URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

18. Oktober 2012 ( *1 )

„Richtlinie 96/9/EG — Rechtlicher Schutz von Datenbanken — Art. 7 — Schutzrecht sui generis — Datenbank für laufende Spiele von Fußballmeisterschaften — Begriff ‚Weiterverwendung‘ — Ort der Weiterverwendung“

In der Rechtssache C-173/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 5. April 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 8. April 2011, in dem Verfahren

Football Dataco Ltd,

Scottish Premier League Ltd,

Scottish Football League,

PA Sport UK Ltd

gegen

Sportradar GmbH,

Sportradar AG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Richterin R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter K. Lenaerts (Berichterstatter), G. Arestis, J. Malenovský und D. Šváby,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Football Dataco Ltd, der Scottish Premier League Ltd, der Scottish Football League und der PA Sport UK Ltd, vertreten durch J. Mellor und L. Lane, Barristers, beauftragt durch S. Levine und R. Hoy, Solicitors,

der Sportradar GmbH und der Sportradar AG, vertreten durch H. Carr, QC, beauftragt durch P. Brownlow, Solicitor,

der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne als Bevollmächtigten im Beistand von R. Verbeke, advocaat,

der spanischen Regierung, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte,

der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, A. Barros und A. Silva Coelho als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und J. Samnadda als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Juni 2012

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken (ABl. L 77, S. 20).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Dataco Ltd, der Scottish Premier League Ltd, der Scottish Football League und der PA Sport UK Ltd (im Folgenden gemeinsam: Football Dataco u. a.) einerseits sowie der Sportradar GmbH und der Sportradar AG (im Folgenden gemeinsam: Sportradar) andererseits, der namentlich eine von Football Dataco u. a. gerügte Verletzung ihres Schutzrechts sui generis an einer laufende Spiele von Fußballmeisterschaften betreffenden Datenbank („Football Live“) durch Sportradar zum Gegenstand hat.

Rechtlicher Rahmen

3

Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 96/9 lautet:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck ‚Datenbank‘ eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit elektronischen Mitteln oder auf andere Weise zugänglich sind.“

4

In Kapitel III („Schutzrecht sui generis“) der Richtlinie heißt es in Art. 7 zum Gegenstand des Schutzes:

„(1)   Die Mitgliedstaaten sehen für den Hersteller einer Datenbank, bei der für die Beschaffung, die Überprüfung oder die Darstellung ihres Inhalts eine in qualitativer oder quantitativer Hinsicht wesentliche Investition erforderlich ist, das Recht vor, die Entnahme und/oder die Weiterverwendung der Gesamtheit oder eines in qualitativer oder quantitativer Hinsicht wesentlichen Teils des Inhalts dieser Datenbank zu untersagen.

(2)   Für die Zwecke dieses Kapitels gelten folgende Begriffsbestimmungen:

a)

‚Entnahme‘ bedeutet die ständige oder vorübergehende Übertragung der Gesamtheit oder eines wesentlichen Teils des Inhalts einer Datenbank auf einen anderen Datenträger, ungeachtet der dafür verwendeten Mittel und der Form der Entnahme;

b)

‚Weiterverwendung‘ bedeutet jede Form öffentlicher Verfügbarmachung der Gesamtheit oder eines wesentlichen Teils des Inhalts der Datenbank durch die Verbreitung von Vervielfältigungsstücken, durch Vermietung, durch Online-Übermittlung oder durch andere Formen der Übermittlung. …

(5)   Unzulässig ist die wiederholte und systematische Entnahme und/oder Weiterverwendung unwesentlicher Teile des Inhalts der Datenbank, wenn dies auf Handlungen hinausläuft, die einer normalen Nutzung der Datenbank entgegenstehen oder die berechtigten Interessen des Herstellers der Datenbank unzumutbar beeinträchtigen.“

5

Die Richtlinie 96/9 wurde im Vereinigten Königreich durch Erlass der Verordnung von 1997 über das Urheberrecht und Rechte an Datenbanken (Copyright and Rights in Database Regulations 1997) umgesetzt, mit der das Gesetz von 1988 über das Urheberrecht, Muster und Patente (Copyright Designs and Patents Act 1988) geändert wurde. Die für das Ausgangsverfahren maßgebenden Vorschriften dieser Verordnung sind gleichlautend mit den einschlägigen Vorschriften der Richtlinie.

6

Gemäß Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, „wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, [und zwar] vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“.

7

Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) (ABl. L 199, S. 40) bestimmt in den Abs. 1 und 2:

„(1)   Auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einer Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums ist das Recht des Staates anzuwenden, für den der Schutz beansprucht wird.

(2)   Bei außervertraglichen Schuldverhältnissen aus einer Verletzung von gemeinschaftsweit einheitlichen Rechten des geistigen Eigentums ist auf Fragen, die nicht unter den einschlägigen Rechtsakt der Gemeinschaft fallen, das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Verletzung begangen wurde.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

8

Football Dataco u. a. sind für die Organisation der englischen bzw. der schottischen Fußballmeisterschaft verantwortlich. Der Football Dataco Ltd obliegt die Schaffung und Vermarktung von diese Meisterschaften betreffenden Informationen und Rechten des geistigen Eigentums. Football Dataco u. a. machen auf der Grundlage des Rechts des Vereinigten Königreichs ein Schutzrecht sui generis an der Datenbank mit der Bezeichnung „Football Live“ geltend.

9

Bei Football Live handelt es sich um eine Sammlung von Daten über laufende Fußballspiele (Spielstand, Name der Torschützen, wann und wem eine gelbe oder rote Karte gezeigt wird, etwaige Strafstöße, Auswechslungen während des Spiels). Diese Daten würden in erster Linie von ehemaligen Berufsfußballern gesammelt, die von Football Dataco u. a. auf freiberuflicher Basis beschäftigt würden und zu diesem Zweck die betreffenden Fußballspiele besuchten. Football Dataco u. a. machen geltend, für die Beschaffung und/oder Überprüfung dieser Daten sei eine wesentliche Investition erforderlich, und die Erstellung dieser Datenbank verlange auch in beträchtlichem Umfang Know-how, Arbeitsaufwand, Urteilsvermögen und/oder geistige Leistungen.

10

Die Sportradar GmbH ist eine deutsche Gesellschaft, die die Ergebnisse und andere Statistiken insbesondere über Fußballspiele der englischen Liga live im Internet zur Verfügung stellt. Der Dienst trägt die Bezeichnung „Sport Live Data“. Die Gesellschaft hat eine Website unter der Adresse betradar.com. Die Wettunternehmen, die Kunden der Sportradar GmbH sind, schließen Verträge mit der Schweizer Holdinggesellschaft Sportradar AG, der Muttergesellschaft der Sportradar GmbH, ab. Zu diesen Kunden gehören die nach dem Recht des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland gegründete Gesellschaft bet365 sowie die Gesellschaft Stan James mit Sitz in Gibraltar, die Wettdienstleistungen auf dem und für den Markt dieses Mitgliedstaats anbieten. Ihre Websites verfügen über einen Link zu betradar.com. Wenn ein Internetnutzer auf die Option „Live Score“ klickt, werden die abgerufenen Daten unter Hinweis auf „bet365“ bzw. „Stan James“ dargestellt. Das vorlegende Gericht leitet daraus ab, dass die Öffentlichkeit im Vereinigten Königreich offensichtlich eine wichtige Zielgruppe für Sportradar darstellt.

11

Am 23. April 2010 erhoben Football Dataco u. a. beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, gegen Sportradar u. a. Klage auf Schadensersatz wegen einer Verletzung ihres Schutzrechts sui generis durch diese Gesellschaft. Am 9. Juli 2010 machte Sportradar die Unzuständigkeit dieses Gerichts geltend.

12

Am 14. Juli 2010 erhob die Sportradar GmbH beim Landgericht Gera (Deutschland) Klage auf Feststellung, dass ihre Tätigkeiten keine Rechte am geistigen Eigentum, deren Inhaber Football Dataco u. a. seien, verletzten.

13

Mit Urteil vom 17. November 2010 erklärte sich der High Court für zuständig, über die Klage von Football Dataco u. a. zu entscheiden, soweit sie wegen einer Verletzung ihres Schutzrechts sui generis durch Entnahme- und/oder Weiterverwendungshandlungen auf die gesamtschuldnerische Haftung von Sportradar und ihrer Kunden, die ihre Website im Vereinigten Königreich benutzen, gerichtet ist. Das Gericht erklärte sich hingegen für unzuständig, über die Klage von Football Dataco u. a. zu entscheiden, soweit sie die vorrangige Haftung von Sportradar wegen dieser Verletzung betrifft.

14

Gegen die Entscheidung des High Court legten sowohl Football Dataco u. a. als auch Sportradar Berufung beim Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) ein.

15

Football Dataco u. a. tragen vor, Sportradar erhalte ihre Daten dadurch, dass sie sie von Football Live auf ihren Server kopiere und die so kopierten Daten dann der Öffentlichkeit im Vereinigten Königreich, die auf Live Score klicke, übermittle. Nach der „Übermittlungstheorie“ oder der „Wiedergabetheorie“ fänden die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Handlungen nicht nur in dem Mitgliedstaat, von dem aus die Daten durch Sportradar gesendet worden seien, sondern auch in dem Mitgliedstaat, in dem sich die Empfänger dieser Sendungen befänden, also im vorliegenden Fall im Vereinigten Königreich, statt.

16

Sportradar macht geltend, die auf der Website betradar.com befindlichen Daten würden autonom generiert. Nach der „Ausstrahlungstheorie“ werde eine Übermittlungshandlung nur am Herkunftsort der Daten verwirklicht, so dass die ihr vorgeworfenen Handlungen nicht in die Zuständigkeit der Gerichte des Vereinigten Königreichs fielen.

17

Der Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Wenn eine Person aus einer Datenbank, die durch ein Schutzrecht sui generis gemäß der Richtlinie 96/9 geschützt ist, Daten auf ihren im Mitgliedstaat A befindlichen Webserver hochlädt und der Webserver auf Abruf eines Nutzers im Mitgliedstaat B diese Daten an den Computer des Nutzers sendet, so dass die Daten im Arbeitsspeicher dieses Computers gespeichert und auf dem Bildschirm dargestellt werden,

a)

stellt dann die Handlung des Sendens der Daten eine Handlung der „Entnahme“ oder der „Weiterverwendung“ durch diese Person dar?

b)

Findet die von dieser Person gegebenenfalls vorgenommene Handlung der Entnahme und/oder Weiterverwendung statt

i)

nur in A,

ii)

nur in B oder

iii)

sowohl in A als auch in B?

Zur Vorlagefrage

18

Mit Unterfrage a möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 der Richtlinie 96/9 so auszulegen ist, dass das Senden von Daten durch eine Person, die von dieser Person zuvor aus einer Datenbank, die durch das Schutzrecht sui generis gemäß dieser Richtlinie geschützt ist, hochgeladen wurden, mittels eines im Mitgliedstaat A befindlichen Webservers an den Computer einer anderen Person im Mitgliedstaat B auf deren Abruf zur Speicherung im Arbeitsspeicher dieses Computers und zur Darstellung auf dessen Bildschirm eine Handlung der „Entnahme“ oder der „Weiterverwendung“ dieser Daten durch die Person, die sie gesendet hat, darstellt. Falls dies bejaht wird, möchte es mit Unterfrage b wissen, ob Mitgliedstaat A, Mitgliedstaat B oder beide Staaten als Ort dieser Handlung anzusehen sind.

19

Das vorlegende Gericht stützt seine Frage auf mehrere Prämissen, deren Richtigkeit ausschließlich seiner Beurteilung unterliegt, nämlich:

„Football Live“ ist eine „Datenbank“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 96/9, die die materiellen Bedingungen erfüllt, von deren Einhaltung Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie den Schutz durch das Schutzrecht sui generis abhängig macht,

Football Dataco u. a. sind Begünstigte des Schutzrechts sui generis an der Datenbank Football Live, und

die Daten, die Gegenstand der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sendehandlungen sind, wurden zuvor von Sportradar aus dieser Datenbank hochgeladen.

20

Zur Unterfrage a hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der Begriff „Weiterverwendung“ angesichts der in Art. 7 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 96/9 zur Definition dieses Begriffs verwendeten Begriffe sowie angesichts des Ziels des vom Unionsgesetzgeber eingeführten Schutzrechts sui generis im allgemeinen Kontext von Art. 7 weit zu verstehen ist und sich auf jede vom Hersteller der durch dieses Schutzrecht sui generis geschützten Datenbank nicht erlaubte Handlung bezieht, die darin besteht, den Inhalt der Datenbank ganz oder teilweise in der Öffentlichkeit zu verbreiten (vgl. Urteil vom 9. November 2004, The British Horseracing Board u. a., C-203/02, Slg. 2004, I-10415, Randnrn. 45, 46, 51 und 67). Art und Form des angewandten Verfahrens sind insoweit nicht relevant.

21

Unter diesen Begriff fällt eine Handlung, die, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, darin besteht, dass eine Person mittels ihres Webservers an den Computer einer anderen Person auf deren Abruf Daten sendet, die zuvor dem Inhalt einer durch das Schutzrecht sui generis geschützten Datenbank entnommen wurden. Durch das Senden werden diese Daten nämlich einem Mitglied der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

22

Der Umstand, dass den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sendehandlungen Vorgänge vorausgegangen sind, an denen Wettdienste anbietende Unternehmen beteiligt sind, denen der Zugang zum Webserver von Sportradar vertraglich erlaubt ist und die diesen Server ihrerseits im Rahmen ihrer Tätigkeit ihren eigenen Kunden zugänglich machen, vermag nichts an der rechtlichen Einordnung der Handlung, mit der Sportradar von diesem Server aus einer geschützten Datenbank stammende Daten an den Computer dieser Kunden sendet, als „Weiterverwendung“ im Sinne von Art. 7 der Richtlinie 96/9 zu ändern.

23

Was Unterfrage b betrifft, hat die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen in Zweifel gezogen, ob ihre Beantwortung in diesem Verfahrensstadium für den Ausgangsrechtsstreit zweckmäßig ist.

24

Insoweit trifft es zwar zu, dass, wie die Kommission ausführt, die Subsumtion der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Handlungen unter den Begriff „Weiterverwendung“ im Sinne der Richtlinie 96/9 vom Ort, an dem sie in der Europäischen Union vorgenommen wurden, unabhängig ist, jedoch ist erstens festzustellen, dass diese Richtlinie keinen Schutz durch das Schutzrecht sui generis schaffen soll, der durch ein einheitliches Recht auf Unionsebene geregelt wird.

25

Das Ziel der Richtlinie 96/9 besteht darin, durch Annäherung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Unterschiede zu beseitigen, die zwischen ihnen im Bereich des rechtlichen Schutzes von Datenbanken bestanden und die das Funktionieren des Binnenmarkts, den freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen innerhalb der Union sowie die Entwicklung eines Informationsmarkts in der Union beeinträchtigten (vgl. Urteil vom 1. März 2012, Football Dataco u. a., C-604/10, Randnr. 48).

26

Zu diesem Zweck verlangt die Richtlinie von allen Mitgliedstaaten, dass sie in ihrem nationalen Recht einen Schutz von Datenbanken durch ein Schutzrecht sui generis vorsehen.

27

In diesem Kontext ist der nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vorgesehene Schutz durch das Schutzrecht sui generis grundsätzlich auf das Gebiet dieses Mitgliedstaats beschränkt, so dass der Begünstigte diesen Schutz nur gegenüber unerlaubten Handlungen der Weiterverwendung geltend machen kann, die in diesem Gebiet stattfinden (vgl. entsprechend Urteil vom 19. April 2012, Wintersteiger, C-523/10, Randnr. 25).

28

Wie aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, muss das vorlegende Gericht im Ausgangsverfahren die Begründetheit der von Football Dataco u. a. geltend gemachten Rüge einer Verletzung des Schutzrechts sui generis beurteilen, das ihnen nach dem Recht des Vereinigten Königreichs an der Datenbank Football Live zustehen soll. Ihre Beurteilung setzt daher die Klärung der Frage voraus, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Handlungen des Sendens von Daten als Handlungen, die im Vereinigten Königreich stattfanden, in den räumlichen Anwendungsbereich des im Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehenen Schutzes durch das Schutzrecht sui generis fallen.

29

Zweitens begründet Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 in Rechtssachen, in denen es wie im Ausgangsverfahren um eine einer unerlaubten Handlung gleichgestellte Handlung oder um Ansprüche aus einer solchen Handlung geht, eine besondere Zuständigkeit des „Gericht[s] des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“.

30

Folglich kann sich die Frage nach dem Ort der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sendehandlungen, die nach dem Vorbringen von Football Dataco u. a. der wesentlichen Investition für die Erstellung der Datenbank Football Live geschadet haben sollen, auf die Frage der Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts, insbesondere für die Klage auf Anerkennung der vorrangigen Haftung von Sportradar in der bei diesem Gericht anhängigen Rechtssache, auswirken.

31

Drittens ist nach Art. 8 der Verordnung Nr. 864/2007 auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einer Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums, die, wie das durch die Richtlinie 96/9 geschaffene Schutzrecht sui generis, nicht „gemeinschaftsweit einheitlich“ im Sinne von Art. 8 Abs. 2 sind (vgl. Randnrn. 24 bis 26 des vorliegenden Urteils), gemäß Art. 8 Abs. 1 „das Recht des Staates anzuwenden, für den der Schutz beansprucht wird“.

32

Diese Kollisionsnorm bestätigt, dass es von Bedeutung ist, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sendehandlungen, unabhängig von ihrer möglichen Lokalisierung in dem Mitgliedstaat, in dem sich der Webserver des Handelnden befindet, im Vereinigten Königreich, dem Mitgliedstaat, in dem Football Dataco u. a. den Schutz der Datenbank Football Live durch das Schutzrecht sui generis tatsächlich beanspruchen, stattgefunden haben.

33

Insoweit muss der Ort einer Handlung der „Weiterverwendung“ im Sinne von Art. 7 der Richtlinie 96/9 wie auch die Definition dieses Begriffs autonome Kriterien des Unionsrechts erfüllen (vgl. entsprechend Urteil vom 21. Juni 2012, Donner, C-5/11, Randnr. 25).

34

Eine Weiterverwendung, die – wie im Ausgangsverfahren – mittels des Servers einer Website vorgenommen wird, ist, wie auch der Generalanwalt in den Nrn. 58 und 59 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, durch eine Reihe aufeinanderfolgender Handlungen gekennzeichnet, die zumindest von dem Zeitpunkt, zu dem die betreffenden Daten zwecks ihres Abrufs durch die Öffentlichkeit auf die Website gestellt werden, bis zur Übermittlung dieser Daten an die interessierten Mitglieder der Öffentlichkeit reichen und im Gebiet verschiedener Mitgliedstaaten stattfinden können (vgl. entsprechend Urteil Donner, Randnr. 26).

35

Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass sich dieses Verfahren der öffentlichen Verfügbarmachung von den traditionellen Arten der Verbreitung grundsätzlich durch die Ubiquität des Inhalts einer Website unterscheidet, die nämlich von einer unbestimmten Zahl von Internetnutzern überall auf der Welt unmittelbar aufgerufen werden kann, unabhängig davon, ob es in der Absicht des Betreibers dieser Website lag, dass sie außerhalb seines Sitzmitgliedstaats aufgerufen wird, und ohne dass er Einfluss darauf hätte (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Dezember 2010, Pammer und Hotel Alpenhof, C-585/08 und C-144/09, Slg. 2010, I-12527, Randnr. 68, sowie vom 25. Oktober 2011, eDate Advertising und Martinez, C-509/09 und C-161/10, Slg. 2011, I-10269, Randnr. 45).

36

Infolgedessen lässt sich nicht schon aus der bloßen Zugänglichkeit der die betreffenden Daten enthaltenden Website im Gebiet eines bestimmten Staates darauf schließen, dass der Betreiber dieser Website eine Handlung der Weiterverwendung vornimmt, die dem in diesem Gebiet im Bereich des Schutzes durch das Schutzrecht sui generis geltenden nationalen Recht unterliegt (vgl. entsprechend Urteile Pammer und Hotel Alpenhof, Randnr. 69, sowie vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a., C-324/09, Slg. 2011, I-6011, Randnr. 64).

37

Würde nämlich die bloße Zugänglichkeit den Schluss zulassen, dass eine Handlung der Weiterverwendung vorliegt, unterlägen Websites und Daten, die, obwohl offensichtlich an Personen außerhalb des Gebiets des betreffenden Mitgliedstaats gerichtet, gleichwohl dort technisch zugänglich sind, ungerechtfertigterweise dem einschlägigen in diesem Gebiet geltenden Recht (vgl. entsprechend Urteil L’Oréal u. a., Randnr. 64).

38

Deshalb reicht im Ausgangsverfahren die bloße Tatsache, dass auf dem Webserver von Sportradar befindliche Daten auf Abruf eines Internetnutzers im Vereinigten Königreich zu technischen Zwecken der Speicherung und Darstellung auf dem Bildschirm an den Computer dieses Internetnutzers gesendet werden, nicht aus, um feststellen zu können, dass die Handlung der Weiterverwendung, die Sportradar hierbei vornimmt, im Gebiet dieses Mitgliedstaats stattfindet.

39

Die Lokalisierung einer Handlung der Weiterverwendung im Gebiet des Mitgliedstaats, in den die betreffenden Daten gesendet werden, hängt vom Vorliegen von Anhaltspunkten ab, die den Schluss zulassen, dass diese Handlung die Absicht der sie vornehmenden Person erkennen lässt, die Personen, die sich in diesem Gebiet befinden, gezielt anzusprechen (vgl. entsprechend Urteile Pammer und Hotel Alpenhof, Randnrn. 75, 76, 80 und 92, L’Oréal u. a., Randnr. 65, sowie Donner, Randnrn. 27 bis 29).

40

Im Ausgangsverfahren kann ein solcher Anhaltspunkt in dem Umstand bestehen, dass zu den Daten, die der Server von Sportradar enthält, Daten über Spiele der englischen Fußballmeisterschaften gehören, was als Beleg dafür geeignet ist, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sendehandlungen von Sportradar in der Absicht vorgenommen wurden, das Interesse der Öffentlichkeit des Vereinigten Königreichs zu erregen.

41

Die Tatsache, dass Sportradar Unternehmen, die an diese Öffentlichkeit gerichtete Wettdienste anbieten, vertraglich das Recht auf Zugang zu ihrem Server gewährt hat, kann auch ein Anhaltspunkt für ihre Absicht sein, diese anzusprechen, wenn – was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist – Sportradar dieser spezifische Verwendungszweck bekannt war oder hätte bekannt sein müssen (vgl. entsprechend Urteile Pammer und Hotel Alpenhof, Randnr. 89, sowie Donner, Randnrn. 27 und 28). Insoweit kann der mögliche Umstand relevant sein, dass die von Sportradar als Gegenleistung für die Gewährung dieses Zugangsrechts festgelegte Vergütung die Bedeutung der Tätigkeiten dieser Unternehmen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs und die Aussichten auf anschließende Abfragen ihrer Website betradar.com durch Internetnutzer in diesem Mitgliedstaat berücksichtigt.

42

Schließlich kann der Umstand, dass die von Sportradar ins Internet gestellten Daten für Internetnutzer im Vereinigten Königreich, die Kunden dieser Unternehmen sind, in ihrer eigenen Sprache, die sich von den üblicherweise in den Mitgliedstaaten, von denen aus dieses Unternehmen seine Tätigkeiten ausübt, verwendeten Sprachen unterscheidet, zugänglich sind, gegebenenfalls die Anhaltspunkte für das Vorliegen eines insbesondere der Öffentlichkeit im Vereinigten Königreich geltenden Vorgehens bestätigen (vgl. entsprechend Urteile Pammer und Hotel Alpenhof, Randnr. 84, sowie Donner, Randnr. 29).

43

Liegen solche Anhaltspunkte vor, ist das vorlegende Gericht zu der Annahme berechtigt, dass Ort einer Handlung der Weiterverwendung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden das Gebiet des Mitgliedstaats ist, in dem sich der Nutzer befindet, an dessen Computer die betreffenden Daten auf seinen Abruf zur Speicherung und Darstellung auf dem Bildschirm übermittelt werden (Mitgliedstaat B).

44

Der von Sportradar vertretenen Auffassung, der zufolge als Ort einer Handlung der „Weiterverwendung“ im Sinne von Art. 7 der Richtlinie 96/9 unter allen Umständen ausschließlich das Gebiet des Mitgliedstaats angesehen werden müsse, in dem sich der Webserver befinde, von dem die betreffenden Daten gesendet würden, kann nicht gefolgt werden.

45

Abgesehen davon, dass es – wie Football Dataco u. a. hervorgehoben haben – bisweilen schwierig ist, den Standort eines solchen Servers mit Sicherheit zu bestimmen (vgl. Urteil Wintersteiger, Randnr. 36), würde diese Auffassung nämlich bedeuten, dass auf den Betreiber, der ohne Zustimmung des Herstellers der durch das Schutzrecht sui generis geschützten Datenbank nach dem Recht eines bestimmten Mitgliedstaats den Inhalt dieser Datenbank online weiterverwendet und dabei die Öffentlichkeit in diesem Mitgliedstaat gezielt anspricht, sein nationales Recht allein deshalb nicht anzuwenden wäre, weil sich der Server des Betreibers außerhalb des Gebiets dieses Staates befindet. Dadurch würde die praktische Wirksamkeit des Schutzes der Datenbank durch das betreffende nationale Recht beeinträchtigt (vgl. entsprechend Urteil L’Oréal u. a., Randnr. 62).

46

Außerdem wäre, wie Football Dataco u. a. ausgeführt haben, die Verwirklichung des mit der Richtlinie 96/9 verfolgten Ziels des Schutzes von Datenbanken durch das Schutzrecht sui generis allgemein beeinträchtigt, wenn Handlungen der Weiterverwendung, die an eine Öffentlichkeit gerichtet sind, die sich ganz oder teilweise im Gebiet der Union befindet, nur deshalb nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie und der innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu ihrer Umsetzung fielen, weil sich der Server der von der diese Handlungen vornehmenden Person betriebenen Website in einem Drittstaat befindet (vgl. entsprechend Urteil L’Oréal u. a., Randnr. 63).

47

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 7 der Richtlinie 96/9 so auszulegen ist, dass das Senden von Daten durch eine Person, die von dieser Person zuvor aus einer Datenbank, die durch das Schutzrecht sui generis gemäß dieser Richtlinie geschützt ist, hochgeladen wurden, mittels eines im Mitgliedstaat A befindlichen Webservers an den Computer einer anderen Person im Mitgliedstaat B auf deren Abruf zur Speicherung im Arbeitsspeicher dieses Computers und zur Darstellung auf dessen Bildschirm eine Handlung der „Weiterverwendung“ dieser Daten durch die Person, die sie gesendet hat, darstellt. Diese Handlung findet zumindest dann im Mitgliedstaat B statt, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die den Schluss zulassen, dass eine solche Handlung die Absicht der sie vornehmenden Person erkennen lässt, Mitglieder der Öffentlichkeit im letztgenannten Mitgliedstaat gezielt anzusprechen; dies zu beurteilen, ist Sache des nationalen Gerichts.

Kosten

48

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 7 der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken ist so auszulegen, dass das Senden von Daten durch eine Person, die von dieser Person zuvor aus einer Datenbank, die durch das Schutzrecht sui generis gemäß dieser Richtlinie geschützt ist, hochgeladen wurden, mittels eines im Mitgliedstaat A befindlichen Webservers an den Computer einer anderen Person im Mitgliedstaat B auf deren Abruf zur Speicherung im Arbeitsspeicher dieses Computers und zur Darstellung auf dessen Bildschirm eine Handlung der „Weiterverwendung“ dieser Daten durch die Person, die sie gesendet hat, darstellt. Diese Handlung findet zumindest dann im Mitgliedstaat B statt, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die den Schluss zulassen, dass eine solche Handlung die Absicht der sie vornehmenden Person erkennen lässt, Mitglieder der Öffentlichkeit im letztgenannten Mitgliedstaat gezielt anzusprechen; dies zu beurteilen, ist Sache des nationalen Gerichts.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.