URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

30. Mai 2013 ( *1 )

„Art. 107 Abs. 1 AEUV — Staatliche Beihilfen — Begriff ‚staatliche Mittel‘ — Begriff ‚Zurechenbarkeit zum Staat‘ — Branchenorganisationen des Agrarsektors — Anerkannte Organisationen — Von diesen Organisationen im Interesse der Branche beschlossene gemeinsame Tätigkeiten — Finanzierung durch von diesen Organisationen auf Freiwilligkeitsbasis eingeführte Beiträge — Verwaltungsakt, der diese Beiträge für sämtliche Angehörigen der betreffenden Landwirtschaftsbranche für verbindlich erklärt“

In der Rechtssache C-677/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d’État (Frankreich) mit Entscheidung vom 28. November 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Dezember 2011, in dem Verfahren

Doux Élevage SNC,

Coopérative agricole UKL-ARREE

gegen

Ministère de l’Agriculture, de l’Alimentation, de la Pêche, de la Ruralité et de l’Aménagement du territoire,

Comité interprofessionnel de la dinde française (CIDEF)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter A. Rosas, E. Juhász (Berichterstatter), D. Šváby und C. Vajda,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Doux Élevage SNC, vertreten durch P. Spinosi, M. Massart und D. Lechat, avocats,

der Coopérative agricole UKL-ARREE, vertreten durch P. Spinosi, avocat,

des Comité interprofessionnel de la dinde française (CIDEF), vertreten durch H. Calvet, Y. Trifounovitch, C. Rexha und M. Louvet, avocats,

der französischen Regierung, vertreten durch E. Belliard, G. de Bergues, J. Gstalter und J. Rossi als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Stromsky und S. Thomas als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. Januar 2013

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 107 Abs. 1 AEUV über staatliche Beihilfen und insbesondere den in dieser Bestimmung enthaltenen Begriff „staatliche Mittel“.

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Doux Élevage SNC und der Coopérative agricole UKL-ARREE, Gesellschaften, die in der Landwirtschaftsbranche der Erzeugung und Aufzucht von Puten tätig sind, auf der einen und den zuständigen nationalen Behörden auf der anderen Seite in Bezug auf die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung dieser Behörden, mit der eine innerhalb der für diesen Sektor repräsentativen Branchenorganisation geschlossene Vereinbarung über die Einführung eines Beitrags zur Finanzierung von dieser Organisation beschlossener gemeinsamer Tätigkeiten auf sämtliche Angehörigen dieser Branche erstreckt wird.

Französisches Recht

3

Die Loi no 75-600, du 10 juillet 1975, relative à l’organisation interprofessionnelle agricole (Gesetz Nr. 75-600 vom 10. Juli 1975 über die landwirtschaftliche Branchenorganisation) (JORF vom 11. Juli 1975, S. 7124) hat den Branchenzusammenschluss in der Landwirtschaft in dem Sinne eingeführt, dass die verschiedenen repräsentativsten Berufsverbände, gemeinhin „Stände“ genannt, einer Landwirtschaftsbranche sich in einem Branchenverband zusammenschließen können. Die Bestimmungen dieses Gesetzes wurden im Code rural et de la pêche maritime (Gesetzbuch für Landwirtschaft und Seefischerei, im Folgenden: Code rural) kodifiziert, dessen einschlägige Bestimmungen in ihrer auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung nachfolgend aufgeführt sind.

4

Art. L. 611-1 sieht vor:

„Ein Conseil supérieur d’orientation et de coordination de l’économie agricole et alimentaire (Oberster Rat für die Ausrichtung und Koordinierung der Agrar- und Nahrungsmittelwirtschaft) – bestehend aus Vertretern der betroffenen Ministerien, der landwirtschaftlichen Erzeugung, der Verarbeitung und der Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, des Handwerks und des unabhängigen Nahrungsmittelhandels, der Verbraucher und der zugelassenen Verbände für den Umweltschutz und den Schutz des landwirtschaftlichen Eigentums sowie der repräsentativen Gewerkschaften der Beschäftigten in der Landwirtschafts- und Nahrungsmittelbranche – beteiligt sich an der Festlegung, der Koordinierung, der Durchführung und der Bewertung der Politik zur Ausrichtung der Erzeugung und der Marktorganisation.

Er ist für die gesamte landwirtschaftliche Erzeugung, die Erzeugung von Agrarnahrungsmitteln, die agro-industrielle und die forstwirtschaftliche Erzeugung zuständig.

…“

5

Art. L. 632-1 sieht vor:

„I. – Die Zusammenschlüsse, die auf eigene Initiative der repräsentativsten Berufsverbände der landwirtschaftlichen Erzeugung und, je nach Fall, der Verarbeitung, der Vermarktung und des Vertriebs gebildet werden, können als Branchenorganisationen für ein bestimmtes Erzeugnis oder eine bestimmte Gruppe von Erzeugnissen durch die zuständige Verwaltungsbehörde nach Stellungnahme des Conseil supérieur d’orientation et de coordination de l’économie agricole et alimentaire anerkannt werden, sei es auf nationaler Ebene oder auf Ebene einer Erzeugungszone, wenn sie, insbesondere durch den Abschluss von Branchenvereinbarungen, darauf abzielen, zugleich

vertragliche Vereinbarungen zwischen ihren Mitgliedern festzulegen und zu fördern;

zur Verwaltung der Märkte durch deren vorausschauende Überwachung, durch eine bessere Anpassung der Erzeugnisse in quantitativer und qualitativer Hinsicht und durch ihre Förderung beizutragen;

die Nahrungsmittelsicherheit insbesondere durch die Rückverfolgbarkeit der Erzeugnisse im Interesse der Nutzer und der Verbraucher zu verstärken.

Die Branchenorganisationen können auch andere Ziele verfolgen, insbesondere

die Wahrung und die Entwicklung des wirtschaftlichen Potenzials der Branche fördern;

die Entwicklung der Verwendungszwecke der Erzeugnisse außerhalb des Nahrungsbereichs fördern;

an internationalen Entwicklungsmaßnahmen teilnehmen;

II. – Es kann nur eine Branchenorganisation je Erzeugnis oder Gruppe von Erzeugnissen anerkannt werden. Wird eine nationale Branchenorganisation anerkannt, bilden die regionalen Branchenorganisationen Ausschüsse dieser nationalen Branchenorganisation und sind in ihr vertreten.

…“

6

Art. L. 632-2-I bestimmt:

„Es können nur die Branchenorganisationen anerkannt werden, deren Satzungen die Benennung einer Schiedsstelle für etwaige zwischen den Berufsverbänden, die ihre Mitglieder sind, bei der Anwendung der Branchenvereinbarungen entstehende Streitigkeiten vorsieht …

Die anerkannten Branchenorganisationen können zur Ausrichtung und zu den Maßnahmen der sie betreffenden Branchenpolitiken angehört werden.

Sie tragen zur Umsetzung der nationalen und der gemeinschaftlichen Wirtschaftspolitik bei und können bei der Bewilligung öffentlicher Beihilfen Vorrang genießen.

Zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufgaben können sie Organisationen beiziehen, die Verbraucher und Arbeitnehmer der Unternehmen des Sektors vertreten.

Die Voraussetzungen für die Anerkennung und die Aufhebung der Anerkennung der Branchenorganisationen werden vom Conseil d’État durch Dekret festgelegt.“

7

Mit dem Erlass der den im Ausgangsverfahren maßgebenden Ereignissen nachfolgenden Loi no 2010-874 de modernisation de l’agriculture et de la pêche, du 27 juillet 2010 (Gesetz Nr. 2010-874 über die Modernisierung der Landwirtschaft und der Fischerei vom 27. Juli 2010) (JORF vom 28. Juli 2010, S. 13925), wurde der dritte Absatz von Art. L. 632-2-I aufgehoben.

8

In Art. L. 632-2-II heißt es:

„Die innerhalb einer anerkannten Branchenorganisation getroffenen produktspezifischen Vereinbarungen … zur Anpassung des Angebots an die Nachfrage dürfen keine Wettbewerbsbeschränkungen enthalten …

Diese Vereinbarungen werden einstimmig von den Vertretern der Mitgliedsberufe der Branchenorganisation gemäß Art. L. 632-4 Abs. 1 geschlossen …

Diese Vereinbarungen werden bei ihrem Abschluss und vor ihrem Inkrafttreten bei dem Minister für Landwirtschaft, dem Minister für Wirtschaft und der Wettbewerbsbehörde angemeldet. Eine Bekanntmachung über ihren Abschluss wird im Bulletin officiel de la concurrence, de la consommation et de la répression des fraudes (Amtsblatt für Wettbewerb, Verbrauch und Betrugsbekämpfung) veröffentlicht.

…“

9

Art. L. 632-3 lautet:

„Die im Rahmen einer anerkannten Branchenorganisation getroffenen Vereinbarungen können für bestimmte Dauer ganz oder teilweise von der zuständigen Verwaltungsbehörde für allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie mittels Standardvereinbarungen, Agrarvereinbarungen und gemeinsamen Tätigkeiten oder Tätigkeiten zur Verfolgung eines gemeinsamen Interesses, die dem Allgemeininteresse entsprechen und mit den Vorschriften der gemeinsamen Agrarpolitik vereinbar sind, insbesondere folgenden Zielen dienen:

1o

Kenntniserlangung von Angebot und Nachfrage;

2o

Anpassung und Regulierung des Angebots;

3o

Umsetzung – unter staatlicher Kontrolle – von Regeln über Absatz, Preise und Zahlungsbedingungen. Dies gilt nicht für forstwirtschaftliche Erzeugnisse;

4o

Produktqualität: Hierzu können die Vereinbarungen u. a. die Erarbeitung und die Umsetzung von Qualitätsvorgaben und von Vorschriften für Bestimmung, Verpackung, Beförderung, Darbietung – sofern erforderlich, bis zum Stadium des Verkaufs der Produkte im Einzelhandel – vorsehen; für kontrollierte Ursprungsbezeichnungen können diese Vereinbarungen u. a. die Einführung von Qualitätskontrollen vorsehen;

5o

Branchenbeziehungen in dem betreffenden Sektor u. a. durch Festlegung technischer Normen, Aufstellung von Programmen für angewandte Forschung, Versuche und Entwicklung und durch Vornahme von Investitionen im Rahmen dieser Programme;

6o

Informationen über Branchen und Erzeugnisse sowie deren Absatzförderung auf den Märkten im In- und Ausland;

7o

Kollektivmaßnahmen zur Bekämpfung der mit der Erzeugung, der Verarbeitung, der Vermarktung und dem Vertrieb von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Nahrungsmitteln verbundenen Gefahren und Unwägbarkeiten;

8o

Bekämpfung von Schadorganismen im Sinne von Art. L. 251-3;

9o

Entwicklung von Verwendungszwecken der Erzeugnisse außerhalb des Nahrungsbereichs;

10o

Teilnahme an internationalen Entwicklungsmaßnahmen;

11o

Entwicklung der vertraglichen Beziehungen zwischen den Mitgliedern der in der Branchenorganisation vertretenen Berufe u. a. dadurch, dass Standardklauseln über die Verpflichtungen, die Modalitäten der Preisfestsetzung, die Liefertermine, die Laufzeiten der Verträge, den Grundsatz des Mindestpreises, die Modalitäten der Überprüfung der Verkaufsbedingungen im Fall starker Kursschwankungen für landwirtschaftliche Grundstoffe sowie Maßnahmen zur Regulierung des Umfangs zwecks Anpassung des Angebots an die Nachfrage in die Standardvereinbarungen eingefügt werden.“

10

Aufgrund des Erlasses des oben genannten Gesetzes Nr. 2010-874 vom 27. Juli 2010 hat dieser Art. L. 632-3 nunmehr folgenden Wortlaut:

„Die im Rahmen einer anerkannten Branchenorganisation getroffenen Vereinbarungen können für bestimmte Dauer ganz oder teilweise von der zuständigen Verwaltungsbehörde für allgemeinverbindlich erklärt werden, sofern sie gemeinsame Tätigkeiten oder Tätigkeiten zur Verfolgung eines gemeinsamen Interesses vorsehen, die dem Allgemeininteresse entsprechen und mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar sind.“

Der übrige zuvor in diesem Artikel enthaltene Wortlaut wurde aufgehoben.

11

Art. L. 632-4 sieht vor:

„Die Erklärung derartiger Vereinbarungen für allgemeinverbindlich hängt von der einstimmigen Annahme ihrer Bestimmungen durch die Vertreter der in der Branchenorganisation vertretenen Berufe ab. Für Vereinbarungen, die nur einen Teil der in der Branchenorganisation vertretenen Berufe betreffen, genügt die nur von den Vertretern dieser Berufe erklärte Einstimmigkeit unter der Voraussetzung, dass kein anderer Beruf dem widerspricht.

Ist die Allgemeinverbindlicherklärung beschlossen, so sind die auf diese Weise vorgesehenen Maßnahmen innerhalb der betreffenden Erzeugungszone für alle Angehörigen der Berufe, aus denen sich diese Branchenorganisation zusammensetzt, verbindlich.

Die zuständige Behörde muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Eingang des von der Branchenorganisation gestellten Antrags über die beantragte Allgemeinverbindlicherklärung entscheiden. Hat sie nach Ablauf dieser Frist ihre Entscheidung nicht mitgeteilt, so gilt der Antrag als bewilligt.

Entscheidungen, mit denen die Allgemeinverbindlicherklärung abgelehnt wird, sind mit Gründen zu versehen.“

12

Art. L. 632-6 bestimmt:

„Die in den Art. L. 632-1 und L. 632-2 aufgeführten anerkannten Branchenorganisationen sind berechtigt, von allen Angehörigen der sie konstituierenden Berufe Beiträge zu erheben, die sich aus den im Verfahren der Art. L. 632-3 und L. 632-4 für allgemeinverbindlich erklärten Vereinbarungen ergeben und die ungeachtet ihrer verbindlichen Natur privatrechtliche Forderungen bleiben.

Beiträge können ferner auf eingeführte Erzeugnisse unter den durch Dekret festgelegten Voraussetzungen erhoben werden. Auf Antrag der begünstigten Branchenorganisationen werden diese Beiträge auf ihre Kosten am Zoll eingezogen.

Diese Beiträge schließen parafiskalische Abgaben nicht aus.“

13

Art. L. 632-8-I lautet:

„Die anerkannten Branchenorganisationen berichten den zuständigen Verwaltungsbehörden jährlich über ihre Tätigkeit und legen Folgendes vor:

die Finanzkonten;

einen Tätigkeitsbericht und das Protokoll der Hauptversammlungen;

eine Bilanz über die Anwendung jeder für allgemeinverbindlich erklärten Vereinbarung.

Sie verschaffen den zuständigen Verwaltungsbehörden alle Unterlagen, deren Vorlage diese für die Ausübung ihrer Aufsichtsbefugnisse verlangen.“

14

Mit Erlass vom 24. Juni 1976 (JORF vom 26. August 1976, S. 5143) erkannte die zuständige Verwaltungsbehörde das Comité interprofessionnel de la dinde française (Branchenausschuss für die französische Pute) (CIDEF), eine privatrechtliche Vereinigung ohne Erwerbszweck, als landwirtschaftliche Branchenorganisation gemäß dem Gesetz Nr. 75-600 an. Ihm gehören vier Berufsgruppen an, und zwar „Erzeugung“, „Künstliche Brut und Einfuhr von Bruteiern sowie Stammzellen“, „Schlachtung und Verarbeitung“ sowie „Tierfutter“.

15

Art. 2 der Satzung des CIDEF bestimmt:

„Zweck [des CIDEF] ist:

die Zusammenfassung aller berufsbezogenen Initiativen zur Organisation und Regulierung des Putenmarkts;

die Einführung eines hierzu dienenden Systems statistischer Informationen, um die Branchenangehörigen ständig über die Einrichtung von Beständen, die Schlachtungen, die Lagerbestände, den Außenhandel sowie den Verbrauch der Haushalte und Gemeinschaften zu unterrichten;

die Regulierung der Erzeugung und des Putenmarkts durch Maßnahmen in Bezug auf den Umfang von Angebot und Nachfrage;

die Beschaffung der notwendigen finanziellen Mittel;

die Einholung der Zulassung von Normen, die jede Berufsgruppe für die Produkte festlegt, die sie erzeugt und verkauft;

die Verbindlichmachung des Abschlusses schriftlicher Verträge über die Lieferung von Erzeugnissen und die Erbringung von Dienstleistungen zwischen den Branchenangehörigen. (Der Ausschuss schlägt Muster für Rahmenverträge vor);

Ansprechpartner nationaler und gemeinschaftlicher Stellen für alle gemeinsamen Probleme zu sein, die den Berufsgruppen durch die Puten entstehen;

die Herstellung, im Rahmen der EWG, der engstmöglichen Abstimmung zwischen den Angehörigen der Putenbranche in den Partnerstaaten;

die Ergreifung aller zweckdienlichen Initiativen für die Lösung technischer und technologischer Probleme, insbesondere die Vornahme der erforderlichen Versuche;

die Gewährleistung der Dienstleistungen in Bereichen von gemeinsamem Interesse für alle oder einen Teil der Berufsgruppen der Erzeugungskette von Geflügel, für sämtliche Produkte. Diese Dienstleistungen werden dem Ausschuss durch schriftliche Vereinbarungen übertragen. Ihre Finanzierung ist Gegenstand einer gesonderten Buchführung und darf nicht zur Erhebung eines nach Art. L. 632-6 des Code rural für verbindlich erklärten Beitrags durch den CIDEF führen.“

Ausgangsrechtsstreit, Vorgeschichte und Vorlagefrage

16

Mit einer am 18. Oktober 2007 geschlossenen Branchenvereinbarung führte der CIDEF einen bei jedem in ihm vertretenen berufsständischen Mitglied erhobenen Branchenbeitrag ein. Diese Vereinbarung war für die Dauer von drei Jahren geschlossen. Mit einer am selben Tag geschlossenen Zusatzvereinbarung wurde dieser Beitrag für das Jahr 2008 auf 14 Euro pro 1000 Jungputen festgesetzt. Mit zwei Erlassen vom 13. März 2008 (JORF vom 27. März 2008, S. 5229, und vom 1. April 2008, S. 5412) erklärten die zuständigen Minister gemäß Art. L. 632-3 des Code rural die Branchenvereinbarung für drei Jahre und die Zusatzvereinbarung für ein Jahr für allgemeinverbindlich. Mit einer neuen, am 5. November 2008 geschlossenen Zusatzvereinbarung zu der Branchenvereinbarung beschloss der CIDEF, den Branchenbeitrag für das Jahr 2009 in gleicher Höhe beizubehalten. Gemäß Art. L. 632-4 Abs. 4 des Code rural wurde diese Zusatzvereinbarung durch eine implizite Genehmigungsentscheidung der zuständigen Behörde vom 29. August 2009, die durch eine vom zuständigen Minister am 30. September 2009 veröffentlichte Bekanntmachung (JORF vom 30. September 2009, S. 15881) kundgemacht wurde, für allgemeinverbindlich erklärt.

17

Die Doux Élevage SNC, eine Tochtergesellschaft des Doux-Konzerns, des führenden Geflügelerzeugers in Europa, und die landwirtschaftliche Genossenschaft UKL-ARREE beantragten beim Conseil d’État die Aufhebung der am 29. August 2009 durch das Schweigen der Verwaltung auf den Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung der Zusatzvereinbarung vom 5. November 2008 zustande gekommenen stillschweigenden Entscheidung über die Allgemeinverbindlicherklärung dieser Zusatzvereinbarung sowie der Bekanntmachung zur Verkündung dieser Entscheidung durch das Ministerium. Sie machten geltend, dass der durch die Zusatzvereinbarung vom 5. November 2008 eingeführte und durch diese Entscheidung für allgemeinverbindlich erklärte und allen Branchenangehörigen zur Pflicht gemachte Branchenbeitrag eine staatliche Beihilfe darstelle, so dass diese Entscheidung gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV vorab der Europäischen Kommission hätte gemeldet werden müssen.

18

Aufgrund des Urteils vom 15. Juli 2004, Pearle u. a. (C-345/02, Slg. 2004, I-7139), ging das angerufene nationale Gericht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die von den anerkannten Branchenorganisationen eingeführten, gewöhnlich als „cotisations volontaires obligatoires“ (ursprünglich freiwillige, später für verbindlich erklärte Beiträge, im Folgenden: CVO) bezeichneten Beiträge, die von diesen Organisationen zur Finanzierung der gemeinsamen Tätigkeiten beschlossen würden, wie auch die Verwaltungsakte, durch die diese Beiträge für sämtliche Branchenangehörigen für verbindlich erklärt worden seien, nicht unter den Begriff der staatlichen Beihilfen fielen.

19

Nach Hinweisen des Rechnungshofs meldete die französische Regierung sicherheitshalber jedoch ein Rahmenprogramm von Aktionen, die von den Branchenorganisationen durchgeführt werden könnten, bei der Kommission an und fügte zehn von den wichtigsten Branchenorganisationen geschlossene Vereinbarungen bei. In ihrer Entscheidung Staatliche Beihilfe N 561/2008 (C[2008] 7846 final) vom 10. Dezember 2008 vertrat die Kommission unter Hinweis auf das Urteil Pearle u. a. die Ansicht, dass die in Rede stehenden Maßnahmen den Tatbestand staatlicher Beihilfen erfüllten. Sie stellte indessen fest, dass diese Maßnahmen im Hinblick auf die Regelung der Gemeinsamen Marktorganisation keinen Einwänden begegneten und dass sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise zu verändern drohten, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufe, so dass sie in den Genuss der in Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV vorgesehenen Ausnahme kommen könnten. Einen ähnlichen Standpunkt nahm die Kommission in zwei späteren Entscheidungen ein. Alle diese Entscheidungen sind sowohl von der Französischen Republik als auch von den betroffenen Branchenorganisationen mit den gegenwärtig beim Gericht anhängigen Nichtigkeitsklagen angefochten worden.

20

Der Conseil d’État weist zunächst darauf hin, dass die Branchenvereinbarung vom 18. Oktober 2007 durch eine einstimmige Entscheidung aller vier in der Branchenorganisation vertretenen Branchengruppen erlassen worden sei und dass die Entscheidung, den Branchenbeitrag in unveränderter Höhe für das Jahr 2009 beizubehalten, von diesen vier Branchengruppen ebenfalls einstimmig getroffen worden sei. Sodann stellt er fest, dass die Zusatzvereinbarung vom 5. November 2008 abschließend jene Tätigkeiten aufzähle, die durch den vom CIDEF für das Jahr 2009 erhobenen Branchenbeitrag finanziert werden könnten, wobei es sich um Öffentlichkeitsarbeit speziell „zur Verbesserung des Image und zur Verkaufsförderung“ von Putenfleisch, gemeinsame Maßnahmen zur Verkaufsförderung von Mastgeflügel, Tätigkeiten betreffend Außenbeziehungen, die Vertretung bei den französischen und europäischen Verwaltungsbehörden und die Teilnahme am europäischen Geflügelverband, den Bezug von Studien und Verbraucherpanels, um die Höhe der Käufe zu messen, Tätigkeiten zur Unterstützung von Forschungs- und Qualitätssicherungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Verteidigung der Interessen der Branche handele.

21

Ferner hebt der Conseil d’État hervor, dass zum einen diese Zusatzvereinbarung nicht die Finanzierung von Eingriffen in den Putenmarkt erlaube und dass zum anderen die von dieser Zusatzvereinbarung erwähnte Öffentlichkeitsarbeit keine Unterscheidung bezüglich der Herkunft der Erzeugnisse enthalte und dass aus keinem Verfahrensschriftstück hervorgehe, dass ein Teil der im Jahr 2009 erhobenen Beiträge ausschließlich zur Förderung der „französischen Pute“, sei es in Frankreich oder im Ausland, bestimmt gewesen wäre.

22

Angesichts dieser Erwägungen und Feststellungen sowie des oben dargelegten Standpunkts der Kommission hat der Conseil d’État beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Muss Art. 107 AEUV im Licht des Urteils Pearle u. a. dahin ausgelegt werden, dass die Entscheidung einer nationalen Behörde, durch die eine Vereinbarung, mit der – wie mit der vom CIDEF geschlossenen Vereinbarung – ein Beitrag im Rahmen einer von der nationalen Behörde anerkannten Branchenorganisation eingeführt und damit für verbindlich erklärt wird, auf alle Branchenangehörigen ausgedehnt wird, um die Umsetzung von Maßnahmen betreffend Öffentlichkeitsarbeit, Verkaufsförderung, Außenbeziehungen, Qualitätssicherung, Forschung, Verteidigung der Interessen der Branche sowie den Bezug von Studien und Verbraucherpanels zu ermöglichen, angesichts der Natur der in Rede stehenden Maßnahmen, der Modalitäten ihrer Finanzierung und der Bedingungen ihrer Umsetzung eine staatliche Beihilfe betrifft?

Zur Vorlagefrage

23

Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Entscheidung einer nationalen Behörde, durch die eine Branchenvereinbarung, mit der ein Pflichtbeitrag eingeführt wird, auf sämtliche Branchenangehörigen ausgedehnt wird, um die Umsetzung von Maßnahmen betreffend Öffentlichkeitsarbeit, Verkaufsförderung, Außenbeziehungen, Qualitätssicherung, Forschung und Verteidigung der Interessen der Branche zu ermöglichen, ein Element einer staatlichen Beihilfe darstellt.

24

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 107 Abs. 1 AEUV staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar sind, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

25

Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV setzt diese Unvereinbarkeit die Prüfung von vier Voraussetzungen voraus. Erstens muss es sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. Zweitens muss diese Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem Begünstigten durch sie ein Vorteil gewährt werden. Viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (Urteil Pearle u. a., Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26

Hinsichtlich der ersten dieser Voraussetzungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs nur solche Vorteile als Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen, die unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden. Die in dieser Bestimmung vorgenommene Unterscheidung zwischen „staatlichen“ und „aus staatlichen Mitteln gewährten“ Beihilfen bedeutet nämlich nicht, dass alle von einem Staat gewährten Vorteile unabhängig davon Beihilfen darstellen, ob sie aus staatlichen Mitteln finanziert werden oder nicht, sondern dient nur dazu, in den Beihilfebegriff die unmittelbar vom Staat gewährten Vorteile sowie diejenigen, die über eine vom Staat benannte oder errichtete öffentliche oder private Einrichtung gewährt werden, einzubeziehen (Urteil vom 13. März 2001, PreussenElektra, C-379/98, Slg. 2001, I-2099, Randnr. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daher kann das Verbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV grundsätzlich auch Beihilfen erfassen, die von öffentlichen oder privaten Einrichtungen gewährt werden, die der Staat zur Verwaltung der Beihilfe benannt oder errichtet hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Pearle u. a., Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27

Damit Vorteile als Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft werden können, müssen sie zum einen unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden und zum anderen dem Staat zuzurechnen sein (vgl. Urteil Pearle u. a., Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28

Wie der Generalanwalt in Nr. 37 seiner Schlussanträge ausführt, ist die Finanzierung aus staatlichen Mitteln ein Tatbestandsmerkmal des Begriffs „staatliche Beihilfe“.

29

Insoweit hat der Gerichtshof in den Randnrn. 59 und 61 des Urteils PreussenElektra bereits festgestellt, dass eine staatliche Regelung, die durch die Einführung einer Pflicht zur Abnahme bestimmter Produkte zu Mindestpreisen bestimmten Unternehmen Vorteile gewährt und für andere Nachteile mit sich bringt, nicht zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Übertragung staatlicher Mittel auf die Unternehmen, die diese Produkte erzeugen, führt und dass eine solche Pflicht dieser Regelung nicht den Charakter einer staatlichen Beihilfe verleihen kann.

30

In Randnr. 36 des Urteils Pearle u. a. gelangte der Gerichtshof bei der Prüfung der von einem Berufsverband seinen Mitgliedern zur Finanzierung einer Werbekampagne auferlegten Abgaben zu demselben Ergebnis und hat u. a. festgestellt, dass die Aufwendungen der öffentlichen Einrichtung für die Zwecke dieser Kampagne durch die bei den Unternehmen erhobenen Abgaben, die diesen zugutekamen, vollständig gedeckt wurden, so dass ihr Tätigwerden nicht die Schaffung eines Vorteils bezweckte, der eine zusätzliche Belastung für den Staat oder für diese Einrichtung darstellen würde.

31

Der Gerichtshof hat in Randnr. 37 dieses Urteils zudem festgestellt, dass die Initiative für die Organisation und die Durchführung der Werbekampagne, um die es im dortigen Ausgangsverfahren ging, von einer privaten Vereinigung von Optikern und nicht von der öffentlichen Einrichtung ausging, die nur als Instrument für die Erhebung und die Verwendung der eingenommenen Mittel zugunsten eines von den Angehörigen des betreffenden Berufszweigs im Voraus festgelegten kommerziellen Ziels diente, das in keiner Weise Teil einer von den staatlichen Behörden definierten Politik war.

32

Was die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Beiträge betrifft, ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten, dass diese von privaten Wirtschaftsteilnehmern erhoben werden, unabhängig davon, ob sie Mitglieder der fraglichen Branchenorganisation sind oder nicht, die aber eine Wirtschaftstätigkeit auf den betreffenden Märkten ausüben. Dieser Mechanismus bedeutet keine unmittelbare oder mittelbare Übertragung staatlicher Mittel; die durch die Zahlung dieser Beiträge generierten Mittel durchlaufen nicht einmal den Haushalt des Staates oder einer anderen öffentlichen Einheit des Staates, und der Staat verzichtet auf keine wie auch immer beschaffenen Einnahmen wie Steuern, Gebühren, Abgaben oder sonstige Zahlungen, die nach nationalem Recht dem staatlichen Haushalt hätten zugeführt werden müssen. Diese Beiträge behalten auf ihrem gesamten Erhebungs- und Verwendungsweg ihren privatrechtlichen Charakter, und im Fall der Nichtabführung muss die Branchenorganisation das normale zivil- oder handelsrechtliche Gerichtsverfahren anstrengen, um sie beizutreiben, da sie über keinerlei Vorrecht öffentlich-rechtlicher Art verfügt.

33

Es ist unzweifelhaft, dass die Branchenorganisationen privatrechtliche Vereinigungen und nicht Teil der öffentlichen Verwaltung sind.

34

Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht indessen auch hervor, dass nicht in jedem Fall festgestellt werden muss, dass eine Übertragung staatlicher Mittel stattgefunden hat, damit der einem oder mehreren Unternehmen gewährte Vorteil als eine staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV angesehen werden kann (vgl. Urteil vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission, C-482/99, Slg. 2002, I-4397, Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35

So hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 107 Abs. 1 AEUV alle Geldmittel erfasst, auf die die öffentliche Hand zur Unterstützung von Unternehmen tatsächlich zurückgreifen kann, ohne dass es dafür eine Rolle spielt, ob diese Mittel auf Dauer zum Vermögen des Staates gehören. Auch wenn die der betreffenden Maßnahme gewidmeten Beträge nicht auf Dauer dem Staat gehören, genügt folglich der Umstand, dass sie ständig unter staatlicher Kontrolle und somit zur Verfügung der zuständigen nationalen Behörden stehen, damit sie als staatliche Mittel qualifiziert werden können (vgl. Urteil Frankreich/Kommission, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36

Im Ausgangsverfahren sind die vom Gerichtshof in Randnr. 37 des Urteils Frankreich/Kommission aufgestellten Kriterien nicht erfüllt. Es steht fest, dass die nationalen Behörden auf die Mittel, die aus den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Beiträgen fließen, tatsächlich nicht zurückgreifen können, um bestimmte Unternehmen zu unterstützen. Die betreffende Branchenorganisation entscheidet über die Verwendung dieser Mittel, die ausschließlich den von ihr selbst bestimmten Zielen gewidmet sind. Ebenso stehen diese Mittel nicht ständig unter staatlicher Kontrolle und zur Verfügung der staatlichen Behörden.

37

Der mögliche Einfluss, den der Mitgliedstaat auf die Funktionsweise der Branchenorganisation durch die Entscheidung über die Allgemeinverbindlicherklärung einer Branchenvereinbarung für sämtliche Branchenangehörige ausüben kann, kann die in Randnr. 36 des vorliegenden Urteils getroffenen Feststellungen nicht ändern.

38

Wie sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten ergibt, überträgt die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung der zuständigen Behörde nämlich nicht die Befugnis, die Zuweisung der Gelder zu lenken oder zu beeinflussen. Darüber hinaus ermächtigen, wie der Generalanwalt in Nr. 71 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nach der Rechtsprechung der zuständigen nationalen Gerichte die Bestimmungen des Code rural, die die Allgemeinverbindlicherklärung einer Vereinbarung über die Einführung von Beiträgen im Rahmen einer Branchenorganisation regeln, die Behörden nicht, die CVO einer anderen Kontrolle als derjenigen der Recht- und Gesetzmäßigkeit zu unterwerfen.

39

In Bezug auf diese Kontrolle ist darauf hinzuweisen, dass Art. L. 632-3 des Code rural es nicht erlaubt, die Allgemeinverbindlicherklärung einer Vereinbarung von der Verfolgung konkreter, von den Behörden festgelegter und definierter, politischer Ziele abhängig zu machen, da dieser Artikel sehr allgemeine und unterschiedliche Ziele, die eine Branchenvereinbarung fördern muss, um von der zuständigen Verwaltungsbehörde für allgemeinverbindlich erklärt werden zu können, in nicht abschließender Form aufführt. Diese Feststellung lässt sich durch die in Art. L. 632-8-I des Code rural vorgesehene Pflicht, die Behörden später über die Verwendung, die die CVO gefunden haben, zu informieren, nicht entkräften.

40

Zudem gibt es in den dem Gerichtshof vorgelegten Akten keinen Anhaltspunkt, der die Annahme erlaubte, dass die Initiative der Auferlegung der CVO nicht von der Branchenorganisation selbst, sondern von den Behörden ausgegangen sei. Hervorzuheben ist, wie der Generalanwalt in Nr. 90 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, dass die Behörden nur als „Instrument“ handeln, um die Abgaben, die von den Branchenorganisationen zur Verfolgung von ihnen selbst festgelegter Zwecke eingeführt wurden, allgemeinverbindlich zu machen.

41

Daher lassen weder die Befugnis des Staates, eine Branchenorganisation nach Art. L. 632-1 des Code rural anzuerkennen, noch die Befugnis dieses Staates, eine Branchenvereinbarung gemäß den Art. L. 632-3 und L. 632-4 des Code rural auf sämtliche Branchenangehörigen auszudehnen, den Schluss zu, dass die von der Branchenorganisation durchgeführten Tätigkeiten dem Staat zurechenbar sind.

42

Schließlich macht die Kommission geltend, dass die Tätigkeiten der Branchenorganisationen teilweise aus öffentlichen Geldern finanziert würden und dass unter Berücksichtigung des Fehlens einer in Bezug auf öffentliche und private Gelder gesonderten Buchführung alle Mittel der Branchenorganisationen „staatliche Mittel“ seien.

43

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich die Vorlagefrage nur auf die im Rahmen einer Branchenorganisation entrichteten Beiträge und nicht auf etwaige andere Mittel aus dem öffentlichen Haushalt bezieht.

44

Wie der Generalanwalt in Nr. 57 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, werden im Übrigen die von den Branchenorganisationen verwendeten privaten Mittel nicht einfach dadurch zu „öffentlichen Mitteln“, dass sie gemeinsam mit Beträgen, die eventuell aus dem öffentlichen Haushalt stammen, verwendet werden.

45

Auf der Grundlage des Vorstehenden ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 107 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass die Entscheidung einer nationalen Behörde, durch die eine Vereinbarung, mit der, wie mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Branchenvereinbarung, ein Beitrag im Rahmen einer von der nationalen Behörde anerkannten Branchenorganisation eingeführt wird, auf alle Branchenangehörigen ausgedehnt und damit für verbindlich erklärt wird, um die Umsetzung von Maßnahmen betreffend Öffentlichkeitsarbeit, Verkaufsförderung, Außenbeziehungen, Qualitätssicherung, Forschung und Verteidigung der Interessen der Branche zu ermöglichen, kein Element einer staatlichen Beihilfe darstellt.

Kosten

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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 107 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass die Entscheidung einer nationalen Behörde, durch die eine Vereinbarung, mit der, wie mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Branchenvereinbarung, ein Beitrag im Rahmen einer von der nationalen Behörde anerkannten Branchenorganisation eingeführt wird, auf alle Branchenangehörigen ausgedehnt und damit für verbindlich erklärt wird, um die Umsetzung von Maßnahmen betreffend Öffentlichkeitsarbeit, Verkaufsförderung, Außenbeziehungen, Qualitätssicherung, Forschung und Verteidigung der Interessen der Branche zu ermöglichen, kein Element einer staatlichen Beihilfe darstellt.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.