URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

11. Juli 2013 ( *1 )

„Rechtsmittel — Nichtigkeitsklage — Schutz gegen transmissible spongiforme Enzephalopathien — Verordnung (EG) Nr. 746/2008 — Verordnung, die weniger einschränkende Überwachungs- und Tilgungsmaßnahmen als die zuvor vorgesehenen gestattet — Vorsorgeprinzip — Schutzniveau für die menschliche Gesundheit — Neue Gesichtspunkte, die geeignet sind, die Bewertung des Risikos zu ändern — Fehlen einer Begründung — Verfälschung der Tatsachen — Rechtsfehler“

In der Rechtssache C-601/11 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 28. November 2011,

Französische Republik, vertreten durch E. Belliard, C. Candat, R. Loosli-Surrans, G. de Bergues und S. Menez als Bevollmächtigte,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch F. Jimeno Fernández und D. Bianchi als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland,

Streithelfer im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter J. Malenovský, U. Lõhmus (Berichterstatter) und M. Safjan sowie der Richterin A. Prechal,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Französische Republik, das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 9. September 2011, Frankreich/Kommission (T-257/07, Slg. 2011, II-4153, im Folgenden: angefochtenes Urteil), aufzuheben, mit dem das Gericht ihre Klage auf teilweise Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 746/2008 der Kommission vom 17. Juni 2008 zur Änderung von Anhang VII der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien (ABl. L 202, S. 11, im Folgenden: streitige Verordnung) abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung (EG) Nr. 178/2002

2

Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31, S. 1) bestimmt:

„(1)   In bestimmten Fällen, in denen nach einer Auswertung der verfügbaren Informationen die Möglichkeit gesundheitsschädlicher Auswirkungen festgestellt wird, wissenschaftlich aber noch Unsicherheit besteht, können vorläufige Risikomanagementmaßnahmen zur Sicherstellung des in der Gemeinschaft gewählten hohen Gesundheitsschutzniveaus getroffen werden, bis weitere wissenschaftliche Informationen für eine umfassendere Risikobewertung vorliegen.

(2)   Maßnahmen, die nach Absatz 1 getroffen werden, müssen verhältnismäßig sein und dürfen den Handel nicht stärker beeinträchtigen, als dies zur Erreichung des in der Gemeinschaft gewählten hohen Gesundheitsschutzniveaus unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Durchführbarkeit und anderer angesichts des betreffenden Sachverhalts für berücksichtigenswert gehaltener Faktoren notwendig ist. Diese Maßnahmen müssen innerhalb einer angemessenen Frist überprüft werden, die von der Art des festgestellten Risikos für Leben oder Gesundheit und der Art der wissenschaftlichen Informationen abhängig ist, die zur Klärung der wissenschaftlichen Unsicherheit und für eine umfassendere Risikobewertung notwendig sind.“

Verordnung (EG) Nr. 999/2001

3

Die Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien (ABl. L 147, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 722/2007 der Kommission vom 25. Juni 2007 (ABl. L 164, S. 7) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 999/2001) bestimmt in Art. 13 Abs. 1:

„Bei amtlicher Bestätigung eines [Falls transmissibler spongiformer Enzephalopathie (im Folgenden: TSE)] werden unverzüglich folgende Maßnahmen getroffen:

b)

Zur Identifizierung aller anderen gefährdeten Tiere nach Maßgabe von Anhang VII Nummer 1 werden Ermittlungen durchgeführt.

c)

Alle Tiere und tierischen Erzeugnisse gemäß Anhang VII Nummer 2 der vorliegenden Verordnung, die bei den Ermittlungen nach Buchstabe b) dieses Absatzes als gefährdet identifiziert wurden, werden getötet und gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Oktober 2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte (ABl. L 273, S. 1)] beseitigt.

…“

4

Art. 23 der Verordnung Nr. 999/2001 lautet:

„Nach Anhörung des zuständigen wissenschaftlichen Ausschusses zu allen Fragen, die sich auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirken können, werden nach dem Verfahren des Artikels 24 Absatz 2 die Anhänge geändert oder ergänzt und geeignete Übergangsmaßnahmen getroffen.

…“

5

Art. 24a dieser Verordnung bestimmt:

„Entscheidungen, die nach einem der in Artikel 24 genannten Verfahren getroffen werden, basieren auf einer angemessenen Bewertung der möglichen Gefahren für die menschliche und tierische Gesundheit und sind unter Berücksichtigung der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse auf die Erhaltung oder, sofern dies wissenschaftlich begründet ist, Erhöhung des in der [Union] gewährleisteten Schutzniveaus für die menschliche und tierische Gesundheit gerichtet.“

6

Vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 727/2007 der Kommission vom 26. Juni 2007 zur Änderung der Anhänge I, III, VII und X der Verordnung Nr. 999/2001 (ABl. L 165, S. 8) hieß es in Anhang VII („Tilgung transmissibler spongiformer Enzephalopathien“) der Verordnung Nr. 999/2001:

„1.

Bei den Ermittlungen gemäß Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b) muss Folgendes identifiziert werden:

b)

im Fall von Schafen und Ziegen:

alle anderen Wiederkäuer als Ziegen und Schafe im Haltungsbetrieb des Tieres, bei dem sich die Krankheit bestätigt hat;

soweit sie ermittelt werden können, die Elterntiere und im Fall von weiblichen Tieren alle Embryonen, Eizellen und die letzten Nachkommen des weiblichen Tieres, bei dem sich die Krankheit bestätigt hat;

zusätzlich zu den unter dem zweiten Gedankenstrich genannten Tieren alle übrigen Schafe und Ziegen im Haltungsbetrieb des Tieres, bei dem sich die Krankheit bestätigt hat;

die etwaige Krankheitsursache und andere Betriebe, in denen Tiere, Embryonen oder Eizellen gehalten bzw. aufbewahrt werden, die möglicherweise mit dem TSE-Erreger infiziert sind oder die dasselbe Futter aufgenommen haben oder mit derselben Kontaminationsquelle in Berührung gekommen sind;

die Verbringung potenziell verunreinigter Futtermittel, sonstigen Materials [oder] etwaiger anderer Infektionsquellen, über die der [Erreger der bovinen spongiformen Enzephalopathie (im Folgenden: BSE)] möglicherweise aus dem oder in den betreffenden Betrieb übertragen wurde.

2.

Die Maßnahmen nach Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe c) umfassen mindestens:

b)

im Fall eines bestätigten TSE-Befundes bei Schafen oder Ziegen ab 1. Oktober 2003 entsprechend der Entscheidung der zuständigen Behörde:

i)

entweder die Tötung und vollständige Beseitigung aller Tiere, Embryonen und Eizellen, die bei den Ermittlungen nach Nummer 1 Buchstabe b) zweiter und dritter Gedankenstrich identifiziert wurden, oder

ii)

die Tötung und vollständige Beseitigung aller Tiere, Embryonen und Eizellen, die bei den Ermittlungen nach Nummer 1 Buchstabe b) zweiter und dritter Gedankenstrich identifiziert wurden, mit Ausnahme von [genetisch nicht empfänglichen oder weniger als zwei Monate alten, ausschließlich zur Schlachtung bestimmten Tieren];

iii)

wenn das infizierte Tier von einem anderen Haltungsbetrieb aufgenommen wurde, kann ein Mitgliedstaat auf der Grundlage der Fallgeschichte beschließen, zusätzlich [zu den] oder anstatt der Tilgungsmaßnahmen in dem Haltungsbetrieb, in dem die Infektion bestätigt wurde, solche Maßnahmen im Herkunftsbetrieb durchzuführen. Wird Weideland von mehr als einer Herde gemeinsam genutzt, können die Mitgliedstaaten beschließen, die Anwendung dieser Maßnahmen nach mit Gründen versehener Prüfung aller epidemiologischen Faktoren auf eine Herde zu beschränken; wird in einem Haltungsbetrieb mehr als eine Herde gehalten, können die Mitgliedstaaten beschließen, die Anwendung der Maßnahmen auf die Herde zu beschränken, in der die Traberkrankheit bestätigt wurde, sofern überprüft wurde, dass die Herden isoliert voneinander gehalten wurden und dass die Verbreitung der Infektion zwischen den Herden durch direkten oder indirekten Kontakt unwahrscheinlich ist;

c)

im Fall eines bestätigten BSE-Befundes bei Schafen oder Ziegen die Tötung und vollständige Beseitigung aller Tiere, Embryonen und Eizellen, die bei den Ermittlungen nach Nummer 1 Buchstabe b) zweiter bis fünfter Gedankenstrich identifiziert wurden.

…“

Streitige Verordnung

7

Durch die streitige Verordnung wurde Anhang VII der Verordnung Nr. 999/2001 in der Weise geändert, dass der Text dieses Anhangs in seiner Fassung der Verordnung Nr. 727/2007 in praktisch identischer Form übernommen wurde.

8

Die von der Französischen Republik im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels angefochtenen Bestimmungen sind Nr. 2.3 Buchst. b Ziff. iii und Buchst. d sowie Nr. 4 von Kapitel A des Anhangs VII der Verordnung Nr. 999/2001 (im Folgenden gemeinsam: angefochtene Maßnahmen).

9

Nr. 2.3 Buchst. b Ziff. iii von Kapitel A sieht vor, unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedstaaten im Fall eines bestätigten TSE-Befunds bei Schafen oder Ziegen, sofern BSE nach den in der Verordnung Nr. 999/2001 vorgesehenen Tests ausgeschlossen werden kann, entscheiden können, nicht alle identifizierten Tiere zu töten und zu beseitigen, wenn der Anteil genetisch resistenter Schafe in der Zucht gering ist, wenn es schwierig ist, resistente Ersatzschafe zu finden, zur Wahrung der genetischen Vielfalt einer Zucht oder einer Rasse oder aber aufgrund der Abwägung aller epidemiologischen Faktoren.

10

Nach Nr. 2.3 Buchst. d von Kapitel A des Anhangs VII der Verordnung Nr. 99/2001 können die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen entscheiden, die Tiere zum menschlichen Verzehr zu schlachten, anstatt sie zu töten und vollständig zu beseitigen, sofern sie im Hoheitsgebiet des betroffenen Mitgliedstaats geschlachtet werden und alle Tiere, die über 18 Monate alt sind oder bei denen mehr als zwei bleibende Schneidezähne das Zahnfleisch durchstoßen haben, auf TSE getestet werden.

11

Nr. 4 von Kapitel A des Anhangs VII regelt, unter welchen Voraussetzungen Tiere aus einem mit TSE infizierten Bestand im Haltungsbetrieb verbleiben und in einem Zeitraum von zwei Jahren nach Feststellung des letzten TSE-Falls zum menschlichen Verzehr geschlachtet werden dürfen. Nach dieser Bestimmung sind alle über 18 Monate alten verendeten oder zum menschlichen Verzehr geschlachteten Tiere auf TSE zu testen.

Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Verordnung

12

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits wird in den Randnrn. 12 bis 46 des angefochtenen Urteils dargelegt und kann wie folgt zusammengefasst werden.

13

Die TSE sind neurodegenerative Erkrankungen mit langsamer Entwicklung und tödlichem Ausgang, die sowohl Tiere als auch Menschen befallen. Bei den TSE, die Schafe, Ziegen oder Rinder befallen können, kann man die drei folgenden Erkrankungen unterscheiden: BSE, die klassische Scrapie und die atypische Scrapie.

14

Da Schafe und Ziegen auch unter natürlichen Bedingungen theoretisch von der BSE, einer auf den Menschen übertragbaren Erkrankung, befallen werden könnten, wurden mehrere Maßnahmen zur Vorbeugung und Tilgung der TSE bei Schafen und Ziegen in die Rechtsvorschriften der Union aufgenommen.

15

Am 22. Mai 2001 wurde die Verordnung Nr. 999/2001 erlassen, die innerhalb eines einzigen Rechtstexts sämtliche bestehenden Vorschriften zur Bekämpfung von TSE zusammenfasst. Diese Verordnung legt Maßnahmen für Tiere fest, bei denen der Verdacht einer TSE-Ansteckung besteht, sowie Maßnahmen für den Fall der Feststellung einer TSE-Ansteckung bei Tieren, einschließlich der Beseitigung gefährdeter Tiere. Überdies schreibt die Verordnung jedem Mitgliedstaat ein jährliches Programm zur Überwachung der TSE vor, das insbesondere durch ein Screening-Verfahren unter Einsatz von „Schnelltests“ anhand von Stichproben aus der Gesamtheit der Schafe und Ziegen durchgeführt wird.

16

Die Schnelltests erlauben innerhalb eines kürzeren Zeitraums die Feststellung einer TSE, nicht aber die Bestimmung ihres Typs, also BSE, klassische Scrapie oder atypische Scrapie. Sind die Ergebnisse dieser Schnelltests positiv, wird der Hirnstamm in einem Referenzlabor bestätigenden Untersuchungen unterzogen. Ist aufgrund dieser Tests BSE nicht auszuschließen, werden sie durch biologische Tests an lebenden Mäusen ergänzt.

17

Die Verordnung Nr. 999/2001 wurde zwischen 2001 und 2007 mehrfach geändert. Diese Änderungen betrafen insbesondere Maßnahmen zur Bekämpfung von TSE bei Schafen und Ziegen im Hinblick auf die Entwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bereich von TSE, wie die Entwicklung molekularer Differenzierungstests, mittels deren BSE von klassischer Scrapie oder atypischer Scrapie unterschieden werden kann (im Folgenden: Differenzierungstests). Ihre Anwendung setzt die vorherige Feststellung eines Falls von TSE voraus, die insbesondere anhand von Schnelltests erfolgen kann.

18

In Anwendung der 2005 geltenden Regelung hatten die Mitgliedstaaten bei Befall eines Tieres aus einer Schaf- oder Ziegenherde mit einer anderen TSE als BSE nur die Wahl, entweder sämtliche Tiere der Herde, zu der das befallene Tier gehörte, zu töten oder, falls das befallene Tier ein Schaf war, nur die genetisch empfänglichen Tiere der Herde zu beseitigen, nachdem der Genotyp sämtlicher Tiere der Herde bestimmt worden war, um die empfänglichen von den resistenten Tieren zu trennen. Außerdem konnte der Mitgliedstaat von der Tötung von Schafen und Ziegen absehen, die weniger als zwei Monate alt und ausschließlich zur Schlachtung bestimmt waren. War dagegen ein Tier von BSE befallen, mussten die Mitgliedstaaten für die Tötung und vollständige Beseitigung aller Schafe und Ziegen, Embryonen, Eizellen und aller Tiere sowie des Materials und der sonstigen Infektionsquellen sorgen.

19

Im Anschluss an die Bestätigung des Befalls einer 2000 geborenen und 2002 in Frankreich geschlachteten Ziege mit BSE am 28. Januar 2005 wurde ein verschärftes Überwachungsprogramm für Ziegen eingerichtet. Es handelte sich um den ersten Fall der Ansteckung eines kleinen Wiederkäuers mit BSE unter natürlichen Bedingungen.

20

Am 15. Juli 2005 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Mitteilung mit dem Titel „Fahrplan zur TSE-Bekämpfung“ (KOM[2005] 322 endgültig), in der sie ihre Absicht bekannt gab, neue Maßnahmen zur Abschwächung der geltenden Tilgungsmaßnahmen für kleine Wiederkäuer unter Berücksichtigung der neuen verfügbaren Diagnoseinstrumente und unter Beibehaltung des aktuellen Niveaus des Verbraucherschutzes vorzuschlagen. Sie vertrat insbesondere die Auffassung, dass nach dem Ausschluss von BSE keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit mehr bestehe und die Tötung des gesamten Bestands angesichts der Wagnisse im Zusammenhang mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit als unverhältnismäßig angesehen werden könne.

21

Am 21. September 2005 ersuchten die französischen Behörden die Agence française de sécurité sanitaire des aliments (Französische Agentur für die gesundheitliche Sicherheit von Lebensmitteln, im Folgenden: AFSSA), zum einen die gesundheitlichen Risiken der von der Kommission im Fahrplan zur TSE-Bekämpfung vorgeschlagenen Maßnahmen bei Schafen und Ziegen und zum anderen die Verlässlichkeit der Differenzierungstests zu prüfen.

22

Am 26. Oktober 2005 erstellte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ein Gutachten über die Klassifizierung der Fälle von atypischer TSE bei kleinen Wiederkäuern und empfahl, bei den Überwachungsprogrammen eine geeignete Kombination von Tests und Proben zu verwenden, um sicherzustellen, dass die Fälle atypischer Scrapie weiterhin festgestellt würden.

23

Zwischen Dezember 2005 und Februar 2006 wurden aufgrund der in der Europäischen Union durchgeführten Überwachungsprogramme für TSE zwei Schafe aus Frankreich und ein Schaf aus Zypern mit Verdacht einer BSE-Ansteckung ermittelt. Im Anschluss daran richtete die Kommission in allen Mitgliedstaaten eine verstärkte Überwachung der TSE bei Schafen ein.

24

Am 15. Mai 2006 veröffentlichte die AFSSA ein Gutachten, in dem sie dem Vorschlag der Kommission widersprach, die Schlachtungspolitik abzuschwächen, um die Zuführung des Fleischs von Tieren aus Viehbeständen der von Scrapie befallenen kleinen Wiederkäuer zum menschlichen Verzehr zu gestatten. Ihres Erachtens war ein Schluss, dass mit Ausnahme von BSE alle potenziell bei kleinen Wiederkäuern vorkommenden TSE-Stämme, einschließlich der atypischen Formen, kein Gesundheitsrisiko für den Menschen darstellten, nicht möglich.

25

Aufgrund neuer Anträge der französischen Behörden erstellte die AFSSA am 15. Januar 2007 ein Gutachten über die Entwicklung der Gesundheitsschutzmaßnahmen, in dem sie die Ansicht vertrat, dass die Differenzierungstests einen Ausschluss des Vorliegens von BSE weder bei dem untersuchten Tier noch a fortiori bei der Herde, der es angehöre, zuließen und dass die Übertragung anderer TSE als BSE auf den Menschen nicht ausgeschlossen werden könne. Sie empfahl daher die Beibehaltung der geltenden Regelung im Bereich der klassischen Scrapie.

26

Die von der Kommission befasste EFSA erstellte am 25. Januar und am 8. März 2007 zwei Gutachten über eine quantitative Bewertung des Restrisikos von BSE in Schaffleisch und Produkten aus Schaffleisch und über einige Aspekte des Risikos infolge von TSE bei Schafen und Ziegen.

27

In ihrem ersten, BSE betreffenden Gutachten vertrat die EFSA die Ansicht, dass deren wahrscheinlichste Prävalenz bei Schafen null sei. Im Gutachten über TSE vertrat sie die Auffassung, dass es zwar keinen Beweis für eine epidemiologische oder molekulare Verbindung zwischen der klassischen oder atypischen Scrapie und den TSE bei Menschen gebe, doch könne die Übertragung von anderen tierischen TSE-Erregern als BSE auf den Menschen nicht ausgeschlossen werden. Außerdem hielt sie die im Unionsrecht beschriebenen Differenzierungstests für bislang zuverlässig, um BSE von der klassischen oder atypischen Scrapie zu unterscheiden, auch wenn weder die diagnostische Empfindlichkeit noch die Spezifizität der Differenzierungstests als perfekt angesehen werden könne.

28

Im Anschluss an das Gutachten der EFSA vom 8. März 2007 übermittelte die Kommission dem Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und die Tiergesundheit am 24. April 2007 den Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Anhänge I, III, VII und X der Verordnung Nr. 999/2001 zur Abstimmung.

29

Am 26. Juni 2007 erließ die Kommission die Verordnung Nr. 727/2007, gegen die die Französische Republik beim Gericht Klage erhob.

30

Am 24. Januar 2008 erstellte die EFSA auf Ersuchen der Kommission ein Gutachten über die „Wissenschaftliche und technische Klärung der Auslegung und der Erwägungen zu einigen Blickwinkeln der Ergebnisse ihres Gutachtens vom 8. März 2007 über einige Aspekte des TSE-Risikos bei Schafen und Ziegen“. In diesem Gutachten verdeutlichte sie ihren Standpunkt zu den Fragen der Übertragung anderer tierischer TSE als BSE auf den Menschen und der Zuverlässigkeit der Differenzierungstests.

31

Am 30. April 2008 veröffentlichte das Referenzlabor ein Gutachten, in dem es klarstellte, dass die beiden Schafe aus Frankreich und das Schaf aus Zypern, bei denen Ergänzungstests durchgeführt worden waren (siehe oben, Randnr. 23), nicht als BSE-Fälle eingestuft werden könnten.

32

Am 17. Juni 2008 erließ die Kommission die streitige Verordnung zur Änderung des Anhangs VII der Verordnung Nr. 999/2001 und überließ den Mitgliedstaaten eine größere Wahl zwischen den zu treffenden Maßnahmen, wenn eine Herde Schafe oder Ziegen von einer TSE befallen ist, bei der nach einem Differenzierungstest festgestellt wurde, dass es sich nicht um BSE handelt. Diese Verordnung übernimmt die Bestimmungen der Verordnung Nr. 727/2007 in Bezug auf Anhang VII fast unverändert, wobei sie deren Begründung ergänzt.

33

Somit erlaubt es die streitige Verordnung im Wesentlichen, zum einen Fleisch kleiner Wiederkäuer im Alter von mehr als 18 Monaten, die aus einem Bestand stammen, in dem ein Fall anderer TSE als BSE entdeckt wurde, und die, wenn sie unmittelbar oder binnen zwei Jahren nach der Entdeckung des letzten TSE-Falls geschlachtet wurden, einem Schnelltest mit negativem Ergebnis unterzogen wurden, und zum anderen Fleisch kleiner Wiederkäuer im Alter von 3 bis 18 Monaten, die zu einem Bestand gehören, bei dem ein Fall anderer TSE als BSE entdeckt wurde, ohne dass sie Schnelltests unterzogen worden wären, dem menschlichen Verzehr zuzuführen.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

34

Mit Klageschrift, die am 17. Juli 2007 einging, erhob die Französische Republik wegen Verletzung des Vorsorgeprinzips Klage auf Nichtigerklärung von Nr. 3 des Anhangs der Verordnung Nr. 727/2007, soweit mit ihr die Regelung für die Tilgung der TSE abgeschwächt wird. Außerdem beantragte sie die Aussetzung des Vollzugs dieser Regelung bis zur Verkündung des Urteils. Das Gericht gab diesem Antrag mit Beschluss vom 28. September 2007 (T-257/07 R, Slg. 2007, II-4153) statt.

35

Nach dem Erlass der streitigen Verordnung entsprach das Gericht mit Entscheidung vom 6. Oktober 2008 dem Antrag der Französischen Republik auf Ausdehnung des anhängigen Verfahrens auf die Vorschriften dieser Verordnung und ließ die Einreichung ergänzender Angriffs- und Verteidigungsmittel zu. Mit Beschluss vom 30. Oktober 2008 (T-257/07 R II) gab das Gericht auch dem zweiten Antrag der Französischen Republik auf Aussetzung des Vollzugs statt, und mit Entscheidung vom 30. Januar 2009 wies es den Antrag der Kommission auf ein beschleunigtes Verfahren zurück.

36

Die Französische Republik machte einen einzigen Klagegrund geltend, mit dem sie eine Verletzung des Vorsorgeprinzips seitens der Kommission durch die Aufnahme der angefochtenen Maßnahmen in die streitige Verordnung rügte.

37

Die Kommission, unterstützt durch das Vereinigte Königreich, beantragte Klageabweisung.

38

Das Gericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil insgesamt abgewiesen.

39

Das Gericht hat zunächst in den Randnrn. 66 bis 89 des angefochtenen Urteils grundsätzliche Erwägungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit, zum Vorsorgeprinzip und zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle von Rechtsakten der Unionsorgane im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik angestellt.

40

Sodann hat das Gericht das Vorbringen geprüft, auf das die Französische Republik ihren einzigen Klagegrund stützte, mit dem sie einerseits die Risikobewertung durch die Kommission und andererseits deren Risikomanagement beanstandete.

41

Als ersten Punkt machte die Französische Republik in Bezug auf die Risikobewertung der Kommission geltend, die Kommission habe die wissenschaftlichen Unsicherheiten beim Risiko der Übertragbarkeit anderer TSE als BSE auf den Menschen nicht berücksichtigt, die Zuverlässigkeit der Schnelltests nicht wissenschaftlich prüfen lassen, die wissenschaftlichen Unsicherheiten hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Differenzierungstests außer Acht gelassen und die mit dem Erlass der angefochtenen Maßnahmen verbundenen Risiken nicht zu gegebener Zeit prüfen lassen.

42

In den Randnrn. 93 bis 202 des angefochtenen Urteils hat das Gericht alle diese Rügen zurückgewiesen.

43

Die Rügen fehlender Berücksichtigung und fehlerhafter Bewertung wissenschaftlicher Unsicherheiten bei der Übertragbarkeit anderer TSE als BSE auf den Menschen hat das Gericht in den Randnrn. 93 bis 109 seines Urteils mit der Erwägung zurückgewiesen, die Französische Republik habe zu Unrecht vorgebracht, dass die Kommission bei der Risikobewertung vor Erlass der streitigen Verordnung die wissenschaftlichen Unsicherheiten bezüglich dieser Übertragbarkeit außer Acht gelassen habe, denn aus dem zwölften Erwägungsgrund der streitigen Verordnung ergebe sich, dass die Kommission ausdrücklich anerkannt habe, dass es unmöglich sei, jede Übertragbarkeit anderer TSE als BSE bei Schafen oder Ziegen auf den Menschen auszuschließen.

44

Ferner hat das Gericht entschieden, dass die Kommission angesichts der Beschränktheit und geringen Repräsentativität der wissenschaftlichen Erkenntnisse, die zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verordnung den Nachweis gestattet hätten, dass eine andere TSE als BSE bei Schafen oder Ziegen auf den Menschen übertragbar gewesen sei, ohne offensichtlichen Beurteilungsfehler im zwölften Erwägungsgrund habe davon ausgehen dürfen, dass der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass eine andere TSE als BSE bei Schafen oder Ziegen auf den Menschen übertragen werden könne, äußerst gering sei. Ferner habe die Französische Republik weder ein Argument noch ein Beweismittel angeführt, das geeignet gewesen wäre, der Einschätzung der Kommission die Plausibilität zu nehmen.

45

In den Randnrn. 110 bis 136 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die auf die fehlende Befragung wissenschaftlicher Experten zur Zuverlässigkeit der Schnelltests gestützte Rüge der Französischen Republik zurückgewiesen. Das Gericht hat insbesondere die Ansicht vertreten, die Kommission habe, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, davon ausgehen können, dass die Bewertung der Zuverlässigkeit der Schnelltests in den Gutachten der EFSA vom 17. Mai und vom 26. September 2005 im Rahmen der Verwendung dieser Tests zur Kontrolle der Freigabe von Schaf- oder Ziegenfleisch für den menschlichen Verzehr relevant gewesen sei. Es sei daher nicht erforderlich gewesen, die EFSA dazu speziell zu befragen.

46

Das Gericht hat auch die Rügen der Französischen Republik zurückgewiesen, dass die Kommission zum einen vor Erlass der angefochtenen Maßnahmen keine Kenntnis von den Beschränkungen der Schnelltests bei ihrer Vornahme an jungen Tieren gehabt habe und dass ihr zum anderen ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen sei, als sie die angefochtenen Maßnahmen erlassen habe, obwohl die EFSA eine Neubewertung dieser Tests wegen der genannten Beschränkungen empfohlen habe.

47

In den Randnrn. 137 bis 173 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Rüge bezüglich der Zuverlässigkeit der Differenzierungstests geprüft und zurückgewiesen.

48

Zunächst hat das Gericht in den Randnrn. 143 bis 148 dieses Urteils erstens das Argument der Französischen Republik, dass die weiterhin bestehenden wissenschaftlichen Unsicherheiten in Bezug auf die Differenzierungstests nicht berücksichtigt worden seien, mit der Feststellung verworfen, dass die Kommission diese Unsicherheiten in den Erwägungsgründen der streitigen Verordnung angeführt habe. Zweitens hat das Gericht das Argument, dass bei der Ausarbeitung der angefochtenen Maßnahmen eine Befragung der EFSA unterblieben sei, als gegenstandslos zurückgewiesen. Drittens hat das Gericht ausgeführt, die Französische Republik habe nicht belegt, dass die Kommission die angefochtenen Maßnahmen im Anschluss an das Gutachten der EFSA vom 24. Januar 2008 nicht überprüft habe, da die streitige Verordnung ja Bezugnahmen auf dieses Gutachten enthalte.

49

Sodann hat das Gericht in den Randnrn. 149 bis 171 des angefochtenen Urteils die Rüge zurückgewiesen, dass die Kommission die Zweifel der wissenschaftlichen Experten hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Differenzierungstests infolge des fehlenden Verständnisses der tatsächlichen Vielfalt der TSE-Erreger und deren Interaktionsweise im Fall einer Koinfektion heruntergespielt habe. Es hat insbesondere festgestellt, dass die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, aus dem Gutachten der EFSA vom 24. Januar 2008 habe ableiten dürfen, dass die Möglichkeit einer Koinfektion bei kleinen Wiederkäuern nicht unter natürlichen Bedingungen nachgewiesen worden sei, und daraus habe schließen dürfen, dass das Risiko des Vorliegens einer solchen Koinfektion und erst recht das Risiko der Nichtentdeckung dieser Koinfektion gering seien. Die Kommission habe auch, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, die Ansicht vertreten dürfen, dass die Prävalenz von BSE bei kleinen Wiederkäuern sehr gering sei.

50

Schließlich hat das Gericht in Bezug auf das Gutachten der AFSSA vom 8. Oktober 2008 und das Gutachten der EFSA vom 22. Oktober 2008 in den Randnrn. 172 und 173 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass sie nach dem Erlass der streitigen Verordnung abgegeben worden seien, so dass das Vorbringen der Französischen Republik zu diesen Gutachten ins Leere gehe.

51

In den Randnrn. 174 bis 202 seines Urteils hat das Gericht die Rüge der fehlenden Würdigung der Risikoerhöhung infolge des Erlasses der streitigen Verordnung zurückgewiesen. Es hat insbesondere ausgeführt, dass angesichts der wissenschaftlichen Gutachten der EFSA und der AFSSA und wegen des Fehlens der für eine genaue quantitative Bewertung erforderlichen Daten der Kommission nicht angelastet werden könne, beim Erlass der streitigen Verordnung keine quantitative wissenschaftliche Bewertung des zusätzlichen Risikos für den Menschen, nach dem Erlass dieser Verordnung mit TSE in Berührung zu kommen, zur Verfügung gehabt zu haben. Daher hat das Gericht festgestellt, dass die Kommission die von der Rechtsordnung der Union verliehenen Garantien nicht verletzt habe.

52

Als zweiten, die Argumentation in Bezug auf das Risikomanagement betreffenden Punkt warf die Französische Republik der Kommission vor, gegen ihre Pflicht zur Sicherstellung eines hohen Niveaus des Schutzes der menschlichen Gesundheit und gegen das Vorsorgeprinzip verstoßen zu haben, indem sie sich auf ein doppeltes Postulat gestützt habe, nämlich zum einen auf die fehlende Übertragbarkeit anderer TSE als BSE bei Tieren auf den Menschen und zum anderen auf die Zuverlässigkeit der Differenzierungstests zur sicheren Unterscheidung der Scrapie von BSE, obwohl nach den jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen erhebliche Ungewissheiten in Bezug auf diese beiden Postulate bestünden.

53

Das Gericht hat diese Rügen in den Randnrn. 206 bis 264 des angefochtenen Urteils zurückgewiesen.

54

Hierzu hat das Gericht in seinen Vorbemerkungen in den Randnrn. 206 bis 214 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Französische Republik die Zuständigkeit der Kommission zum Erlass der streitigen Bestimmungen nicht angezweifelt habe. Die zuständigen Behörden hätten die Pflicht, das Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit aufrechtzuerhalten oder gegebenenfalls zu erhöhen, wenn es auch nicht das höchstmögliche Niveau sein müsse. Zur Erfüllung dieser Pflicht müsse die zuständige Behörde nach dem Vorsorgeprinzip ein Risiko, das über das gesellschaftlich annehmbar erscheinende Niveau hinausgehe, so steuern, dass es auf dieses Niveau beschränkt werde. Somit müsse die Abschwächung zuvor erlassener vorbeugender Maßnahmen mit neuen Gesichtspunkten gerechtfertigt werden, die zu einer anderen Bewertung des betreffenden Risikos führten. Solche neuen Gesichtspunkte, wie etwa neue Erkenntnisse oder Entdeckungen, seien geeignet, sowohl die Bewertung als auch das Niveau des gesellschaftlich annehmbar erscheinenden Risikos zu ändern.

55

Nur wenn das neue Risikoniveau das gesellschaftlich annehmbar erscheinende Risikoniveau übersteige, habe der Richter eine Verletzung des Vorsorgeprinzips festzustellen. Die gerichtliche Kontrolle der Bestimmung des gesellschaftlich unannehmbar erscheinenden Niveaus durch die zuständige Behörde beschränke sich darauf, ob diese einen offensichtlichen Beurteilungsfehler oder einen Ermessensmissbrauch begangen oder die Grenzen ihres Ermessens überschritten habe. Eine Partei, die einen offensichtlichen Beurteilungsfehler rüge, müsse ausreichende Beweise vorlegen, um die Sachverhaltswürdigung durch die zuständige Behörde als nicht plausibel erscheinen zu lassen.

56

In Bezug auf die drei von der Kommission angeführten Gesichtspunkte – das Fehlen einer epidemiologischen Verbindung zwischen der klassischen oder der atypischen Scrapie bei kleinen Wiederkäuern einerseits und den TSE bei Menschen seit der Einführung der ursprünglichen vorbeugenden Maßnahmen andererseits, die Einführung und Validierung der Differenzierungstests, die es erlaubten, innerhalb kurzer Zeit verlässlich die Scrapie von der BSE zu unterscheiden, und die sehr geringe wahrscheinliche Prävalenz von BSE bei Schafen und Ziegen nach den epidemiologischen Daten – bestreite die Französische Republik nicht die Neuartigkeit dieser Gesichtspunkte, sondern wende sich gegen die Auffassung, dass sie den Erlass der angefochtenen Maßnahmen rechtfertigen könnten. Infolgedessen sei zu prüfen, ob die Kommission angesichts dieser neuen Gesichtspunkte berechtigt gewesen sei, die streitige Verordnung zu erlassen, weil diese es unter Aufrechterhaltung eines hohen Niveaus des Schutzes der menschlichen Gesundheit erlaubt habe, die Kosten der Vorsorgemaßnahmen für die Gesellschaft zu senken, oder ob sie im Gegenteil mit dem Erlass dieser Verordnung gegen das Vorsorgeprinzip und damit gegen die Pflicht zur Beibehaltung eines hohen Niveaus des Schutzes der menschlichen Gesellschaft verstoßen habe, weil sie Personen Risiken ausgesetzt habe, die das gesellschaftlich annehmbar erscheinende Niveau überschritten.

57

In diesem Zusammenhang hat das Gericht zunächst in den Randnrn. 227 bis 248 des angefochtenen Urteils geprüft, ob die streitige Verordnung wegen der Zuführung des Fleischs kleiner Wiederkäuer, die zu einem Bestand gehörten, in dem ein Fall von TSE entdeckt worden sei, zum menschlichen Verzehr zu einer Erhöhung des Risikos geführt habe, dass Menschen mit TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kämen. Nach der Feststellung, dass dieses Risiko nicht unbeträchtlich zugenommen habe, hat das Gericht jedoch ausgeführt, dass diese Zunahme nicht für die Feststellung einer Verletzung des Vorsorgeprinzips oder der Pflicht zur Sicherstellung eines hohen Niveaus des Schutzes der menschlichen Gesundheit ausreiche. Es müsse noch geprüft werden, ob diese Erhöhung dazu geführt habe, dass die Risiken für die menschliche Gesundheit auf ein gesellschaftlich unannehmbar erscheinendes Niveau stiegen.

58

Das Gericht hat daher sodann in den Randnrn. 249 bis 264 des angefochtenen Urteils geprüft, ob der Erlass der streitigen Verordnung zu Risiken für die menschliche Gesellschaft geführt habe, die das gesellschaftlich annehmbar erscheinende Niveau überstiegen.

59

Zum Risiko aufgrund des Verzehrs des Fleischs kleiner Wiederkäuer, die mit anderen TSE als mit BSE infiziert sind, durch den Menschen hat das Gericht festgestellt, dass die Kommission angesichts des überaus geringen Risikos der Übertragbarkeit dieser TSE bei kleinen Wiederkäuern auf den Menschen keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, als sie davon ausgegangen sei, dass die angefochtenen Maßnahmen nicht zu einer über das gesellschaftlich annehmbar erscheinende Risikoniveau hinausgehenden Erhöhung des Risikos für die menschliche Gesundheit führen würden.

60

Zum Risiko aufgrund des Verzehrs des Fleischs mit BSE infizierter Schafe oder Ziegen durch den Menschen hat das Gericht ausgeführt, dass die angefochtenen Maßnahmen zwar nicht ausschließen könnten, dass Fleisch aus einer Herde, in der ein Tier mit BSE infiziert worden sei, dem menschlichen Verzehr zugeführt werde, doch sei die Prävalenz der klassischen BSE bei kleinen Wiederkäuern sehr gering, und es sei ein einziger Fall klassischer BSE bei kleinen Wiederkäuern bestätigt worden; er habe eine Ziege betroffen, die mit Tiermehl gefüttert worden sei, was nunmehr verboten sei.

61

Das Gericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, als sie davon ausgegangen sei, dass das mit dem Erlass der angefochtenen Bestimmungen einhergehende zusätzliche Risiko, dass Menschen mit der klassischen BSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kämen, nicht zu Risiken für die menschliche Gesundheit führe, die das gesellschaftlich annehmbar erscheinende Niveau überschritten.

62

Ferner hat das Gericht ausgeführt, aus den verschiedenen wissenschaftlichen Gutachten gehe hervor, dass Bedeutung, Ursprung und Übertragbarkeit der BSE vom Typ L oder H zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verordnung rein spekulativ gewesen seien. Daher habe die Kommission auch keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie davon ausgegangen sei, dass das zusätzliche Risiko, dass Verbraucher mit anderen BSE-Typen als der klassischen BSE in Berührung kämen, annehmbar sei.

63

Demgemäß hat das Gericht entschieden, dass die Kommission mit dem Erlass der streitigen Verordnung weder das Vorsorgeprinzip noch die in Art. 152 Abs. 1 EG und in Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 verankerte Pflicht zur Sicherstellung eines hohen Niveaus des Schutzes der menschlichen Gesundheit verletzt habe.

Verfahren vor dem Gerichtshof

64

Die Französische Republik beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben,

abschließend zu entscheiden und die streitige Verordnung für nichtig zu erklären oder, hilfsweise, die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen und

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

65

Die Kommission beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen und

der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

66

Die Französische Republik stützt ihr Rechtsmittel auf vier Gründe, mit denen sie erstens eine Verletzung der Begründungspflicht, zweitens eine Verfälschung des Sachverhalts, drittens eine fehlerhafte rechtliche Qualifizierung des Sachverhalts und viertens einen Rechtsfehler durch Verstoß gegen Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 und das Vorsorgeprinzip rügt.

67

Die Kommission vertritt die Ansicht, dass alle geltend gemachten Rechtsmittelgründe als offensichtlich unzulässig oder, hilfsweise, als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen seien.

68

Vorab ist die von der Kommission erhobene allgemeine Einrede der Unzulässigkeit zu prüfen.

Zur allgemeinen Einrede der Unzulässigkeit

69

Die Kommission erhebt zunächst die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsmittels, da mit ihm versucht werde, die beim Gericht eingereichte Klage erneut prüfen zu lassen, wozu der Gerichtshof nicht befugt sei. Sämtliche von der Französischen Republik vorgetragenen Gründe beschränkten sich entweder auf eine Wiederholung ihres Vorbringens im Verfahren vor dem Gericht oder bezweckten eine erneute Prüfung der von diesem herangezogenen Beweismittel.

70

Hierzu ist daran zu erinnern, dass nach Art. 256 AEUV und Art. 58 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt ist.

71

Im Übrigen können im ersten Rechtszug geprüfte Rechtsfragen nach ständiger Rechtsprechung im Rechtsmittelverfahren erneut aufgeworfen werden, wenn eine Partei die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts durch das Gericht beanstandet. Könnte nämlich eine Partei ihr Rechtsmittel nicht in dieser Weise auf bereits vor dem Gericht geltend gemachte Klagegründe und Argumente stützen, würde dies dem Rechtsmittelverfahren einen Teil seines Sinns nehmen (vgl. insbesondere Urteile vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C-514/07 P, C-528/07 P und C-532/07 P, Slg. 2010, I-8533, Randnr. 116, und vom 26. Juni 2012, Polen/Kommission, C-335/09 P, Randnr. 27).

72

In Bezug auf das vorliegende Rechtsmittelverfahren genügt die Feststellung, dass die Französische Republik, wie insbesondere aus Randnr. 66 des vorliegenden Urteils hervorgeht, entgegen der Ansicht der Kommission nicht allgemein die Tatsachenbeurteilungen des Gerichts durch Wiederholung der vor diesem geltend gemachten Klagegründe und Argumente in Zweifel zu ziehen sucht. Vielmehr wirft die Rechtsmittelführerin im Kern Rechtsfragen auf, die ohne rechtliche Bedenken Gegenstand eines Rechtsmittels sein können. Daher ist die von der Kommission erhobene allgemeine Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

73

Soweit die Kommission allerdings konkreter die Unzulässigkeit einzelner Teile oder spezifischer Gründe des Rechtsmittels rügt, sind diese Rügen im Rahmen der Prüfung der betreffenden Rechtsmittelgründe zu behandeln.

Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verletzung der Begründungspflicht

Vorbringen der Parteien

74

Der erste Rechtsmittelgrund gliedert sich im Wesentlichen in zwei Teile. Mit seinem ersten Teil rügt die Französische Republik, dass das Gericht im angefochtenen Urteil nicht in rechtlich hinreichender Weise auf ihre Rügen der fehlenden Berücksichtigung der verfügbaren wissenschaftlichen Daten durch die Kommission eingegangen sei.

75

Das Gericht habe zwar ausgeführt, dass die Kommission beim Erlass der streitigen Verordnung Kenntnis von den verfügbaren wissenschaftlichen Daten gehabt habe, doch habe die Französische Republik mit ihrem Vorbringen dartun wollen, dass die Kommission diese Daten nicht vollständig berücksichtigt habe, obwohl sie die beiden Postulate in Frage stellten, auf die sich die Kommission beim Erlass der Verordnung Nr. 727/2007 gestützt habe, nämlich zum einen die fehlende Übertragbarkeit anderer TSE als BSE auf den Menschen und zum anderen die Verlässlichkeit der Differenzierungstests. Dass die Schlussfolgerungen des Gutachtens der EFSA vom 24. Januar 2008 in den Erwägungsgründen der streitigen Verordnung erwähnt worden seien, bedeute nicht, dass diese Schlussfolgerungen von der Kommission wirklich berücksichtigt worden seien.

76

Ferner habe das Gericht nicht geprüft, ob die Kommission berechtigt gewesen sei, die Bestimmungen der Verordnung Nr. 727/2007 unverändert in die streitige Verordnung zu übernehmen, obwohl die Gutachten der EFSA die beiden Postulate in Frage stellten, auf die sich die Kommission beim Erlass dieser Bestimmungen gestützt habe.

77

Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes rügt die Französische Republik, dass das Gericht nicht in rechtlich hinreichender Weise auf ihre Rügen einer Verletzung von Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 eingegangen sei, da es festgestellt habe, dass diese Rügen auf den Antrag hinausliefen, zu prüfen, ob die angefochtenen Maßnahmen geeignet gewesen seien, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit zu gewährleisten.

78

In diesem Zusammenhang habe das Gericht unzutreffend angenommen, dass Art. 24a nur die in Art. 152 Abs. 1 EG enthaltene Verpflichtung der zuständigen Behörden übernehme, ein hohes Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit in der Union sicherzustellen. Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 stelle ein zusätzliches Erfordernis zu dem in Art. 152 Abs. 1 EG enthaltenen auf, nämlich, dass die auf der Grundlage von Art. 24 dieser Verordnung getroffenen Entscheidungen das durch die geltenden Vorbeugemaßnahmen geschaffene Schutzniveau nicht verringerten oder es sogar erhöhten. Daher hätte das Gericht sich vergewissern müssen, dass die angefochtenen Maßnahmen das Schutzniveau für die menschliche Gesundheit, das durch die früheren Vorbeugemaßnahmen gewährleistet worden sei, aufrechterhielten oder erhöhten.

79

Die Kommission ist der Ansicht, dass der erste Rechtsmittelgrund als offensichtlich unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen sei, da die Erwägungen des Gerichts in den Randnrn. 97, 144, 145, 201 und 221 des angefochtenen Urteils belegten, dass die Kommission die streitige Verordnung nach einer eingehenden Prüfung der besten wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der Forschung auf internationaler Ebene erlassen habe.

80

Was insbesondere das Vorbringen angehe, dass die Kommission nicht berechtigt gewesen sei, die Bestimmungen der Verordnung Nr. 727/2007 unverändert in die streitige Verordnung zu übernehmen, würden im Rechtsmittel die beanstandeten Teile des angefochtenen Urteils nicht genau angegeben. Jedenfalls erläutere die Rechtsmittelführerin nicht, aus welchem Grund die Kommission nicht berechtigt gewesen sein solle, die Maßnahmen der vorhergehenden Verordnungen, die gerechtfertigt gewesen seien, in die streitige Verordnung zu übernehmen, sondern sie ersuche den Gerichtshof um eine neue Bewertung des Sachverhalts, da sie sich darauf beschränke, dem Gericht vorzuwerfen, dass es die Gutachten der EFSA ebenso ausgelegt habe wie die Kommission.

81

In Bezug auf Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 habe die Französische Republik nicht angegeben, welche Umstände eine andere als die vom Gericht vorgenommene Auslegung dieser Bestimmung rechtfertigten. Das Gericht habe sich jedoch von der Beachtung nicht nur von Art. 152 Abs. 1 EG, sondern auch von Art. 24a überzeugt, indem es in den Randnrn. 211, 221, 249 und 266 des angefochtenen Urteils geprüft habe, ob die neuen Maßnahmen das Risiko für die menschliche Gesundheit erhöhten, und dies im Ergebnis verneint habe.

Würdigung durch den Gerichtshof

82

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Frage des Umfangs der Begründungspflicht eine Rechtsfrage ist, die der Nachprüfung durch den Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegt (Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C-413/06 P, Slg. 2008, I-4951, Randnr. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

83

Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass die dem Gericht nach Art. 36 der Satzung des Gerichtshofs, der auf das Gericht nach Art. 53 Abs. 1 dieser Satzung anwendbar ist, und Art. 81 der Verfahrensordnung des Gerichts obliegende Begründungspflicht nicht verlangt, dass das Gericht bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend behandelt. Die Begründung durch das Gericht kann daher implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe der Entscheidung des Gerichts zu erkennen, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrolle ausüben kann (vgl. insbesondere Urteile vom 10. Februar 2011, Activision Blizzard Germany/Kommission, C-260/09 P, Slg. 2011, I-419, Randnr. 84, und vom 28. Juli 2011, Mediaset/Kommission, C-403/10 P, Randnr. 88).

84

In Bezug auf den ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, mit dem die Verletzung der Begründungspflicht in Bezug auf das Argument der fehlenden Berücksichtigung der verfügbaren wissenschaftlichen Daten gerügt wird, geht aus den Randnrn. 96 bis 109 des angefochtenen Urteils hervor, dass das Gericht geprüft hat, ob in der streitigen Verordnung verfügbare wissenschaftliche Gutachten und die darin zum Ausdruck gebrachten Ungewissheiten angeführt waren. Das Gericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kommission die wissenschaftlichen Unsicherheiten bei der Risikobewertung vor dem Erlass der angefochtenen Maßnahmen nicht außer Acht gelassen habe und dass ihre Feststellungen daher nicht mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet gewesen seien. Ferner hat das Gericht ausgeführt, dass die Französische Republik weder ein Argument noch ein Beweismittel angeführt habe, das geeignet gewesen wäre, der Einschätzung der Kommission die Plausibilität zu nehmen.

85

Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Gericht seine Zurückweisung des von der Französischen Republik ihm gegenüber angeführten Arguments der fehlenden Berücksichtigung der verfügbaren wissenschaftlichen Daten in rechtlich unzureichender Weise begründet hätte.

86

Zur Rüge, dass das Gericht nicht geprüft habe, ob die Kommission berechtigt gewesen sei, die Bestimmungen der Verordnung Nr. 727/2007 unverändert in die streitige Verordnung zu übernehmen, ist festzustellen, dass die Prüfung der von der Französischen Republik beim Gericht eingereichten Schriftsätze und insbesondere ihrer ergänzenden, nach dem Erlass der streitigen Verordnung vorgelegten Anträge ergibt, dass das Vorbringen zur Übereinstimmung der mit der letztgenannten Verordnung erlassenen Maßnahmen mit denen der Verordnung Nr. 727/2007 im Verfahren vor dem Gericht nicht als eigenständiges Argument geltend gemacht wurde, sondern als bloße Feststellung im Rahmen des Vergleichs dieser beiden Verordnungen.

87

Zwar erwähnte die Französische Republik an einer Stelle im Rahmen ihres Vorbringens vor dem Gericht, dass sie nicht verstehe, wie die vollständige Berücksichtigung des Gutachtens der EFSA vom 24. Januar 2008 die Kommission dazu habe veranlassen können, in der streitigen Verordnung mit den beanstandeten Maßnahmen identische Bestimmungen zu erlassen, doch war diese Bemerkung weder Gegenstand eines konkreten Vorbringens, noch wurde sie durch eine spezifische Argumentation untermauert.

88

Nach allem hat die Französische Republik nicht mit der erforderlichen Klarheit und Genauigkeit angegeben, aus welchen Gründen die Kommission nicht berechtigt gewesen sein soll, die Bestimmungen der Verordnung Nr. 727/2007 unverändert in die streitige Verordnung zu übernehmen, und ihre Bemerkung in Bezug auf die Identität der beiden in Rede stehenden Verordnungen kann nicht als eigenständiges Vorbringen betrachtet werden, das eine spezifische Antwort im angefochtenen Urteil gerechtfertigt hätte. Daher hat das Gericht seine Begründungspflicht nicht dadurch verletzt, dass es auf diese Bemerkung nicht ausdrücklich eingegangen ist.

89

Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, den die Französische Republik auf die Nichtbeachtung der Begründungspflicht in Bezug auf die gerügte Verletzung von Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 stützt, ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringen nicht die Unzulänglichkeit der Begründung geltend macht, sondern die Stichhaltigkeit der Begründung des Gerichts in Zweifel zieht.

90

In den Randnrn. 79, 211 bis 213, 249 und 266 des angefochtenen Urteils hat das Gericht aber eine ausreichende Begründung gegeben, die es zum einen der Rechtsmittelführerin ermöglicht, die Gründe zu erkennen, aus denen das Gericht ihrem Vorbringen in Bezug auf die Verletzung von Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 nicht gefolgt ist, und zum anderen dem Gerichtshof, seine Kontrolle auszuüben.

91

Infolgedessen ist das auf die Verletzung der Begründungspflicht in Bezug auf die Anwendung von Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 gestützte Vorbringen als unbegründet zurückzuweisen. Da die Frage der Stichhaltigkeit dieser Begründung mit der geltend gemachten Verletzung von Art. 24a, die Gegenstand des ersten Teils des vierten Rechtsmittelgrundes ist, zusammenfällt, wird sie im Rahmen des vierten Rechtsmittelgrundes behandelt.

92

Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund teils unzulässig und teils unbegründet.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Verfälschung des Sachverhalts

Vorbringen der Parteien

93

Der zweite Rechtsmittelgrund ist in drei Teile gegliedert. Mit dem ersten Teil ihres zweiten Rechtsmittelgrundes macht die Französische Republik geltend, das Gericht habe in den Randnrn. 101 bis 108 des angefochtenen Urteils die Bedeutung der Gutachten der EFSA vom 8. März 2007 und vom 24. Januar 2008 dadurch verfälscht, dass es den von der Kommission aus diesen Gutachten gezogenen Schluss, dass das Risiko der Übertragbarkeit anderer TSE als BSE auf den Menschen äußerst gering sei, als frei von offensichtlichen Beurteilungsfehlern eingestuft habe. In diesen Gutachten sei die EFSA in Wirklichkeit nicht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Risiko äußerst gering sei, sondern dass es nicht möglich sei, die Übertragbarkeit auszuschließen.

94

Insbesondere macht die Französische Republik geltend, dass die Randnrn. 101 bis 106 des angefochtenen Urteils nichts zu einer Beurteilung des Grades der Wahrscheinlichkeit des Risikos einer Übertragbarkeit anderer TSE als BSE auf den Menschen durch die EFSA enthielten. Ferner habe das Gericht durch die Feststellung in Randnr. 107 dieses Urteils, dass die in Rede stehenden experimentellen Modelle wenig repräsentativ seien, die Bedeutung der Gutachten der EFSA verfälscht. Das Gericht habe die fehlende Gewissheit des Vorhandenseins eines Risikos mit dessen geringer Wahrscheinlichkeit verwechselt.

95

Mit dem zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes rügt die Französische Republik eine Verfälschung der Bedeutung der Gutachten der EFSA vom 17. Mai und vom 26. September 2005 sowie des Gutachtens vom 7. Juni 2007 durch das Gericht in den Randnrn. 116 bis 122 des angefochtenen Urteils, in denen es entschieden habe, dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, als sie zum einen angenommen habe, dass die Schnelltests zuverlässig seien, und zum anderen, dass die Bewertung der Zuverlässigkeit dieser Tests in den erwähnten Gutachten auch im Rahmen der Kontrolle zur Freigabe von Schaf- oder Ziegenfleisch für den menschlichen Verzehr gültig gewesen sei.

96

In diesem Zusammenhang führt die Französische Republik aus, die EFSA sei zwar in ihren Gutachten davon ausgegangen, dass die Schnelltests für die Bewertung der Prävalenz der klassischen Scrapie und von BSE empfohlen werden könnten, doch lasse sich daraus nicht ableiten, dass diese Tests im Rahmen der Kontrolle zur Freigabe von Schaf- oder Ziegenfleisch für den menschlichen Verzehr zuverlässig seien. Der Grad der Zuverlässigkeit der Schnelltests könnte nämlich bei der Verfolgung der epidemiologischen Entwicklung der klassischen Scrapie und von BSE sowie bei der systematischen Kontrolle der Schlachtkörper für ihre Zulassung zum Verbrauch nicht der gleiche sein.

97

Im dritten Teil ihres zweiten Rechtsmittelgrundes vertritt die Französische Republik die Ansicht, das Gericht habe in den Randnrn. 215 bis 221 des angefochtenen Urteils den Sachverhalt durch die Feststellung verfälscht, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse, auf die sich die Kommission zur Rechtfertigung des Erlasses der streitigen Verordnung gestützt habe, im Vergleich zu den früheren vorbeugenden Maßnahmen neue Gesichtspunkte darstellten.

98

Weder aus den Schriftsätzen der Kommission noch aus deren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht gehe hervor, dass sie sich auf die Neuartigkeit der von ihr herangezogenen wissenschaftlichen Erkenntnisse berufen hätte, mit Ausnahme der Entwicklung und der Validierung der Differenzierungstests. So habe die Kommission das Fehlen eines epidemiologischen Zusammenhangs zwischen der klassischen oder atypischen Scrapie bei kleinen Wiederkäuern und BSE bei Menschen oder die geringe Prävalenz von BSE bei kleinen Wiederkäuern nie als neue wissenschaftliche Gesichtspunkte dargestellt.

99

Diese Verfälschung des Sachverhalts habe die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der streitigen Verordnung maßgeblich beeinflusst, da, wie sich aus den Randnrn. 83 und 212 des angefochtenen Urteils ergebe, das Vorsorgeprinzip gebiete, dass die zuständigen Organe, um die Abschwächung geltender vorbeugender Maßnahmen zu rechtfertigen, neue Gesichtspunkte, die zu einer geänderten Bewertung des Risikos führen könnten, vorbringen oder darlegen müssten, dass diesem Risiko mit weniger einschränkenden als den bestehenden Maßnahmen begegnet werden könne.

100

Die Kommission führt aus, die ersten beiden Teile des zweiten Rechtsmittelgrundes seien unzulässig, da sich zum einen das Vorbringen der Französischen Republik auf eine Beurteilung und Auslegung des Sachverhalts durch das Gericht stütze, für die es allein zuständig sei, und da dieser Mitgliedstaat zum anderen nicht genau die beanstandeten Teile des angefochtenen Urteils oder die rechtlichen Argumente angebe, die seinen Antrag speziell stützten, insbesondere die Aktenstücke, aus denen sich eine sachliche Unrichtigkeit dieser Feststellungen ergeben solle.

101

Der dritte Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes sei ebenfalls unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Die Französische Republik räume nämlich einfach ihrer Auslegung des Sachverhalts Vorrang gegenüber der abweichenden Lösung der Kommission ein.

102

Die Beurteilung der Notwendigkeit einer Änderung bestimmter geltender Maßnahmen ergebe sich nicht aus dem Auftreten neuer Gesichtspunkte, sondern im Wesentlichen aus der Berücksichtigung der Entwicklung wissenschaftlicher Daten und Beweise. Das Erfordernis neuer Erkenntnisse, auf das sich die Französische Republik beziehe, finde sich nämlich weder in Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 noch in Art. 7 der Verordnung Nr. 178/2002, die sich auf die Bewertung der verfügbaren Informationen und der vorhandenen wissenschaftlichen Beweise bezögen.

Würdigung durch den Gerichtshof

103

In Bezug auf den ersten und den zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes, mit denen eine Verfälschung der Bedeutung bestimmter Gutachten der EFSA in den Randnrn. 101 bis 108 und 116 bis 122 des angefochtenen Urteils gerügt wird, ist auszuführen, dass das Gericht in diesen Randnummern die Rügen geprüft hat, auf deren Grundlage die Französische Republik die Feststellung begehrte, dass die Kommission bei der Beurteilung der ihr zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Gutachten einen offensichtlichen Fehler begangen habe, indem sie zum einen davon ausgegangen sei, dass die Gefahr der Übertragung einer anderen TSE als BSE bei Tieren auf den Menschen äußerst gering sei, und zum anderen, dass die Bewertung der Zuverlässigkeit der Schnelltests auch im Kontext der angefochtenen Maßnahmen, die die Freigabe des Fleischs kleiner Wiederkäuer für den menschlichen Verzehr bei negativem Testergebnis gestatteten, gültig gewesen sei.

104

Im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels greift die Französische Republik, wobei sie sich im Wesentlichen auf die gleichen wie die bereits dem Gericht vorgetragenen Argumente stützt, die gleichen, vom Gericht als nicht offensichtlich fehlerhaft betrachteten Beurteilungen der Kommission an und rügt dabei eine Verfälschung der Gutachten der EFSA vom 17. Mai und vom 26. September 2005, vom 8. März und vom 7. Juni 2007 sowie vom 24. Januar 2008.

105

Hierzu ist zum einen festzustellen, dass das Vorbringen der Rechtsmittelführerin auf einer unvollständigen Erfassung des angefochtenen Urteils beruht. Denn in Bezug auf das Risiko der Übertragung anderer TSE als BSE bei Tieren auf den Menschen geht aus Randnr. 107 des angefochtenen Urteils klar hervor, dass das Gericht auch die Erklärung des SEAC (Spongiform Encephalopathy Advisory Committee) zu dem potenziellen Risiko der Änderungen bei der Überwachung der klassischen Scrapie für die menschliche Gesundheit vom Februar 2008 berücksichtigt hat. Nach den Ausführungen des Gerichts hat der SEAC in dieser Erklärung zwar bestätigt, dass eine Verbindung zwischen der klassischen Scrapie und den TSE bei Menschen nicht ausgeschlossen werden könne, doch hat er dieses Risiko als sehr gering angesehen. Die sehr kleine und verhältnismäßig konstante Zahl der weltweiten Fälle von TSE bei Menschen belege, dass es eine zumindest spürbare, wenn auch nicht vollständige Barriere gegen eine Übertragung der klassischen Scrapie auf den Menschen geben müsse. Die Rechtsmittelführerin bestreitet aber weder die Relevanz noch die Stichhaltigkeit dieser Erklärung.

106

Zum anderen hat die Französische Republik nicht in rechtlich hinreichender Weise dargetan, dass das Gericht die erwähnten wissenschaftlichen Gutachten offensichtlich entgegen ihrem Inhalt ausgelegt hätte.

107

Infolgedessen sind der erste und der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

108

In Bezug auf den dritten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes, der gegen die Randnrn. 215 bis 221 des angefochtenen Urteils gerichtet ist, ist zu prüfen, ob die Französische Republik eine Verfälschung des Vorbringens der Kommission zur Neuartigkeit der den Erlass der angefochtenen Maßnahmen rechtfertigenden wissenschaftlichen Erkenntnisse dargetan hat.

109

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass das Gericht in den genannten Randnummern des angefochtenen Urteils die drei in Randnr. 56 des vorliegenden Urteils angeführten Gesichtspunkte zwar als neu im Vergleich zu der Situation bezeichnet hat, die zum Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen vorbeugenden Maßnahmen bestand, doch beruhte diese Einstufung nicht auf dem Vorbringen der Kommission vor dem Gericht, sondern ergab sich aus der Anwendung der in den Randnrn. 83 und 212 des angefochtenen Urteils angeführten Rechtsprechung.

110

In den letztgenannten Randnummern des angefochtenen Urteils hat das Gericht auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs verwiesen, wonach es, wenn neue Informationen die Einstufung eines Risikos ändern oder zeigen, dass ihm durch Maßnahmen begegnet werden kann, die weniger einschränkend sind als die bestehenden, den Organen, insbesondere der Kommission, die das Initiativrecht hat, obliegt, für eine Anpassung der Regelung an die neuen Gegebenheiten zu sorgen (vgl. Urteil vom 12. Januar 2006, Agrarproduktion Staebelow, C-504/04, Slg. 2006, I-679, Randnr. 40). Das Gericht hat daraus abgeleitet, dass die Abschwächung zuvor erlassener vorbeugender Maßnahmen mit neuen Gesichtspunkten, wie etwa neuen Erkenntnissen oder neuen wissenschaftlichen Entdeckungen, gerechtfertigt werden müsse, die zu einer anderen Bewertung des betreffenden Risikos führten.

111

Somit ist die Rüge einer Verfälschung des Vorbringens der Kommission zurückzuweisen, ohne dass deren Vorbringen geprüft zu werden braucht, mit dem die Begründetheit des Erfordernisses der Neuartigkeit der wissenschaftlichen Daten zur Rechtfertigung des Erlasses der angefochtenen Maßnahmen bestritten wird.

112

Nach alledem ist der dritte Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes und somit der zweite Rechtsmittelgrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

Zum dritten Rechtsmittelgrund: Fehler bei der rechtlichen Qualifizierung des Sachverhalts

Vorbringen der Parteien

113

Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund rügt die Französische Republik, dass das Gericht einen Fehler bei der rechtlichen Qualifizierung des Sachverhalts begangen habe, als es angenommen habe, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse, auf die sich die Kommission berufen habe, neue Umstände darstellten, die die Risikobewertung ändern könnten.

114

So habe das Gericht zu Unrecht in den Randnrn. 215 bis 221 des angefochtenen Urteils nicht nur bejaht, dass die drei wissenschaftlichen Erkenntnisse, auf die sich die Kommission gestützt habe, neu seien, sondern auch, dass sie geeignet seien, die Risikobewertung zu ändern.

115

Die Differenzierungstests stellten zwar eine neue wissenschaftliche Erkenntnis dar, doch sei dieser Gesichtspunkt nicht geeignet, die Risikobewertung zu ändern, denn die Zuverlässigkeit dieser Tests sei begrenzt. Was das Fehlen einer epidemiologischen Verbindung zwischen der klassischen Scrapie und den TSE bei Menschen sowie die geringe Prävalenz von BSE bei kleinen Wiederkäuern angehe, könnten diese wissenschaftlichen Erkenntnisse zu keiner Änderung der Risikobewertung führen, da sie beim Erlass der früheren vorbeugenden Maßnahmen bereits bekannt gewesen seien.

116

Die Kommission trägt vor, dass der dritte Rechtsmittelgrund als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen sei, da die Würdigung des Gerichts, wonach sie keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler auf der Grundlage der wissenschaftlichen Entwicklungen begangen habe, eine Tatsachenwürdigung darstelle.

117

Jedenfalls sei dieser Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen, da die wissenschaftliche Bewertung der Risiken, aufgrund deren die angefochtenen Maßnahmen erlassen worden seien, auf den zum Zeitpunkt ihres Erlasses verfügbaren wissenschaftlichen Nachweisen beruht habe, die gezeigt hätten, dass eine Änderung der Umstände eingetreten sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

118

Der dritte Rechtsmittelgrund der Französischen Republik ist wie der dritte Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes gegen die Randnrn. 215 bis 221 des angefochtenen Urteils gerichtet. Sie rügt mit ihrem Vorbringen zur Stützung dieses Rechtsmittelgrundes, dass die vom Gericht herausgearbeiteten Gesichtspunkte, deren Neuartigkeit sie bestreitet, nicht geeignet gewesen seien, die Risikobewertung in der Gesellschaft zu ändern.

119

Insoweit ist nach ständiger Rechtsprechung, wenn das Gericht die Tatsachen festgestellt oder gewürdigt hat, der Gerichtshof gemäß Art. 256 AEUV zur Kontrolle der rechtlichen Qualifizierung dieser Tatsachen und der Rechtsfolgen, die das Gericht aus ihnen gezogen hat, befugt (vgl. insbesondere Urteile vom 6. April 2006, General Motors/Kommission, C-551/03 P, Slg. 2006, I-3173, Randnr. 51, vom 18. Mai 2006, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, C-397/03 P, Slg. 2006, I-4429, Randnr. 105, sowie Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, Randnr. 29).

120

Aus den Randnrn. 215 bis 221 des angefochtenen Urteils, die die Französische Republik im Rahmen ihres dritten Rechtsmittelgrundes angreift, geht jedoch nicht hervor, dass das Gericht darin eine rechtliche Qualifizierung im Hinblick auf die Risikobewertung durch die Gesellschaft vorgenommen hätte. Es hat sich nämlich darauf beschränkt, die Neuartigkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse, auf die sich die Kommission berief, zu prüfen, was eine Tatsachenfeststellung ist.

121

Somit hat die Französische Republik mit der Erwägung, dass das Gericht in den Randnrn. 215 bis 221 des angefochtenen Urteils eine rechtliche Qualifizierung des Sachverhalts vorgenommen habe, dieses Urteil falsch ausgelegt.

122

Der dritte Rechtsmittelgrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

Zum vierten Rechtsmittelgrund: Rechtsfehler

Vorbringen der Parteien

123

Der vierte Rechtsmittelgrund ist in drei Teile gegliedert.

124

Mit dem ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes, der mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zusammenhängt, macht die Französische Republik geltend, dass das Gericht, als es in den Randnrn. 249 und 250 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, dass die Kommission Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 nicht verletzt habe, da sie die Verpflichtung aus Art. 152 Abs. 1 EG erfüllt habe, einen Rechtsfehler begangen habe. Art. 24a stelle ein zusätzliches Erfordernis zu demjenigen des Art. 152 Abs. 1 EG auf, so dass sich das Gericht zu Unrecht auf die Angabe beschränkt habe, dass die von der Kommission aufgrund der letztgenannten Bestimmung erlassenen Maßnahmen ein hohes Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit sichergestellt hätten. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, hätte sich das Gericht vergewissern müssen, dass diese Maßnahmen das durch die früheren vorbeugenden Maßnahmen gewährleistete Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit aufrechterhalten oder erhöht hätten.

125

Mit dem zweiten Teil ihres vierten Rechtsmittelgrundes macht die Französische Republik geltend, das Gericht habe in Randnr. 213 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft angenommen, dass die von der Kommission zur Rechtfertigung des Erlasses der streitigen Verordnung angeführten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu einer Änderung des Niveaus des annehmbar erscheinenden Risikos hätten führen können. Hilfsweise macht sie geltend, das Gericht habe auch dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es nicht geprüft habe, ob die Kommission bei der Bestimmung eines annehmbar erscheinenden Risikoniveaus die Schwere und die Irreversibilität der nachteiligen Auswirkungen der TSE auf die menschliche Gesundheit berücksichtigt habe. Schließlich führt sie aus, es habe zwangsläufig eine Erhöhung des Risikos für die menschliche Gesundheit gegeben, die das für die Gesellschaft annehmbare Niveau übersteige.

126

Mit dem dritten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes rügt die Französische Republik, dass das Gericht rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt habe, dass die angefochtenen Maßnahmen die früheren vorbeugenden Maßnahmen nicht ersetzten, sondern sie durch alternative, flexiblere Maßnahmen ergänzten. Das Nebeneinander der ursprünglichen und der neuen Maßnahmen werfe die Frage der Kohärenz einer solchen Regelung auf, die das Gericht hätte prüfen müssen. Dieser Rechtsfehler habe eine unzutreffende Würdigung der Rüge der Französischen Republik, dass das Vorsorgeprinzip bei der Risikobewertung verletzt worden sei, bewirkt.

127

Nach Ansicht der Kommission ist der vierte Rechtsmittelgrund als offensichtlich unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen.

128

Zum ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes führt die Kommission aus, dass das Gericht seine Prüfung ordnungsgemäß durchgeführt habe. Selbst wenn sie durch den Erlass auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhender Abschwächungsmaßnahmen zur verstärkten Exposition des Menschen gegenüber dem Erreger der Scrapie beigetragen hätte, hätte dies das Niveau des Schutzes der öffentlichen Gesundheit nicht geschwächt, da das Risiko der Übertragung der Scrapie auf den Menschen äußerst gering sei. Daher sei das Schutzniveau nicht gesenkt worden, und Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 sei beachtet worden.

129

Zum zweiten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes macht die Kommission geltend, die Französische Republik habe nichts zur Stützung ihres Arguments vorgetragen, dass das Risiko für die menschliche Gesundheit aufgrund der angefochtenen Maßnahmen das für die Gesellschaft annehmbar erscheinende Niveau überstiegen habe. Weder vor dem Gericht noch im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens habe die Französische Republik Beweise vorgelegt, die die Beurteilung dieses Gesichtspunkts durch die Kommission und das Gericht widerlegen könnten.

130

Schließlich führt die Kommission zum dritten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes aus, dass die Französische Republik versuche, die Analyse des Gerichts durch ihre eigene zu ersetzen.

Würdigung durch den Gerichtshof

131

Zum ersten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes, mit dem eine Verletzung von Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 gerügt wird, ist darauf hinzuweisen, dass nach dieser Bestimmung Entscheidungen, die nach einem der in Art. 24 der Verordnung genannten Verfahren getroffen werden, also auch die Änderungen der Anhänge, „auf einer angemessenen Bewertung der möglichen Gefahren für die menschliche und tierische Gesundheit [basieren] und unter Berücksichtigung der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse auf die Erhaltung oder, sofern dies wissenschaftlich begründet ist, Erhöhung des in der [Union] gewährleisteten Schutzniveaus für die menschliche und tierische Gesundheit gerichtet [sind]“.

132

Art. 24a wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 1923/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 (ABl. L 404, S. 1) in die Verordnung Nr. 999/2001 eingefügt. Aus der Entstehungsgeschichte der Verordnung Nr. 1923/2006 geht hervor, dass Art. 24a nicht in dem von der Kommission vorgelegten Vorschlag einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Dezember 2004 zur Änderung der Verordnung Nr. 999/2001 (KOM [2004] 775 endgültig) enthalten war, sondern auf das Gutachten der Kommission für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung vom 29. März 2006 zurückgeht, und dass seine Aufnahme in die Verordnung vom Europäischen Parlament in seinem Entwurf einer legislativen Entschließung vom 27. April 2006 vorgeschlagen wurde.

133

Auch wenn die Erwägungsgründe der Verordnung Nr. 1923/2006 keine Erläuterung zum Zweck der betreffenden Bestimmung enthalten, ergibt sich insbesondere aus den vom Parlament in seinem Entschließungsentwurf angegebenen Gründen, dass diese Änderung gewährleisten sollte, dass die wesentlichen Aspekte der zu prüfenden Verordnung von der Kommission und den Mitgliedstaaten nur dann im Rahmen des Ausschussverfahrens geändert werden können, wenn eine Begründung gegeben wird, wonach eine Senkung des Niveaus des Schutzes der Gesundheit von Mensch und Tier ausgeschlossen ist. Ferner berichtet das Parlament in der diesem Entwurf beigefügten Begründung von Schwierigkeiten, die notwendige Aufmerksamkeit aufzubringen, wenn die Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten stufenweise eine umfangreiche Liste von Änderungen erlasse.

134

Somit geht aus der Entstehungsgeschichte hervor, dass Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 als Garantie gedacht war, mit der verhindert werden sollte, dass im Ausschussverfahren Maßnahmen erlassen werden, die geeignet sind, das Niveau des Schutzes der Gesundheit von Mensch und Tier in der Union zu senken.

135

Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin ergibt sich daraus jedoch nicht, dass Art. 24a jede Abschwächung der früheren vorbeugenden Maßnahmen ausschließt. Zum einen erhebt nämlich Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 den Umstand, dass der Vergleich anhand des Schutzniveaus der im selben Bereich erlassenen früheren vorbeugenden Maßnahmen vorgenommen werden sollte, nicht zum Kriterium, sondern erwähnt allgemein das „in der [Union] gewährleistete“ Schutzniveau für die Gesundheit. Zum anderen ergibt sich sowohl aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 178/2002 wie auch aus der in Randnr. 110 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung, dass die vorläufigen Maßnahmen des Risikomanagements, die im Kontext wissenschaftlicher Unsicherheit erlassen werden, innerhalb angemessener Frist überprüft werden müssen, damit gewährleistet ist, dass sie verhältnismäßig sind und den Handel nicht stärker beeinträchtigen, als dies zur Erreichung des in der Union gewählten hohen Gesundheitsschutzniveaus notwendig ist.

136

Somit steht das Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit in engem Zusammenhang mit dem für die Gesellschaft annehmbar erscheinenden Risikoniveau, das wiederum von den zu einem gegebenen Zeitpunkt verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen abhängt. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass unter Berücksichtigung der Entwicklung der wissenschaftlichen Daten das gleiche Schutzniveau mit weniger einschränkenden Maßnahmen erreicht werden kann.

137

Zur Beurteilung der Frage, ob das Gericht rechtsfehlerhaft in den Randnrn. 65 und 250 des angefochtenen Urteils erwogen hat, dass Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 nur die Verpflichtungen aus Art. 168 Abs. 1 Unterabs. 1 AEUV übernehme, sind diese Randnummern im Licht der gesamten Entscheidungsgründe des Urteils zu betrachten.

138

Zwar erwähnt das Gericht in den Randnrn. 74, 79, 81, 174 bis 176 und 250 des angefochtenen Urteils die Pflicht der Organe, ein hohes Niveau des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt zu gewährleisten, was, wie die Französische Republik ausführt, den Eindruck hervorrufen könnte, dass sich das Gericht mit der Prüfung begnügt habe, ob die angefochtenen Maßnahmen der in Art. 168 Abs. 1 Unterabs. 1 AEUV enthaltenen Verpflichtung genügen. Doch geht aus den Randnrn. 211 bis 213, 221, 249 und 266 des angefochtenen Urteils klar hervor, dass das Gericht Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 unter angemessener Berücksichtigung der Pflicht auslegt, das in der Union gewährleistete Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit aufrechtzuerhalten.

139

In den Randnrn. 211 bis 213 des angefochtenen Urteils hat das Gericht insbesondere Folgendes ausgeführt:

„211

Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass die zuständigen Behörden die Pflicht haben, ein hohes, wenn auch nicht das höchstmögliche Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit aufrechtzuerhalten … Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 verweist auf diese Verpflichtung im Zusammenhang mit den der Kommission übertragenen Befugnissen zur Änderung der Anhänge der Verordnung Nr. 999/2001, wenn er den Erlass von Entscheidungen im Kontext dieser Verordnung von der Bedingung der Aufrechterhaltung oder, wenn dies wissenschaftlich gerechtfertigt ist, der Erhöhung des in der Gemeinschaft gewährleisteten Niveaus des Schutzes der menschlichen Gesundheit abhängig macht. Das Vorsorgeprinzip ist eines der Instrumente, die es den Behörden gestatten, dieser Pflicht zu genügen … Es schreibt nämlich den Behörden vor, ein Risiko, das über das gesellschaftlich annehmbar erscheinende Niveau hinausgeht, so zu steuern, dass es auf dieses Niveau beschränkt wird … Die Steuerung des Risikos durch Erlass geeigneter Maßnahmen, die ein hohes Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt sicherstellen sollen, entspricht damit sämtlichen Maßnahmen eines Organs, mit denen ein Risiko so gesteuert werden soll, dass es auf ein akzeptables Niveau beschränkt bleibt.

212

Außerdem ist es Sache der zuständigen Behörden, die von ihnen aufgrund des Vorsorgeprinzips erlassenen vorläufigen Maßnahmen innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne zu überprüfen. Dazu ist entschieden worden, dass, wenn neue Informationen die Einstufung eines Risikos ändern oder zeigen, dass ihm durch Maßnahmen begegnet werden kann, die weniger einschränkend sind als die bestehenden, es den Organen, insbesondere der Kommission, obliegt, für eine Anpassung der Regelung an die neuen Gegebenheiten zu sorgen … Somit muss die Abschwächung zuvor erlassener vorbeugender Maßnahmen mit neuen Gesichtspunkten gerechtfertigt werden, die zu einer anderen Bewertung des betreffenden Risikos führen.

213

Diese neuen Gesichtspunkte, wie etwa neue Erkenntnisse oder neue wissenschaftliche Entdeckungen, ändern, wenn sie eine Abschwächung einer vorbeugenden Maßnahme rechtfertigen, den konkreten Inhalt der Pflicht der Behörden zur ständigen Aufrechterhaltung eines hohen Niveaus des Schutzes der menschlichen Gesundheit. Diese neuen Gesichtspunkte können nämlich die Bewertung sowie das Niveau des gesellschaftlich annehmbar erscheinenden Risikos ändern. Die Rechtmäßigkeit des Erlasses einer weniger einschränkenden vorbeugenden Maßnahme ist nicht anhand des Niveaus des gesellschaftlich annehmbar erscheinenden Risikos zu beurteilen, das beim Erlass der ursprünglichen vorbeugenden Maßnahmen Berücksichtigung gefunden hat. Der Erlass der ursprünglichen vorbeugenden Maßnahmen mit dem Ziel, das Risiko auf ein gesellschaftlich annehmbar erscheinendes Niveau zu bringen, erfolgt nämlich aufgrund einer Bewertung der Risiken und insbesondere der Festlegung des gesellschaftlich annehmbar erscheinenden Risikoniveaus. Wenn neue Gesichtspunkte diese Bewertung der Risiken ändern, ist die Rechtmäßigkeit des Erlasses weniger einschränkender vorbeugender Maßnahmen unter Berücksichtigung dieser neuen Gesichtspunkte und nicht nach Maßgabe der Gesichtspunkte zu würdigen, die die Bewertung der Risiken im Rahmen des Erlasses der ursprünglichen vorbeugenden Maßnahmen bestimmt haben. Nur wenn das neue Risikoniveau das gesellschaftlich annehmbar erscheinende Risikoniveau übersteigt, hat der Richter eine Verletzung des Vorsorgeprinzips festzustellen.“

140

Daraus ergibt sich, dass das Gericht Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 im Wesentlichen die gleiche Bedeutung beimisst, wie sie sich aus den Randnrn. 134 bis 136 des vorliegenden Urteils ergibt. Da die Französische Republik die Stichhaltigkeit dieser Auslegung nicht bestritten, sondern nur die Randnummern des angefochtenen Urteils angeführt hat, die die Pflicht zur Aufrechterhaltung des hohen Niveaus des Schutzes der menschlichen Gesundheit erwähnen, ist der erste Teil des vierten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

141

Zum zweiten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes, wonach das Gericht in Randnr. 213 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft angenommen habe, die von der Kommission zur Rechtfertigung des Erlasses der streitigen Verordnung angeführten wissenschaftlichen Erkenntnisse hätten zu einer Änderung des annehmbar erscheinenden Risikoniveaus führen können, ist festzustellen, dass die Französische Republik, ungeachtet dessen, wie diese Argumentation formuliert ist, in Wirklichkeit nur eine Tatsachenbeurteilung beanstandet, deren Nachprüfung nach Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 1 AEUV und der in Randnr. 70 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens fällt.

142

Zum hilfsweisen Vorbringen der Rechtsmittelführerin, dass das Gericht dadurch einen Rechtsfehler begangen habe, dass es nicht geprüft habe, ob die Kommission bei der Bestimmung des annehmbar erscheinenden Risikoniveaus die Schwere der Verwirklichung des Risikos der Übertragung der TSE auf den Menschen und die Irreversibilität der TSE als Erkrankung berücksichtigt habe, ist darauf hinzuweisen, dass sich auf einem Gebiet, auf dem der Unionsgesetzgeber komplexe Bewertungen vorzunehmen hat, die gerichtliche Kontrolle der Ausübung seiner Zuständigkeit auf die Prüfung beschränken muss, ob sie einen offensichtlichen Beurteilungsfehler oder einen Ermessensmissbrauch aufweist oder ob der Gesetzgeber die Grenzen seines Ermessens offenkundig überschritten hat (Urteil vom 9. September 2003, Monsanto Agricoltura Italia u. a., C-236/01, Slg. 2003, I-8105, Randnr. 135).

143

In Anbetracht dieses weiten Ermessens der Kommission bei der Bestimmung des für die Gesellschaft unannehmbar erscheinenden Risikoniveaus hat das Gericht seine Kontrolle zu Recht auf offensichtliche Beurteilungsfehler beschränkt.

144

Im Übrigen geht aus den beim Gericht eingereichten Schriftsätzen hervor, dass die Französische Republik in ihren ergänzenden Anträgen ausdrücklich angab, nicht zu bestreiten, dass es Sache der Unionsorgane sei, das für die Gesellschaft unannehmbar erscheinende Risikoniveau zu bestimmen.

145

Es genügt die Feststellung, dass das Vorbringen der Französischen Republik keinen Anhaltspunkt dafür enthält, dass die Kommission einen vom Gericht übersehenen offensichtlichen Fehler begangen hätte.

146

Unter diesen Umständen ist die Rüge einer Rechtsverletzung im Rahmen der Beurteilung der Entwicklung des annehmbar erscheinenden Risikoniveaus als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen.

147

Zum dritten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes der Französischen Republik, mit dem eine Inkohärenz der streitigen Verordnung gerügt wird, ist festzustellen, dass diese Rüge neu ist, da die Rechtsmittelführerin sie vor dem Gericht nicht erhoben hatte.

148

Vor dem Gericht machte die Rechtsmittelführerin nämlich nicht geltend, dass der Umstand, dass die angefochtenen Maßnahmen nicht an die Stelle der früheren vorbeugenden Maßnahmen traten, sondern sie durch alternative Maßnahmen ergänzten, Einfluss auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der streitigen Verordnung hätte.

149

Im Rahmen eines Rechtsmittels beschränkt sich die Zuständigkeit des Gerichtshofs aber grundsätzlich auf die Beurteilung der rechtlichen Entscheidung über das im ersten Rechtszug erörterte Vorbringen (vgl. insbesondere Urteil vom 1. Februar 2007, Sison/Rat, C-266/05 P, Slg. 2007, I-1233, Randnr. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung). Eine Partei kann daher ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das sie vor dem Gericht nicht vorgebracht hat, grundsätzlich nicht erstmals vor dem Gerichtshof vorbringen, da dies darauf hinausliefe, dem Gerichtshof zu erlauben, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Gerichts im Hinblick auf Angriffs- oder Verteidigungsmittel zu überprüfen, über die das Gericht nicht zu entscheiden hatte (Urteil vom 15. September 2011, Deutschland/Kommission, C-544/09 P, Randnr. 63).

150

Der dritte Teil des vierten Rechtsmittelgrundes ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

151

Nach alledem ist der vierte Rechtsmittelgrund als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen.

152

Da keiner der von der Rechtsmittelführerin zur Stützung ihres Rechtsmittels angeführten Gründe durchgreift, ist es insgesamt zurückzuweisen.

Kosten

153

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der gemäß ihrem Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Französischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Die Französische Republik trägt die Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.