Zusammenfassung des Urteils (Beamtensache)

Zusammenfassung des Urteils (Beamtensache)

Leitsätze

1. Beamte – Vertretung – Personalvertretung – Wahlen – Europäisches Parlament – Nichterreichung des erforderlichen Quorums im ersten Wahlgang – Verpflichtung zur Durchführung eines zweiten Wahlgangs – Möglichkeit, den ersten Wahlgang zu verlängern – Voraussetzung – Vorliegen eines legitimen Grundes

(Beamtenstatut, Anhang II Art. 1 Abs. 5; Regelung für die Vertretung des Personals des Europäischen Parlaments, Art. 6 Abs. 6 bis 8)

2. Beamte – Vertretung – Personalvertretung – Wahlen – Europäisches Parlament – Verpflichtung des Wahlvorstands, Wahlbüros einzurichten – Umfang

(Beamtenstatut, Anhang II Art. 1; Regelung für die Vertretung des Personals des Europäischen Parlaments, Art. 11 Abs. 1)

3. Beamte – Vertretung – Personalvertretung – Wahlen – Europäisches Parlament – Verpflichtung des Wahlvorstands, den Wählern sämtliche Informationen über den Tag und den Ort der Auszählung der Stimmzettel zu erteilen – Umfang

(Beamtenstatut, Anhang II Art. 1; Regelung für die Vertretung des Personals des Europäischen Parlaments, Art. 15)

4. Beamte – Vertretung – Personalvertretung – Wahlen – Europäisches Parlament – Verpflichtung des Wahlvorstands, genaue Angaben zum Wahlergebnis zu veröffentlichen – Umfang

(Beamtenstatut, Anhang II Art. 1; Regelung für die Vertretung des Personals des Europäischen Parlaments, Art. 18 Abs. 1, 2 und 4)

1. Gemäß Art. 1 Abs. 5 des Anhangs II des Statuts und Art. 6 Abs. 6 bis 8 der Regelung für die Vertretung des Personals des Europäischen Parlaments ist in dem Fall, dass nach dem ersten bzw. dem zweiten Wahlgang das erforderliche Quorum von zwei Dritteln bzw. der Mehrheit der Wähler nicht erreicht wurde, ein zweiter oder sogar ein dritter Wahlgang durchzuführen.

Diese Vorschriften können zwar nicht dahin ausgelegt werden, dass sie der Generalversammlung die Möglichkeit nehmen, vor Ablauf der ursprünglich für seine Durchführung vorgesehenen Fristen eine Verlängerung des ersten Wahlgangs zu beschließen, diese Möglichkeit besteht jedoch nur bei Vorliegen eines legitimen Grundes. Ein Grund, der in keiner Weise unvorhersehbar ist, wie die Durchführung des ersten Wahlgangs während eines Urlaubszeitraums, kann insoweit nicht als legitimer Grund angesehen werden.

(vgl. Randnrn. 60, 61, 63 und 64)

2. Der Umstand, dass der Standort Straßburg der am wenigsten frequentierte Hauptarbeitsort des Europäischen Parlaments ist, entbindet den Wahlvorstand nicht von der ausdrücklich in Art. 11 Abs. 1 der Regelung für die Vertretung des Personals des Europäischen Parlaments vorgesehenen Verpflichtung, an den drei Hauptarbeitsorten dieses Organs Wahlbüros einzurichten.

(vgl. Randnr. 72)

3. Aus Art. 15 der Regelung für die Vertretung des Personals des Europäischen Parlaments, der es den Wählern ermöglichen soll, die Ordnungsgemäßheit der Auszählung der Stimmzettel zu überprüfen, ergibt sich implizit, aber zwingend, dass der Wahlvorstand verpflichtet ist, den Wählern mit hinreichendem Vorlauf sämtliche Informationen über den Tag und den Ort zu erteilen, an dem diese Auszählung erfolgt.

(vgl. Randnr. 83)

4. Aus Art. 18 Abs. 1, 2 und 4 der Regelung für die Vertretung des Personals des Europäischen Parlaments ergibt sich, dass die in diesem Abs. 2 vorgesehene Veröffentlichung der Liste der gewählten Mitglieder der Personalvertretung zwingend mit der Erteilung sämtlicher im genannten Abs. 1 vorgesehenen Informationen durch den Wahlvorstand einhergehen muss, die insbesondere die Zahl der je Liste und je Kandidat abgegebenen Stimmen, den auf die Listen jeweils entfallenden Prozentsatz sowie die Zahl der aufgrund einer Vollmacht abgegebenen Stimmen betreffen. Da die Liste der gewählten Mitglieder notwendigerweise auf der Grundlage der Zahl der je Liste und je Kandidat abgegebenen Stimmen, des auf die Listen jeweils entfallenden Prozentsatzes sowie der Zahl der aufgrund einer Vollmacht abgegebenen Stimmen erstellt wird, wären die Wähler nämlich, wenn ihnen die vorstehend genannten Informationen nicht erteilt würden, nicht in der Lage, zu beurteilen, ob die Einreichung einer Beschwerde auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 4 der genannten Regelung innerhalb einer Frist von mindestens zehn Arbeitstagen ab der Veröffentlichung der Liste der gewählten Mitglieder zweckmäßig ist.

(vgl. Randnr. 90)


URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST DER EUROPÄISCHEN UNION

(Erste Kammer)

1. Oktober 2013

Nicolaos Loukakis

gegen

Europäisches Parlament

„Öffentlicher Dienst — Personalvertretung des Parlaments — Wahlen — Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen“

Gegenstand:

Klage nach Art. 270 AEUV, der gemäß Art. 106a EA auch für den EAG-Vertrag gilt, die Herr Loukakis und 18 weitere Kläger gegen das Europäische Parlament erhoben haben, weil dieses die Unregelmäßigkeiten, die bei der Wahl der Mitglieder der Personalvertretung im November 2010 aufgetreten seien, nicht beanstandet habe

Entscheidung:

Die stillschweigende Entscheidung des Europäischen Parlaments vom 20. Mai 2011, die Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen der Personalvertretung vom November 2010 nicht zu beanstanden, wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Das Europäische Parlament trägt seine eigenen Kosten und wird verurteilt, die Kosten der Kläger zu tragen. Die Gewerkschaften Solidarité pour les agents et fonctionnaires européens, Syndicat général du personnel des organismes européens und Fédération de la fonction publique européenne einerseits und die Gewerkschaft Pluralist andererseits tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

Leitsätze

  1. Beamte – Vertretung – Personalvertretung – Wahlen – Europäisches Parlament – Nichterreichung des erforderlichen Quorums im ersten Wahlgang – Verpflichtung zur Durchführung eines zweiten Wahlgangs – Möglichkeit, den ersten Wahlgang zu verlängern – Voraussetzung – Vorliegen eines legitimen Grundes

    (Beamtenstatut, Anhang II Art. 1 Abs. 5; Regelung für die Vertretung des Personals des Europäischen Parlaments, Art. 6 Abs. 6 bis 8)

  2. Beamte – Vertretung – Personalvertretung – Wahlen – Europäisches Parlament – Verpflichtung des Wahlvorstands, Wahlbüros einzurichten – Umfang

    (Beamtenstatut, Anhang II Art. 1; Regelung für die Vertretung des Personals des Europäischen Parlaments, Art. 11 Abs. 1)

  3. Beamte – Vertretung – Personalvertretung – Wahlen – Europäisches Parlament – Verpflichtung des Wahlvorstands, den Wählern sämtliche Informationen über den Tag und den Ort der Auszählung der Stimmzettel zu erteilen – Umfang

    (Beamtenstatut, Anhang II Art. 1; Regelung für die Vertretung des Personals des Europäischen Parlaments, Art. 15)

  4. Beamte – Vertretung – Personalvertretung – Wahlen – Europäisches Parlament – Verpflichtung des Wahlvorstands, genaue Angaben zum Wahlergebnis zu veröffentlichen – Umfang

    (Beamtenstatut, Anhang II Art. 1; Regelung für die Vertretung des Personals des Europäischen Parlaments, Art. 18 Abs. 1, 2 und 4)

  1.  Gemäß Art. 1 Abs. 5 des Anhangs II des Statuts und Art. 6 Abs. 6 bis 8 der Regelung für die Vertretung des Personals des Europäischen Parlaments ist in dem Fall, dass nach dem ersten bzw. dem zweiten Wahlgang das erforderliche Quorum von zwei Dritteln bzw. der Mehrheit der Wähler nicht erreicht wurde, ein zweiter oder sogar ein dritter Wahlgang durchzuführen.

    Diese Vorschriften können zwar nicht dahin ausgelegt werden, dass sie der Generalversammlung die Möglichkeit nehmen, vor Ablauf der ursprünglich für seine Durchführung vorgesehenen Fristen eine Verlängerung des ersten Wahlgangs zu beschließen, diese Möglichkeit besteht jedoch nur bei Vorliegen eines legitimen Grundes. Ein Grund, der in keiner Weise unvorhersehbar ist, wie die Durchführung des ersten Wahlgangs während eines Urlaubszeitraums, kann insoweit nicht als legitimer Grund angesehen werden.

    (vgl. Randnrn. 60, 61, 63 und 64)

  2.  Der Umstand, dass der Standort Straßburg der am wenigsten frequentierte Hauptarbeitsort des Europäischen Parlaments ist, entbindet den Wahlvorstand nicht von der ausdrücklich in Art. 11 Abs. 1 der Regelung für die Vertretung des Personals des Europäischen Parlaments vorgesehenen Verpflichtung, an den drei Hauptarbeitsorten dieses Organs Wahlbüros einzurichten.

    (vgl. Randnr. 72)

  3.  Aus Art. 15 der Regelung für die Vertretung des Personals des Europäischen Parlaments, der es den Wählern ermöglichen soll, die Ordnungsgemäßheit der Auszählung der Stimmzettel zu überprüfen, ergibt sich implizit, aber zwingend, dass der Wahlvorstand verpflichtet ist, den Wählern mit hinreichendem Vorlauf sämtliche Informationen über den Tag und den Ort zu erteilen, an dem diese Auszählung erfolgt.

    (vgl. Randnr. 83)

  4.  Aus Art. 18 Abs. 1, 2 und 4 der Regelung für die Vertretung des Personals des Europäischen Parlaments ergibt sich, dass die in diesem Abs. 2 vorgesehene Veröffentlichung der Liste der gewählten Mitglieder der Personalvertretung zwingend mit der Erteilung sämtlicher im genannten Abs. 1 vorgesehenen Informationen durch den Wahlvorstand einhergehen muss, die insbesondere die Zahl der je Liste und je Kandidat abgegebenen Stimmen, den auf die Listen jeweils entfallenden Prozentsatz sowie die Zahl der aufgrund einer Vollmacht abgegebenen Stimmen betreffen. Da die Liste der gewählten Mitglieder notwendigerweise auf der Grundlage der Zahl der je Liste und je Kandidat abgegebenen Stimmen, des auf die Listen jeweils entfallenden Prozentsatzes sowie der Zahl der aufgrund einer Vollmacht abgegebenen Stimmen erstellt wird, wären die Wähler nämlich, wenn ihnen die vorstehend genannten Informationen nicht erteilt würden, nicht in der Lage, zu beurteilen, ob die Einreichung einer Beschwerde auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 4 der genannten Regelung innerhalb einer Frist von mindestens zehn Arbeitstagen ab der Veröffentlichung der Liste der gewählten Mitglieder zweckmäßig ist.

    (vgl. Randnr. 90)