BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

6. Dezember 2012(*)

„Rechtsmittel – Verordnung (EU) Nr. 1210/2010 – Echtheitsprüfung von Euro-Münzen – Behandlung von nicht für den Umlauf geeigneten Euro-Münzen – Art. 8 Abs. 2 – Möglichkeit der Mitgliedstaaten, bei nicht für den Umlauf geeigneten Euro-Münzen die Erstattung abzulehnen – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeit – Unmittelbar betroffene Person“

In der Rechtssache C‑682/11 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 23. Dezember 2011,

GS Gesellschaft für Umwelt- und Energie-Serviceleistungen mbH mit Sitz in Eigeltingen (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Schmidt,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäisches Parlament, vertreten durch U. Rösslein und A. Neergaard als Bevollmächtigte,

Rat der Europäischen Union, vertreten durch J. Monteiro und M. Simm als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter G. Arestis, J.‑C. Bonichot, A. Arabadjiev und J. L. da Cruz Vilaça,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die GS Gesellschaft für Umwelt‑ und Energie-Serviceleistungen mbH (im Folgenden: GS) die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Oktober 2011, GS/Parlament und Rat (T‑149/11, im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung von Art. 8 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1210/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2010 zur Echtheitsprüfung von Euro‑Münzen und zur Behandlung von nicht für den Umlauf geeigneten Euro‑Münzen (ABl. L 339, S. 1) abgewiesen hat.

 Rechtlicher Rahmen

2        Die Empfehlung 2005/504/EG der Kommission vom 27. Mai 2005 zur Echtheitsprüfung von Euro-Münzen und zur Behandlung von nicht für den Umlauf geeigneten Euro-Münzen (ABl. L 184, S. 60) enthält gemäß ihrem sechsten Erwägungsgrund Leitlinien für die Behandlung und die Vergütung bzw. den Umtausch von nicht für den Umlauf geeigneten echten Euro-Münzen, um für diese Münzen gleiche Bedingungen zu schaffen.

3        Hierzu heißt es in Art. 7 Abs. 1 dieser Empfehlung, dass jeder Mitgliedstaat für in seinem Hoheitsgebiet oder außerhalb der Euro-Zone ansässige Unternehmen und Privatpersonen die Möglichkeit der Vergütung oder gegebenenfalls des Umtauschs von nicht für den Umlauf geeigneten Euro-Münzen vorsehen sollte. In Art. 7 Abs. 2 wird hinzugefügt, dass die Mitgliedstaaten eine Vergütung für mutwillig veränderte echte Euro-Münzen ablehnen können, wenn diese Münzen gegen nationale Gepflogenheiten oder Traditionen verstoßen.

4        Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1210/2010 bestimmt:

„Euro-Münzen, die aufgrund langer Umlaufdauer oder aufgrund eines unerwarteten Ereignisses nicht mehr für den Umlauf geeignet sind oder bei der Echtheitsprüfung aussortiert worden sind, werden von den Mitgliedstaaten erstattet oder umgetauscht. Ungeachtet der Erstattung von zu karitativen Zwecken gesammelten Münzen wie „Brunnen-Münzen“ können die Mitgliedstaaten bei nicht für den Umlauf geeigneten Euro-Münzen, die entweder mutwillig oder durch ein Verfahren verändert wurden, bei dem eine Veränderung zu erwarten war, die Erstattung ablehnen.“

 Sachverhalt

5        GS ist ein auf dem Gebiet des Metallrecyclings tätiges Unternehmen. Sie hat ein technisches Verfahren entwickelt, das es ermöglicht, Nichteisenmetalle, u. a. auch Euro-Münzen, aus dem Abfall zurückzugewinnen. Etwa 75 % der zurückgewonnenen Euro-Münzen sind für den Umlauf geeignet. Die übrigen zurückgewonnenen Münzen sind beschädigt und daher für den Umlauf nicht geeignet.

6        Gemäß der Empfehlung 2005/504 nahm die Deutsche Bundesbank die beschädigten Münzen, die GS ihr übergab, entgegen und erstattete sie mit Ausnahme der besonders stark beschädigten Münzen.

7        Mit Schreiben vom 20. Dezember 2010 teilte die Deutsche Bundesbank der Rechtsmittelführerin mit, dass sie die beim Recycling der Abfälle gewonnenen, nicht für den Umlauf geeigneten Euro-Münzen künftig zwar weiter entgegennehmen, ihr jedoch nicht mehr erstatten werde. In diesem Schreiben bezog sich die Deutsche Bundesbank auf die Verordnung Nr. 1210/2010.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss

8        GS erhob mit Klageschrift, die am 11. März 2011 bei der Kanzlei des Gerichts einging, Klage auf Nichtigerklärung von Art. 8 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 1210/2010.

9        Mit gesonderten Schriftsätzen, die am 26. Mai und 16. Juni 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, erhoben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union jeweils eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts.

10      GS nahm zu diesen Einreden am 8. August 2011 Stellung.

11      Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Gericht die von GS erhobene Klage mit der Begründung, dass dieses Unternehmen von Art. 8 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 1210/2010 nicht unmittelbar betroffen sei, als unzulässig abgewiesen.

 Anträge der Parteien

12      Mit ihrem Rechtsmittel beantragt GS,

–        den angefochtenen Beschluss unter Aufrechterhaltung der beim Gericht gestellten Anträge aufzuheben und

–        dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

13      Das Parlament beantragt,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen;

–        die von ihm beim Gericht gestellten Anträge zur Unzulässigkeit der Klage und zu den Kosten aufrechtzuerhalten und

–        GS die Kosten aufzuerlegen.

14      Der Rat beantragt,

–        das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen;

–        hilfsweise, das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen, und

–        GS die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

15      Ist das Rechtsmittel oder Anschlussrechtsmittel ganz oder teilweise offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, so kann der Gerichtshof es gemäß Art. 181 seiner Verfahrensordnung jederzeit auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts ganz oder teilweise durch mit Gründen versehenen Beschluss zurückweisen.

16      Diese Bestimmung ist im vorliegenden Fall anzuwenden.

 Vorbringen der Parteien

17      GS rügt mit ihrem einzigen Rechtsmittelgrund die Feststellung des Gerichts, sie sei von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1210/2010 nicht im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV unmittelbar betroffen.

18      Sie macht hierzu geltend, die Deutsche Bundesbank habe das ihr nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1210/2010 eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt, indem sie beschlossen habe, von ihrer vor Inkrafttreten dieser Verordnung üblichen Praxis abzugehen, der Rechtsmittelführerin die nicht für den Umlauf geeigneten Euro-Münzen zu erstatten.

19      Unter diesen Umständen habe diese Verordnung faktisch dazu geführt, dass die Erstattung von nicht für den Umlauf geeigneten veränderten Euro-Münzen verweigert werde, so dass sie von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1210/2010 unmittelbar betroffen sei.

20      Das Parlament ist der Meinung, das Gericht habe mit seiner Feststellung, dass GS von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1210/2010 nicht unmittelbar betroffen sei, nicht rechtsfehlerhaft gehandelt.

21      Diese Vorschrift schreibe den Behörden der Mitgliedstaaten nämlich nicht vor, die Erstattung von nicht für den Umlauf geeigneten veränderten Euro-Münzen zu verweigern, sondern gebe ihnen lediglich die Befugnis dazu, so dass es im Ermessen dieser Behörden stehe, ob sie für diese Münzen eine Erstattung gewährten oder nicht.

22      Demzufolge wirke sich nicht Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1210/2010, sondern die Entscheidung der Deutschen Bundesbank, ihre Erstattungspraxis aufzugeben, unmittelbar auf die Situation der GS aus.

23      Der Rat hält das Rechtsmittel für offensichtlich unzulässig, weil es sich darauf beschränke, die bereits in der Klageschrift dem Gericht vorgelegten Argumente zu wiederholen, ohne den Nachweis zu erbringen, dass ein Rechtsfehler vorliege, der eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses rechtfertigen könnte. GS ziele somit lediglich auf eine Prüfung der Klageschrift durch den Gerichtshof ab.

24      Hilfsweise trägt der Rat vor, das Rechtsmittel sei unbegründet.

 Würdigung durch den Gerichtshof

25      Nach ständiger Rechtsprechung folgt aus Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 112 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs in der zum Zeitpunkt der Einlegung des vorliegenden Rechtsmittels geltenden Fassung, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils oder des Beschlusses, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss; andernfalls ist das Rechtsmittel oder der betreffende Rechtsmittelgrund unzulässig (vgl. Urteile vom 4. Juli 2000, Bergaderm und Goupil/Kommission, C‑352/98 P, Slg. 2000, I‑5291, Randnr. 34, vom 6. März 2003, Interporc/Kommission, C‑41/00 P, Slg. 2003, I‑2125, Randnr. 15, vom 30. September 2003, Eurocoton u. a./Rat, C‑76/01 P, Slg. 2003, I‑10091, Randnr. 46, vom 12. September 2006, Reynolds Tobacco u. a./Kommission, C‑131/03 P, Slg. 2006, I‑7795, Randnr. 49, und vom 27. Februar 2007, Segi u. a./Rat, C‑355/04 P, Slg. 2007, I‑1657, Randnr. 22).

26      Ein Rechtsmittel, das nur die bereits vor dem Gericht geltend gemachten Klagegründe oder Argumente einschließlich derjenigen wiederholt oder wörtlich wiedergibt, die auf ein vom Gericht ausdrücklich zurückgewiesenes Tatsachenvorbringen gestützt waren, aber überhaupt keine Ausführungen speziell zur Bezeichnung des Rechtsfehlers enthält, mit dem das angefochtene Urteil oder der angefochtene Beschluss behaftet sein soll, genügt nicht den sich aus diesen Vorschriften ergebenden Begründungserfordernissen. Ein solches Rechtsmittel zielt nämlich in Wirklichkeit nur auf eine erneute Prüfung der beim Gericht eingereichten Klage ab, was nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt (vgl. Urteile Bergaderm und Goupil/Kommission, Randnr. 35, Interporc/Kommission, Randnr. 16, Eurocoton u. a./Rat, Randnr. 47, und Reynolds Tobacco u. a./Kommission, Randnr. 50).

27      GS beschränkt sich jedoch mit ihrem Rechtsmittel darauf, die von ihr bereits vor dem Gericht dargelegten Klagegründe und Argumente zu wiederholen, ohne die beanstandeten Teile des angefochtenen Beschlusses anzugeben oder Argumente anzuführen, die speziell der Bezeichnung eines Rechtsfehlers dienen, mit dem dieser Beschluss behaftet sein soll.

28      Unter diesen Umständen ist das Rechtsmittel als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen.

 Kosten

29      Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist oder wenn das Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet. Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensverordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Parlament und der Rat die Verurteilung der GS beantragt haben und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) beschlossen:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      Die GS Gesellschaft für Umwelt‑ und Energie-Serviceleistungen mbH trägt die Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.