27) – Dieser Artikel sah, im Wesentlichen entsprechend dem derzeitigen Art. 114 AEUV, die Anwendung des Verfahrens der Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament vor, in dessen Rahmen Ratsentscheidungen mit qualifizierter Mehrheit ergingen.
(28) – Vgl. Rn. 16 bis 20 des genannten Urteils. In dessen Rn. 21 stellte der Gerichtshof außerdem fest, dass die Rechte des Parlaments verletzt worden seien. Wie sich jedoch aus den in der folgenden Fußnote angeführten Urteilen ergibt, stellt die Verletzung der Rechte des Parlaments nach der Rechtsprechung keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung der Unvereinbarkeit der Rechtsgrundlagen dar, da die Unvereinbarkeit der Abstimmungsregeln hierfür ausreicht.
(29) – In anderen Rechtssachen hat der Gerichtshof die Unvereinbarkeit der beiden Rechtsgrundlagen festgestellt, da die eine für den Erlass eines Rechtsakts Einstimmigkeit verlange, während nach der anderen eine qualifizierte Mehrheit ausreiche. Vgl. Urteile Kommission/Rat (EU:C:2004:253, Rn. 58) und Parlament/Rat (EU:C:2012:472, Rn. 47 und 48).
(30) – Vgl. u. a. für das Parlament Art. 232 AEUV, für den Europäischen Rat Art. 235 Abs. 3 AEUV, für den Rat Art. 240 Abs. 3 AEUV, für die Kommission Art. 249 Abs. 1 AEUV.
(31) – Der Gerichtshof hat den Grundsatz der Autonomie der Organe für verschiedene Aspekte ihrer Tätigkeit anerkannt, so zum Beispiel in Bezug auf die Auswahl ihrer Beamten und Bediensteten, vgl. u. a. Urteil AB (C‑288/04, EU:C:2005:526, Rn. 26 und 30) oder im Rahmen des Ersatzes der von den Organen und Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schäden, vgl. Urteil Sayag (9/69, EU:C:1969:37, Rn. 5 und 6).
(32) – Vgl. hierzu Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed in der Rechtssache Betriebsrat der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich (C‑165/01, EU:C:2003:224, Nr. 98) und in der Rechtssache AB (C‑288/04, EU:C:2005:262, Nr. 23).
(33) – Vgl. Geschäftsordnung des Rates im Anhang des Beschlusses 2009/937/EU des Rates vom 1. Dezember 2009 zur Annahme seiner Geschäftsordnung (ABl. L 325, S. 36) in der geänderten Fassung.
(34) – Vgl. in diesem Sinne Urteil Luxemburg/Parlament (230/81, EU:C:1983:32 Rn. 38).
(35) – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed in der Rechtssache Betriebsrat der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich (EU:C:2003:224, Nr. 98) und in der Rechtssache AB (EU:C:2005:262, Nr. 23).
(36) – Vgl. hierzu Urteil Parlament/Rat (C‑65/93, EU:C:1995:91, Rn. 23, 27 und 28).
(37) – Vgl. u. a. Gutachten 2/91 (EU:C:1993:106, Rn. 36) und 1/94 (EU:C:1994:384, Rn. 108) sowie Urteil Kommission/Schweden (C‑246/07, EU:C:2010:203, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).
(38) – Urteile Kommission/Luxemburg (C‑266/03, EU:C:2005:341, Rn. 60), Kommission/Deutschland (C‑433/03, EU:C:2005:462, Rn. 66) und Kommission/Schweden (EU:C:2010:203, Rn. 75).
(39) – Vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Schweden (EU:C:2010:203, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).
(40) – Vgl. hierzu Urteile Kommission/Irland (C‑459/03, EU:C:2006:345, Rn. 173 und 174) und Kommission/Schweden (EU:C:2010:203, Rn. 69 bis 71 und 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).
(41) – Vgl. hierzu Gutachten 2/91 (EU:C:1993:106, Rn. 38) und Urteil Kommission/Rat (C‑25/94, EU:C:1996:114, Rn. 48).
(42) – Vgl. in diesem Sinne Beschluss 1/78 (Slg. 1978, 2151, Rn. 33) in Bezug auf Art. 192 EAG-Vertrag, dessen Wortlaut im Wesentlichen Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 3 EUV entspricht.
(43) – Urteil Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).
(44) – Das am 23. Mai 1969 in Wien unterzeichnete Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge ( United Nations Treaty Series , Bd. 1155, S. 331) und das am 21. März 1986 in Wien unterzeichnete Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen (A/CONF.129/15).
(45) – Aus dem jeweiligen Art. 27 der beiden Wiener Übereinkommen von 1969 und 1986 ergibt sich nämlich, dass eine Vertragspartei sich nicht auf ihr innerstaatliches Recht – bzw. im Fall einer internationalen Organisation die Vorschriften der Organisation – berufen kann, um die Nichterfüllung des Vertrags zu rechtfertigen. Diese Vorschrift lässt jedoch den jeweiligen Art. 46 der beiden Übereinkommen unberührt (vgl. folgende Fußnote).
(46) – Nach dem jeweiligen Art. 46 der beiden Wiener Übereinkommen von 1969 und 1986 ist ein Verstoß gegen innerstaatliche Vorschriften über die Zuständigkeit zum Abschluss eines Vertrags nur dann relevant, wenn die Verletzung offenkundig war oder eine innerstaatliche Rechtsvorschrift von grundlegender Bedeutung betraf. Vgl. auch den jeweiligen Art. 5 der beiden Übereinkommen.
(47) – Vgl. den jeweiligen Art. 26 der beiden Wiener Übereinkommen von 1969 und 1986.
(48) – Genauso hat der Gerichtshof einen hybriden Beschluss des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedstaaten ausgelegt, als er im Urteil Kommission/Rat (EU:C:2014:2151, Rn. 41) die Zulässigkeit der Klage prüfte.
(49) – Der Rat und mehrere der beteiligten Regierungen bestreiten, dass das Titandioxid-Urteil (EU:C:1991:244) im vorliegenden Fall herangezogen werden kann. Meines Erachtens unterscheiden sich die Rechtssache Titandioxid und die vorliegende Rechtssache zwar insofern, als es bei jener um die Anwendung von zwei Rechtsgrundlagen des Unionsrechts ging, während hier für die intergouvernementale Komponente des hybriden Beschlusses keine Rechtsgrundlage des Unionsrechts erforderlich ist. Jedoch steht für mich außer Zweifel, dass die im Titandioxid-Urteil ausgesprochenen Grundsätze der Rechtsprechung (siehe oben, Nr. 53) entsprechend anwendbar sind, und dies sogar erst recht, wenn es wie im vorliegenden Fall nicht um zwei unionsinterne Verfahren geht, sondern um ein Verfahren der Union und ein Verfahren ohne unionsrechtlichen Bezug.
(50) – Der vom Rat angeführte Umstand, dass der Erlass von hybriden Beschlüssen insbesondere im Bereich des Luftverkehrs auch nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon noch feste Praxis sei, kann die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses weder begründen noch Einfluss auf sie haben, da nach ständiger Rechtsprechung eine bloße Praxis die Vorschriften des Vertrags nicht abändern kann (vgl. Gutachten 1/08, EU:C:2009:739, Rn. 172, und Urteil Kommission/Rat, EU:C:2009:590, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).
(51) – Dass, wie in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben wurde, der Erlass hybrider Rechtsakte eine Praxis sei, die quasi Ausnahmecharakter habe und auf die u. a. im Bereich der Luftfahrt zurückgegriffen werde, wenn zwischen den handelnden Rechtssubjekten (Mitgliedstaaten und Organe) offensichtlich keine Uneinigkeit bestehe, stellt keine Rechtfertigung einer rechtswidrigen Praxis dar. Zudem hat sich in der Erörterung in der mündlichen Verhandlung herausgestellt, dass diese Praxis nicht unbedingt auf diese Fälle beschränkt wäre.
(52) – Vgl. zur Autonomie der Unionsrechtsordnung Urteil Costa/E.N.E.L. (6/64, EU:C:1964:66, S. 1158) und Gutachten 2/13 (EU:C:2014:2454, Rn. 174, 183 und 201 und die dort angeführte Rechtsprechung).
(53) – Der Rat hat hierzu, unterstützt von mehreren Mitgliedstaaten, vorgetragen, die Verbindung unterschiedlicher Abstimmungsregeln sei im Rat gang und gäbe und der Gerichtshof habe die Verbindung unterschiedlicher Abstimmungsregeln im Rat gebilligt. Der Rat verweist auf die Urteile Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 211 bis 214) und Parlament/Rat (C‑166/07, EU:C:2009:499, Rn. 69). Durch diese Rechtsprechung, die ausschließlich den dem jetzigen Art. 352 AEUV entsprechenden Artikel des Vertrags betrifft, wird jedoch dem in Nr. 53 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Grundsatz des Ausschlusses der Häufung von Rechtsgrundlagen, wenn die darin vorgesehenen Verfahren miteinander unvereinbar sind, nichts von seiner Wirksamkeit genommen. Im vorliegenden Fall ist von einer Vereinbarkeit zweier unterschiedlicher Rechtsgrundlagen im Rahmen der Verfahren der Union nicht einmal die Rede, vielmehr geht es um die Verschmelzung eines Unionsrechtsakts und eines Rechtsakts, der gänzlich außerhalb der Unionsverfahren nach einer unterschiedlichen Abstimmungsregel erlassen wird. Der genannte Grundsatz der Rechtsprechung gilt daher meines Erachtens in der vorliegenden Rechtssache erst recht.
(54) – Vgl. hiermit übereinstimmend Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kommission/Rat (EU:C:2014:224, Nr. 189).
(55) – Vgl. hiermit übereinstimmend ebd. (Nr. 195).
(56) – In diesem Zusammenhang überzeugt mich die von der Kommission befürwortete Möglichkeit nicht, eine Pflicht zur Zusammenarbeit der Unionsorgane gegenüber der Union als solcher vorzusehen. Die Unionsorgane sind nämlich Teil der Union und stellen daher die Union selbst dar. Eine solche Pflicht zur Zusammenarbeit einzuführen, käme der Behauptung einer Pflicht zur Zusammenarbeit mit sich selbst gleich. Vielmehr lässt sich meines Erachtens das Verhalten, in dem die Kommission eine Verletzung der Pflicht des Rates zur Zusammenarbeit gegenüber der Union sieht, besser als Verstoß gegen den Grundsatz der Zusammenarbeit zwischen den Organen oder/und Verletzung der Pflicht zum Handeln im Interesse der Union nach den von dieser festgelegten Zielen im Sinne von Art. 13 Abs. 2 EUV einstufen.
(57) – Für die Entscheidung in der vorliegenden Rechtssache halte ich es nicht für notwendig, auf die von der Kommission aufgeworfene, hochsensible Frage einzugehen, die die Möglichkeit betrifft, im vorliegenden Fall die vorläufige Anwendung der in Rede stehenden Abkommen trotz ihrer gemischten Natur durch einen Beschluss allein des Rates sicherzustellen. Diese Frage hat nämlich meines Erachtens keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses. Sie lässt jedoch mehrere Rechtsfragen offen, die während des Verfahrens deutlich geworden sind. Der Rat hat in seinen Schriftsätzen dargelegt, dass er zu keinem Zeitpunkt den politischen Willen gehabt habe, einen Beschluss zu erlassen, durch den die Union zur vollen Ausübung ihrer potenziellen Zuständigkeit ermächtigt worden wäre, auch nicht in Bezug auf die vorläufige Anwendung der Abkommen. Eine solche Entscheidung politischer Natur schafft jedoch unweigerlich ein bestimmtes Maß an rechtlicher Unsicherheit hinsichtlich der Möglichkeit der vorläufigen Anwendung von internationalen Übereinkünften in den Mitgliedstaaten, in denen die vorläufige Anwendung von internationalen Übereinkünften verfassungsrechtlich nicht zulässig ist oder von der Anwendung innerstaatlicher Vorschriften abhängt. Trotz der Sensibilität dieser Frage, die die Rechte der nationalen Parlamente berühren könnte, frage ich mich jedoch, ob der Lösungsvorschlag der Kommission – der darin besteht, die vorläufige Anwendung der Übereinkünfte durch die Union soweit sicherzustellen, wie dies in ihrer Zuständigkeit liegt – nicht rechtlich vorzuziehen wäre. Denn die vorläufige Anwendung dieser Übereinkünfte „auf dem Verwaltungsweg“, auf die der Rat und mehrere Mitgliedstaaten verwiesen haben, die in den Mitgliedstaaten erfolgen würde, in denen die vorläufige Anwendung von internationalen Übereinkünften problematisch ist, scheint jedenfalls zu Problemen der Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Erfordernissen dieser Mitgliedstaaten zu führen.
(58) – Vgl. Gutachten 1/94 (EU:C:1994:384, Rn. 109).
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
PAOLO MENGOZZI
vom 29. Januar 2015 ( 1 )
Rechtssache C‑28/12
Europäische Kommission
gegen
Rat der Europäischen Union
„Nichtigkeitsklage — Art. 218 AEUV — Beschluss über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung internationaler Übereinkünfte — Gemischter Beschluss des Rates und der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten — Alternatives Verfahren — Abstimmungsregeln — Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit — Grundsatz der organisatorischen Autonomie der Organe — Einheitliche Vertretung der Union“
1. |
Können der Rat der Europäischen Union und die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gemeinsam (sogenannte „gemischte“ oder „hybride“) Beschlüsse erlassen, um die Maßnahmen zu treffen, die in den verschiedenen Phasen des Verfahrens der Aushandlung und des Abschlusses internationaler Übereinkünfte, wie es in Art. 218 AEUV geregelt ist, erforderlich sind? Ist es nach dem Unionsrecht zulässig, einen Rechtsakt der Union, wie zum Beispiel einen Beschluss des Rates, dessen Erlass im Bereich der internationalen Übereinkünfte eine qualifizierte Mehrheit erfordert, und einen intergouvernementalen Rechtsakt, der definitionsgemäß von allen betroffenen Staaten erlassen wird, miteinander zu einem einzigen Rechtsakt zu verschmelzen, insbesondere im Fall der Aushandlung und des Abschlusses gemischter Übereinkünfte? Welche Rolle spielen in diesem Kontext das Erfordernis der einheitlichen Vertretung der Union auf internationaler Ebene, die damit zusammenhängende Pflicht zu enger Zusammenarbeit zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten, das Erfordernis der Rechtssicherheit im Völkerrecht für die Vertragsparteien von gemischten Übereinkünften, die mit der Union und ihren Mitgliedstaaten geschlossen werden, sowie der Grundsatz der Autonomie der Unionsorgane? |
2. |
Dies sind im Kern die Fragen, mit denen der Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache konfrontiert ist, in der die Europäische Kommission die Nichtigerklärung des Beschlusses 2011/708/EU des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 16. Juni 2011 ( 2 ) (im Folgenden: angefochtener Beschluss) über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung von zwei internationalen Abkommen im Bereich des Luftverkehrs beantragt. |
3. |
Diese Rechtssache mag zwar auf den ersten Blick den Anschein haben, als würden hauptsächlich verfahrensrechtliche Probleme aufgeworfen, doch geht ihre Bedeutung in Wirklichkeit über bloße Fragen des Verfahrens hinaus. Sie berührt nämlich sensible Fragen betreffend die Ausübung der Außenkompetenzen der Union. Der Gerichtshof wird daher bei der zu findenden Lösung die verschiedenen Erfordernisse, die in der vorliegenden Rechtssache eine Rolle spielen, abzuwägen und gleichzeitig zu berücksichtigen haben, wie sowohl der Entscheidungsprozess als auch das auswärtige Handeln der Union in der Praxis tatsächlich funktionieren. |
I – Vorgeschichte des Rechtsstreits
4. |
Am 25. und 30. April 2007 unterzeichneten die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten einerseits und die Vereinigten Staaten von Amerika andererseits ein Luftverkehrsabkommen ( 3 ), das später durch ein am 24. Juni 2010 in Luxemburg unterzeichnetes Protokoll ( 4 ) geändert wurde (im Folgenden: Luftverkehrsabkommen EU–Vereinigte Staaten). Dieses Abkommen sollte u. a. dazu dienen, mehr Möglichkeiten für den internationalen Luftverkehr zu schaffen, den Zugang zu den Märkten zu öffnen und größtmöglichen Nutzen für Verbraucher, Luftfahrtunternehmen, Arbeitskräfte und Gemeinschaften beiderseits des Atlantiks zu erzielen. |
5. |
Im Hinblick auf die im Luftverkehrsabkommen EU–Vereinigte Staaten vorgesehene Möglichkeit des Beitritts von Drittstaaten stellten die Republik Island und das Königreich Norwegen 2007 einen Beitrittsantrag. Zum Zweck des Beitritts dieser beiden Staaten wurden zwei internationale Abkommen ausgehandelt. Zum einen handelten die Union und ihre Mitgliedstaaten, die Vereinigten Staaten von Amerika, die Republik Island und das Königreich Norwegen ein Beitrittsabkommen aus, durch das der Anwendungsbereich des Luftverkehrsabkommens EU–Vereinigte Staaten mit den nötigen Änderungen auf jede Vertragspartei ausgedehnt werden sollte (ABl. 2011, L 283, S. 3; im Folgenden: Beitrittsabkommen). Zum anderen wurde das Zusatzabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als erster Partei, Island als zweiter Partei, und dem Königreich Norwegen als dritter Partei, betreffend die Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei (ABl. 2011, L 283, S. 16; im Folgenden: Zusatzabkommen) ausgehandelt. Dieses Abkommen soll die Aufrechterhaltung des bilateralen Charakters des Luftverkehrsabkommens EU–Vereinigte Staaten sicherstellen. |
6. |
Am 2. Mai 2011 nahm die Kommission den Vorschlag an für einen Beschluss des Rates (KOM[2011] 239 endgültig) über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei und über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung des Zusatzabkommens zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als erster Partei, Island als zweiter Partei und dem Königreich Norwegen als dritter Partei betreffend die Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei. Dieser Vorschlag sah einen Beschluss allein des Rates vor und war auf Art. 100 Abs. 2 AEUV ( 5 ) in Verbindung mit Art. 218 Abs. 5 AEUV ( 6 ) gestützt. |
7. |
Abweichend von diesem Vorschlag erließ der Rat den angefochtenen Beschluss in Form eines hybriden Beschlusses, d. h. eines Beschlusses sowohl des Rates als auch der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten. Der angefochtene Beschluss wurde auf Art. 100 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 218 Abs. 5 und 8 AEUV gestützt ( 7 ). |
8. |
Nach Art. 1 des angefochtenen Beschlusses wird „[d]ie Unterzeichnung des [Beitrittsabkommens] und des Zusatzabkommens … – vorbehaltlich des Abschlusses – im Namen der Union genehmigt“. |
9. |
Nach Art. 2 des angefochtenen Beschlusses wird „[d]er Präsident des Rates … ermächtigt, die Person(en) zu bestellen, die befugt ist (sind), das Beitrittsabkommen und das Zusatzabkommen im Namen der Union zu unterzeichnen“. |
10. |
Art. 3 des angefochtenen Beschlusses bestimmt, dass „[d]as Beitrittsabkommen und das Zusatzabkommen … von der Union und, soweit das innerstaatliche Recht es zulässt, von ihren Mitgliedstaaten und den anderen beteiligten Parteien ab dem Tag ihrer Unterzeichnung [bis zur Beendigung der Verfahren zu ihrem Abschluss] vorläufig angewendet [werden]“. |
11. |
Das Beitrittsabkommen und das Zusatzabkommen wurden am 16. und 21. Juni 2011 in Luxemburg und Oslo unterzeichnet. |
II – Anträge der Parteien und Verfahren vor dem Gerichtshof
12. |
Die Kommission beantragt, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, seine Wirkungen jedoch aufrechtzuerhalten, und dem Rat die Kosten aufzuerlegen. |
13. |
Der Rat beantragt, die Klage als unzulässig oder unbegründet abzuweisen, hilfsweise, für den Fall und soweit der Gerichtshof den angefochtenen Beschluss für nichtig erklären sollte, seine Wirkungen aufrechtzuerhalten, und der Kommission die Kosten aufzuerlegen. |
14. |
Mit Beschluss vom 18. Juni 2012 hat der Präsident des Gerichtshofs das Europäische Parlament als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission und die Tschechische Republik, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, die Italienische Republik, das Königreich der Niederlande, die Republik Polen, die Portugiesische Republik, die Republik Finnland, das Königreich Schweden und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen. |
15. |
Die mündliche Verhandlung hat am 11. November 2014 stattgefunden. |
III – Analyse
16. |
Mit ihrer Klage greift die Kommission den angefochtenen Beschluss insgesamt an und stützt sich hierzu auf drei Klagegründe. Als ersten Klagegrund macht sie einen Verstoß gegen das Verfahren und die Bedingungen für die Ermächtigung zur Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung von internationalen Übereinkünften durch die Union geltend. Mit dem zweiten Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen die Abstimmungsregeln im Rat und mit dem dritten Klagegrund einen Verstoß gegen die in den Verträgen festgelegten Ziele und gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit. Vor einer Erörterung dieser drei Klagegründe ist jedoch die vom Rat erhobene Einrede der Unzulässigkeit zu prüfen. |
A – Zur Zulässigkeit
17. |
Der Rat trägt drei Gründe für die Unzulässigkeit der Klage der Kommission vor. Erstens sei die Klage unzulässig, weil sie gegen die Mitgliedstaaten und nicht gegen den Rat hätte gerichtet werden müssen. Die Kommission beanstande nämlich die Beteiligung der Mitgliedstaaten an dem angefochtenen Beschluss, und nicht ein Fehlverhalten, das dem Rat vorzuwerfen wäre. Zweitens sei die Klage unzulässig, weil sie eine Entscheidung der Mitgliedstaaten betreffe, die nicht in den Anwendungsbereich von Art. 263 AEUV falle und daher nicht der Kontrolle durch den Gerichtshof unterliege. Drittens habe die Kommission kein Klageinteresse, weil die beantragte Nichtigerklärung keine Rechtswirkungen habe. |
18. |
Zum ersten und zum zweiten Unzulässigkeitsgrund des Rates ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Nichtigkeitsklage gegen alle von den Organen erlassenen Bestimmungen – unabhängig von ihrer Rechtsnatur oder ihrer Form – gegeben sein muss, die Rechtswirkungen entfalten sollen ( 8 ). |
19. |
Im vorliegenden Fall ist die Klage der Kommission gegen eine Handlung gerichtet, die vom Rat und von den Vertretern der Mitgliedstaaten gemeinsam auf der Grundlage u. a. von Art. 218 Abs. 5 und 8 AEUV erlassen wurde. Wie aus den Nrn. 8 bis 10 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht, ermächtigt diese Handlung sowohl zur Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung der in Rede stehenden internationalen Abkommen seitens der Union als auch zu deren vorläufiger Anwendung durch die Mitgliedstaaten, soweit das innerstaatliche Recht dies zulässt. |
20. |
Daraus folgt zum einen, dass der Rat am Erlass des angefochtenen Beschlusses beteiligt war und es sich folglich um eine von diesem Organ erlassene Bestimmung handelt, und zum anderen, dass der angefochtene Beschluss eine Handlung darstellt, die Rechtswirkungen entfaltet und als solche der gerichtlichen Kontrolle unterliegt ( 9 ). Der erste und der zweite Unzulässigkeitsgrund des Rates sind daher zurückzuweisen. |
21. |
Zum dritten Unzulässigkeitsgrund des Rates genügt der Hinweis, dass Art. 263 Abs. 2 AEUV nach ständiger Rechtsprechung den dort genannten Organen und den Mitgliedstaaten die Befugnis einräumt, die Rechtmäßigkeit jeder Handlung des Rates, die Rechtswirkungen entfaltet, mit einer Nichtigkeitsklage anzufechten, ohne dass die Ausübung dieses Rechts davon abhängt, dass ein Rechtsschutzinteresse dargetan wird ( 10 ). Die Kommission braucht daher für die Erhebung der vorliegenden Klage kein Rechtsschutzinteresse nachzuweisen. Da somit auch der dritte Unzulässigkeitsgrund des Rates zurückzuweisen ist, ist meines Erachtens die Klage hinsichtlich des insgesamt angefochtenen Beschlusses zulässig. |
B – Zur Begründetheit
1. Vorbringen der Parteien
a) Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen das Verfahren und die Bedingungen für die Ermächtigung zur Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung von internationalen Übereinkünften durch die Union
22. |
Die Kommission macht, unterstützt durch das Parlament, geltend, der Rat habe durch den Erlass des angefochtenen Beschlusses gegen Art. 13 Abs. 2 Satz 1 EUV ( 11 ) in Verbindung mit Art. 218 Abs. 2 und 5 AEUV verstoßen. Nach dieser letztgenannten Bestimmung sei der Rat als einziges Organ dazu befugt, die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung einer internationalen Übereinkunft durch die Union zu genehmigen. Der angefochtene Beschluss hätte somit allein vom Rat unter Ausschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedstaaten erlassen werden müssen. |
23. |
Durch die Einbeziehung der gemeinsam handelnden Mitgliedstaaten in den Entscheidungsprozess sei der Rat einseitig von dem in Art. 218 AEUV vorgesehenen Verfahren abgewichen, obwohl er sich nach der Rechtsprechung nicht von den Vorschriften der Verträge lösen und für den Erlass von Unionsrechtsakten auf ein alternatives Verfahren zurückgreifen dürfe. Unter diesen Umständen habe der Rat auch gegen seine Verpflichtung nach Art. 13 Abs. 2 Satz 1 EUV verstoßen, seine Befugnisse nach Maßgabe der in den Verträgen festgelegten Verfahren und Bedingungen auszuüben. |
24. |
Insbesondere seien seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon die Verfahren der Union klar von den Bereichen zu trennen, in denen die Mitgliedstaaten ihre Befugnisse weiter ausüben könnten. So sei es nicht zulässig, einen Rechtsakt der Regierungen und einen Unionsrechtsakt miteinander zu verschmelzen. Die frühere Praxis des Erlasses hybrider Rechtsakte, insbesondere im Luftverkehrsbereich, verfälsche nunmehr die Verfahren der Union und sei nicht mehr zulässig. |
25. |
Die gemischte Natur eines von der Union und jedem einzelnen Mitgliedstaat geschlossenen internationalen Abkommens bedeute nicht notwendigerweise, dass der nach Art. 218 AEUV erlassene Beschluss des Rates über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung durch Vereinigung mit einem Beschluss der Regierungen der Mitgliedstaaten geändert werden könne. Eine solche Einbeziehung in den Entscheidungsprozess des Rates sei weder für die Unterzeichnung der Übereinkunft noch für ihre vorläufige Anwendung erforderlich. |
26. |
Der Rat, der von allen am Verfahren beteiligten Regierungen unterstützt wird, vertritt dagegen die Auffassung, der Erlass des angefochtenen Beschlusses als hybrider Beschluss verstoße gegen keine Bestimmung der Verträge. |
27. |
Er macht zunächst geltend, dass er weder von den Bestimmungen des Art. 218 Abs. 2 und 5 AEUV abgewichen sei, noch ein alternatives Verfahren angewandt habe. Die im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedstaaten hätten nämlich zwei unterschiedliche Entscheidungen erlassen, die in dem angefochtenen Beschluss enthalten seien: Zum einen hätten sie gemäß Art. 218 AEUV in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Rates die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung der in Rede stehenden Abkommen durch die Union genehmigt; zum anderen hätten sie als Vertreter der Mitgliedstaaten die vorläufige Anwendung dieser Abkommen durch die Mitgliedstaaten, soweit das innerstaatliche Recht es zulasse, genehmigt. Dieser letztere Teil des angefochtenen Beschlusses sei auf der Grundlage von Verfahren erlassen worden, die in den Verträgen nicht vorgesehen seien. Die Mitgliedstaaten seien daher nicht an dem Verfahren nach Art. 218 Abs. 2 und 5 AEUV beteiligt gewesen. |
28. |
Sodann entspreche, da es sich bei den in Rede stehenden Abkommen um gemischte Abkommen handele, der Erlass eines hybriden Beschlusses mit den Mitgliedstaaten als Miturhebern ganz und gar der gemischten Natur der zugrunde liegenden Abkommen sowie dem Umstand, dass die Mitgliedstaaten in gewisser Hinsicht ihre eigenen Befugnisse ausübten. Sein Erlass sei eine zulässige Folge des Abschlusses von gemischten Abkommen und stehe in rechtlicher Symmetrie mit ihnen. |
29. |
Die Entscheidung, den Rechtsakt als hybriden Beschluss zu erlassen, sei in Wirklichkeit Ausdruck der Pflicht zur engen Zusammenarbeit zwischen der Union und den Mitgliedstaaten sowie des Erfordernisses einer einheitlichen Vertretung der Union, wie es die Rechtsprechung verlange. Solche Beschlüsse seien das beste Mittel, um diese Einheit in der internationalen Vertretung sicherzustellen und ein gemeinsames und koordiniertes Vorgehen der Union und ihrer Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Dies treffe noch mehr zu, wenn, wie dies bei den in Rede stehenden Abkommen der Fall sei, die Teile des internationalen Abkommens, die in die Zuständigkeit der Union fielen, wesensnotwendig mit den Teilen, für die die Mitgliedstaaten zuständig seien, zusammenhingen und diese Teile daher untrennbar seien. Die Auffassung der Kommission, dass die Beschlüsse der Union und die Beschlüsse der Regierungen in getrennten Rechtsakten enthalten sein müssten, gefährdete die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Union und beeinträchtigte die Wirksamkeit des institutionellen Rahmens für den Abschluss internationaler Verträge. |
30. |
Zudem könnten der Rat und die Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz der Autonomie der Organe frei über die konkrete Ausgestaltung ihrer Arbeitsweise bestimmen. Die Mitteilung dieser Genehmigung in einem einheitlichen Beschluss tue dem ordnungsgemäßen Ablauf des durch Art. 218 Abs. 5 AEUV vorgeschriebenen Verfahrens keinen Abbruch. Jedenfalls führe der Erlass eines hybriden Beschlusses praktisch zu demselben Ergebnis wie der Erlass von zwei Beschlüssen – durch den Rat und durch die im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten – oder der Erlass nur eines Beschlusses des Rates. Schließlich habe das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit hybrider Beschlüsse und stehe deren Erlass nicht entgegen. Vielmehr sei der Erlass gemischter Beschlüsse insbesondere im Luftverkehrssektor auch nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon feste Praxis. |
b) Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Abstimmungsregeln im Rat
31. |
Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Kommission, unterstützt vom Parlament, geltend, der Rat habe mit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses gegen Art. 218 Abs. 8 Unterabs. 1 AEUV in Verbindung mit der Rechtsgrundlage für den Erlass von Maßnahmen im Bereich des Luftverkehrs, nämlich Art. 100 Abs. 2 AEUV, verstoßen. Während der Erlass eines Beschlusses des Rates nach diesen Bestimmungen eine qualifizierte Mehrheit erfordere, setze nämlich der Erlass eines von den Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten gemeinsam erlassenen intergouvernementalen Rechtsakts definitionsgemäß das Einvernehmen aller Mitgliedstaaten voraus. Würden diese Rechtsakte zu einem einzigen Beschluss verschmolzen und vom Einvernehmen abhängig gemacht, so mache dies die Anwendung der Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit im konkreten Fall unmöglich und setze die Einführung dieser Abstimmung durch den Vertrag von Lissabon als allgemeine Regel für das Verfahren der Aushandlung und des Abschlusses von internationalen Übereinkünften durch die Union faktisch außer Kraft. Damit würde das in Art. 218 Abs. 8 Unterabs. 1 AEUV vorgesehene Verfahren seines Sinnes beraubt und die Wirksamkeit der Verfahren der Union insgesamt in Frage gestellt. Zudem hätte eine Verschmelzung der beiden Rechtsakte zur Folge, dass die in dem hybriden Beschluss angeführte Rechtsgrundlage in Wirklichkeit nicht für das Abstimmungsverfahren im Rat gelte, das wegen seiner intergouvernementalen Komponente stillschweigend, aber zwangsläufig ersetzt worden sei. |
32. |
Das Parlament fügt hinzu, die Verschmelzung der beiden Arten von Rechtsakten bedeute auch eine Verletzung des institutionellen Gleichgewichts in dem Verfahren für den Abschluss internationaler Übereinkünfte durch die Union und damit einen Verstoß gegen Art. 218 Abs. 6 und 10 AEUV. |
33. |
Der Rat trägt, unterstützt von den beteiligten Regierungen, vor, er habe die in den Verträgen vorgesehenen Abstimmungsregeln beachtet. Der angefochtene Beschluss sei nämlich im Rat mit qualifizierter Mehrheit verabschiedet worden, als es um die ausschließlichen Zuständigkeiten der Union gegangen sei, und im Einvernehmen der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, als es um die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten gegangen sei. Es könne daher nicht behauptet werden, dass der Beschluss einvernehmlich erlassen oder der Grundsatz der qualifizierten Mehrheit geändert worden sei. Dass keine der Delegationen im Rat dem angefochtenen Beschluss widersprochen habe, bedeute nicht, dass nicht mit qualifizierter Mehrheit abgestimmt worden sei. Jedenfalls schließe jede einstimmige Beschlussfassung notwendigerweise eine qualifizierte Mehrheit ein. Im Übrigen würden durch das Erreichen eines Konsenses der Mitgliedstaaten weder das Unionshandeln noch die Verfahren dafür in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt. |
34. |
Der Rat und einige Regierungen machen ferner geltend, das Aufeinandertreffen von mehreren Abstimmungsregeln sei im Bereich der internationalen Übereinkünfte eine gängige Praxis, die im Einklang mit der Rechtsprechung stehe. Überdies, so die finnische Regierung, beruhe der Abstimmungsmodus, den der Rat angewandt habe, auf Art. 293 Abs. 1 AEUV, wonach der Rat, wenn er auf Vorschlag der Kommission tätig werde, diesen Vorschlag nur einstimmig abändern könne. Im vorliegenden Fall habe der Rat, da er den Vorschlag der Kommission in Art. 3 des angefochtenen Beschlusses abgeändert habe, ohnehin einstimmig abstimmen müssen. |
c) Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen die im Vertrag festgelegten Ziele und gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit
35. |
Die Kommission, unterstützt vom Parlament, wirft dem Rat vor, gegen die im Vertrag festgelegten Ziele und gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit von Art. 13 Abs. 2 EUV verstoßen zu haben. Zunächst habe der Rat dadurch, dass er den Mitgliedstaaten ermöglicht habe, sich an den Verfahren der Union zu beteiligen, die unabhängige Rechtspersönlichkeit der Union in den internationalen Beziehungen „verwischt“. Er habe auf der internationalen Ebene signalisiert, dass die Union keine eigenständige Entscheidungsbefugnis habe. Sodann habe der Rat durch dieses Verhalten gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verstoßen, da er seine Befugnisse so hätte ausüben müssen, dass die in Art. 218 AEUV vorgesehenen Verfahren nicht umgangen würden. Gegen diesen Grundsatz habe der Rat sowohl im interinstitutionellen Verhältnis als auch gegenüber der Union insgesamt verstoßen. Schließlich habe der Rat, indem er den Mitgliedstaaten in der Union eine Rolle zugebilligt habe, die durch die Verträge, insbesondere durch Art. 218 AEUV nicht vorgesehen sei, den institutionellen Rahmen der Union geschwächt und dabei in Kauf genommen, dass die Interessen der Mitgliedstaaten über die der Union gestellt werden könnten. |
36. |
Der Rat bestreitet, unterstützt von den beteiligten Regierungen, dass der angefochtene Beschluss bei Dritten oder der internationalen Gemeinschaft auch nur im Geringsten Verwirrung stifte. Im Kontext gemischter Übereinkünfte sei es für Dritte vielmehr verwirrend, wenn sie nur den Beschluss des Rates sähen, und keinen Beschluss, an dem die Mitgliedstaaten beteiligt seien. Der angefochtene Beschluss stehe im Übrigen nicht nur im Einklang mit dem Ziel einer einheitlichen internationalen Vertretung der Union, sondern gewährleiste, fördere und verstärke es durch die Hervorhebung der gemeinsamen Position der Union und ihrer Mitgliedstaaten. Der Erlass eines solchen Beschlusses sei Ausdruck der Verpflichtung der Union und der Mitgliedstaaten zu enger Zusammenarbeit und gemeinsamem Vorgehen. Im Gegenteil könnte der Erlass eines Beschluss allein des Rates ohne die Mitgliedstaaten von außen betrachtet das Bild einer uneinigen Union vermitteln, und ein intergouvernementales Parallelverfahren berge die Gefahr von Divergenzen zwischen den Mitgliedstaaten und von Verzögerungen. Dieses Verfahren sei somit hinsichtlich der mit dem Vertrag verfolgten Ziele weniger vorteilhaft. Jedenfalls stelle ein hybrider Beschluss einen unionsinternen Rechtsakt dar, der nicht dazu bestimmt sei, Drittstaaten zur Kenntnis zu gelangen, und selbst wenn dies geschehe, sei es unwahrscheinlich, dass auf die Bestimmung seiner Urheber geachtet werde. |
2. Erörterung
37. |
Die Kommission beantragt mit ihrer Klage, den angefochtenen Beschluss zum einen in Bezug auf die Unterzeichnung des Beitrittsabkommens und des Zusatzabkommens durch die Union und zum anderen in Bezug auf die vorläufige Anwendung dieser Abkommen durch die Union und ihre Mitgliedstaaten im Hinblick darauf für nichtig zu erklären, dass dieser Beschluss gemeinsam vom Rat und von den Vertretern der Mitgliedstaaten als hybrider Rechtsakt, der einen Rechtsakt der Union und einen Rechtsakt der Regierungen vereint, erlassen worden ist. |
38. |
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission ausdrücklich erklärt hat, dass sie mit ihrer Klage nicht die gemischte Natur der beiden in Rede stehenden internationalen Abkommen bestreiten wolle ( 12 ). Die Tragweite der vorliegenden Klage ist daher allein auf die Frage beschränkt, ob der Erlass des angefochtenen Beschlusses als hybrider Beschluss rechtmäßig war. |
39. |
Weiter weise ich, ebenfalls vorab, darauf hin, dass der angefochtene Beschluss, auch wenn er formal betrachtet einen einzigen Rechtsakt darstellt, materiell in Wirklichkeit zwei verschiedene Beschlüsse enthält, nämlich zum einen einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung der in Rede stehenden Abkommen durch die Union und zum anderen einen intergouvernementalen Rechtsakt der Vertreter der Mitgliedstaaten über die vorläufige Anwendung dieser Abkommen durch die Mitgliedstaaten. Die Frage der Rechtmäßigkeit des gemeinsamen Erlasses dieser beiden unterschiedlichen Rechtsakte und ihrer Verschmelzung in einem einzigen Rechtsakt bildet gerade den Gegenstand der von der Kommission erhobenen Beanstandung. |
40. |
Die drei von der Kommission in der Klageschrift geltend gemachten Klagegründe betreffen diese Frage zwar unter verschiedenen Blickwinkeln, überschneiden sich aber meines Erachtens in mehrfacher Hinsicht. Die Klage wirft nämlich im Wesentlichen zwei Arten von Problemen auf. Zum einen betrifft die vorliegende Rechtssache – unter einem Aspekt, der sich als intern definieren ließe – die Anwendung der Bestimmungen über die Verfahren und Abstimmungsregeln für den Erlass von Unionsrechtsakten, die sich auf die Aushandlung und den Abschluss von internationalen Übereinkünften im verfahrensrechtlichen Rahmen von Art. 218 AEUV beziehen. In diesem Kontext stellt sich auch die Frage nach dem Umfang der organisatorischen und funktionellen Autonomie der Unionsorgane. Zum anderen betrifft die vorliegende Rechtssache – unter einem externen Aspekt – auch Vorgaben für den konkreten Ablauf des auswärtigen Handelns der Union. Sie wirft nämlich Fragen auf, die u. a. das Erfordernis einer einheitlichen Vertretung der Union auf internationaler Ebene und die damit zusammenhängende Pflicht zu enger Zusammenarbeit zwischen der Union und den Mitgliedstaaten im Rahmen der Aushandlung und des Abschlusses gemischter Übereinkünfte betreffen. Außerdem betrifft die Rechtssache völkerrechtliche Verpflichtungen, die sich aus dem auswärtigen Handeln der Union gegenüber anderen Vertragsparteien ergeben. |
41. |
Die Lösung der rechtlichen Probleme der vorliegenden Rechtssache kann daher nicht nur auf die internen verfahrensrechtlichen Fragen beschränkt sein, sondern muss auch die Auswirkungen dieser Fragen auf das auswärtige Handeln der Union berücksichtigen. Dies macht somit eine Beurteilung notwendig, die eine Abwägung der verschiedenen Grundsätze und praktischen Erfordernisse, die in der vorliegenden Rechtssache eine Rolle spielen, umfasst. Unter diesen Umständen halte ich es für angebracht, die drei Klagegründe zusammen zu prüfen, und zwar beginnend mit einer allgemeinen Darstellung der in der vorliegenden Rechtssache aufgeworfenen Fragen; anschließend werde ich die von der Kommission in ihrer Klage vorgetragenen Rügen im Licht der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze prüfen. |
a) Zu dem in Art. 218 AEUV vorgesehenen verfahrensrechtlichen Rahmen für die Aushandlung und den Abschluss von internationalen Übereinkünften der Union
42. |
Hinsichtlich des internen Aspekts wirft die vorliegende Rechtssache zunächst eine Frage nach der Vereinbarkeit des Verfahrens, in dem der angefochtene Beschluss erlassen wurde, mit Art. 218 AEUV auf. |
43. |
Wie aus Art. 218 Abs. 1 AEUV hervorgeht, regelt dieser Artikel das Verfahren für die Aushandlung und den Abschluss von Übereinkünften zwischen der Union und Drittstaaten oder internationalen Organisationen. Dieser im Fünften Teil („Das auswärtige Handeln der Union“) Titel V („Internationale Übereinkünfte“) des AEU-Vertrags enthaltene Artikel stellt eine allgemeine Vorschrift dar, mit der ein einziges, einheitliches Verfahren für die Aushandlung und den Abschluss der genannten Übereinkünfte durch die Union geschaffen werden soll. Diese Vorschrift ist zum einen Ausdruck der neuen Struktur der Union nach der förmlichen Abschaffung der Pfeiler mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ( 13 ), und sie ist zum anderen Ausdruck der neuen verstärkten Dimension des auswärtigen Handelns der Union, der die Einführung der Art. 21 EUV und 22 EUV sowie des Fünften Teils des AEU-Vertrags entspricht. |
44. |
Das Verfahren des Art. 218 AEUV ist daher auf alle von der Union ausgehandelten und abgeschlossenen Übereinkünfte, unabhängig von ihrer Art und ihrem Inhalt, anzuwenden, mit Ausnahme der in besonderen Vorschriften der Verträge ausdrücklich geregelten Fälle ( 14 ). Im Übrigen gilt diese Vorschrift für die im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik geschlossenen Übereinkünfte. Insbesondere deutet nichts darauf hin, dass dieser Artikel, falls eine internationale Übereinkunft als gemischtes Abkommen geschlossen wird, keine Anwendung fände. |
45. |
Da das Verfahren für den Abschluss einer internationalen Übereinkunft ein mehrstufiges Verfahren ist, regelt Art. 218 AEUV die Modalitäten des Verfahrensablaufs auf den verschiedenen Stufen sowie die Rolle und die Befugnisse der verschiedenen Organe, die an der Aushandlung und am Abschluss der internationalen Übereinkünfte durch die Union beteiligt sind. |
46. |
Was im Einzelnen die für die vorliegende Rechtssache relevanten Bestimmungen betrifft, geht aus Art. 218 Abs. 2 AEUV hervor, dass der Rat das Organ ist, das dazu befugt ist, die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen zu erteilen, Verhandlungsrichtlinien festzulegen, die Unterzeichnung zu genehmigen und die Übereinkünfte für die Union zu schließen. Nach Art. 218 Abs. 5 AEUV ist es der Rat, der auf Vorschlag des Verhandlungsführers einen Beschluss erlässt, mit dem die Unterzeichnung der Übereinkunft und gegebenenfalls deren vorläufige Anwendung vor dem Inkrafttreten genehmigt werden. Art. 218 Abs. 6 AEUV sieht zum einen vor, dass der Rat auf Vorschlag des Verhandlungsführers einen Beschluss über den Abschluss der Übereinkunft erlässt, und räumt zum anderen dem Parlament je nach Gegenstand der zu schließenden Übereinkunft eine Zustimmungs- bzw. Anhörungsbefugnis ein. Art. 218 Abs. 8 AEUV stellt die allgemeine Regel auf, wonach der Rat, abgesehen von den Ausnahmen nach Unterabs. 2 dieser Bestimmung, während des gesamten Verfahrens mit qualifizierter Mehrheit beschließt. |
47. |
Aus dem Zusammenhang, in dem Art. 218 AEUV steht, sowie aus dem Wortlaut und der Systematik dieses Artikels – und insbesondere seiner Zielsetzung, ein System und eine Verfahrensregelung einzuführen, die allgemein für die Aushandlung und den Abschluss von internationalen Übereinkünften durch die Union gelten – ergibt sich, dass der Rat, abgesehen von den in den Verträgen selbst ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmefällen, sich nicht von den darin vorgesehenen Verfahren lösen und in den verschiedenen Abschnitten, aus denen das Verfahren der Aushandlung und des Abschlusses von internationalen Übereinkünften besteht, nicht auf ein alternatives Verfahren oder ein von den Verfahren nach dem genannten Artikel abweichendes Verfahren zurückgreifen darf. Insbesondere darf der Rat keine Rechtsakte erlassen, die keine der Entscheidungen, die für eine bestimmte Stufe des genannten Verfahrens vorgesehen sind, darstellen würden oder unter anderen als den durch Art. 218 AEUV selbst vorgesehenen Voraussetzungen erlassen würden ( 15 ). Die Verpflichtung des Rates zur Einhaltung der in den Verträgen vorgesehenen Verfahren ergibt sich ferner aus Art. 13 Abs. 2 EUV, wonach jedes Organ nach den Verfahren, Bedingungen und Zielen, die in den Verträgen festgelegt sind, handelt. |
48. |
Insoweit ist außerdem hervorzuheben, dass Art. 218 AEUV, abgesehen von zwei spezifischen Fragen ( 16 ), zu keinem Zeitpunkt in dem Verfahren der Aushandlung und des Abschlusses von internationalen Übereinkünften durch die Union ein Tätigwerden der Mitgliedstaaten vorsieht ( 17 ). Den Mitgliedstaaten als solchen soll somit in dem Verfahren nach Art. 218 AEUV, das ein der Union eigenes Verfahren darstellt, keine Rolle zukommen. |
49. |
Diese Feststellung wird nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass Art. 218 AEUV nicht nur für allein von der Union geschlossene Übereinkünfte, sondern auch für gemischte Übereinkünfte gilt. Im Fall der gemischten Übereinkünfte gilt Art. 218 AEUV nämlich ausschließlich für die Beteiligung der Union an der gemischten Übereinkunft und nicht für die Beteiligung der Mitgliedstaaten. Deren Beteiligung an den gemischten Übereinkünften unterliegt, was den internen Aspekt ihrer Beteiligung angeht, dem jeweiligen nationalen Recht, und was den externen Aspekt ihrer Beteiligung angeht, dem Völkerrecht ( 18 ). |
b) Zur Rechtsgrundlage und zu den Abstimmungsregeln
50. |
Sodann wirft der Erlass des angefochtenen Beschlusses als hybrider Rechtsakt, der einen Rechtsakt der Union und einen intergouvernementalen Rechtsakt vereint, Fragen auf, die zum einen die herangezogene Rechtsgrundlage und zum anderen die Beachtung der in den Verträgen vorgesehenen Abstimmungsregeln betreffen. |
51. |
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Gebot der Rechtssicherheit nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt, dass jede Maßnahme der Union, die rechtliche Wirkungen erzeugen soll, ihre Bindungswirkung einer Bestimmung des Unionsrechts entnimmt, die ausdrücklich als Rechtsgrundlage bezeichnet sein muss und die Rechtsform vorschreibt, in der die Maßnahme zu erlassen ist. Die Angabe der Rechtsgrundlage ist erstens erforderlich, um die Abstimmungsmodalitäten innerhalb des Rates festzulegen. Zweitens hat sie eine besondere Bedeutung für die Wahrung der Rechte der durch das Verfahren für den Erlass eines Rechtsakts betroffenen Unionsorgane. Und drittens legt sie die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten fest, indem sie vermeidet, dass Unsicherheit über die Natur der Zuständigkeit der Union entsteht und diese in der Vertretung ihres Standpunkts bei völkerrechtlichen Verhandlungen geschwächt wird ( 19 ). |
52. |
Außerdem hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Grundsätze über die Willensbildung der Unionsorgane in den Verträgen festgelegt sind und nicht zur Disposition der Mitgliedstaaten oder der Organe selbst stehen ( 20 ). Allein die Verträge können in besonderen Fällen ein Organ dazu ermächtigen, ein von ihnen geschaffenes Entscheidungsverfahren zu ändern. Im Übrigen würde, wenn einem Organ die Möglichkeit gegeben würde, von einem in den Verträgen vorgesehenen Entscheidungsverfahren abzuweichen und ein alternatives Verfahren anzuwenden, dies darauf hinauslaufen, dass diesem Organ zum einen die Befugnis zur einseitigen Abweichung von vertraglich vorgesehenen Regeln verliehen wird, was sicherlich unannehmbar ist ( 21 ), und ihm zum anderen erlaubt wird, gegen den Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts zu verstoßen, der gebietet, dass jedes Organ seine Befugnisse unter Beachtung der Befugnisse der anderen Organe ausübt ( 22 ). |
53. |
In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof zur Verschmelzung verschiedener Verfahren für den Erlass von Unionsrechtsakten eine recht misstrauische Haltung eingenommen hat. So ist zur Heranziehung einer doppelten Rechtsgrundlage in ständiger Rechtsprechung entschieden worden, dass eine Häufung von zwei Rechtsgrundlagen ausgeschlossen ist, wenn die für sie jeweils vorgesehenen Verfahren miteinander unvereinbar sind ( 23 ). Genau dies war in der Rechtssache Titandioxid ( 24 ) der Fall, über deren Relevanz für die vorliegende Rechtssache die Parteien lange gestritten haben. Diese Rechtssache betraf eine Richtlinie ( 25 ), die der Rat einstimmig auf der Grundlage von Art. 130s EWG-Vertrag ( 26 ) erlassen hatte, während die Kommission in ihrer Nichtigkeitsklage geltend machte, dass diese Richtlinie auf Art. 100a EWG-Vertrag hätte gestützt werden müssen, wo eine Entscheidung des Rates mit qualifizierter Mehrheit vorgesehen war ( 27 ). Der Gerichtshof befand, dass bei einem Rückgriff auf beide Rechtsgrundlagen der Rat auf jeden Fall einstimmig hätte entscheiden müssen, wodurch einem wesentlichen Element des Verfahrens der Zusammenarbeit, nämlich der Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit, Abbruch getan worden wäre ( 28 ) ( 29 ). |
c) Zum Grundsatz der Autonomie der Organe
54. |
Der Rat und einige Mitgliedstaaten machen geltend, der Erlass von hybriden Beschlüssen sei Ausdruck des Grundsatzes der Autonomie der Unionsorgane, wonach es dem Rat erlaubt sei, zu bestimmen, in welcher Form die Genehmigungen, die im Verfahren der Aushandlung und des Abschlusses internationaler Übereinkünfte erforderlich seien, erteilt würden. |
55. |
Tatsächlich sind die Unionsorgane im Rahmen der ihnen zugewiesenen Befugnisse in der Gestaltung ihrer Arbeitsweise frei. Diese Gestaltungsfreiheit ist Ausdruck des Grundsatzes der Autonomie der Organe, der den Vertragsbestimmungen entspringt, die den Organen die Befugnis zuweisen, ihre Geschäftsordnungen selbst zu erlassen, um ihr Funktionieren und das ihrer Dienststellen sicherzustellen ( 30 ). Dieser vom Gerichtshof ( 31 ) wiederholt anerkannte Grundsatz ist die notwendige Folge des Auftrags der Organe, im Interesse der Union zu handeln, und stellt eine wesentliche Voraussetzung für ihr ordnungsgemäßes Funktionieren dar ( 32 ). Entsprechend hat der Rat seine eigene Geschäftsordnung erlassen, in der seine Arbeitsweise und seine Organisation geregelt sind ( 33 ). |
56. |
Der Grundsatz der Autonomie der Organe gilt jedoch nicht unbegrenzt. Diese Autonomie ist gemäß Art. 13 Abs. 2 EUV „nach Maßgabe der [jedem Organ] in den Verträgen zugewiesenen Befugnisse“ und „nach den Verfahren, Bedingungen und Zielen, die in den Verträgen festgelegt sind“ auszuüben. Somit ist zwar jedes Organ aufgrund der ihm durch die maßgeblichen Bestimmungen der Verträge verliehenen internen Organisationsgewalt berechtigt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sein ordnungsgemäßes Funktionieren und den Ablauf seiner Verfahren sicherzustellen ( 34 ), doch dürfen diese Maßnahmen oder ihre Anwendung nicht von den in den Verträgen vorgeschriebenen Verfahren abweichen. Zudem darf die interne Organisationsgewalt nicht das institutionelle Gleichgewicht oder die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. |
57. |
Außerdem stellt der Grundsatz der Autonomie der Organe eine Schranke gegenüber den Mitgliedstaaten dar. Dieser Grundsatz bedeutet nämlich, dass die interne Arbeitsweise und die Organisation der Organe völlig unabhängig von den Mitgliedstaaten sein müssen ( 35 ), die ein Einwirken auf die autonome Festlegung der Organisation, Verfahren und Funktionen der Unionsorgane in den von den Verträgen gesetzten Grenzen zu unterlassen haben. Dieses Gebot der Nichteinmischung seitens der Mitgliedstaaten ist im Übrigen Ausdruck des in Art. 4 Abs. 3 EUV vorgesehenen Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit. |
d) Zur Notwendigkeit einer einheitlichen internationalen Vertretung der Union und zum Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit
58. |
Hinsichtlich des externen Aspekts wirft die vorliegende Rechtssache zunächst Fragen nach der Vertretung der Union auf internationaler Ebene und der Gestaltung des Verhältnisses zwischen der Union und den Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht auf. |
59. |
Die Parteien vertreten hierzu völlig konträre Standpunkte. Für die Kommission ist mit dem Erlass von hybriden Beschlüssen die Gefahr gegeben, dass die unabhängige Rechtspersönlichkeit der Union in den völkerrechtlichen Beziehungen „verwischt“ wird, während der Rat in den hybriden Beschlüssen den maximalen Ausdruck der Zusammenarbeit zwischen der Union und den Mitgliedstaaten sieht. |
60. |
Hierzu ist zunächst daran zu erinnern, dass die Verträge ausdrücklich eine gegenseitige Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten (Art. 4 Abs. 3 EUV) sowie zwischen den Unionsorganen (Art. 13 Abs. 2 Satz 2 EUV) vorsehen ( 36 ). Insbesondere sind die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 3 EUV dazu verpflichtet, die Union bei der Erfüllung ihrer Aufgabe zu unterstützen und alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährden könnten. |
61. |
Sodann ist weiter hervorzuheben, dass der Gerichtshof, wenn er mit Fragen betreffend das auswärtige Handeln der Union befasst war, wiederholt auf die Erfordernisse einer geschlossenen völkerrechtlichen Vertretung der Union ( 37 ) und einer Gewährleistung der Einheitlichkeit und Kohärenz des Handelns und der Vertretung der Union in den Außenbeziehungen ( 38 ) hingewiesen hat. |
62. |
Diese Erfordernisse sind umso dringlicher, wenn ein Abkommen oder eine Konvention teils in die Zuständigkeit der Union und teils in die der Mitgliedstaaten fällt und die Übereinkünfte als gemischte Übereinkünfte geschlossen werden, wie dies bei dem Beitrittsabkommen und dem Zusatzabkommen der Fall ist. In diesen Fällen ist in der Rechtsprechung besonders betont worden, dass die genannten Erfordernisse einer geschlossenen Vertretung der Union und einer Gewährleistung der Einheitlichkeit und Kohärenz in den Außenbeziehungen der Union es gebieten, eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den Unionsorganen sowohl im Verfahren der Aushandlung und des Abschlusses als auch bei der Durchführung der eingegangenen Verpflichtungen sicherzustellen ( 39 ). Zwischen dem Erfordernis einer einheitlichen Vertretung der Union auf internationaler Ebene und der gegenseitigen Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit zwischen der Union und den Mitgliedstaaten besteht somit ein enger Zusammenhang ( 40 ). |
63. |
In diesem Kontext hat der Gerichtshof zum einen entschieden, dass die Organe und die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen treffen müssen, um eine solche Zusammenarbeit in bestmöglicher Weise zu gewährleisten ( 41 ). Zum anderen hat er entschieden, dass aus der Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit, wie sie in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 3 EUV vorgesehen ist, folgt, dass die Mitgliedstaaten nicht in die Ausübung der Vorrechte der Union eingreifen dürfen, welche Befugnis allein den Unionsorganen zusteht, und dass sie nicht die Fähigkeit der Union zum autonomen Handeln in den Außenbeziehungen in Frage stellen dürfen ( 42 ). |
e) Zur Relevanz des angefochtenen Beschlusses für Drittstaaten
64. |
In der vorliegenden Rechtssache stellt sich ferner die Frage der Relevanz hybrider Beschlüsse für die Drittstaaten, die Parteien der internationalen Übereinkünfte sind. Der Rat und einige Regierungen stufen nämlich Beschlüsse wie den angefochtenen Beschluss als rein interne Rechtsakte ein. Daraus ergebe sich, dass diese Rechtsakte nicht dazu bestimmt seien, Drittstaaten zur Kenntnis zu gelangen, und diese somit nicht auf die Bestimmung der Urheber dieser Rechtsakte achteten. |
65. |
Hierzu ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Union beim Erlass eines Rechtsakts verpflichtet ist, das gesamte Völkerrecht zu beachten, auch das die Organe der Union bindende Völkergewohnheitsrecht ( 43 ). Zum anderen müssen die Union und ihre Mitgliedstaaten, wenn sie internationale Übereinkünfte schließen, gleich ob es sich um gemischte Übereinkünfte handelt oder nicht, das Völkerrecht beachten, wie es, was die gewohnheitsrechtlichen Normen des Vertragsrechts angeht, in den Wiener Übereinkommen von 1969 und 1986 kodifiziert ist ( 44 ). |
66. |
Allgemein gilt im Völkerrecht die Regel, dass die Maßnahmen, mit denen eine Partei entsprechend ihrem innerstaatlichen Recht – bzw. im Fall einer internationalen Organisation entsprechend ihren internen Organisationsvorschriften – ihre Verpflichtungen aus einem völkerrechtlichen Vertrag erfüllt, die anderen Staaten, die Partei der Übereinkunft sind, grundsätzlich nichts angehen ( 45 ). |
67. |
Allerdings erkennt das Völkerrecht einerseits den innerstaatlichen Vorschriften – bzw. den internen Vorschriften einer internationalen Organisation – die die Zuständigkeit zum Abschluss von Verträgen betreffen, eine gewisse, wenn auch beschränkte Relevanz zu ( 46 ). Die Relevanz eines im Rahmen des Verfahrens nach Art. 218 AEUV erlassenen Beschlusses für die anderen Vertragsstaaten ist also im Völkerrecht nicht ganz ausgeschlossen. |
68. |
Andererseits können, wenn eine Übereinkunft als gemischte Übereinkunft geschlossen wird, die Union und ihre Mitgliedstaaten als zwar miteinander verbundene, aber gleichwohl gesonderte Parteien der Übereinkunft angesehen werden, und die Erfordernisse der Rechtssicherheit unter den Parteien einer internationalen Übereinkunft und die Pflicht zur Vertragserfüllung nach Treu und Glauben ( 47 ) zwingen meines Erachtens zu dem Schluss, dass der unionsinterne Rechtsakt, mit dem die Union eine gemischte Übereinkunft genehmigt, nicht geeignet ist, zu verschleiern, dass die Union vollwertige Vertragspartei der Übereinkunft ist. |
f) Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses
69. |
Im vorliegenden Fall ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses unter Berücksichtigung der in den vorstehenden Nummern dargelegten Grundsätze und hervorgehobenen Erfordernisse zu beurteilen. Dabei ist mit einer Prüfung dieses Beschlusses zu beginnen. |
70. |
Was zunächst seine Urheber betrifft, geht aus dem Titel und der Angabe vor dem ersten Bezugsvermerk des angefochtenen Beschlusses hervor, dass dieser eine gemeinsame Handlung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten darstellt. Sodann ist zur Rechtsgrundlage des angefochtenen Beschlusses festzustellen, dass dieser ausdrücklich angibt, auf Art. 100 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 218 Abs. 5 und Abs. 8 Unterabs. 1 AEUV gestützt zu sein. In allen diesen Rechtsgrundlagen ist der Erlass einer Handlung mit qualifizierter Mehrheit vorgesehen. In dem angefochtenen Beschluss ist keine weitere Rechtsgrundlage erwähnt. |
71. |
Was den Inhalt des angefochtenen Beschlusses betrifft, so ermächtigt dieser, wie aus den Nrn. 8 bis 10 und 19 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht, sowohl zur Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung der in Rede stehenden internationalen Abkommen seitens der Union als auch zu deren vorläufiger Anwendung, soweit das innerstaatliche Recht es zulässt, durch die Mitgliedstaaten. Dieser Rechtsakt führt alle diese Elemente zusammen auf, ohne dass sich klar unterscheiden ließe, welcher Teil (im materiellen Sinne) dem Rat und welcher Teil dem Beschluss der Vertreter der Mitgliedstaaten zuzuordnen wäre. Dies geht insbesondere aus der Formulierung von Art. 3 des angefochtenen Beschlusses hervor, wo in ein und derselben Bestimmung die Ermächtigung zur vorläufigen Anwendung der in Rede stehenden Abkommen durch die Union und durch die Mitgliedstaaten gegeben wird. |
72. |
Angesichts des Inhalts des angefochtenen Beschlusses sowie der Art und Weise, wie er aufgebaut ist, ist festzustellen, dass sowohl der Rat als auch die Vertreter der Mitgliedstaaten am Erlass des Beschlusses in seiner Gesamtheit und allen seinen Elementen beteiligt waren. So haben einerseits die Vertreter der Mitgliedstaaten an der Ermächtigung zur Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung der in Rede stehenden Abkommen durch die Union und andererseits der Rat an der Ermächtigung zu ihrer vorläufigen Anwendung durch die Mitgliedstaaten mitgewirkt ( 48 ). |
73. |
Diese Feststellung wird im Übrigen durch die Verfahrensweise beim Erlass des angefochtenen Beschlusses bestätigt, die zeigt, das es keine Trennung zwischen dem Verfahren für den Erlass des Beschlusses der Union und dem für den Erlass des intergouvernementalen Rechtsakts der Mitgliedstaaten gab. Denn obwohl mehrere Mitgliedstaaten in ihren Schriftsätzen es für möglich gehalten hatten, dass die beiden materiellen Teile des angefochtenen Beschlusses nach gesonderten Abstimmungsverfahren erlassen wurden, hat der Rat in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof abschließend präzisiert, dass der angefochtene Beschluss in einem Durchgang im Konsens nach einem vereinfachten Verfahren ohne Erörterung und ohne Abstimmung erlassen worden war. Die beiden Teile des Rechtsakts wurden also nicht in gesonderten Entscheidungsprozessen, sondern in einem einzigen einheitlichen Verfahren erlassen. |
74. |
Aus diesen Feststellungen ergeben sich meines Erachtens folgende Erwägungen. |
75. |
Erstens stellt der angefochtene Beschluss als hybrider Rechtsakt eine in den Verträgen nicht vorgesehene Handlung dar. Insbesondere geht es um eine Handlung, die vom Rat in einem der Abschnitte des Verfahrens der Aushandlung und des Abschlusses von internationalen Übereinkünften durch die Union erlassen wurde, aber nicht in Art. 218 AEUV vorgesehen ist. Zudem ist auch das Verfahren, in dem diese Handlung erlassen wurde, nicht in dem genannten Artikel vorgesehen. Denn, wie ich bereits in Nr. 48 der vorliegenden Schlussanträge hervorgehoben habe, kommt den Mitgliedstaaten nach Art. 218 AEUV im Verfahren des Erlasses der Maßnahmen, die die Union in den verschiedenen Abschnitten des dort vorgesehenen Verfahrens zu treffen hat, keine Rolle zu. Daher ist der Rat durch die Einbeziehung der Mitgliedstaaten in den Erlass des angefochtenen Beschluss einseitig von diesem Verfahren abgewichen und hat eine in den Verträgen nicht vorgesehene Handlung erlassen. |
76. |
Zweitens folgt daraus, dass der hybride Rechtsakt mit allen seinen untrennbaren Bestandteilen in einem Durchgang erlassen wurde, dass sein Erlass in einem einzigen Entscheidungsprozess erfolgte, in dem das in Art. 218 Abs. 5 und 8 AEUV für den Erlass eines Unionsrechtsakts mit qualifizierter Mehrheit vorgesehene Verfahren und ein dem unionsrechtlichen Rahmen fremdes Verfahren vermischt wurden, und dies, um eine nicht in den Verträgen vorgesehene Handlung zu erlassen, was das Einvernehmen aller beteiligten Mitgliedstaaten voraussetzt. Im Übrigen haben der Rat und einige Regierungen selbst eingeräumt, dass die Regeln des Verfahrens für den Erlass des intergouvernementalen Beschlusses außerhalb des rechtlichen Rahmens der Verträge stehen. |
77. |
Diese Verschmelzung hatte außerdem zur Folge, dass die in dem angefochtenen Beschluss angegebenen Rechtsgrundlagen nicht der für den Erlass des hybriden Rechtsakts wirklich erforderlichen Abstimmungsregel entsprechen. Während diese Rechtsgrundlagen eine Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit verlangen, setzte nämlich der Erlass eines hybriden Rechtsakts in dieser Form aufgrund seiner Gestaltung als Handlung, in der die beiden materiellen Teile eine untrennbare Einheit bilden, Einvernehmen voraus. Dies bedeutet meines Erachtens zwangsläufig, dass das Verfahren der qualifizierten Mehrheit ausgehöhlt wurde und dass dem Mehrheitsprinzip, das den Kern des in Art. 218 AEUV vorgesehenen Verfahrens bildet, im Sinne des Titandioxid-Urteils Abbruch getan wurde ( 49 ). |
78. |
Diesen Erwägungen zufolge steht der Erlass des angefochtenen Beschlusses in Form eines hybriden Rechtsakts nicht mit Art. 218 Abs. 2, 5 und 8 AEUV in Einklang und entspricht auch nicht den in den Nrn. 47 und 51 bis 53 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Erfordernissen der Rechtsprechung. |
79. |
Zur Beachtung der Abstimmungsregeln ist weiter hervorzuheben, dass hier nicht etwa die Modalitäten der Abstimmungsverfahren im Rat in Frage gestellt werden sollen, deren Organisation in den autonomen Bereich des Rates fällt. Der Gegenstand der vorliegenden Rechtssache betrifft nicht die Rechtmäßigkeit des vom Rat in der mündlichen Verhandlung erwähnten vereinfachten internen Verfahrens ohne Erörterung, in dem über den Erlass des angefochtenen Beschlusses abgestimmt wurde. Im vorliegenden Fall kam dieses vereinfachte Verfahren jedoch für den Erlass eines Beschlusses zum Einsatz, in dem ein Rechtsakt, der nach einem in den Verträgen vorgesehenen Verfahren erlassen wurde, und ein dem unionsrechtlichen Rahmen fremder Rechtsakt miteinander verschmolzen sind, der nach Verfahren erlassen wurde, die diesem Rahmen ebenfalls fremd sind, und für dessen Erlass eine Abstimmungsregel heranzuziehen ist, die von der für den Erlass des Unionsrechtsakts vorgeschriebenen verschieden ist. |
80. |
Eine etwaige Zulassung einer solchen Verschmelzung könnte meines Erachtens, selbst wenn es sich um eine feste Praxis ( 50 ) oder eine Praxis mit Ausnahmecharakter ( 51 ) handeln sollte, einen gefährlichen Präzedenzfall für die Kontamination des autonomen Entscheidungsprozesses der Unionsorgane darstellen, der somit die Autonomie der Union als eigenständige Rechtsordnung beschädigen könnte ( 52 ), und dies trotz des, wie aus Nr. 53 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht, restriktiven Ansatzes des Gerichtshofs gegenüber der Verschmelzung interner Verfahren der Union und der Häufung der Rechtsgrundlagen ( 53 ). |
81. |
Zudem kann meines Erachtens nicht dem Argument gefolgt werden, gegen die in Art. 218 AEUV vorgesehene Abstimmungsregel sei nicht verstoßen worden, weil die Einstimmigkeit stets die qualifizierte Mehrheit umfasse. Zunächst wurde, wie ich in den Nrn. 76 und 77 der vorliegenden Schlussanträge hervorgehoben habe, der angefochtene Beschluss nicht einstimmig in einem Verfahren erlassen, dass in den Verträgen vorgesehen – und in sie eingebettet – ist, sondern in einem Verfahren und nach einer Abstimmungsregel, die außerhalb des Rahmens der Verträge stehen. Diese Feststellung schließt im Übrigen die Möglichkeit einer Berufung des Rates auf Art. 293 Abs. 1 AEUV, wie sie die finnische Regierung geltend gemacht hat, aus. Sodann ist, wie dies Generalanwältin Sharpston zu Recht hervorgehoben hat, ein Beschluss, dem niemand widerspricht, nicht zwangsläufig dasselbe wie ein Beschluss, auf den sich eine qualifizierte Mehrheit einigen kann, da ein Beschluss, für den eine qualifizierte Mehrheit erreicht werden kann, möglicherweise inhaltlich abgeschwächt werden muss, um einstimmige Zustimmung bzw. eine Zustimmung ohne Widerspruch zu erlangen ( 54 ). |
82. |
Hinsichtlich des Vorbringens zum Grundsatz der Autonomie ergibt sich aus den Erwägungen in Nr. 56 der vorliegenden Schlussanträge, dass dieser Grundsatz keine Abweichung von den in den Verträgen vorgeschriebenen Verfahren rechtfertigen kann. Der Rat ist zwar in der Gestaltung seiner internen Arbeitsweise und des Erlasses seiner Beschlüsse frei, darf jedoch weder auf alternative Verfahren zurückgreifen, noch die in den Verträgen vorgesehenen Abstimmungsregeln ändern. Im Licht meiner Ausführungen oben in Nr. 57 frage ich mich sogar, ob nicht in Wirklichkeit darin ein Verstoß gegen den Grundsatz der Autonomie liegt, dass den Mitgliedstaaten eine Teilnahme am Entscheidungsprozess eines Unionsorgans erlaubt wurde. |
83. |
War jedoch der Erlass eines hybriden Beschlusses die zwangsläufige Folge aus der gemischten Natur der zugrunde liegenden internationalen Übereinkünfte? Musste ein solcher Beschluss erlassen werden, um die einheitliche Vertretung der Union auf internationaler Ebene sicherzustellen? Ich bin davon nicht überzeugt. |
84. |
Erstens trifft es zwar zu, dass der Erlass eines gemeinsamen Beschlusses die engste Form der Zusammenarbeit zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten darstellt und dass der Gerichtshof im Fall des Abschlusses gemischter Übereinkünfte die Notwendigkeit einer solchen engen Zusammenarbeit besonders betont hat. Doch kann zum einen, wie bereits zu Recht bemerkt wurde ( 55 ), der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, aus dem, wie in Nr. 62 der vorliegenden Schlussanträge hervorgehoben, die Pflicht zu enger Zusammenarbeit folgt, nicht zur Rechtfertigung einer Verletzung von Verfahrensregeln geltend gemacht werden. Die enge Zusammenarbeit der Union und ihrer Mitgliedstaaten im Rahmen der gemischten Übereinkünfte muss somit unter Beachtung der in den Verträgen vorgeschriebenen Regeln stattfinden. |
85. |
Die Beteiligung der Mitgliedstaaten als solche an dem Verfahren der Union war weder für die Unterzeichnung der Übereinkunft im Namen der Union noch für ihre provisorische Anwendung durch die Union erforderlich. Der Rat hat somit dadurch, dass er die Beteiligung der Mitgliedstaaten an dem Unionsbeschluss zuließ, nicht den Interessen der Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 13 Abs. 1 EUV gedient, wie er dies in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, sondern er hat ihnen erlaubt, in die Ausübung der Rechte der Union einzugreifen, und dabei entgegen der in Nr. 63 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs die Fähigkeit der Union zum autonomen Handeln in den Außenbeziehungen in Frage gestellt. |
86. |
Dieses Eingreifen könnte dahin verstanden werden, dass die Union nicht dazu befugt ist, die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung von internationalen Übereinkünften in Bereichen, in denen sie ihre eigenen, von den Mitgliedstaaten übertragenen Zuständigkeiten ausübt, allein zu beschließen. Diese Herangehensweise ist, anstatt das internationale Ansehen der Union zu stärken, meines Erachtens geeignet, die Union als vollwertigen Akteur auf der internationalen Ebene zu schwächen, indem sie ihre Stellung als unabhängiges und autonomes Völkerrechtssubjekt verschleiert. |
87. |
Für mich folgt daraus, dass der Rat unter Verstoß gegen Art. 13 Abs. 2 EUV die Grenzen der ihm in den Verträgen zugewiesenen Befugnisse überschritten und entgegen den Zielen gehandelt hat, die in den Verträgen festgelegt sind ( 56 ). |
88. |
Zweitens hat der Rat selbst eingeräumt, dass es alternative Lösungen zum Erlass eines hybriden Beschlusses gibt, wie zum Beispiel den gleichzeitigen Erlass von zwei gesonderten Beschlüssen, nämlich einem des Rates und einem der Vertreter der Mitgliedstaaten ( 57 ). Der Rat und die Mitgliedstaaten legen dieser Lösung jedoch einen deutlich niedrigeren Stellenwert bei, da sie weniger effizient sei und insbesondere in Bezug auf die Abgrenzung der Zuständigkeiten zu erheblichen praktischen Problemen führen könne, wenn die Übereinkunft, wie dies gewöhnlich bei Übereinkünften im Bereich des Luftverkehrs der Fall sei, ein unteilbares Ganzes bilde, so dass die Zuständigkeiten der Union und die der Mitgliedstaaten sich nicht voneinander trennen ließen. |
89. |
Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Effizienz- oder Zweckmäßigkeitserwägungen nicht den Verstoß gegen die in den Verträgen vorgesehenen Verfahren rechtfertigen können. Der Verfahrensrahmen für die Aushandlung und den Abschluss von internationalen Übereinkünften der Union wurde durch den Vertrag von Lissabon festgelegt, der u. a. die Regel der qualifizierten Mehrheit als allgemeine Regel eingeführt hat. Die Mitgliedstaaten haben diesem Vertrag zugestimmt, ihn ratifiziert und sind an ihn gebunden. Sie können von ihnen selbst vorgeschriebene Regeln nicht aus behaupteten Zweckmäßigkeits- oder Effizienzgründen umgehen oder außer Acht lassen. |
90. |
Das rechtliche Problem, das sich in der vorliegenden Rechtssache stellt, liegt meines Erachtens nicht im koordinierten Erlass der beiden Beschlüsse und auch nicht darin, dass sie in einem formal einheitlichen Rechtsakt enthalten sind. Das Problem ergibt sich nach meinem Verständnis aus der hybriden Natur des angefochtenen Beschlusses, die dazu führte, dass der Rat die Einbeziehung eines externen Elements in das Verfahren des Erlasses eines Unionsrechtsakts zuließ, das diesen verfälschte, und dass er sich zudem am Erlass eines Rechtsakts beteiligte, der nicht in seine Zuständigkeit fiel, nämlich einen Beschluss, der den Mitgliedstaaten die vorläufige Anwendung der in Rede stehenden Abkommen erlaubte. Sofern jedoch aus einem vom Rat gemäß Art. 218 AEUV erlassenen Beschluss eindeutig hervorginge, dass die Verfahren der Union, insbesondere die Abstimmungsverfahren, beachtet wurden, und dass die Union in Bezug auf die Zuständigkeiten, die ihr zustehen, als vollwertiger Akteur auf internationaler Ebene einen eigenen Beschluss erließ, hätte ich keinen Einwand dagegen, dass dieser Beschluss und ein intergouvernementaler Beschluss der Mitgliedstaaten, die miteinander koordiniert erlassen wurden, in einem formal einheitlichen Rechtsakt enthalten sind. |
91. |
Was sodann die Frage der Untrennbarkeit der Zuständigkeiten angeht, hat der Gerichtshof zwar tatsächlich hervorgehoben, dass bei dieser Art von Fällen die Pflicht zu enger Zusammenarbeit zwischen der Union und den Mitgliedstaaten umso zwingender ist ( 58 ), doch legt der Rat nicht dar, warum im Fall des Erlasses von zwei koordinierten Beschlüssen – einem Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des gemischten Abkommens durch die Union, soweit diese zuständig ist, und einem Beschluss der Vertreter der Mitgliedstaaten über die vorläufige Anwendung desselben gemischten Abkommens, soweit dieses Bereiche regelt, die in ihre Zuständigkeit fallen – es notwendig sein sollte, stets anzugeben, welche Teile des Abkommens in die Zuständigkeit der Union und welche in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. Im Übrigen enthält der hybride Beschluss auch keine solche Angabe. |
92. |
Schließlich haben, anders als der Rat und mehrere Regierungen vortragen, die gemäß Art. 218 Abs. 5 AEUV erlassenen Beschlüsse keine rein interne Tragweite. Dass sie den Vertragsparteien zugestellt und im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden, zeigt, dass sie sowohl den anderen Parteien der internationalen Übereinkunft als auch Dritten allgemein zur Kenntnis gebracht werden sollen. Da, wie ich in Nr. 86 der vorliegenden Schlussanträge hervorgehoben habe, der Erlass solcher Beschlüsse in Form von hybriden Beschlüssen geeignet ist, die Stellung der Union als unabhängiges Völkerrechtssubjekt zu verschleiern, obwohl sie vollwertige Partei der gemischten Übereinkunft ist, kann dieser Erlass meines Erachtens auch zu Problemen der Rechtssicherheit im Verhältnis zwischen den Parteien der internationalen Übereinkunft führen. |
g) Ergebnis
93. |
Aus alledem folgt, dass der Rat durch den Erlass des angefochtenen Beschlusses als hybrider Beschluss gegen Art. 218 Abs. 2, 5 und 8 AEUV verstoßen hat und unter Verstoß gegen Art. 13 Abs. 2 EUV die ihm in den Verträgen zugewiesenen Befugnisse überschritten hat. Ich bin daher der Auffassung, dass der angefochtene Beschluss für nichtig zu erklären ist. |
C – Zur Aufrechterhaltung der Wirkungen des für nichtig erklärten Beschlusses
94. |
Entsprechend dem Wunsch der Parteien und zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen der Union und den Drittstaaten, die Parteien der Abkommen sind, deren Unterzeichnung und vorläufige Anwendung bereits durch den angefochtenen Beschluss beschlossen worden sind, sollte der Gerichtshof dem Antrag der Parteien stattgeben und von der ihm nach Art. 264 Abs. 2 AEUV offenstehenden Möglichkeit Gebrauch machen, die Wirkungen des angefochtenen Beschlusses bis zum Erlass eines neuen Beschlusses aufrechtzuerhalten. |
IV – Zu den Kosten
95. |
Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat mit seinem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission seine Verurteilung beantragt hat, sind ihm die Kosten aufzuerlegen. Gemäß Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, nach dem die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten tragen, tragen die Parteien, die dem vorliegenden Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. |
V – Ergebnis
96. |
Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:
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( 1 ) Originalsprache: Französisch.
( 2 ) Beschluss des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 16. Juni 2011 über die Unterzeichnung – im Namen der Union – und vorläufige Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei und über die Unterzeichnung – im Namen der Union – und vorläufige Anwendung des Zusatzabkommens zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als erster Partei, Island als zweiter Partei und dem Königreich Norwegen als dritter Partei betreffend die Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei (ABl. L 283, S. 1).
( 3 ) ABl. 2007, L 134, S. 4.
( 4 ) Protokoll zur Änderung des am 25. und 30. April 2007 unterzeichneten Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten (ABl. 2010, L 223, S. 3).
( 5 ) Nach dieser Bestimmung können „[d]as Europäische Parlament und der Rat … gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren geeignete Vorschriften für die Seeschifffahrt und die Luftfahrt erlassen“.
( 6 ) Nach dieser Bestimmung erlässt „[d]er Rat … auf Vorschlag des Verhandlungsführers einen Beschluss, mit dem die Unterzeichnung der Übereinkunft und gegebenenfalls deren vorläufige Anwendung vor dem Inkrafttreten genehmigt werden“.
( 7 ) Nach Art. 218 Abs. 8 Unterabs. 1 AEUV beschließt „[d]er Rat … während des gesamten Verfahrens mit qualifizierter Mehrheit“.
( 8 ) Urteil Kommission/Rat (C‑114/12, EU:C:2014:2151, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 9 ) Ebd. (Rn. 40 und 41).
( 10 ) Vgl. in diesem Sinne Kommission/Rat (45/86, EU:C:1987:163, Rn. 3). Insbesondere findet die Begünstigung der Unionsorgane ihre Grundlage in deren Rolle als Hüter des Unionsrechts, die dazu führt, dass sie nicht Träger von Interessen sind, die sich von denen der Union selbst unterscheiden.
( 11 ) Nach Art. 13 Abs. 2 EUV handelt „[j]edes Organ … nach Maßgabe der ihm in den Verträgen zugewiesenen Befugnisse nach den Verfahren, Bedingungen und Zielen, die in den Verträgen festgelegt sind. Die Organe arbeiten loyal zusammen.“
( 12 ) In ihren Schriftsätzen hat die Kommission dargelegt, dass sie, weil die beiden in Rede stehenden Abkommen lediglich den Beitritt der Republik Island und des Königreichs Norwegen zu dem bereits als gemischtes Abkommen abgeschlossenen Luftverkehrsabkommen EU–Vereinigte Staaten beträfen, die Mischnatur dieser Abkommen nicht bestreiten wolle, um keine rechtliche und politische Unsicherheit in den Beziehungen der Union mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu schaffen.
( 13 ) Vorher waren in unterschiedlichen Vertragsbestimmungen unterschiedliche Verfahrensregelungen über die Aushandlung und den Abschluss von internationalen Übereinkünften vorgesehen, je nachdem, ob diese im Rahmen des ersten Pfeilers (Art. 300 EG) oder des zweiten oder dritten Pfeilers (Art. 24 EU bzw. 38 EU) geschlossen wurden.
( 14 ) Wie zum Beispiel Art. 207 AEUV oder Art. 219 AEUV.
( 15 ) Vgl. entsprechend Urteil Kommission/Rat (C‑27/04, EU:C:2004:436, Rn. 81). Der Rat bestreitet in seinen Schriftsätzen die Anwendbarkeit dieses Urteils in der vorliegenden Rechtssache, da es eine unterschiedliche Situation – nämlich einen Fall, in dem der Rat einen vorgesehenen Rechtsakt nicht erlassen habe – und einen anderen Bereich als den der internationalen Beziehungen der Union betroffen habe. Insoweit meine ich jedoch, dass die grundsätzlichen Feststellungen des Gerichtshofs in diesem Urteil allgemeine Tragweite haben für Fälle wie den des Art. 218 AEUV, in denen die Verträge für das in bestimmten Bereichen anzuwendende Verfahren eine genaue Regelung vorsehen.
( 16 ) Es handelt sich zum einen um die Übereinkunft über den Beitritt der Union zu der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die in Art. 218 Abs. 8 Unterabs. 2 AEUV erwähnt ist, und zum anderen um die Möglichkeit nach Abs. 11 dieses Artikels, ein vorheriges Gutachten des Gerichtshofs einzuholen.
( 17 ) Vgl. hiermit übereinstimmend Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kommission/Rat (C‑114/12, EU:C:2014:224, Nr. 174).
( 18 ) Vgl. hiermit übereinstimmend ebd. (Nr. 171).
( 19 ) Urteil Kommission/Rat (C‑370/07, EU:C:2009:590, Rn. 39, 48 und 49).
( 20 ) Vgl. Urteile Vereinigtes Königreich/Rat (68/86, EU:C:1988:85, Rn. 38) und Parlament/Rat (C‑133/06, EU:C:2008:257, Rn. 54).
( 21 ) Vgl. Urteil Parlament/Rat (EU:C:2008:257, Rn. 55 und 56).
( 22 ) Ebd. (Rn. 57) und Urteil Parlament/Rat (C‑70/88, EU:C:1990:217, Rn. 22). Vgl. auch Art. 13 Abs. 2 EUV.
( 23 ) Urteile Parlament/Rat (C‑164/97 und C‑165/97, EU:C:1999:99, Rn. 14), Kommission/Rat (C‑338/01, EU:C:2004:253, Rn. 57) und Parlament/Rat (C‑130/10, EU:C:2012:472, Rn. 45 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 24 ) Urteil Kommission/Rat („Titandioxid“, C‑300/89, EU:C:1991:244, vgl. insbesondere Rn. 17 bis 21).
( 25 ) Vgl. insbesondere Richtlinie 89/428/EWG des Rates vom 21. Juni 1989 über die Modalitäten zur Vereinheitlichung der Programme zur Verringerung und späteren Unterbindung der Verschmutzung durch Abfälle der Titandioxid-Industrie (ABl. L 201, S. 56).
( 26 ) Dieser Artikel schrieb für Aktionen auf dem Gebiet des Umweltschutzes einstimmige Beschlussfassung innerhalb des Rates nach einfacher Anhörung des Parlaments vor.
( 27 ) Dieser Artikel sah, im Wesentlichen entsprechend dem derzeitigen Art. 114 AEUV, die Anwendung des Verfahrens der Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament vor, in dessen Rahmen Ratsentscheidungen mit qualifizierter Mehrheit ergingen.
( 28 ) Vgl. Rn. 16 bis 20 des genannten Urteils. In dessen Rn. 21 stellte der Gerichtshof außerdem fest, dass die Rechte des Parlaments verletzt worden seien. Wie sich jedoch aus den in der folgenden Fußnote angeführten Urteilen ergibt, stellt die Verletzung der Rechte des Parlaments nach der Rechtsprechung keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung der Unvereinbarkeit der Rechtsgrundlagen dar, da die Unvereinbarkeit der Abstimmungsregeln hierfür ausreicht.
( 29 ) In anderen Rechtssachen hat der Gerichtshof die Unvereinbarkeit der beiden Rechtsgrundlagen festgestellt, da die eine für den Erlass eines Rechtsakts Einstimmigkeit verlange, während nach der anderen eine qualifizierte Mehrheit ausreiche. Vgl. Urteile Kommission/Rat (EU:C:2004:253, Rn. 58) und Parlament/Rat (EU:C:2012:472, Rn. 47 und 48).
( 30 ) Vgl. u. a. für das Parlament Art. 232 AEUV, für den Europäischen Rat Art. 235 Abs. 3 AEUV, für den Rat Art. 240 Abs. 3 AEUV, für die Kommission Art. 249 Abs. 1 AEUV.
( 31 ) Der Gerichtshof hat den Grundsatz der Autonomie der Organe für verschiedene Aspekte ihrer Tätigkeit anerkannt, so zum Beispiel in Bezug auf die Auswahl ihrer Beamten und Bediensteten, vgl. u. a. Urteil AB (C‑288/04, EU:C:2005:526, Rn. 26 und 30) oder im Rahmen des Ersatzes der von den Organen und Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schäden, vgl. Urteil Sayag (9/69, EU:C:1969:37, Rn. 5 und 6).
( 32 ) Vgl. hierzu Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed in der Rechtssache Betriebsrat der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich (C‑165/01, EU:C:2003:224, Nr. 98) und in der Rechtssache AB (C‑288/04, EU:C:2005:262, Nr. 23).
( 33 ) Vgl. Geschäftsordnung des Rates im Anhang des Beschlusses 2009/937/EU des Rates vom 1. Dezember 2009 zur Annahme seiner Geschäftsordnung (ABl. L 325, S. 36) in der geänderten Fassung.
( 34 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Luxemburg/Parlament (230/81, EU:C:1983:32 Rn. 38).
( 35 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed in der Rechtssache Betriebsrat der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich (EU:C:2003:224, Nr. 98) und in der Rechtssache AB (EU:C:2005:262, Nr. 23).
( 36 ) Vgl. hierzu Urteil Parlament/Rat (C‑65/93, EU:C:1995:91, Rn. 23, 27 und 28).
( 37 ) Vgl. u. a. Gutachten 2/91 (EU:C:1993:106, Rn. 36) und 1/94 (EU:C:1994:384, Rn. 108) sowie Urteil Kommission/Schweden (C‑246/07, EU:C:2010:203, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 38 ) Urteile Kommission/Luxemburg (C‑266/03, EU:C:2005:341, Rn. 60), Kommission/Deutschland (C‑433/03, EU:C:2005:462, Rn. 66) und Kommission/Schweden (EU:C:2010:203, Rn. 75).
( 39 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Schweden (EU:C:2010:203, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 40 ) Vgl. hierzu Urteile Kommission/Irland (C‑459/03, EU:C:2006:345, Rn. 173 und 174) und Kommission/Schweden (EU:C:2010:203, Rn. 69 bis 71 und 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 41 ) Vgl. hierzu Gutachten 2/91 (EU:C:1993:106, Rn. 38) und Urteil Kommission/Rat (C‑25/94, EU:C:1996:114, Rn. 48).
( 42 ) Vgl. in diesem Sinne Beschluss 1/78 (Slg. 1978, 2151, Rn. 33) in Bezug auf Art. 192 EAG-Vertrag, dessen Wortlaut im Wesentlichen Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 3 EUV entspricht.
( 43 ) Urteil Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 44 ) Das am 23. Mai 1969 in Wien unterzeichnete Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (United Nations Treaty Series, Bd. 1155, S. 331) und das am 21. März 1986 in Wien unterzeichnete Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen (A/CONF.129/15).
( 45 ) Aus dem jeweiligen Art. 27 der beiden Wiener Übereinkommen von 1969 und 1986 ergibt sich nämlich, dass eine Vertragspartei sich nicht auf ihr innerstaatliches Recht – bzw. im Fall einer internationalen Organisation die Vorschriften der Organisation – berufen kann, um die Nichterfüllung des Vertrags zu rechtfertigen. Diese Vorschrift lässt jedoch den jeweiligen Art. 46 der beiden Übereinkommen unberührt (vgl. folgende Fußnote).
( 46 ) Nach dem jeweiligen Art. 46 der beiden Wiener Übereinkommen von 1969 und 1986 ist ein Verstoß gegen innerstaatliche Vorschriften über die Zuständigkeit zum Abschluss eines Vertrags nur dann relevant, wenn die Verletzung offenkundig war oder eine innerstaatliche Rechtsvorschrift von grundlegender Bedeutung betraf. Vgl. auch den jeweiligen Art. 5 der beiden Übereinkommen.
( 47 ) Vgl. den jeweiligen Art. 26 der beiden Wiener Übereinkommen von 1969 und 1986.
( 48 ) Genauso hat der Gerichtshof einen hybriden Beschluss des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedstaaten ausgelegt, als er im Urteil Kommission/Rat (EU:C:2014:2151, Rn. 41) die Zulässigkeit der Klage prüfte.
( 49 ) Der Rat und mehrere der beteiligten Regierungen bestreiten, dass das Titandioxid-Urteil (EU:C:1991:244) im vorliegenden Fall herangezogen werden kann. Meines Erachtens unterscheiden sich die Rechtssache Titandioxid und die vorliegende Rechtssache zwar insofern, als es bei jener um die Anwendung von zwei Rechtsgrundlagen des Unionsrechts ging, während hier für die intergouvernementale Komponente des hybriden Beschlusses keine Rechtsgrundlage des Unionsrechts erforderlich ist. Jedoch steht für mich außer Zweifel, dass die im Titandioxid-Urteil ausgesprochenen Grundsätze der Rechtsprechung (siehe oben, Nr. 53) entsprechend anwendbar sind, und dies sogar erst recht, wenn es wie im vorliegenden Fall nicht um zwei unionsinterne Verfahren geht, sondern um ein Verfahren der Union und ein Verfahren ohne unionsrechtlichen Bezug.
( 50 ) Der vom Rat angeführte Umstand, dass der Erlass von hybriden Beschlüssen insbesondere im Bereich des Luftverkehrs auch nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon noch feste Praxis sei, kann die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses weder begründen noch Einfluss auf sie haben, da nach ständiger Rechtsprechung eine bloße Praxis die Vorschriften des Vertrags nicht abändern kann (vgl. Gutachten 1/08, EU:C:2009:739, Rn. 172, und Urteil Kommission/Rat, EU:C:2009:590, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 51 ) Dass, wie in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben wurde, der Erlass hybrider Rechtsakte eine Praxis sei, die quasi Ausnahmecharakter habe und auf die u. a. im Bereich der Luftfahrt zurückgegriffen werde, wenn zwischen den handelnden Rechtssubjekten (Mitgliedstaaten und Organe) offensichtlich keine Uneinigkeit bestehe, stellt keine Rechtfertigung einer rechtswidrigen Praxis dar. Zudem hat sich in der Erörterung in der mündlichen Verhandlung herausgestellt, dass diese Praxis nicht unbedingt auf diese Fälle beschränkt wäre.
( 52 ) Vgl. zur Autonomie der Unionsrechtsordnung Urteil Costa/E.N.E.L. (6/64, EU:C:1964:66, S. 1158) und Gutachten 2/13 (EU:C:2014:2454, Rn. 174, 183 und 201 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 53 ) Der Rat hat hierzu, unterstützt von mehreren Mitgliedstaaten, vorgetragen, die Verbindung unterschiedlicher Abstimmungsregeln sei im Rat gang und gäbe und der Gerichtshof habe die Verbindung unterschiedlicher Abstimmungsregeln im Rat gebilligt. Der Rat verweist auf die Urteile Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 211 bis 214) und Parlament/Rat (C‑166/07, EU:C:2009:499, Rn. 69). Durch diese Rechtsprechung, die ausschließlich den dem jetzigen Art. 352 AEUV entsprechenden Artikel des Vertrags betrifft, wird jedoch dem in Nr. 53 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Grundsatz des Ausschlusses der Häufung von Rechtsgrundlagen, wenn die darin vorgesehenen Verfahren miteinander unvereinbar sind, nichts von seiner Wirksamkeit genommen. Im vorliegenden Fall ist von einer Vereinbarkeit zweier unterschiedlicher Rechtsgrundlagen im Rahmen der Verfahren der Union nicht einmal die Rede, vielmehr geht es um die Verschmelzung eines Unionsrechtsakts und eines Rechtsakts, der gänzlich außerhalb der Unionsverfahren nach einer unterschiedlichen Abstimmungsregel erlassen wird. Der genannte Grundsatz der Rechtsprechung gilt daher meines Erachtens in der vorliegenden Rechtssache erst recht.
( 54 ) Vgl. hiermit übereinstimmend Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kommission/Rat (EU:C:2014:224, Nr. 189).
( 55 ) Vgl. hiermit übereinstimmend ebd. (Nr. 195).
( 56 ) In diesem Zusammenhang überzeugt mich die von der Kommission befürwortete Möglichkeit nicht, eine Pflicht zur Zusammenarbeit der Unionsorgane gegenüber der Union als solcher vorzusehen. Die Unionsorgane sind nämlich Teil der Union und stellen daher die Union selbst dar. Eine solche Pflicht zur Zusammenarbeit einzuführen, käme der Behauptung einer Pflicht zur Zusammenarbeit mit sich selbst gleich. Vielmehr lässt sich meines Erachtens das Verhalten, in dem die Kommission eine Verletzung der Pflicht des Rates zur Zusammenarbeit gegenüber der Union sieht, besser als Verstoß gegen den Grundsatz der Zusammenarbeit zwischen den Organen oder/und Verletzung der Pflicht zum Handeln im Interesse der Union nach den von dieser festgelegten Zielen im Sinne von Art. 13 Abs. 2 EUV einstufen.
( 57 ) Für die Entscheidung in der vorliegenden Rechtssache halte ich es nicht für notwendig, auf die von der Kommission aufgeworfene, hochsensible Frage einzugehen, die die Möglichkeit betrifft, im vorliegenden Fall die vorläufige Anwendung der in Rede stehenden Abkommen trotz ihrer gemischten Natur durch einen Beschluss allein des Rates sicherzustellen. Diese Frage hat nämlich meines Erachtens keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses. Sie lässt jedoch mehrere Rechtsfragen offen, die während des Verfahrens deutlich geworden sind. Der Rat hat in seinen Schriftsätzen dargelegt, dass er zu keinem Zeitpunkt den politischen Willen gehabt habe, einen Beschluss zu erlassen, durch den die Union zur vollen Ausübung ihrer potenziellen Zuständigkeit ermächtigt worden wäre, auch nicht in Bezug auf die vorläufige Anwendung der Abkommen. Eine solche Entscheidung politischer Natur schafft jedoch unweigerlich ein bestimmtes Maß an rechtlicher Unsicherheit hinsichtlich der Möglichkeit der vorläufigen Anwendung von internationalen Übereinkünften in den Mitgliedstaaten, in denen die vorläufige Anwendung von internationalen Übereinkünften verfassungsrechtlich nicht zulässig ist oder von der Anwendung innerstaatlicher Vorschriften abhängt. Trotz der Sensibilität dieser Frage, die die Rechte der nationalen Parlamente berühren könnte, frage ich mich jedoch, ob der Lösungsvorschlag der Kommission – der darin besteht, die vorläufige Anwendung der Übereinkünfte durch die Union soweit sicherzustellen, wie dies in ihrer Zuständigkeit liegt – nicht rechtlich vorzuziehen wäre. Denn die vorläufige Anwendung dieser Übereinkünfte „auf dem Verwaltungsweg“, auf die der Rat und mehrere Mitgliedstaaten verwiesen haben, die in den Mitgliedstaaten erfolgen würde, in denen die vorläufige Anwendung von internationalen Übereinkünften problematisch ist, scheint jedenfalls zu Problemen der Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Erfordernissen dieser Mitgliedstaaten zu führen.
( 58 ) Vgl. Gutachten 1/94 (EU:C:1994:384, Rn. 109).