Rechtssache T‑471/11

Éditions Odile Jacob SAS

gegen

Europäische Kommission

„Wettbewerb — Zusammenschlüsse — Markt für Buchverlagswesen — Entscheidung, mit der der Zusammenschluss unter der Bedingung der Weiterveräußerung von Vermögenswerten für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird — Beschluss über die Zulassung des Erwerbers der weiterveräußerten Vermögenswerte — Beschluss, der nach der Nichtigerklärung der ursprünglichen Entscheidung hinsichtlich desselben Verfahrens durch das Gericht gefasst wird — Rechtsschutzinteresse — Verstoß gegen Art. 266 AEUV — Verletzung der durch die Entscheidung über die bedingte Genehmigung auferlegten Verpflichtungen — Unterscheidung zwischen Bedingungen und Auflagen — Rückwirkungsverbot — Beurteilung der Bewerbung des Erwerbers — Unabhängigkeit des Erwerbers vom Veräußerer — Ermessensmissbrauch — Begründungspflicht“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 5. September 2014

  1. Gerichtliches Verfahren – Streithilfe – Vom Beklagten nicht erhobene Einrede der Unzulässigkeit – Unzulässigkeit

    (Satzung des Gerichtshofs, Art. 40 Abs. 4 und Art. 53; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 116 § 3)

  2. Gerichtliches Verfahren – Streithilfe – Andere Angriffs- und Verteidigungsmittel als die der unterstützten Partei – Unzulässigkeit

    (Satzung des Gerichtshofs, Art. 40 Abs. 4 und Art. 53; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 116 § 3)

  3. Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Rechtsschutzinteresse – Erfordernis eines bestehenden und gegenwärtigen Interesses – Interesse mit Bezug auf eine zukünftige, aber feststehende Situation – Zulässigkeit

    (Art. 263 Abs. 4 AEUV)

  4. Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Rechtsschutzinteresse – Klage des Adressaten eines Urteils eines Gerichts der Union gegen eine Handlung, die in der Folge dieses Urteils ergangen ist – Zulässigkeit – Grundlage einer möglichen Schadensersatzklage

    (Art. 263 Abs. 4 AEUV)

  5. Gerichtliches Verfahren – Klagegründe – Andere rechtliche Einordnung eines Klagegrundes als die in einem anderen Rechtsstreit vorgenommene – Zulässigkeit

    (Art. 263 Abs. 4 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47)

  6. Nichtigkeitsklage – Nichtigkeitsurteil – Tragweite – Absolute Rechtskraft – Umfang – Berücksichtigung sowohl der Begründung als auch des Tenors – Rechtsfrage, die ein vom Unionsrichter außerhalb des Rahmens des bei ihm anhängigen Rechtsstreits geäußertes obiter dictum darstellt – Ausschluss – Wirkungen des Nichtigkeitsurteils – Verpflichtung des Verfassers der neuen Entscheidung, auf den Zeitpunkt des Erlasses des für nichtig erklärten Rechtsakts zurückzugehen und die damals geltenden Bestimmungen zu berücksichtigen

    (Art. 264 AEUV und 266 AEUV)

  7. Nichtigkeitsklage – Nichtigkeitsurteil – Durchführungsmaßnahmen – Weigerung, Maßnahmen zu ergreifen, die über die Ersetzung der für nichtig erklärten Handlung hinausgehen – Streit über den Umfang der Durchführungspflicht – Klageart – Untätigkeitsklage – Streit über die Rechtmäßigkeit des Rechtsakts, der anstelle des für nichtig erklärten Rechtsakts erlassen wurde – Klageart – Nichtigkeitsklage

    (Art. 263 AEUV, 265 AEUV und 266 AEUV)

  8. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Prüfung durch die Kommission – Unterscheidung zwischen Bedingungen und Auflagen, die den Unternehmen im Rahmen eines Verfahrens der bedingten Genehmigung eines Zusammenschlusses auferlegt werden – Wirkungen

    (Verordnung Nr. 4064/89 des Rates, Art. 8 Abs. 2 und 5 Buchst. b und Art. 14 Abs. 2 Buchst. b und c; Mitteilung 2001/C 68/03 der Kommission, Nr. 12)

  9. Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Vertrauensschutz – Rechtssicherheit – Dem Urheber eines Verstoßes gegen die geltenden Vorschriften verweigerter Schutz – Durch das Erfordernis der Wahrung der Gleichbehandlung gerechtfertigter Vorrang des Rechtmäßigkeitsgrundsatzes vor den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes

  10. Handlungen der Organe – Zeitliche Geltung – Rückwirkungsverbot – Ausnahmen – Voraussetzungen – Erreichung eines im Allgemeininteresse liegenden Ziels und Beachtung des Vertrauensschutzes – Nichtigerklärung eines Beschlusses über die Zulassung des Erwerbers der weiterveräußerten Vermögenswerte im Rahmen eines Zusammenschlusses wegen der fehlenden Unabhängigkeit des Beauftragten – Erlass einer rückwirkenden Entscheidung zur Heilung der ursprünglichen Rechtswidrigkeit – Zulässigkeit

  11. Nichtigkeitsklage – Urteil, mit dem eine Nichtigkeitsklage abgewiesen wird – Wirkungen – Relative Rechtskraft – Aufrechterhaltung der Vermutung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Handlung – Unzulässigkeit einer neuen Klage, die denselben Gegenstand und dieselben Parteien betrifft sowie auf derselben Grundlage beruht

    (Art. 256 Abs. 1 AEUV)

  12. Nichtigkeitsklage – Nichtigkeitsurteil – Wirkungen – Verpflichtung zum Erlass von Durchführungsmaßnahmen – Nichtigerklärung eines Beschlusses über die Zulassung des Erwerbers der im Rahmen eines Zusammenschlusses weiterveräußerten Vermögenswerte – Keine Erforderlichkeit, in dem Beschluss dieselben Gründe wie die in dem für nichtig erklärten Rechtsakt genannten anzuführen – Berücksichtigung von nach dem Zeitpunkt des Erlasses der für nichtig erklärten Handlung eingetretenen Gegebenheiten – Zulässigkeit

    (Art. 266 AEUV)

  13. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Prüfung durch die Kommission – Wirtschaftliche Beurteilungen – Ermessen bei der Beurteilung – Gerichtliche Prüfung – Grenzen

    (Verordnung Nr. 4064/89 des Rates, Art. 2)

  14. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Prüfung durch die Kommission – Verpflichtungszusagen der betroffenen Unternehmen, die geeignet sind, das angemeldete Vorhaben mit dem Binnenmarkt vereinbar zu machen – Verpflichtungszusage, Vermögenswerte weiterzuveräußern – Kriterien zur Auswahl des Erwerbers – Möglichkeit der Kommission, den Erwerber auszuwählen, der am geeignetsten ist, um einen vollkommenen Wettbewerb auf dem Markt zu gewährleisten – Fehlen – Weiterveräußerung von Vermögenswerten an einen Erwerber, der über keine Erfahrung in dem betreffenden Sektor verfügt – Zulässigkeit – Voraussetzungen – Gerichtliche Prüfung – Grenzen

    (Verordnung Nr. 4064/89 des Rates, Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 und 3; Mitteilung 2001/C 68/03 der Kommission, Nr. 49)

  15. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Prüfung durch die Kommission – Verpflichtungszusagen der betroffenen Unternehmen, die geeignet sind, das angemeldete Vorhaben mit dem Binnenmarkt vereinbar zu machen – Verpflichtungszusage, Vermögenswerte weiterzuveräußern – Kriterien zur Auswahl des Erwerbers – Gegenwärtiger oder potenzieller Wettbewerber – Unabhängigkeit des Erwerbers vom Veräußerer – Mitgliedschaft ein und derselben Person in bestimmten Organen des Veräußerers und des Erwerbers – Zulässigkeit – Voraussetzungen

    (Verordnung Nr. 4064/89 des Rates, Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 und 3; Mitteilung 2001/C 68/03 der Kommission, Nr. 49)

  16. Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Entscheidung zur Durchführung der Vorschriften über Unternehmenszusammenschlüsse – Entscheidung, mit der ein Zusammenschluss genehmigt wird – Begründung, die eine für sich genommen bereits ausreichende Begründung ergänzt

    (Art. 296 AEUV)

  1.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 36)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 36, 37)

  3.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 39)

  4.  Die Adressaten eines Urteils eines Unionsgerichts, mit dem eine Handlung eines Organs aufgehoben wurde, haben ein Rechtsschutzinteresse im Rahmen eines Rechtsstreits, der die Art und Weise betrifft, in der das Organ dieses Urteil durchführt, und zwar selbst dann, wenn die angefochtene Handlung keine Wirkungen mehr zeitigt. Dieser Grundsatz kann durch den bloßen Umstand, dass die Klägerin selbst im Fall der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung keine Möglichkeit habe, die Vermögenswerte zu erwerben, die – genehmigt durch die für nichtig erklärte Entscheidung – an ein anderes Unternehmen veräußert worden waren, nicht in Frage gestellt werden. Da nämlich der Erlass einer Entscheidung die Art und Weise darstellt, in der die Kommission ein Urteil durchführen wollte, hat die Klägerin schon deshalb ein Interesse daran, gegen die angefochtene Entscheidung vorzugehen, weil sie Partei der Rechtssache war, in der dieses Urteil erging.

    Im Übrigen hat ein Unternehmen, das in einer Liste aufgeführt war, die sich auf fünf mögliche Erwerber der im Rahmen eines Zusammenschlusses zu veräußernden Vermögensgegenstände beschränkte, ein Interesse daran, die Entscheidung der Kommission für nichtig erklären zu lassen, mit der ein anderes dieser fünf Unternehmen zugelassen wird, weil diese Entscheidung notwendigerweise geeignet ist, seine geschäftliche Lage zu beeinträchtigen, unabhängig davon, ob es im Fall der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung selbst als Erwerber der fraglichen Vermögensgegenstände zugelassen werden könnte.

    Zudem hat ein Kläger ein Interesse an der Nichtigerklärung eines ihn unmittelbar berührenden Rechtsakts, um vom Unionsrichter feststellen zu lassen, dass ihm gegenüber rechtswidrig gehandelt wurde, weil diese Feststellung als Grundlage einer etwaigen Klage auf angemessenen Ersatz des durch die angefochtene Handlung entstandenen Schadens dienen kann.

    (vgl. Rn. 40, 41, 43, 44)

  5.  Keine Bestimmung der Satzung des Gerichtshofs oder der Verfahrensordnung untersagt einer Partei, einen Klagegrund rechtlich in anderer Weise einzuordnen, als sie es in einem anderen Rechtsstreit getan hat. Das Recht natürlicher und juristischer Personen aus Art. 263 Abs. 4 AEUV, beim Gericht Klage zu erheben, kann nämlich mangels einer entsprechenden ausdrücklichen Rechtsgrundlage nicht eingeschränkt werden, ohne gegen die tragenden Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Wahrung der Verteidigungsrechte sowie gegen das in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht zu verstoßen.

    Zwar bestimmen die Parteien den Streitgegenstand des Rechtsstreits, der vom Gericht nicht geändert werden kann, das Gericht hat jedoch das Vorbringen eines Klägers anhand seines Inhalts und nicht anhand seiner rechtlichen Einordnung auszulegen und folglich die Gründe und Argumente der Klage rechtlich selbst zu qualifizieren.

    Der Rechtsgrundsatz non concedit venire contra factum proprium bedeutet im Unionsrecht jedenfalls nur, dass eine Partei vor dem erstinstanzlichen Gericht zugestandene und in dessen Sitzungsprotokoll aufgenommene Tatsachen oder Verfahrensvorgänge vor dem Rechtsmittelgericht nicht mehr bestreiten kann.

    (vgl. Rn. 50-52)

  6.  Die von den Unionsgerichten erlassenen Nichtigkeitsurteile erlangen, sobald sie rechtskräftig sind, absolute Rechtskraft. Diese umfasst nicht nur den Tenor des Nichtigkeitsurteils, sondern auch die Gründe, die den Tenor tragen und daher von diesem nicht zu trennen sind.

    Die Rechtskraft eines Urteils erstreckt sich lediglich auf diejenigen Tatsachen- und Rechtsfragen, die tatsächlich oder notwendigerweise Gegenstand der Entscheidung waren. Außerdem wird ein in einem Nichtigkeitsurteil geäußertes obiter dictum nicht von der absoluten Rechtskraft erfasst. Somit verpflichtet Art. 266 AEUV das Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt, nur innerhalb der Grenzen dessen, was erforderlich ist, um das Nichtigkeitsurteil durchzuführen.

    Das Verfahren zur Ersetzung einer für nichtig erklärten Handlung ist genau an dem Punkt wieder aufzunehmen, an dem die Rechtswidrigkeit eingetreten ist. Die Nichtigerklärung einer Handlung, die ein Verwaltungsverfahren abschließt, das mehrere Phasen umfasst, hat nicht notwendig und unabhängig von den materiellen oder formellen Gründen des Nichtigkeitsurteils die Nichtigkeit des gesamten Verfahrens zur Folge, auf dem die angefochtene Handlung beruht. Bei dem Erlass des ersetzenden Rechtsakts hat das Organ daher auf den Zeitpunkt zurückzugehen, an dem es den für nichtig erklärten Rechtsakt erlassen hatte, und zwar auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt geltenden Bestimmungen und maßgeblichen Tatsachen. In seiner erneuten Entscheidung kann es jedoch andere Gründe anführen als die, auf die es die erste Entscheidung gestützt hatte. Auch braucht es sich nicht erneut zu Aspekten seiner ursprünglichen Entscheidung zu äußern, die im Nichtigkeitsurteil nicht in Frage gestellt wurden.

    (vgl. Rn. 56-59, 63, 66, 67, 125)

  7.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 71)

  8.  Die Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen und die Mitteilung der Kommission über im Rahmen der Verordnung Nr. 4064/89 und der Verordnung Nr. 447/98 zulässige Abhilfemaßnahmen unterscheiden zwischen Bedingungen und Auflagen, die den Unternehmen im Rahmen eines Verfahrens der bedingten Genehmigung eines Zusammenschlusses auferlegt werden. Die Kommission kann ihre Entscheidung widerrufen, wenn die beteiligten Unternehmen einer darin vorgesehenen Auflage zuwiderhandeln und gegen diese Unternehmen eine Geldbuße festsetzen. Für den Verstoß gegen eine Bedingung sieht die Verordnung Nr. 4064/89 hingegen keine speziellen Konsequenzen vor.

    Unter diesen Umständen wird zum einen die Entscheidung, die einen Zusammenschluss für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt, hinfällig, wenn eine Partei eine Bedingung – eine strukturelle Maßnahme, ohne die der Zusammenschluss nicht hätte genehmigt werden können – nicht erfüllt. Zum anderen kann die Kommission im Fall der Nichterfüllung einer Auflage, mit der die Entscheidung über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt verbunden ist, diese Entscheidung widerrufen und dem Unternehmen, das gegen diese Auflage verstoßen hat, eine Geldbuße auferlegen, ist aber nicht verpflichtet, derartige Maßnahmen zu ergreifen.

    (vgl. Rn. 73, 76, 77, 80, 83)

  9.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 92-94)

  10.  Der Grundsatz der Rechtssicherheit, der einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, verbietet es im Allgemeinen, den Beginn der Geltungsdauer eines Rechtsakts auf einen Zeitpunkt vor dessen Veröffentlichung zu legen. Nach ständiger Rechtsprechung kann dies aber ausnahmsweise anders sein, wenn das angestrebte Ziel es verlangt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet ist. Diese Feststellung beruht nicht auf einer Unterscheidung zwischen individuellen Entscheidungen und Rechtsakten mit Verordnungscharakter.

    Die Beachtung der Rechtmäßigkeit und der Rechtskraft durch die Verwaltung stellt ein solches im Allgemeininteresse liegendes Ziel dar. Eine Entscheidung der Kommission, die die rechtliche Lücke schließen sollte, die dadurch entstanden war, dass der Unionsrichter eine erste Entscheidung der Kommission für nichtig erklärt hatte, mit der ein Erwerber von aufgrund der Verpflichtungen im Rahmen einer Entscheidung über die Genehmigung eines Unternehmenszusammenschlusses veräußerten Vermögenswerten zugelassen worden war, und die somit die Rechtssicherheit der Unternehmen schützen sollte, die der Anwendung der Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen unterlagen, erfüllt daher dieses Ziel.

    Der Grundsatz des Vertrauensschutzes steht auch nicht dem Erlass einer neuen, rückwirkenden Zulassungsentscheidung entgegen, weil die Umsetzung der in der mit Auflagen verbundenen Genehmigungsentscheidung vorgesehenen Verpflichtungszusagen, an die das Unternehmen, das sich im Hinblick auf die Durchführung des Zusammenschlusses zur Veräußerung der Vermögenswerte verpflichtet hat, zum Zeitpunkt des Erlasses der neuen Entscheidung weiterhin gebunden ist, voraussetzt, dass dieses Unternehmen der Kommission einerseits einen Erwerber der im Hinblick auf die Durchführung des Zusammenschlusses weiterzuveräußernden Vermögenswerte vorschlägt, und zum anderen, dass die Kommission über die Zulassung des von dem Unternehmen vorgeschlagenen Erwerbers entscheidet.

    (vgl. Rn. 102, 103, 106, 108)

  11.  Urteile, mit denen Klagen auf Nichtigerklärung einer Handlung eines Organs der Union abgewiesen werden, entfalten relative Rechtskraft, die lediglich zur Folge hat, dass jede neue Klage, die denselben Gegenstand und dieselben Parteien betrifft sowie auf derselben Grundlage beruht, unzulässig ist. Ein solches Urteil bedeutet daher nicht, dass die angefochtene Handlung gültig ist, sondern nur, dass keiner der vom Kläger geltend gemachten Klagegründe begründet war und auch keine Gründe zwingenden Rechts vorlagen, die das Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen hat. Daher gilt für die angefochtene Handlung weiterhin die Vermutung der Rechtmäßigkeit, die für alle Rechtssubjekte der Union auch die Verpflichtung mit sich bringt, die volle Wirksamkeit dieser Handlung anzuerkennen, solange deren Rechtswidrigkeit nicht festgestellt ist.

    (vgl. Rn. 117, 144)

  12.  Das Organ, dessen Rechtsakt für nichtig erklärt worden ist, hat diesen durch einen neuen Rechtsakt zu ersetzen und dabei auf den Zeitpunkt zurückzugehen, zu dem der ursprüngliche Rechtsakt erlassen worden war, und zwar auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt geltenden Bestimmungen und maßgeblichen Tatsachen. In seiner erneuten Entscheidung kann es jedoch andere Gründe anführen als die, auf die es die erste Entscheidung gestützt hatte.

    Die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen erfordert eine Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung der sich künftig aus dem Zusammenschluss möglicherweise ergebenden Wettbewerbssituation, insbesondere hinsichtlich der Beurteilung der Lebens- und Leistungsfähigkeit des Erwerbers und seiner Fähigkeit, auf den betroffenen Märkten einen wirksamen Wettbewerb zu erhalten oder zu entwickeln.

    Daher kann die Kommission, wenn sie die Untersuchung der durch den Zusammenschluss entstandenen Wettbewerbssituation im Nachhinein durchführen muss, zu Recht prüfen, ob ihre anhand des zum Zeitpunkt des Erlasses der für nichtig erklärten Entscheidung bekannten Sachverhalts durchgeführte Analyse durch die Gegebenheiten der nachfolgenden Zeit gestützt wird.

    (vgl. Rn. 125, 127, 128, 134)

  13.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 135-138)

  14.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 145, 146, 148)

  15.  Im Rahmen eines Zusammenschlusses zielt die Bedingung der Unabhängigkeit eines Erwerbers von Vermögenswerten, die weiterveräußert werden, damit der Zusammenschluss genehmigt wird, insbesondere darauf ab, dessen Fähigkeit sicherzustellen, sich auf dem Markt wie ein wirksamer und eigenständiger Wettbewerber zu verhalten, ohne dass seine Strategie und seine Entscheidungen vom Veräußerer beeinflusst werden können. Diese Unabhängigkeit lässt sich beurteilen, indem die kapitalmäßigen, finanziellen, geschäftlichen, personellen und materiellen Verflechtungen zwischen den beiden Gesellschaften untersucht werden.

    Die Mitgliedschaft ein und derselben Person in den Leitungsorganen des Erwerbers und in den Aufsichtsorganen des Veräußerers ist nicht notwendigerweise geeignet, den Nachweis zu erbringen, dass der Erwerber vom Veräußerer abhängig ist.

    Wenn nämlich der Erwerber auf Verlangen der Kommission vor Erlass des Beschlusses über die Zulassung förmlich zugesagt hatte, dass diese Person zum einen ihre Ämter bei dieser Gesellschaft innerhalb eines Jahres nach Zulassung ihrer Bewerbung niederlegt und zum anderen in dieser Zwischenzeit nicht an Beratungen des Verwaltungsrats und der anderen internen Ausschüsse teilnimmt, wenn diese die von dem Zusammenschluss betroffenen Tätigkeiten betreffen, und von der Geschäftsleitung oder den operativen Führungskräften des Erwerbers keine vertraulichen Informationen in Bezug auf den betroffenen Tätigkeitssektor erhält, kann davon ausgegangen werden, dass die Kommission dafür Sorge getragen hat, dass die Mitgliedschaft ein und derselben Person in den Leitungsorganen des Erwerbers und in den Aufsichtsorganen des Veräußerers die Unabhängigkeit des Erwerbers und folglich die Erhaltung und Entwicklung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem betroffenen Markt nicht beeinträchtigen konnte.

    (vgl. Rn. 152, 155, 158, 159)

  16.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 175-177, 182)


Rechtssache T‑471/11

Éditions Odile Jacob SAS

gegen

Europäische Kommission

„Wettbewerb — Zusammenschlüsse — Markt für Buchverlagswesen — Entscheidung, mit der der Zusammenschluss unter der Bedingung der Weiterveräußerung von Vermögenswerten für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird — Beschluss über die Zulassung des Erwerbers der weiterveräußerten Vermögenswerte — Beschluss, der nach der Nichtigerklärung der ursprünglichen Entscheidung hinsichtlich desselben Verfahrens durch das Gericht gefasst wird — Rechtsschutzinteresse — Verstoß gegen Art. 266 AEUV — Verletzung der durch die Entscheidung über die bedingte Genehmigung auferlegten Verpflichtungen — Unterscheidung zwischen Bedingungen und Auflagen — Rückwirkungsverbot — Beurteilung der Bewerbung des Erwerbers — Unabhängigkeit des Erwerbers vom Veräußerer — Ermessensmissbrauch — Begründungspflicht“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 5. September 2014

  1. Gerichtliches Verfahren – Streithilfe – Vom Beklagten nicht erhobene Einrede der Unzulässigkeit – Unzulässigkeit

    (Satzung des Gerichtshofs, Art. 40 Abs. 4 und Art. 53; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 116 § 3)

  2. Gerichtliches Verfahren – Streithilfe – Andere Angriffs- und Verteidigungsmittel als die der unterstützten Partei – Unzulässigkeit

    (Satzung des Gerichtshofs, Art. 40 Abs. 4 und Art. 53; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 116 § 3)

  3. Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Rechtsschutzinteresse – Erfordernis eines bestehenden und gegenwärtigen Interesses – Interesse mit Bezug auf eine zukünftige, aber feststehende Situation – Zulässigkeit

    (Art. 263 Abs. 4 AEUV)

  4. Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Rechtsschutzinteresse – Klage des Adressaten eines Urteils eines Gerichts der Union gegen eine Handlung, die in der Folge dieses Urteils ergangen ist – Zulässigkeit – Grundlage einer möglichen Schadensersatzklage

    (Art. 263 Abs. 4 AEUV)

  5. Gerichtliches Verfahren – Klagegründe – Andere rechtliche Einordnung eines Klagegrundes als die in einem anderen Rechtsstreit vorgenommene – Zulässigkeit

    (Art. 263 Abs. 4 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47)

  6. Nichtigkeitsklage – Nichtigkeitsurteil – Tragweite – Absolute Rechtskraft – Umfang – Berücksichtigung sowohl der Begründung als auch des Tenors – Rechtsfrage, die ein vom Unionsrichter außerhalb des Rahmens des bei ihm anhängigen Rechtsstreits geäußertes obiter dictum darstellt – Ausschluss – Wirkungen des Nichtigkeitsurteils – Verpflichtung des Verfassers der neuen Entscheidung, auf den Zeitpunkt des Erlasses des für nichtig erklärten Rechtsakts zurückzugehen und die damals geltenden Bestimmungen zu berücksichtigen

    (Art. 264 AEUV und 266 AEUV)

  7. Nichtigkeitsklage – Nichtigkeitsurteil – Durchführungsmaßnahmen – Weigerung, Maßnahmen zu ergreifen, die über die Ersetzung der für nichtig erklärten Handlung hinausgehen – Streit über den Umfang der Durchführungspflicht – Klageart – Untätigkeitsklage – Streit über die Rechtmäßigkeit des Rechtsakts, der anstelle des für nichtig erklärten Rechtsakts erlassen wurde – Klageart – Nichtigkeitsklage

    (Art. 263 AEUV, 265 AEUV und 266 AEUV)

  8. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Prüfung durch die Kommission – Unterscheidung zwischen Bedingungen und Auflagen, die den Unternehmen im Rahmen eines Verfahrens der bedingten Genehmigung eines Zusammenschlusses auferlegt werden – Wirkungen

    (Verordnung Nr. 4064/89 des Rates, Art. 8 Abs. 2 und 5 Buchst. b und Art. 14 Abs. 2 Buchst. b und c; Mitteilung 2001/C 68/03 der Kommission, Nr. 12)

  9. Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Vertrauensschutz – Rechtssicherheit – Dem Urheber eines Verstoßes gegen die geltenden Vorschriften verweigerter Schutz – Durch das Erfordernis der Wahrung der Gleichbehandlung gerechtfertigter Vorrang des Rechtmäßigkeitsgrundsatzes vor den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes

  10. Handlungen der Organe – Zeitliche Geltung – Rückwirkungsverbot – Ausnahmen – Voraussetzungen – Erreichung eines im Allgemeininteresse liegenden Ziels und Beachtung des Vertrauensschutzes – Nichtigerklärung eines Beschlusses über die Zulassung des Erwerbers der weiterveräußerten Vermögenswerte im Rahmen eines Zusammenschlusses wegen der fehlenden Unabhängigkeit des Beauftragten – Erlass einer rückwirkenden Entscheidung zur Heilung der ursprünglichen Rechtswidrigkeit – Zulässigkeit

  11. Nichtigkeitsklage – Urteil, mit dem eine Nichtigkeitsklage abgewiesen wird – Wirkungen – Relative Rechtskraft – Aufrechterhaltung der Vermutung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Handlung – Unzulässigkeit einer neuen Klage, die denselben Gegenstand und dieselben Parteien betrifft sowie auf derselben Grundlage beruht

    (Art. 256 Abs. 1 AEUV)

  12. Nichtigkeitsklage – Nichtigkeitsurteil – Wirkungen – Verpflichtung zum Erlass von Durchführungsmaßnahmen – Nichtigerklärung eines Beschlusses über die Zulassung des Erwerbers der im Rahmen eines Zusammenschlusses weiterveräußerten Vermögenswerte – Keine Erforderlichkeit, in dem Beschluss dieselben Gründe wie die in dem für nichtig erklärten Rechtsakt genannten anzuführen – Berücksichtigung von nach dem Zeitpunkt des Erlasses der für nichtig erklärten Handlung eingetretenen Gegebenheiten – Zulässigkeit

    (Art. 266 AEUV)

  13. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Prüfung durch die Kommission – Wirtschaftliche Beurteilungen – Ermessen bei der Beurteilung – Gerichtliche Prüfung – Grenzen

    (Verordnung Nr. 4064/89 des Rates, Art. 2)

  14. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Prüfung durch die Kommission – Verpflichtungszusagen der betroffenen Unternehmen, die geeignet sind, das angemeldete Vorhaben mit dem Binnenmarkt vereinbar zu machen – Verpflichtungszusage, Vermögenswerte weiterzuveräußern – Kriterien zur Auswahl des Erwerbers – Möglichkeit der Kommission, den Erwerber auszuwählen, der am geeignetsten ist, um einen vollkommenen Wettbewerb auf dem Markt zu gewährleisten – Fehlen – Weiterveräußerung von Vermögenswerten an einen Erwerber, der über keine Erfahrung in dem betreffenden Sektor verfügt – Zulässigkeit – Voraussetzungen – Gerichtliche Prüfung – Grenzen

    (Verordnung Nr. 4064/89 des Rates, Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 und 3; Mitteilung 2001/C 68/03 der Kommission, Nr. 49)

  15. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Prüfung durch die Kommission – Verpflichtungszusagen der betroffenen Unternehmen, die geeignet sind, das angemeldete Vorhaben mit dem Binnenmarkt vereinbar zu machen – Verpflichtungszusage, Vermögenswerte weiterzuveräußern – Kriterien zur Auswahl des Erwerbers – Gegenwärtiger oder potenzieller Wettbewerber – Unabhängigkeit des Erwerbers vom Veräußerer – Mitgliedschaft ein und derselben Person in bestimmten Organen des Veräußerers und des Erwerbers – Zulässigkeit – Voraussetzungen

    (Verordnung Nr. 4064/89 des Rates, Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 und 3; Mitteilung 2001/C 68/03 der Kommission, Nr. 49)

  16. Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Entscheidung zur Durchführung der Vorschriften über Unternehmenszusammenschlüsse – Entscheidung, mit der ein Zusammenschluss genehmigt wird – Begründung, die eine für sich genommen bereits ausreichende Begründung ergänzt

    (Art. 296 AEUV)

  1.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 36)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 36, 37)

  3.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 39)

  4.  Die Adressaten eines Urteils eines Unionsgerichts, mit dem eine Handlung eines Organs aufgehoben wurde, haben ein Rechtsschutzinteresse im Rahmen eines Rechtsstreits, der die Art und Weise betrifft, in der das Organ dieses Urteil durchführt, und zwar selbst dann, wenn die angefochtene Handlung keine Wirkungen mehr zeitigt. Dieser Grundsatz kann durch den bloßen Umstand, dass die Klägerin selbst im Fall der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung keine Möglichkeit habe, die Vermögenswerte zu erwerben, die – genehmigt durch die für nichtig erklärte Entscheidung – an ein anderes Unternehmen veräußert worden waren, nicht in Frage gestellt werden. Da nämlich der Erlass einer Entscheidung die Art und Weise darstellt, in der die Kommission ein Urteil durchführen wollte, hat die Klägerin schon deshalb ein Interesse daran, gegen die angefochtene Entscheidung vorzugehen, weil sie Partei der Rechtssache war, in der dieses Urteil erging.

    Im Übrigen hat ein Unternehmen, das in einer Liste aufgeführt war, die sich auf fünf mögliche Erwerber der im Rahmen eines Zusammenschlusses zu veräußernden Vermögensgegenstände beschränkte, ein Interesse daran, die Entscheidung der Kommission für nichtig erklären zu lassen, mit der ein anderes dieser fünf Unternehmen zugelassen wird, weil diese Entscheidung notwendigerweise geeignet ist, seine geschäftliche Lage zu beeinträchtigen, unabhängig davon, ob es im Fall der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung selbst als Erwerber der fraglichen Vermögensgegenstände zugelassen werden könnte.

    Zudem hat ein Kläger ein Interesse an der Nichtigerklärung eines ihn unmittelbar berührenden Rechtsakts, um vom Unionsrichter feststellen zu lassen, dass ihm gegenüber rechtswidrig gehandelt wurde, weil diese Feststellung als Grundlage einer etwaigen Klage auf angemessenen Ersatz des durch die angefochtene Handlung entstandenen Schadens dienen kann.

    (vgl. Rn. 40, 41, 43, 44)

  5.  Keine Bestimmung der Satzung des Gerichtshofs oder der Verfahrensordnung untersagt einer Partei, einen Klagegrund rechtlich in anderer Weise einzuordnen, als sie es in einem anderen Rechtsstreit getan hat. Das Recht natürlicher und juristischer Personen aus Art. 263 Abs. 4 AEUV, beim Gericht Klage zu erheben, kann nämlich mangels einer entsprechenden ausdrücklichen Rechtsgrundlage nicht eingeschränkt werden, ohne gegen die tragenden Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Wahrung der Verteidigungsrechte sowie gegen das in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht zu verstoßen.

    Zwar bestimmen die Parteien den Streitgegenstand des Rechtsstreits, der vom Gericht nicht geändert werden kann, das Gericht hat jedoch das Vorbringen eines Klägers anhand seines Inhalts und nicht anhand seiner rechtlichen Einordnung auszulegen und folglich die Gründe und Argumente der Klage rechtlich selbst zu qualifizieren.

    Der Rechtsgrundsatz non concedit venire contra factum proprium bedeutet im Unionsrecht jedenfalls nur, dass eine Partei vor dem erstinstanzlichen Gericht zugestandene und in dessen Sitzungsprotokoll aufgenommene Tatsachen oder Verfahrensvorgänge vor dem Rechtsmittelgericht nicht mehr bestreiten kann.

    (vgl. Rn. 50-52)

  6.  Die von den Unionsgerichten erlassenen Nichtigkeitsurteile erlangen, sobald sie rechtskräftig sind, absolute Rechtskraft. Diese umfasst nicht nur den Tenor des Nichtigkeitsurteils, sondern auch die Gründe, die den Tenor tragen und daher von diesem nicht zu trennen sind.

    Die Rechtskraft eines Urteils erstreckt sich lediglich auf diejenigen Tatsachen- und Rechtsfragen, die tatsächlich oder notwendigerweise Gegenstand der Entscheidung waren. Außerdem wird ein in einem Nichtigkeitsurteil geäußertes obiter dictum nicht von der absoluten Rechtskraft erfasst. Somit verpflichtet Art. 266 AEUV das Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt, nur innerhalb der Grenzen dessen, was erforderlich ist, um das Nichtigkeitsurteil durchzuführen.

    Das Verfahren zur Ersetzung einer für nichtig erklärten Handlung ist genau an dem Punkt wieder aufzunehmen, an dem die Rechtswidrigkeit eingetreten ist. Die Nichtigerklärung einer Handlung, die ein Verwaltungsverfahren abschließt, das mehrere Phasen umfasst, hat nicht notwendig und unabhängig von den materiellen oder formellen Gründen des Nichtigkeitsurteils die Nichtigkeit des gesamten Verfahrens zur Folge, auf dem die angefochtene Handlung beruht. Bei dem Erlass des ersetzenden Rechtsakts hat das Organ daher auf den Zeitpunkt zurückzugehen, an dem es den für nichtig erklärten Rechtsakt erlassen hatte, und zwar auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt geltenden Bestimmungen und maßgeblichen Tatsachen. In seiner erneuten Entscheidung kann es jedoch andere Gründe anführen als die, auf die es die erste Entscheidung gestützt hatte. Auch braucht es sich nicht erneut zu Aspekten seiner ursprünglichen Entscheidung zu äußern, die im Nichtigkeitsurteil nicht in Frage gestellt wurden.

    (vgl. Rn. 56-59, 63, 66, 67, 125)

  7.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 71)

  8.  Die Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen und die Mitteilung der Kommission über im Rahmen der Verordnung Nr. 4064/89 und der Verordnung Nr. 447/98 zulässige Abhilfemaßnahmen unterscheiden zwischen Bedingungen und Auflagen, die den Unternehmen im Rahmen eines Verfahrens der bedingten Genehmigung eines Zusammenschlusses auferlegt werden. Die Kommission kann ihre Entscheidung widerrufen, wenn die beteiligten Unternehmen einer darin vorgesehenen Auflage zuwiderhandeln und gegen diese Unternehmen eine Geldbuße festsetzen. Für den Verstoß gegen eine Bedingung sieht die Verordnung Nr. 4064/89 hingegen keine speziellen Konsequenzen vor.

    Unter diesen Umständen wird zum einen die Entscheidung, die einen Zusammenschluss für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt, hinfällig, wenn eine Partei eine Bedingung – eine strukturelle Maßnahme, ohne die der Zusammenschluss nicht hätte genehmigt werden können – nicht erfüllt. Zum anderen kann die Kommission im Fall der Nichterfüllung einer Auflage, mit der die Entscheidung über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt verbunden ist, diese Entscheidung widerrufen und dem Unternehmen, das gegen diese Auflage verstoßen hat, eine Geldbuße auferlegen, ist aber nicht verpflichtet, derartige Maßnahmen zu ergreifen.

    (vgl. Rn. 73, 76, 77, 80, 83)

  9.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 92-94)

  10.  Der Grundsatz der Rechtssicherheit, der einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, verbietet es im Allgemeinen, den Beginn der Geltungsdauer eines Rechtsakts auf einen Zeitpunkt vor dessen Veröffentlichung zu legen. Nach ständiger Rechtsprechung kann dies aber ausnahmsweise anders sein, wenn das angestrebte Ziel es verlangt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet ist. Diese Feststellung beruht nicht auf einer Unterscheidung zwischen individuellen Entscheidungen und Rechtsakten mit Verordnungscharakter.

    Die Beachtung der Rechtmäßigkeit und der Rechtskraft durch die Verwaltung stellt ein solches im Allgemeininteresse liegendes Ziel dar. Eine Entscheidung der Kommission, die die rechtliche Lücke schließen sollte, die dadurch entstanden war, dass der Unionsrichter eine erste Entscheidung der Kommission für nichtig erklärt hatte, mit der ein Erwerber von aufgrund der Verpflichtungen im Rahmen einer Entscheidung über die Genehmigung eines Unternehmenszusammenschlusses veräußerten Vermögenswerten zugelassen worden war, und die somit die Rechtssicherheit der Unternehmen schützen sollte, die der Anwendung der Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen unterlagen, erfüllt daher dieses Ziel.

    Der Grundsatz des Vertrauensschutzes steht auch nicht dem Erlass einer neuen, rückwirkenden Zulassungsentscheidung entgegen, weil die Umsetzung der in der mit Auflagen verbundenen Genehmigungsentscheidung vorgesehenen Verpflichtungszusagen, an die das Unternehmen, das sich im Hinblick auf die Durchführung des Zusammenschlusses zur Veräußerung der Vermögenswerte verpflichtet hat, zum Zeitpunkt des Erlasses der neuen Entscheidung weiterhin gebunden ist, voraussetzt, dass dieses Unternehmen der Kommission einerseits einen Erwerber der im Hinblick auf die Durchführung des Zusammenschlusses weiterzuveräußernden Vermögenswerte vorschlägt, und zum anderen, dass die Kommission über die Zulassung des von dem Unternehmen vorgeschlagenen Erwerbers entscheidet.

    (vgl. Rn. 102, 103, 106, 108)

  11.  Urteile, mit denen Klagen auf Nichtigerklärung einer Handlung eines Organs der Union abgewiesen werden, entfalten relative Rechtskraft, die lediglich zur Folge hat, dass jede neue Klage, die denselben Gegenstand und dieselben Parteien betrifft sowie auf derselben Grundlage beruht, unzulässig ist. Ein solches Urteil bedeutet daher nicht, dass die angefochtene Handlung gültig ist, sondern nur, dass keiner der vom Kläger geltend gemachten Klagegründe begründet war und auch keine Gründe zwingenden Rechts vorlagen, die das Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen hat. Daher gilt für die angefochtene Handlung weiterhin die Vermutung der Rechtmäßigkeit, die für alle Rechtssubjekte der Union auch die Verpflichtung mit sich bringt, die volle Wirksamkeit dieser Handlung anzuerkennen, solange deren Rechtswidrigkeit nicht festgestellt ist.

    (vgl. Rn. 117, 144)

  12.  Das Organ, dessen Rechtsakt für nichtig erklärt worden ist, hat diesen durch einen neuen Rechtsakt zu ersetzen und dabei auf den Zeitpunkt zurückzugehen, zu dem der ursprüngliche Rechtsakt erlassen worden war, und zwar auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt geltenden Bestimmungen und maßgeblichen Tatsachen. In seiner erneuten Entscheidung kann es jedoch andere Gründe anführen als die, auf die es die erste Entscheidung gestützt hatte.

    Die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen erfordert eine Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung der sich künftig aus dem Zusammenschluss möglicherweise ergebenden Wettbewerbssituation, insbesondere hinsichtlich der Beurteilung der Lebens- und Leistungsfähigkeit des Erwerbers und seiner Fähigkeit, auf den betroffenen Märkten einen wirksamen Wettbewerb zu erhalten oder zu entwickeln.

    Daher kann die Kommission, wenn sie die Untersuchung der durch den Zusammenschluss entstandenen Wettbewerbssituation im Nachhinein durchführen muss, zu Recht prüfen, ob ihre anhand des zum Zeitpunkt des Erlasses der für nichtig erklärten Entscheidung bekannten Sachverhalts durchgeführte Analyse durch die Gegebenheiten der nachfolgenden Zeit gestützt wird.

    (vgl. Rn. 125, 127, 128, 134)

  13.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 135-138)

  14.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 145, 146, 148)

  15.  Im Rahmen eines Zusammenschlusses zielt die Bedingung der Unabhängigkeit eines Erwerbers von Vermögenswerten, die weiterveräußert werden, damit der Zusammenschluss genehmigt wird, insbesondere darauf ab, dessen Fähigkeit sicherzustellen, sich auf dem Markt wie ein wirksamer und eigenständiger Wettbewerber zu verhalten, ohne dass seine Strategie und seine Entscheidungen vom Veräußerer beeinflusst werden können. Diese Unabhängigkeit lässt sich beurteilen, indem die kapitalmäßigen, finanziellen, geschäftlichen, personellen und materiellen Verflechtungen zwischen den beiden Gesellschaften untersucht werden.

    Die Mitgliedschaft ein und derselben Person in den Leitungsorganen des Erwerbers und in den Aufsichtsorganen des Veräußerers ist nicht notwendigerweise geeignet, den Nachweis zu erbringen, dass der Erwerber vom Veräußerer abhängig ist.

    Wenn nämlich der Erwerber auf Verlangen der Kommission vor Erlass des Beschlusses über die Zulassung förmlich zugesagt hatte, dass diese Person zum einen ihre Ämter bei dieser Gesellschaft innerhalb eines Jahres nach Zulassung ihrer Bewerbung niederlegt und zum anderen in dieser Zwischenzeit nicht an Beratungen des Verwaltungsrats und der anderen internen Ausschüsse teilnimmt, wenn diese die von dem Zusammenschluss betroffenen Tätigkeiten betreffen, und von der Geschäftsleitung oder den operativen Führungskräften des Erwerbers keine vertraulichen Informationen in Bezug auf den betroffenen Tätigkeitssektor erhält, kann davon ausgegangen werden, dass die Kommission dafür Sorge getragen hat, dass die Mitgliedschaft ein und derselben Person in den Leitungsorganen des Erwerbers und in den Aufsichtsorganen des Veräußerers die Unabhängigkeit des Erwerbers und folglich die Erhaltung und Entwicklung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem betroffenen Markt nicht beeinträchtigen konnte.

    (vgl. Rn. 152, 155, 158, 159)

  16.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 175-177, 182)